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ADB:Hase, Karl Benedikt

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Artikel „Hase, Karl Benedict“ von Karl Felix Halm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 725–727, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hase,_Karl_Benedikt&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 22:06 Uhr UTC)
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Hase: Karl Benedict H., Philolog, geb. am 11. Mai 1780 zu Sulza bei Naumburg als Sohn des Pastors Christian Heinrich H., der sich als Uebersetzer mehrerer russischer Reisewerke bekannt gemacht hat, † am 21. März 1864 zu Paris. Nachdem er das Gymnasium zu Weimar, wo der Archäolog Böttiger sein Lehrer war, besucht hatte, widmete er sich seit 1798 auf den Universitäten zu Jena und Helmstädt zuerst dem Studium der Theologie (daher auch seine Kenntniß orientalischer Sprachen), entschied sich aber endlich für die classische Philologie. In Jena, wohin er 1801 zurückgekehrt war, erlernte er durch vertrauten Umgang mit dem Griechen Drosos Mansolas auch das Neugriechische. Mit tüchtigen Sprachkenntnissen ausgerüstet, aber mit spärlichen Mitteln versehen, wanderte er 1801 zu Fuß nach Paris, wo er, an den Archäologen Millin empfohlen, durch Unterrichtsstunden einen nächsten Verdienst zu finden hoffte. Allein diese Hoffnung schlug fehl; mittellos geworden, stand er schon im Begriffe, sich als Soldat anwerben zu lassen, als ein glücklicher Zufall für sein künftiges Schicksal besser entschied. Er begegnete auf einem Spaziergang im Palais Royal dem bekannten Mameluken des ersten Consuls, Jusuf, und redete ihn in arabischer Sprache an. Dieser, erstaunt über Sprachkenntniß des jungen Deutschen, führte ihn auf die türkische Gesandtschaft und machte ihn mit dem griechischen Dollmetscher, [726] dem gelehrten Kodrikas, bekannt, mit dem H. sogleich ein Gespräch in seiner Landessprache anknüpfte. Von Kodrikas wurde er dem Hellenisten Villoison empfohlen, der ihn aufs liebenswürdigste unterstützte. Er führte ihn in die Lesung griechischer Manuscripte ein, beschäftigte ihn mit Copiren von griechischen Texten, und verschaffte ihm Lehrstunden in bedeutenden Häusern. Auch wurde er durch ihn mit Choiseul-Gouffier, der soeben aus dem Orient zurückgekehrt war, bekannt, der ihn mit der Herausgabe der Schriften des Johannes Lydus von dem er ein sehr schlecht erhaltenes Manuscript in Griechenland erworben hatte, betraute. Im J. 1805 erhielt H. nach Villoison’s Tode eine erste Anstellung als employé au Département des manuscrits an der kaiserl. Bibliothek, mit der Aufgabe an der Herausgabe der Notices et extraits mitzuarbeiten; 1816 wurde er zum Professor der griechischen Paläographie und der neugriechischen Sprache an der Ecole des langues orientales ernannt, 1824 wurde er Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles lettres, 1830 wurde er zum Professor der deutschen Sprache und Litteratur an der Ecole polytechnique ernannt, 1832 zum Conservateur en chef au département des manuscrits an der k. Bibliothek, endlich 1852 zum Professor de grammaire comparée an der Faculté des lettres. Im J. 1837 unternahm er eine wissenschaftliche Reise nach Griechenland, 1839 nach dem nördlichen Afrika; die Jubiläumsfeier der Universität Jena 1858 gab ihm erwünschte Gelegenheit, nochmals seine Heimat zu besuchen. – Durch seine überlegenen Kenntnisse im Griechischen und in der Paläographie erwarb sich H. große Verdienste um die Ausbildung und Anregung jüngerer Gelehrter; als Bibliothekar durch die sachkundige Beschreibung zahlreicher neu erworbener oder noch nicht verzeichneter Manuscripte und durch die liebenswürdige Zuvorkommenheit, mit der er alle Gelehrte, welche die Schätze der Pariser Bibliothek benutzten, mit Rath und That unterstützte. Daß er Landsleuten am liebsten gefällig war, durfte er zwar nicht hervorkehren, zumal als es unter seinen Collegen nicht an Neidern fehlte, die auf den Ausländer scheel blickten. Er war aber ein Mann, der sich zu schmiegen wußte und seine geistige Ueberlegenheit niemals zur Schau trug; indeß sein stärkster Schild war seine staunenswerthe Gelehrsamkeit im weiten Gebiete des Wissens, die eine hohe Achtung vor seiner Person einflößte und ihn gegen alle Anfechtungen schirmte. Daß die Denkschriften der Akademie, einen so lebhaften und einflußreichen Antheil auch H. an den Sitzungen der Mitglieder nahm, von seiner umfassenden Gelehrsamkeit so geringen Nutzen gezogen haben, beklagt sein Biograph Guigniant mit gutem Rechte. Er war eben kein fruchtbarer Schriftsteller, sei es aus einer Art von Bequemlichkeit oder weil er an sich selbst zu große Ansprüche stellte oder daß er zu sehr mit den verschiedenartigsten Geschäften überhäuft war; allein auch das Wenige, was er veröffentlicht hat, sichert ihm einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Gelehrsamkeit: in byzantinischer Geschichte und Litteratur galt er unbestritten als der erste Kenner seiner Zeit. In den Notices et extraits erschienen von ihm T. IX. (1810), die „Notices d’un Manuscrit de la Bibliothèque imp. contenant l’ouvrage de Dracon de Stratonicée περὶ μέτρων“, p. 33–78, „De l’Histoire composée par Léon Diacre“, p. 254–96, und „D’un Ouvrage de l’Empereur Manuel Paléologue intitulé: Entretiens avec un Professeur Mahométan“, p. 309–82; in T. IX (1813) die „Notice de trois pièces satyriques imitées de la Nécyomantie de Lucien“, p. 125–268; in T. XI (1827) die „Notice d’un Manuscrit de la Bibl. du Roi, cont. une Histoire inédite de la Moldavie, composée en moldave, par Nicolas Costin et traduite en grec moderne par Alex. Miras“, p. 274–394. Alle diese Mittheilungen sind mit zahlreichen Auszügen aus den betreffenden Schriften und mit lateinischer Uebersetzung versehen. 1819 erschien mit Unterstützung des russischen Reichskanzlers [727] N. Romanzoff seine vollständige Ausgabe der „Historia Leonis Diaconi“ mit „Scriptores alii ad res Byzantinas pertinentes“ (Paris XX u. 326 p. fol.), welche Prachtausgabe sehr selten geworden ist, weil die nach Rußland bestimmten Exemplare mit einem Schiff im baltischen Meere zu Grunde gegangen sind. Die musterhafte Bearbeitung wurde mit neuen Verbesserungen und Zusätzen Hase’s in der Bonner Ausgabe der Byzantiner 1828 wiederholt. Für die Bibliotheca classicorum von Lemaire lieferte H. den „Valerius Maximus“ und „Julius Obsequens de prodigiis“, welche schön gedruckte, aber wenig Eigenes enthaltende Ausgabe 1822 f. in 3 Bänden erschienen ist. Im dritten Bande, der den Obsequens enthält, sind auch analoge Schriften später griechischer Schriftsteller abgedruckt. 1823 folgte Hase’s kritisches Meisterstück, die Bearbeitung der Fragmente des Laurentius Lydus de ostentis et de mensibus, nachdem er schon früher in der Ausgabe von Lydi libri de magistratibus Romanis von J. D. Fuß (s. Allg. D. Z. VIII. 253), 1812 einen gelehrten „Commentarius de Lydo eiusque scriptis“ geliefert hatte. Für den Recueil des Historiens des Croisades sollte H. die griechischen liefern; es wurde aber nur ein kleiner, aber mit reichen historischen und philologischen Anmerkungen ausgestatteter Theil von ihm ausgearbeitet, der als pars prima bezeichnet (154 S. in Fol.) erst 1875 im Tome I der Historiens grecs ans Licht getreten ist. H. war auch mehrere Jahre lang an der Redaction des Journal des Savants betheiligt; aber die wichtigste Arbeit, die man ihm verdankt, sind seine sehr reichhaltigen Beiträge (besonders aus Kirchenvätern, Medicinern, Technikern, Scholiasten, Byzantinern, Inschriften und Papyri etc.) zur neuen Ausgabe des Henricus Stephanus, die er mit den Gebrüdern Dindorf besorgt hat. Noch am Morgen seines Todestags war er mit der Correctur von einem der letzten Bogen des Riesenwerks beschäftigt; am Abend machte ein Schlagfluß seinem Leben ein Ende.

Biographie générale par Hoefer, T. 23. – Augsburger Allgem. Zeitung 1864, Nr. 96 u. 97 in der Beilage (mit interessanten Notizen aus Briefen Hase’s über seine ersten Erlebnisse in Paris). – M. Guigniant, Notice historique sur la vie et les travaux de Ch. B. Hase in den Mémoires de l’Institut T. 27. p. 247–273.