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ADB:Forster, Reinhold

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Artikel „Forster, Johann Reinhold“ von Alfred Dove in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 166–172, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Forster,_Reinhold&oldid=- (Version vom 11. Dezember 2024, 18:36 Uhr UTC)
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Forster, Johann
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Forster: Johann Reinhold F., reisender Naturforscher, vergleichender Geograph; geboren am 22. Octbr. 1729 in Dirschau, † in Halle am 9. Decbr. 1798. Das Geschlecht, dem F. entstammt, ist schottischen Ursprungs. Unter den zahlreichen Schotten, die in den dreißiger und vierziger Jahren des 17. Jahrh. ins polnische Preußen einwanderten, erscheint auch ein George F., spätestens seit 1642 als Kaufmann in Neuenburg an der Weichsel angesessen. Dessen Sohn Adam siedelte nach Dirschau über, wo er bis zum Bürgermeister emporstieg, und dasselbe Amt haben nach ihm Sohn und Enkel bekleidet, die gelehrten Schöppen und Rathsherren George und George Reinhold F., welche beide deutsche Frauen heimführten. Der Ehe des letzteren mit einer Tochter des Bürgermeisters Johann Wolff ist unser F. entsprungen. – Schon 1735, im sechsten Lebensjahre des Knaben, ward der Vater durch eine Lähmung für Amt und Erziehung untauglich und F. wuchs in freier Selbstbildung heran, zum Theil auf den ausgedehnten Gütern eines Oheims, des polnischen Gardehauptmanns Wolff, in der Dirschauer Starostei, wo er in früher Uebung landwirthschaftliche Kenntniß und reale Naturanschauung gewann. Erst 1743 kam er in die Schule nach Marienwerder, 1745–48 empfing er sodann im Joachimsthalischen Gymnasium zu Berlin den höheren wissenschaftlichen Unterricht. Hier warf er sich mit Eifer und Talent auf das Studium der Sprachen; außer den classischen eignet er sich im Umgang mit ausländischen Mitschülern die wichtigsten neueren an, aber auch Koptisch treibt er schon damals nebenher unter Leitung des Hofpredigers Scholze. Und nicht minder begierig strebt er zugleich nach vielseitigem Wissen auf den Gebieten der Geschichte, der Alterthümer und der damals sogenannten Philosophie. Von Naturkunde ist dagegen kaum die Rede, sodaß die Absicht, Medicin zu studiren, wol nur den Wunsch bezeichnet, in unabhängiger Lebensstellung der polyhistorischen Neigung ferner nachzuhängen. Da jedoch der Vater die im Hause hergebrachte juristische Laufbahn als sicherer vorzog, so schloß man am Ende ein Compromiß auf Theologie, und unter diesem Namen studirte F. 1748–51 zu Halle hauptsächlich Sprachen, mit Vorliebe die orientalischen. Immerhin erwarb er dabei, besonders aus französischer und [167] englischer Lectüre, soviel theologische Gewandtheit, daß er als junger Candidat 1751–53 bei den Reformirten in Danzig durch seine Predigten Aufsehen erregte. Doch nahm er, da der Vater ihn noch versorgt zu sehen verlangte, kurz vor dessen Tod im Herbst 1753 eine Patronatspfarre auf dem Lande an, zu Nassenhuben an der Mottlau, eine Meile südöstlich von Danzig.

Elf und ein halbes Jahr hat F., mit steigender Ungeduld, in dieser Stellung ausgeharrt. Seinem geistlichen Berufe genügte er als einer äußeren Pflicht; stets in der letzten Nacht erst kam die Predigt zu Stande, deren orthodoxe Haltung altmodisch erscheinen mochte. Weitmehr nahmen ihn auch jetzt noch linguistische und historische Studien in Anspruch; er umgab sich mit einer ansehnlichen Sammlung zum Theil seltener Lieblingsbücher. Die bedeutsamste Wendung aber erhielt sein wissenschaftliches Streben sonderbar genug durch den eigenen Sohn. F. hatte sich Anfang 1754 mit einer Cousine aus Marienwerder, Justina Elisabeth Nicolai, vermählt, die in vierundvierzigjähriger Ehe voller Leiden und Entbehrungen an der Seite des überaus schwer zu behandelnden Gatten den Ruhm einer in jeder häuslichen Beziehung musterhaften Frau verdiente. Der erste Knabe nun, der aus dieser Verbindung hervorging, der vielgenannte Georg, entfaltete bereits in den frühesten Jahren die lebhafteste Wißbegierde und zwang so den Vater, das bisher verabsäumte Studium der Naturgeschichte nachzuholen. Mit gewohnter Energie machte sich F. alsbald Linné’s Lehre zu eigen und durchstreifte mit dem Sohne botanisirend und jagend Feld und Wald der fruchtbaren Landschaft. Mehr und mehr ließ er dabei freilich Amt und Würde aus den Augen und sank äußerlich zum guten Kameraden seiner Bauern herab, deren er sich mit derbem Freimuth gegen die Gutsherrschaft wie – in den letzten Wintern des siebenjährigen Kriegs – gegen die russische Einquartierung annahm. In den Streitigkeiten, die ihm hieraus vielfach erwuchsen, enthüllte sich zuerst die Reizbarkeit seines Gemüths, die rücksichtslose Heftigkeit des Gebahrens, welche ihm in allen späteren Tagen und Lagen Unruhe und Feindschaft bereitet hat, und zugleich trat leider eine andere glückzerstörende Eigenheit grell hervor, der völlige Mangel an haushälterischem Sinn. Zeitlebens ist ihm aller Geldbesitz eine Last, die er je eher je lieber loszuwerden eilt. Seine Pfarre trug nur 200 Thaler ein; die Bedürfnisse der rasch anwachsenden Familie – auf Georg folgten von 1756–65 noch zwei Söhne und vier Töchter –, und mehr noch die gelehrten Liebhabereien verschlangen bald das von Vater und Oheim ererbte Vermögen, Stadthaus und Landgüter. Als dann Schulden aufliefen, half die Danziger reformirte Gemeinde mehrmals freiwillig aus, doch zerschlug sich andererseits eben hierdurch die Aussicht auf eine Anstellung in der Stadt selbst. Kein Wunder, daß F. gern die erste Hand ergriff, die sich darbot, ihn einer geistig unbefriedigenden und materiell so drückenden Lage zu entreißen.

Auf den Vorschlag des russischen Residenten in Danzig, Obersten v. Rehbinder, ging er im März 1765 mit einjährigem Urlaub, begleitet von seinem Knaben Georg, nach Petersburg, von wo ihn Graf Orloff zur Untersuchung des Colonialwesens nach Saratow und Umgegend entsandte. Vom Mai bis zum October erforschte der vielseitige Mann die gesammten physischen Verhältnisse der fremden Ansiedlungen an der unteren Wolga, sowie die ökonomischen, socialen und politischen Zustände der Colonisten; überdies fand er Zeit zu allerhand historisch-geographischen Ermittelungen und zur Sammlung mongolischer Münzen und Antiquitäten. Nach Petersburg zurückgekehrt, erhielt F. auf seine Berichte hin den Auftrag, eine Art Gesetzbuch über Grundeigenthum und Ackerpolizei für die Colonien zu entwerfen. Seine Arbeit ward von der Regierung gebilligt, aber durch die Ränke des Woiwoden von Saratow sah er sich um die verhoffte Anstellung bei der leitenden Colonialbehörde betrogen und selbst auf Geldbelohnung [168] wartete er umsonst von Monat zu Monat. Eine akademische Beschäftigung reizte ihn damals nicht, sonst wäre vielleicht ihm der Ruhm der naturwissenschaftlichen Aufdeckung des russischen Reiches zutheil geworden, den nun der jüngere Landsmann Pallas ernten sollte. Indessen war, nachdem man ihn daheim vergebens erwartet und gemahnt, seine Pfarre neu besetzt worden, weshalb er zur Erhaltung seiner Familie in Danzig seine Bibliothek losschlagen mußte. Er selber bestieg endlich im Juni 1766 enttäuscht mit dem Sohn ein englisches Schiff, um in der britischen Heimath seiner Ahnen ein besseres Glück zu versuchen. – Und in der That gelang es ihm dort Fuß zu fassen; die Ergebnisse der russischen Reisestudien gewannen, geschickt benutzt, die ersten Mittel und Verbindungen in London. Einem Posten in den nordamerikanischen Colonien zog F. die Berufung zum Nachfolger Priestley’s an der Dissenterakademie zu Warrington in Lancashire vor, wo er im Juli 1767 als Lehrer der französischen und deutschen Sprache und der Naturgeschichte seine Thätigkeit begann. Auf der Hinreise genügten ihm wenige Tage in Oxford, um neben fleißigem Besuch des botanischen Gartens auch die parische Marmorchronik nochmals genau zu vergleichen. In Warrington versammelte F. seine Familie wieder um sich, aber schon ein Jahr später gab er die Stelle an jener Akademie auf, da man an seinen Sprachlectionen Geschmack vermißt hatte, auch persönliche Reibungen nicht ausgeblieben waren. Er ging zunächst an die hochkirchliche Schule des Orts über, ertheilte auch in der Umgegend Sprachunterricht, ja auf Verlangen sogar kriegswissenschaftliche Privatstunden, bis ihn im Herbst 1770 die Einladung Sir Alex. Dalrymple’s, unter ihm bei der indischen Compagnie Dienste zu nehmen, mit seinem Georg wieder nach London lockte. Aber Dalrymple verlor sein Gouvernement und F. verbrachte, abermals getäuscht, noch anderthalb Jahre in ziemlich dürftigen Verhältnissen in der Hauptstadt, mit litterarischer Notharbeit beschäftigt, die ihn doch in gelehrten Kreisen nicht unvortheilhaft bekannt machte. Excursionen, Museen und Lectüre hatten ihn auf englischem Boden in den naturbeschreibenden Fächern entschieden gefördert, und so ward es ihm leicht, außer mannichfachen Noten zu den von Georg übersetzten Reisebeschreibungen auch selbständig kleine Schriften zur Zoologie, Botanik und Mineralogie zu verfassen. Andere Tractate dienten der Geographie und in einem lateinischen Werk über den Byssus der Alten konnte er in griechischen und orientalischen Citaten seine sprachliche und antiquarische Kunde mit Behagen ausbreiten. Ehe aber dies Buch noch zum Druck gelangte, – es erschien erst nach der Weltreise 1776 –, trat an F. das größte Geschick seines Lebens auffordernd heran.

Sir Josef Banks, der Cook auf dessen erster Entdeckungsfahrt als Naturforscher begleitet, gab gekränkt unmittelbar vor der zweiten Reise die gleiche Absicht auf, und Lord Sandwich forderte statt seiner F. auf, der sich sofort mit seinem Georg zur Theilnahme bereit erklärte. In vierzehn Tagen waren alle Zurüstungen getroffen, – hierzu und zum Unterhalt der zurückbleibenden Familie reichten die bewilligten 4000 Pfund eben hin –, und am 26. Juni 1772 verließen Vater und Sohn London, um am 18. Juli auf Cook’s Hauptschiff, der Sloop Resolution, in Plymouth die Anker zu lichten. Erst am 30. Juli 1775, nach mehr als dreijähriger Abwesenheit, betraten sie zu Spithead wieder europäischen Boden. So gewiß nun F. unter allen Genossen dieser großartigsten und wichtigsten Weltreise Cook’s, der ersten Erdumsegelung in östlicher Richtung und zugleich der ersten südlichen Polarfahrt, persönlich und geistig neben dem Capitän selbst die bedeutendste Gestalt gewesen, wie er denn auf Tahiti schlechthin für Cook’s Bruder galt, ebenso sicher gebührt ihm an dem nautischen und eigentlich geographischen Verdienste der kühnen Unternehmungen des Entdeckers durchaus kein Antheil. Ja auch für die besondere Aufgabe des naturwissenschaftlichen [169] Begleiters nach damaliger Ansicht, für botanische und zoologische Forschung, war der überwiegend oceanische Verlauf der Fahrt in hohem Grade ungünstig; kaum ein Fünftel der Zeit, wenig über zweihundert Tage, verbrachten die Reisenden am Lande, dazu in einer an Thier- und Gewächsarten verhältnißmäßig armen Inselwelt, die überdies großentheils schon von Banks und Solander auf Cook’s erster Expedition berührt worden war. Wenn also der greise Linné, dessen Freundschaft F. vordem durch selbstlose wissenschaftliche Mittheilungen gewonnen, die Rückkehr des eifrigen und geschickten Beobachters und Sammlers mit der Verheißung unsterblichen Ruhmes begrüßte, so beruht doch dessen dauerndes Andenken in der That nicht sowol auf dem, was er als Erforscher der Flora und Fauna der Südsee-Eilande geleistet, als vielmehr auf der Summe seiner Thätigkeit während der Reise überhaupt, wie auf der physikalisch-geographischen Gesammtanschauung, die er dadurch für sich und andere erwarb. F. selbst, weit entfernt, den Zweck seiner Sendung vornehmlich in „das Trocknen von Unkraut und den Fang von Schmetterlingen“ zu setzen, strebte von vornherein als „Schiffsphilosoph“, wie man es in England treffend ausdrückte, nach geradezu universeller Wahrnehmung und darüber hinaus durch Vergleichung und Ordnung des Wahrgenommenen nach einem System der Erkenntniß der Erdnatur, in welches er ganz in modernem Sinne die Völkerkunde als Anthropologie mit einbegriff. Als den Schöpfer der physikalischen Geographie dürfte man ihn freilich nicht bezeichnen, den Aufriß dieser Disciplin entnahm er vielmehr dem einige Jahre früher erschienenen grundlegenden Buche des schwedischen Chemikers Torbern Bergmann, wie er die Technik der Einzelbeobachtung Linné, das Vorbild geistreicher Anschauung Buffon verdankte. Von solchen Anregungen bestimmt, vermochte nun aber F., gestützt auf eine unendlich vielseitige, wenn auch nirgend tiefe Bildung, mit der rastlosen Lebendigkeit seines klaren Kopfes, getragen von einer vollkommenen körperlichen Organisation, die reichste Fülle rasch wechselnder Reiseeindrücke in sich aufzunehmen und in jenem Sinn einer physischen Erdbeschreibung wissenschaftlich zu verarbeiten. Nicht die einzelnen Ergebnisse, die er so gewann, sind dabei das merkwürdigste, wie wenn er die damals streitige Gefrierbarkeit des Seewassers siegreich gegen Cook behauptete oder zuerst versuchte, die Temperatur größerer Meerestiefen zu erkunden, wenn er die geringere Gesammtwärme der südlichen Erdhälfte von ihrer größeren Wasserbedeckung ableitete oder die südliche Zuspitzung der Continente von einer hypothetischen Fluth der Vorzeit, wenn er aus den Riffbauten der Korallen auf Hebung oder Senkung des Meeresbodens schloß, wenn er auf die Regeln der Vertheilung der Organismen über die Inseln hindeutete oder auf die Sprach- und Stammverwandtschaft ihrer menschlichen Bewohner, über deren Sitten er mit der humanen Vorliebe des Zeitalters umständlich „philosophirte“. Bedeutender als alle solche, mehr oder minder richtige Gedanken ist, wie gesagt, die Gesammttendenz, die sich in ihnen ausspricht, durch vergleichende Betrachtung zu einer umfassenden, einheitlichen Ansicht der physikalischen Beschaffenheit der Erde vorzudringen. Mit eben dieser Tendenz aber erfüllte F. zugleich den treuen Gehülfen bei seiner Wanderforschung, seinen Sohn Georg, von dem hinwiederum der junge Alexander v. Humboldt später den entscheidenden Anstoß empfing, um in der nämlichen Richtung, soweit möglich, zum Ziele zu gelangen. Wenn daher Humboldt im Kosmos durch Georg anstatt durch Reinhold F. „eine neue Aera wissenschaftlicher Reisen beginnen läßt, deren Zweck vergleichende Völker- und Länderkunde ist“, so hat ihn dazu wol persönliche Dankbarkeit gegen seinen „berühmten Lehrer und Freund“ verleitet; immerhin aber mußten Schicksal und Benehmen Reinhold Forster’s nach der Heimkehr von der großen Fahrt eine derartige Verhüllung des wahren Verhalts selbst befördern.

[170] Die Jahre der Weltreise bilden den schnell überstiegenen Gipfel in Forster’s Leben. In England anfangs bei Hof und in Gesellschaft wohl empfangen, von den gelehrten Kreisen des In- und Auslandes mit Ehren gefeiert, muß er doch vor allem danach streben, den geistigen Ertrag der Wanderschaft äußerlich zu verwerthen, und hierin sieht er sich aufs neue bitter getäuscht. Nachdem er kaum vier Monat nach der Landung mit dem Sohne zusammen die „Characteres generum“ der unterwegs entdeckten Pflanzen in übereilter und deshalb ungenügender Ausgabe auf den Markt geworfen, macht er sich an die Reisebeschreibung selbst, die ihm von der Admiralität zuerst mündlich allein aufgetragen, im April 1776 contractlich mit Cook gemeinsam überlassen ward. Sofort jedoch bricht ein Conflict aus, an dem die Unzuverlässigkeit und vielleicht die nationale Engherzigkeit der britischen Minister mindestens ebensoviel Schuld tragen, wie Forster’s unkluger Starrsinn und rücksichtslose Leidenschaftlichkeit. Man verbietet ihm zunächst jede eigentliche Erzählung, statt deren er nur philosophische Bemerkungen zu liefern habe, und entzieht ihm endlich gar die versprochene Hälfte des Gewinns aus den kostbaren, für das Gesammtwerk bestimmten Kupfern. Dem ersten Streich wußte nun F. zu begegnen, indem er seinen Sohn für sich auftreten ließ; die im März publicirte englische Reiseschilderung („A voyage round the world“ etc.) ist litterarisch und stilistisch allerdings die Arbeit Georg Forster’s, der thatsächliche Gehalt aber gehört nichtsdestoweniger Reinhold F. an, dessen höchst ausführliche Tagebücher der Sohn mit emsiger Hast – denn es galt Cook’s Agenten zuvorzukommen – umschrieben und hie und da mit jugendlich empfindsamen Reflexionen ausgestattet hat. Ein Jahr darauf trat Reinhold selber mit seinen „Observations on physical geography, natural history and ethic philosophy“ hervor, in denen er nach Bergmann’s Schema einen Ueberblick über die erdphysikalischen Resultate seiner Fahrt gibt; auch diese gedankenreiche Schrift gewährt jedoch, entstanden wie sie ist unterm Drucke der Noth und der Verbitterung, keineswegs einen völlig deckenden Ausdruck der oben skizzirten Bedeutung Forster’s für die Geschichte der Geographie und des Reisewesens. Zur beabsichtigten Publication der speciellen Beschreibung der neuen Thiere und Gewächse fanden beide F. unter den damaligen traurigen Umständen vollends keine Möglichkeit; nur Bruchstücke des phytologischen Materials hat Georg hernach gelegentlich bearbeitet, die zoologischen Entdeckungen Reinhold’s sind erst 1844 von Seiten der Berliner Akademie veröffentlicht worden. – Mittlerweile, während der Weltruf des Gelehrten wuchs, war Forster’s bürgerliches und sittliches Dasein dem Untergange nahe. Hatte er noch im Herbst 1776 in vergeblicher Hoffnung auf litterarische Anknüpfung einen Ausflug nach Paris unternehmen können, so ward er seit Anfang 1777 durch seine Gläubiger in London, seit Herbst 1778 in Paddington Green bei London, festgehalten. Im Trotz auf sein Recht bald jähzornig aufbrausend, bald gleichgültig dahinlebend sah er sich und seine tiefleidende Familie dem äußersten Elend verfallen; aber obwol die Töchter in ihrer Dürftigkeit nicht auszugehen wagen, kauft er dem alten Hange fröhnend mit geliehenem Gelde Bücher, die ihm doch alsbald mit der übrigen Habe wieder abgepfändet werden. Indem er seine Forderung an Lord Sandwich auf 20–30000 Thaler berechnet, steigt seine eigene Schuld von Tag zu Tag bis über tausend Pfund. Daß er selber im Schuldthurm gesessen, läßt sich den Behauptungen von Zeitgenossen gegenüber kaum von der Hand weisen und wird durch die gewundene Ableugnung des Sohnes (bei Strieder Bd. IV) eher bestätigt, doch kann ihn, ungedruckten Briefen zufolge, höchstens vorübergehend, im J. 1779 etwa, dies schlimmste Loos getroffen haben; im allgemeinen befand er sich unterm Schutze des preußischen Gesandten persönlich in Sicherheit. Von Preußen verhoffte er [171] denn auch vornehmlich seine Erlösung, doch verzögerte der baierische Erbfolgekrieg den Erfolg seiner Bemühungen, und erst die mündlichen Unterhandlungen, die Georg im Februar 1779 mit dem Minister v. Zedlitz pflog, führten zu der rettenden Berufung nach Halle. Daß Reinhold F. dennoch erst im Juli 1780 dort eintraf, lag an der Schwierigkeit einer Ausgleichung seiner Bedürfnisse mit den knappen Mitteln des preußischen Staates; ja der Loskauf von den Londoner Verbindlichkeiten gelang nur durch eine Sammlung von Spenden, zu denen sich die kleineren Fürsten Deutschlands, vor allen der Herzog von Braunschweig und durch diesen die Brüder der deutschen Logen in nationaler Theilnahme bereit fanden; grollend, da er nicht Almosen suche, sondern das Seine, nahm F. die befreiende Gabe an.

Die Professur der Eloquenz und des Griechischen, die man ihm erst zugedacht, hatte F. entschieden ausgeschlagen, jetzt trat er die der Naturgeschichte und Mineralogie an, ward als solcher Doctor der Philosophie, Geheimrath und als zeitweiliger Aufseher des botanischen Gartens auch in die medicinische Facultät aufgenommen. Mehr als achtzehn Jahre, bis an seinen Tod, blieb er so eins der berühmtesten Mitglieder der Hallischen Universität und doch keins ihrer nützlichsten. An Eifer zwar ließ er es in der akademischen Lehrthätigkeit durchaus nicht fehlen; außer den mannichfachen Zweigen der Naturbeschreibung las er auch über Cameralia, z. B. über Landwirthschaft, ja selbst über Universalgeschichte und als Specialität über Reisekunst. Aber bei aller Fülle des Wissens gebrach es ihm an methodischem Ernst und zudem sogar seinen Zuhörern gegenüber an Selbstbeherrschung; bald klagt er, daß nur seine Publica besucht seien. Noch mehr jedoch ließ er collegialische Haltung vermissen; Eigensinn und Hitze, die alten Untugenden, die er so wohl an sich kannte, überwand er auch hier nicht; dazu kam selbstbewußte, schonungslos witzige und indiscrete Kritik manches ihm geistig nicht ebenbürtigen Amtsgenossen, in späteren Jahren auch gerechter Unwille seiner echt religiösen Seele über die kirchlichen Streber der Tage Wöllner’s; endlich die ewige Geldnoth, die ihn zum unbequemen Freunde machte, wie er denn darüber selbst mit den Freimaurern in Halle zerfiel, an deren Spitze er eine Zeit lang gestanden. Umsonst brachte er, sanguinisch wie immer, wenn er nicht cholerisch war, beim Czaren Paul oder bei dem neuen britischen Ministerium seine alten Verdienste und Ausstände in Erinnerung. – Auch seine litterarische Thätigkeit ward bis ans Ende zumeist durch seine wirthschaftlichen Verlegenheiten bestimmt, sodaß er selbst bis zur Anfertigung naturhistorischer Kinderschriften hinabstieg. Den breitesten Raum nehmen zahlreiche Uebersetzungen und Bearbeitungen namentlich geographischer Neuigkeiten ein, wobei sein Schwiegersohn, der Historiker Matth. Chr. Sprengel, ihm fleißig an die Hand ging; niemand wird bestreiten, daß auch diese unselbständigen Arbeiten, wie insbesondere die „Beiträge zur Völker- und Länderkunde“ (seit 1781) und das „Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen“ (seit 1790) den continental beschränkten Gesichtskreis des deutschen Publicums jener Jahre durch verhältnißmäßig gediegene Belehrung beträchtlich erweiterten. Höheren Rang nimmt natürlich Forster’s 1784 erschienene „Geschichte der Entdeckungen und Schifffahrten im Norden" ein, die, auch als historischer Versuch betrachtet, zu den besseren Leistungen der Zeit gehört. Unter den übrigen Schriften eigenthümlichen Inhalts seien erwähnt die chemisch-technologischen über Lohgerberei, Mörtelbereitung etc. und die „Beobachtungen und Wahrheiten … zur künftigen Entwerfung einer Theorie der Erde“ vom J. 1798, Forster’s letztes Werk, worin er noch einmal seine alte Fluthhypothese vorträgt, nun in Verbindung mit den damals modernen geologischen Ideen. Ungleich interessanter bleibt indeß das „Tableau d’Angleterre p. l’a. 1780“, das F. anonym 1783 herausgab, um sich an den „großen [172] Bösewichtern in England“ zu rächen, was er um so lieber that, da man ja drüben Deutschland und König Friedrich ungestraft verleumde. Das Büchlein, das die erwartete Aufmerksamkeit des Berliner Hofes doch nicht erregte, bietet, von seinen persönlichen Anzüglichkeiten abgesehen, eine wohlgelungene politisch-statistische Schilderung. – So in nicht unersprießlicher, aber ungemüthlicher Brotarbeit erreichte F. das Ziel seiner Tage; auch die peinliche Krankheit, der er erlag, eine Verknöcherung der Aorta, schob er jenem widerwärtigen Sitz- und Schreibzwange zu. Recht wohl war ihm nur inmitten seiner reichen, trefflich geordneten Sammlungen und der neu beschafften merkwürdigen Bücher und Karten, oder im Verkehr mit den wenigen Freunden, welche die Geduld besaßen, durch die stachlichte Schale seines Temperaments bis zum gutmüthigen, geistreichen und stets originellen Kerne seiner Natur vorzudringen. Von dem innigsten Gefährten seiner besten Jahre, von seinem Georg, der soviel für ihn gethan und durch ihn gelitten, war er zuletzt, überwiegend durch eigene Schuld, völlig geschieden; zu spät beklagte er dessen tragischen Hingang. Seine mannichfaltigen Gaben, unter denen nur leider die der Mäßigung, seine umfassenden Kenntnisse, unter denen allein die Menschenkenntniß fehlte, bewunderte auch an dem Greise noch jedermann; selbst Fr. Aug. Wolf zog ihn wol über Fragen des Alterthumes zu Rathe; Friedrich der Große, dem er 1780 persönlich vorgestellt worden, vergalt ihm begeisterte Verehrung mit wohlwollender Schätzung. Gerade im Gespräch mag bisweilen die Summe seines Wesens deutlich erschienen sein, das weder in seine Schriften noch gar in seine Aemter ganz einging; am meisten gesammelt trat es ohne Zweifel auf dem Schiffe Cook’s und den Inseln des Südmeeres in lebendigem Anschauen und Forschen ans Licht. Wieviel er durch Anregung oder nach seiner Weise durch Aufregung gelegentlich gewirkt, ist unmöglich zu ermessen, doch darf man sagen, daß er auch hierdurch wie überhaupt die Epoche Humboldt’s und somit Ritter’s und seiner Nachfolger, das Zeitalter der vergleichenden Erdkunde für Deutschland hat heraufführen helfen.

Eigene Notizen R. Forster’s in Jakob’s Annal. d. Philos., philos. Anzeiger St. 2 u. St. 16, Halle 1795. – Ungedruckte Briefe an Buchhändler Spener in Berlin v. 1775–98, im Besitz des H. Jul. Löwenberg in Leipzig. – Neue Schriften der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin II. 414, Berlin 1799. – N. teutscher Merkur, 1799 I. 33, 234; II. 8; 1805 II. 261. – Daraus Schlichtegroll, Nekrolog auf 1798 I. 210. – F. Strehlke, Aus der Umgegend von Danzig; Programm der Petrischule zu D., 1862 u. 63. – Schriften bei Meusel III. – Vgl. Art. von Eckstein bei Ersch u. Gruber.