Zum Inhalt springen

ADB:Graß, Philipp

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Graß, Philipp“ von Ludwig Spach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 591–592, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Graß,_Philipp&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 00:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Grassi, Anton
Band 9 (1879), S. 591–592 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Philipp Graß in der Wikipedia
Philipp Graß in Wikidata
GND-Nummer 136117740
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|9|591|592|Graß, Philipp|Ludwig Spach|ADB:Graß, Philipp}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=136117740}}    

Graß: Philipp G., berühmter elsässischer Bildhauer, geboren zu Wolxheim, einem kleinen Dorfe im Unterelsaß, a. 1801, tritt sechzehnjährig bei dem Bildhauer Ohmacht (s. d. Art.) in die Lehre, besucht während mehreren Jahren die Werkstatt des berühmten Bosio in Paris, wird vom Beginn hochgeschätzt von Lehrern und Mitschülern. Im Salon von 1832 erscheint in Gyps sein „Ikarus“, im J. 1855 dieselbe kühne Schöpfung in Erz gegossen, 1833 „Nessus“ in Gyps, 1834 der „Gefangene von Chillon“, 1835 „Susanna“ in Gyps, 1851 in Marmor, furchtsam und keusch vor den Blicken der belauschenden „Alten“ sich zur Hälfte verhüllend; der Künstler wird mit einer Medaille belohnt und nach einem Concurse zum „Bildhauer des Straßburger Münsters“ ernannt; leider eine wenig einträgliche Stelle, die auch nicht ganz dem antiken und romantischen Talente von G. angemessen war. Er verfertigte indeß mehr als hundert Statuen für das herrliche innere und äußere Wunderwerk, z. B. die beiden von Erwin (s. d. Art.) und seiner apokryphen Tochter Sabine am Südportal. Mit unendlichem Tact behielt G. den mittelalterlichen Charakter für seine Münsterschöpfungen bei, aber veredelte die Form. Im Juni 1840 wurde die eherne colossale Statue des Generals Kleber auf dem Barfüßerplatz (place d’armes) aufgerichtet und eingeweiht. Der Künstler verlieh seiner Schöpfung eine große Aehnlichkeit mit dem Original, suchte so viel möglich das Melodramatische des Charakters zu vermeiden; die Draperie ist sehr schön. 1841 bearbeitete er eine Statue der h. Jungfrau für die St. Severinskirche zu Paris, 1844 die kleine naive „Bretagnerin“, auf einem Felsen sitzend, mit nacktem Füßchen menschliche Gebeine berührend, 1846 schuf er eine Gruppe der „Söhne Niobe’s“, 1848 einen „Penseroso“, in demselben Jahre eine symbolische Gruppe in Gyps „Die Vereinigung des Elsaß mit Frankreich“, 1855 „Die Alpenrose“, eine symbolische liebliche Erinnerung an eine Schweizerreise; im Sommer 1857 wird die Statue des populären Präfecten Lezay Marnesi feierlich an der Ecke des Präfecturgartens enthüllt, 1859 erscheint sein „Schnitter“, ein echt griechische Gestalt, mit modern melancholischem Anhauche; in seinen letzten immer noch arbeitreichen Jahren bildet er einen herrlichen Christuskopf, – nicht ganz nach traditionellem Typus, der Gottsohn erscheint eher als ein Priester der Humanität. Eine ganze Reihenfolge von Büsten localer Notabilitäten, in Marmor, feinem Sandstein und Gyps, ging aus der Werkstatt von G. hervor. Wir erwähnen vorübergehend die Büste des Finanzministers Humann, die Statuette des orginellen deutschen Kanzelredners Abbé Mühe. Das geniale Talent von G. ist einer eklektischen Epoche angehörig; er versteht es, antike Ruhe, mittelalterliches Wesen, Romantik (Ikarus, die Flügel zum Aufflug versuchend, die Bretagnerin), moderne Realität, [592] leise zur Sinnlichkeit hinneigend, meisterhaft wiederzugeben. Er war ein dichtender Bildhauer. Den 8. April 1876 fiel er, vom Schlage gerührt, vor seiner Werkstatt nieder. Er starb den 11. April und ward in Wolxheim beerdigt. – Ein Theil seiner Werke ging mit dem städtischen Museum im August 1870 in Brand auf. Den „Ikarus“ bildete er zum zweiten Mal. – 1855 ward er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Vgl. Philipp Grass, sa vie et ses oeuvres, Straßburg 1876, in 8. (der anonyme Verfasser ist Fischbach). Moderne Kulturzustände im Elsaß, Straßburg 1873, II. S. 75 u. f., vom Unterzeichneten.