Zum Inhalt springen

ADB:Frommann, Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Frommann, C. F. E.“ von Friedrich Johannes Frommann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 140–143, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frommann,_Friedrich&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 03:18 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 8 (1878), S. 140–143 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Carl Friedrich Ernst Frommann in der Wikipedia
Carl Friedrich Ernst Frommann in Wikidata
GND-Nummer 118847635
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|8|140|143|Frommann, C. F. E.|Friedrich Johannes Frommann|ADB:Frommann, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118847635}}    

Frommann: C. F. E. F., ist am 14. September 1765 zu Züllichau geboren, wo sein Großvater seit 1726, sein Vater seit 1757 die Buchhandlung des 1719 vom Nadlermeister Samuel Steinbart gegründeten Waisenhauses geführt, der letztere sie 1785 eigenthümlich erworben hatte. Seine Schulbildung verdankte er dem Privatunterricht des reformirten Predigers Mellin, eines Kantianers, von 1780 bis 1782 dem Gymnasium in Neuruppin, an welchem Stuve und Lieberkühn die begabtesten Lehrer waren, und sich neben der geistigen und sittlichen Ausbildung ihrer Schüler auch deren leibliche Stärkung und Abhärtung angelegen sein ließen. Im October 1782 kam er aus Prima nach Berlin, als Lehrling in die Buchhandlung des allgemein geachteten Mylius, bei dem Männer wie Gedike, Biester, Teller, Spalding, Zöllner, Engel, Dohm, Kuhnt mit seinen beiden Zöglingen, den Brüdern v. Humboldt[WS 1], u. A. häufig verkehrten, denen der gut vorgebildete und aufgeweckte Jüngling gefallen mochte. Namentlich war ihm Engel gewogen, wohl wegen ihrer gemeinschaftlichen Vorliebe für die Schauspielkunst, die damals in der Döbbelin’schen Truppe mit Fleck und andern ihre ersten Blüthen trieb. Als älterer College arbeitete neben ihm, seit Mylius’ Tode (December 1784) als Führer der Buchhandlung, Friedr. Vieweg. Sie schlossen eine Freundschaft fürs Leben und vererbten sie auf ihre Söhne. Nach Beendigung der Lehrzeit im Herbst 1785 blieb F. als Gehülfe im Geschäfte in der frohen Hoffnung, im Frühjahre mit seinem Vater die Leipziger Messe zu besuchen und ihm dann fortan zur Seite zu stehen. Da starb dieser plötzlich am 5. März 1786 mit Hinterlassung seiner Wittwe, noch eines jüngeren Sohnes und einer Tochter, deren Unterhalt vom Fortbestehen des Geschäftes abhing. Die Aufgabe, dieses durch seinen Eintritt in die ihm völlig fremden Verhältnisse desselben zu führen, lag schwer auf dem noch nicht volle 21 Jahre zählenden Jünglinge und es bedurfte des ernsten Zuredens des väterlich gesinnten Friedr. Nicolai, ihn dazu zu ermuthigen. Einmal entschlossen und zu Mutter und Schwester zurückgekehrt – der Bruder hatte die landwirthschaftliche Laufbahn ergriffen – arbeitete er, gefördert durch die Freunde der Familie, die nächsten acht Jahre unter Aufgebot aller Kräfte mit solchem Eifer und so gutem Erfolge, daß er 1794 die Handlung sammt Haus und Weinberg seinen Miterben abkaufen konnte. Nun erst hatte er freie Hand zu größeren Verlagsunternehmungen, auf die sein Sinn gerichtet war, und fand auch den dazu nöthigen Credit in dem Vertrauen auf seine Tüchtigkeit. Sein Gedanke war es, das erste griechisch-deutsche Wörterbuch zu verlegen und er gewann dafür den Professor in Frankfurt a. O. Schneider Saxo. – Wie eben sein offener Sinn und das eigene Bedürfniß ihn schon in der Knabenzeit den Freundschaftsbund mit dem Nachbarssohn Ebel, später mit mehreren Mitschülern hatte schließen lassen, so brachte ihm auch das Geschäftsleben und das gemeinschaftliche höhere Streben zahlreiche Verbindungen mit Gleichgesinnten, von denen hier der Gymnasialdirector Fischer und der dramatische Dichter Contessa in Hirschberg genannt werden mögen, mit denen er auch in den auf Hebung der Intelligenz und Moral [141] zielenden Evergetenbund trat, der jedoch bald unterdrückt wurde, und mit Feßler der sich damals in der Freimaurerei hervorthat, an der auch F. eine Zeit lang eifrigen Antheil nahm. Schon im J. 1792 war er, um Fahrenkrüger für eine neue Auflage des Bailey’schen Wörterbuchs zu gewinnen, nach Hamburg gekommen und hatte sich da mit einer Nichte des Buchhändlers Bohn, Johanna Wesselhöfft (geb. 17. Juni 1765) verlobt. Ihr Vater, der strenge Conrector am Johanneum hatte seine Töchter die neueren Sprachen und sonst etwas Tüchtiges lernen lassen, Johanna, der ältesten, fiel überdies durch andauernde Kränklichkeit der Mutter, von ihrem 20. Jahre an die Aufgabe zu, deren Stelle bei Führung des Haushalts und Beaufsichtigung der jüngsten Geschwister und einiger Kostgänger zu vertreten. Ihre gesellige Ausbildung empfingen die drei Schwestern in den verwandten und befreundeten angesehenen Familien, namentlich des englischen Consuls Hanbury und des Dr. Reimarus (Sohn des Verfassers der Wolfenbütteler Fragmente). Am 11. Novbr. 1792 erfolgte die Hochzeit und die Versetzung der jungen, aber durch frühe Erfahrungen an Geist und Charakter gereiften Frau aus der stolzen Reichs- und Handelsstadt in die kleine Provinzialstadt. Schnell fand sie sich auch hier zurecht, gewann den geräuschlosen Verkehr mit befreundeten Familien in der Stadt und den Weinbergen an der Oder so lieb, daß ihr nach 5½ Jahren der Abschied sehr schwer wurde. Dem strebsamen, durch sein bisheriges Glück im Verlage ermuthigten und auf Erweiterung desselben bedachten F. ward es in dem dazu ungünstig gelegenen Züllichau zu eng, er verkaufte das Sortiment und die Grundstücke und siedelte nach Jena über, damals mit Weimar (auch wohl Gotha) ein Hauptsitz wissenschaftlichen und litterarischen Lebens. Hier waren Griesbach, Hufeland, beide Thibaut[WS 2], Loder, Paulus, Niethammer, Schütz, Fichte, Schelling, Hegel, Seebeck vereinigt, zeitweise traten Steffens, beide Schlegel[WS 3], Tieck, v. Hardenberg u. A. hinzu. Mit den meisten und ihren Frauen traten Frommann’s bald in gesellige, mit mehreren in nahe freundschaftliche Beziehungen. Wahrscheinlich durch Loder ward auch die Verbindung mit Goethe vermittelt, die sich in guten und schlimmen Zeiten ungeschwächt und ungestört erhalten, auch auf die Nachkommen beider fortgepflanzt hat. – Und die schlimmen Zeiten kamen bald. Zuerst ward in Folge der Fichte’schen Händel die Blüthe der Universität geknickt und Frommann’s mancher ihrer nächsten Freunde beraubt, deren Stellen erst nach und nach wieder ausgefüllt wurden. Dann kamen die Schreckenstage im October 1806 (das Frommann’sche Haus S. 77 ff.), wobei Frommann’s zwar, Dank der Ehrenhaftigkeit von Buot und Oudinot die Gräuel der Plünderung erspart blieben, deren Folgen aber, wie für alle Gewerbe auch für den Buchhandel sehr drückend wurden. besonders durch das plötzliche Stocken des Credits. Aber wie beide Eheleute in den Tagen vom 13.–18. October weder den Muth noch den Kopf verloren hatten, so wirkten sie nun auch unter großen Einschränkungen unverdrossen mit Gottvertrauen weiter. Und Gott half, denn der eben erst begonnene Verlag von griechischen und lateinischen Lese- und andern Lehrbüchern für Gymnasien, wozu F. Lehrer auf dem in voller Blüthe stehenden gothaischen Gymnasium angeregt hatte, fanden überhaupt und besonders im Königreiche Baiern schnellen Eingang, wohin bei der Reorganisation des Unterrichts Jacobs, Thiersch, Niethammer und Paulus berufen waren. Gerade während des Drucks und Jammers der Franzosenzeit, wo die Masse in Unterwürfigkeit versank, einzelne die allgemeine Noth für sich ausnutzten, faßten sich die besten Naturen zusammen in der Thätigkeit zur Vorbereitung auf die Befreiung des Vaterlandes oder im Dienste der Wissenschaft, der Kunst oder Poesie. Zu diesen gehörte Goethe, der schon sieben Jahre früher seinen deutsch-vaterländischen Gesinnungen in Hermann und Dorothea den reinsten, noch jetzt nicht genug gewürdigten, Ausdruck verliehen [142] hatte. Er zog sich von den niedrigen äußern Eindrücken auf sich selbst, auf seine wissenschaftlichen und dichterischen Arbeiten zurück. Um den mit seiner Stellung in Weimar verbundenen Repräsentations- und geselligen Pflichten zu entgehen, brachte er längere Zeiträume in Jena zu und zwar in den bescheidensten Wohnungen, denn seine Stuben im Schlosse waren mit diesem während der Schlacht zum Lazareth gemacht und sind später den wissenschaftlichen Sammlungen eingeräumt worden. Seine Abende brachte er dann häufig im Frommann’schen Hause zu, eins der wenigen gastlichen, die ihm hier noch geblieben waren, weil es ihm im ungezwungenen Umgange mit Leuten, die ihn verstanden, nicht mehr und nichts anderes von ihm verlangten, als er gerade geben mochte und geben konnte, behaglich war. – Und in diesem Hause war unterdessen eine liebliche Blume aufgeblüht, Wilhelmine Herzlieb, welche Frommann’s nach dem Tode ihrer Eltern in Züllichau als neunjähriges Kind zu sich genommen und mit nach Jena gebracht hatten (das Frommann’sche Haus S. 116). Was man so „eine Schönheit“ nennt, war sie nicht, aber ihr schlanker Wuchs, ihr reiches schwarzes Haar, ihre großen braunen Augen, ihr freundlicher Mund, ihr anspruchlos entgegenkommendes aufmerksames Benehmen, die Anmuth in ihrem ganzen Wesen zogen alle an, die sich ihr nahten, so auch Goethe, der übrigens kurz vorher „seine kleine Freundin“ geehelicht und so seinen einzigen Sohn legitimirt hatte. Sie wiederum war seit Jahren gewohnt, „den lieben alten Herrn“ zu verehren, und so ist es erklärlich, daß auch in ihr eine stärkere Empfindung für ihn erwachte, denn auch als sechzigjähriger war er unwiderstehlich. An eine ernstliche Verbindung dachte keins von beiden, auch nicht nach dem frühen Tode seiner Frau. Doch ließ er es später nicht an gelegentlichen Beweisen seines freundlichen Andenkens an sie fehlen. Was für Leidenschaft in ihm dabei im Spiele gewesen sein mag, davon hat er sich, wie in andern Fällen, so auch diesmal befreit, indem er Züge von ihr seiner Schilderung der Ottilie in den Wahlverwandtschaften eingewebt hat. Ebenso treues, liebevolles Andenken bewahrte ihm Minchen Herzlieb, was sie jedoch nicht hinderte, sich nicht lange darauf während ihres Aufenthaltes in Züllichau mit einem ihr leidenschaftlich ergebenen Edelmanne zu verloben, nach Auflösung dieses Bandes mit einem Berliner Gymnasialprofessor, als auch dieses sich zerschlagen hatte, 1821 in Jena einem achtungswerthen Manne die Hand zu reichen, den sie nicht liebte und nicht lieben lernte, so daß sie zu ihrem Bruder in die Gegend von Züllichau zurückkehrte. Sie starb 1861 an Verknöcherung der Herzadern. Von dieser tragischen Episode im Leben der Frommann’schen Familie zu den Zeiten der Fremdherrschaft zurückkehrend finden wir in Jena einen Heerd vaterländischer Gesinnung, deren Feuer vor allen Heinr. Luden in seinen Vorlesungen über Geschichte und Politik in den Herzen seiner Zuhörer anfachte. Man ließ den Kopf überhaupt nicht hängen, ertrug große Entbehrungen ohne Murren und erfrischte sich in heiterer Geselligkeit der Gleichgesinnten. Im Frommann’schen Hause verkehrten besonders Seidenstücker’s, Fahrenkrüger’s, Knebel’s, Hegel, Oken, Kiefer, v. Münchow, seit 1808 auch der von Heidelberg zurückgekehrte Gries, später Göttling. In demselben Jahre zog die Mutter der Frau F. mit ihrer verwittweten Tochter Bohn und der unverheiratheten jüngsten aus Lübeck hierher. Mit ihnen kam Friederike von Rumohr, deren Bruder Karl Jena auch von Zeit zu Zeit besuchte. Der Vetter M. Hudtwalcker, der später Senator in Hamburg wurde, schrieb hier seine Doctor-Dissertation. Zelter, mit dem 1810 in Dresden warme Freundschaft geschlossen war, versäumte selten vor oder nach seinen Besuchen bei Goethe als sehr willkommener Gast im Frommann’schen Hause einzusprechen. Alle waren verbunden durch warme Vaterlandsliebe, die im entscheidenden Jahre 1813 auch die ganze Bevölkerung ergriff und alle Stände und Berufskreise verband. Dem [143] zweiten Pariser Frieden folgte die Reorganisation der Universität, die Berufung von Docenten, wie Martin, Schmid, Hasse, Fries etc., die Errichtung des Oberappellgerichts, die Stiftung der Burschenschaft und der erneute Flor der Universität. Der neue frische Geist gab auch dem geselligen Leben einen höheren Schwung, auf der Straße und in den Gesellschaften erklangen vaterländische Lieder. Ueberhaupt wurde viel musicirt, zumal wenn Künstler, wie Methfessel mit seiner köstlichen Laune, in Jena einsprachen. Das wurde freilich anders, als die schon 1817 von Fürst Wittgenstein, Kamptz u. A. angeschürte Reaction durch Sand’s unselige That einen erwünschten Vorwand erhielt, ihr Haupt zu erheben und für das, was Einzelne verbrochen hatten, Alle zu strafen, der Freiheit in Rede und Schrift Fesseln anzulegen, worauf es ihnen hauptsächlich ankam, was jedoch – Dank der vielgeschmähten deutschen Zersplitterung – nicht überall ganz gelang, namentlich nicht in Jena. Es wirkte aber doch auf das Leben im Frommann’schen Hause zurück, wozu noch der Schmerz um das Schicksal der Pflegetochter und die Gesundheit der leidenden Hausfrau kam. Ihre letzte Freude war die Verheirathung des Sohnes an die Tochter und Enkelin einer altbefreundeten Familie; wenige Wochen darauf starb sie, 9. Septbr. 1830. Seitdem lebte der Vater mit der einzigen Tochter in demselben Hause mit dem jungen Ehepaare und erfreute sich noch der Geburt mehrerer Enkel. Auch die altgewohnte Gastfreiheit fehlte nicht ganz; am 13. März 1836 wurde im Freundeskreise das goldene Jubiläum des 71jährigen Greises gefeiert, wobei es von nah und fern nicht an Beweisen der Theilnahme fehlte, und im Herbste desselben Jahres nahm er noch lebhaften Antheil an dem glänzenden Verlaufe der 14. Naturforscherversammlung, die ihm viele alte Freunde und neue Bekanntschaften zuführte. Seitdem aber gewann die Brustwassersucht, woran er schon länger litt, neue Kraft und am 12. Juni 1837 erlag sein sonst so gesunder Körper. „War es ihm auch nicht beschieden“ – lautet der Schluß des Frommann’schen Hauses – „Schätze zu erwerben, so ist er doch reich gewesen im Besitze einer Frau und der durch sie geschaffenen Häuslichkeit, wie sie wenigen schöner zu Theil werden dürfte, edler und begabter Freunde, im Genuß höherer Lebensfreuden und der Achtung aller Guten, die dem bescheidenen und rechtschaffenen Bürger nie fehlen kann.“

Das Frommann’sche Haus und seine Freunde. 2. Aufl. 1872.


Anmerkungen (Wikisource)