Zum Inhalt springen

ADB:Kuh, Emil

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kuh, Emil“ von Felix Bamberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 316–317, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kuh,_Emil&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 01:29 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Kuh, Ephraim
Band 17 (1883), S. 316–317 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Emil Kuh in der Wikipedia
Emil Kuh in Wikidata
GND-Nummer 118943774
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|316|317|Kuh, Emil|Felix Bamberg|ADB:Kuh, Emil}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118943774}}    

Kuh: Emil K., geb. zu Wien am 13. Decbr. 1828, war der Sohn eines dortigen wohlhabenden Kaufmanns. Seine Mutter war die Schwester des Mitbegründers der österreichischen Nordbahn, v. Suchrowski. Nach dem Besuche der Gymnasialclassen beendete er 1846 seine philosophischen Studien, trat aber schon im darauffolgenden Jahre in das Geschäft seines inzwischen nach Triest übergesiedelten Vaters. 1854 wurde er durch Vermittelung seines Onkels an der Nordbahn angestellt, schied aber drei Jahre später wieder aus, weil diese administrative Beschäftigung seinen litterarischen Anlagen so wenig wie die kaufmännische zusagte. Im J. 1849 hatte er durch Deinhardstein Friedrich Hebbel kennen gelernt und das Verhältniß, das sich durch den Umgang mit letzterem entwickelte, wurde bestimmend für seine gesammte spätere Entwickelung. Nachdem er bereits mehrfach litterarisch thätig gewesen war und schon 1854 eine Charakteristik Hebbel’s geschrieben hatte, leitete er 1861 das Feuilleton der Oesterreichischen Zeitung, wurde im darauffolgenden Jahre Mitarbeiter der Wiener Presse, wo er besonders die Leistungen des Burgtheaters besprach und hielt Vorträge über deutsche Kultur- und Litteraturgeschichte, denen sich 1864 die über Hebbel, „Ueber den Wendepunkt in Goethe’s Jugend“ und „Ueber die Gesellschaft im classischen Weimar“ anschlossen. Im April desselben Jahres wurde er Professor an der Wiener Handelsakademie und bald darauf kaiserlicher Rath. An einem Brustleiden erkrankt, mußte er die Professur an der Handelsakademie aufgeben, suchte Besserung in Capri und später in Meran und starb daselbst am 30. Decbr. 1876. – Dem 10jährigen Umgange Kuh’s mit Hebbel verdanken wir die hervorragendsten litterarischen Leistungen des ersteren, zunächst die 1865 begonnene und 1867 vollendete Herausgabe der „Sämmtlichen Werke Hebbel’s“ und dann dessen in mehrfacher Beziehung monumental zu nennende Biographie. K., dem Julius Glaser nach einer testamentarischen Verfügung Hebbel’s bei der Herausgabe der sämmtlichen Werke beistand, hat dieselben mit richtigen und fleißig zusammengestellten Anmerkungen versehen, auf welche spätere Biographen und Kritiker stets werden zurückkommen müssen, während die Biographie, bei manchen Fehlern, Vorzüge und Schönheiten enthält, die noch einer allgemeineren Würdigung entgegensehen. Gerade die Darstellung des persönlichen Verhältnisses Kuh’s zu Hebbel gehört mit zu den charakteristischsten und werthvollsien Kapiteln und läßt tiefe Blicke in die Ascese des Dichters, aber auch in alles das thun, was der Schüler dem Lehrer verdankte. Als K. sich im Jahre 1859 mit der talentvollen Sängerin Adele Ferrari verheirathete, konnte er den bis dahin täglichen Umgang mit Hebbel nicht mehr regelmäßig fortsetzen. Die Unterbrechung führte zum Bruche und Glaser scheint die Schuld daran mehr Hebbel als K. zuzuwälzen, wenn er letzterem (s. Biographie, Bd. II. S. 635) schreibt: „Du weißt, was er unter Intimität verstand. Mit seinen produktiven Stimmungen auf wenige Monate und auch dann nur auf wenige Stunden des Tages beschränkt, bedurfte er einer fortwährenden Gelegenheit, die riesige Energie seines Geistes in einem Verkehr zu entladen, der gerade lebendig genug war, um ihn anzuregen, ihm neue Gegenstände von neuen Seiten darzubieten, ihn aus Lebens- und Denkkreisen, die ihm nicht so leicht zugänglich waren, Ansichten zuzuführen, welche mit den Lieblingsmomenten seiner Weltanschauung in Zusammenhang gebracht werden konnten, wobei man sich zu hüten hatte, solche Gegenstände zu berühren, die ihn verstimmten, oder die mit der mächtigen Strömung sich nicht vertrugen, welche in der Tiefe seiner Seele ein noch unabgeschliffenes projectirtes Werk wusch und weiter wälzte“! Der Verfasser dieser Biographie kann aus persönlichem Umgange mit Hebbel die Richtigkeit dieser Auffassung nur bestätigen und hinzufügen, daß Hebbel, wenn er auch stets unendlich mehr gab, als seine Freunde ihm geben konnten, in [317] seiner Messung der ihm zu bringenden Zeitopfer ihre sie selbst oft beherrschenden äußeren Verhältnisse zu wenig beachtete. Aber wie schön und groß er sich selbst bei diesem von ihm einfach als schlechte Erfahrung aufgefaßten Bruche zeigte, geht aus dem Briefe hervor, den er sofort nach dem Eintritt desselben an K. schrieb: „– – – ich will Ihnen die Versicherung, die Sie zu wünschen scheinen augenblicklich geben, die Versicherung, daß ich unter allen Umständen für Sie bleibe, was ich war. Wie könnte dies auch anders sein; uns bindet das Ewige und Unvergängliche, das wir alle mit Ernst und Eifer suchen – – – Alles, was sich auf der Oberfläche der Erde herumdreht, Schäfer und Jäger, Fischer und Gärtner zankt und hadert mit einander, aber die Bergleute in ihrer Nacht leben in Frieden und gewiß fiel in einem Schacht noch nie ein Mord vor. Halten Sie sich meiner daher sicher“. In dem mir vorliegenden Nachlasse von Hebbel finden sich trotz dessen Klagen über Undankbarkeit gegen K. vor, und als dieser nach langjähriger Unterbrechung den kranken Dichter besuchte, äußerte er ahnungsvoll und sarkastisch zugleich: „es muß schlecht mit mir stehen, wenn K. mich besucht“. Hebbel hatte durch die schonungslose Aufrichtigkeit, die ihn auszeichnete, fast zerschmetternd auf das dichterische Talent Kuh’s gewirkt und hiervon ist bei letzterem ein Stachel zurückgeblieben, den er edel genug war durch die umfassende Arbeit über Hebbel’s Leben und Schaffen abzustumpfen. Von den Verstößen gegen die berechtigten Interessen Lebender, und einer der Wirkung des Ganzen schadenden Weitläufigkeit abgesehen, hat K. den Fehler begangen, Hebbel’s Lyrik über seine Dramatik zu stellen und in der Auffassung einzelner Dramen sich dieselben verkehrten Urtheile der Gegner Hebbel’s anzueignen, die er an anderen Stellen so hartnäckig bekämpft. Nichts desto weniger ist sein Buch eines der hervorragenden der neueren kritischen Litteratur. Nächst diesem Werke ist das „Zwei Dichter Oesterreichs, Franz GrillparzerAdalbert Stifter“ betitelte das bedeutendste unter Kuh’s Leistungen. Obgleich manches Vortreffliche enthaltend, zeigt doch gerade diese Arbeit, wie erst die tiefere Beschäftigung mit Hebbel’s litterarischem Nachlaß das ästhetische Urtheil Kuh’s zur Reife gebracht hat. Von ihm sind ferner erschienen: „Friedrich Hebbel, eine Charakteristik“, Wien 1854; „Erzählungen“, Troppau und Leipzig 1857; „Gedichte, Hebbel gewidmet“. Braunschweig 1858. „Die Quelle der Kleist’schen Erzählung Michael Kohlhaas“ in Kolatschek’s Stimmen der Zeit, 1861. Nr. 31. Constant. v. Wurzbach führt im 12. Theil seines biographischen Lexikons des Kaiserthums Oesterreich noch eine nicht unbeträchtliche Anzahl in Zeitschriften erschienener Abhandlungen Kuh’s an.