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ADB:Egler, Ludwig

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Artikel „Egler, Ludwig“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 278–280, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Egler,_Ludwig&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 06:46 Uhr UTC)
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Egler: Ludwig E., hohenzollernscher Dichter und Schriftsteller, wurde am 24. August 1828 in dem damaligen fürstlich hohenzollernschen Residenzstädtchen Hechingen geboren, als Sohn des Seifensieders Karl E., dessen Großvater im 18. Jahrhundert dahin aus der Schweiz eingewandert war.[1] Familienverhältnisse zwangen den begabten, nach Wissen drängenden jungen Mann, sich nach der Volksschule dem väterlichen Gewerbe zu widmen, woneben er sich durch Lecture und Selbststudien unablässig fortbildete. Länger kränklich gewesen, ging er erst im 21. Jahre, 1850, auf die übliche Wanderschaft, durch Württemberg rheinabwärts bis Westfalen; in Darmstadt und Neuwied arbeitete der Gesell am Siedkessel und zog Dochte durch Lichter. Dann focht er sich übers Hannöversche und Braunschweigsche – in Helmstedt trat er wieder in Arbeit – nach dem Osten durch, um in Berlin, Dresden, Weimar Museen, Theater und Bibliotheken zu besuchen. So war dieser Jüngling mit den Siebensachen im Felleisen auf dem Rücken also kein Durchschnittshandwerksbursche: nach freien, weiten Blicken in Natur und Cultur stand der Sinn des Lerndurstigen, und seine Aufzeichnungen aus jenen Jahren „auf der Walz“ belegen diesen Trieb, die schöne Welt zu sehen, um die Eindrücke des geistig Großen in sich einzufangen. So hat E. danach auch Oesterreich, die Schweiz und das Elsaß bereist, mit wahrem inneren Nutzen. 1854 mußte er sich daheim in Hechingen niederlassen, um das Siedereigeschäft des Vaters zu übernehmen. Rastlos war er fürder bemüht, sich durch regelmäßige Umschau über die Fortschritte der allgemeinen Bildung in der Enge des kleinlichen Horizonts seines Heimathsländles und Wohnsitzes auf dem Laufenden zu erhalten. E. blieb der geliebten Muse treu und fand in ökonomisch-socialer Unabhängigkeit und glücklichstem Familienleben die Möglichkeit, litterarisch, namentlich auch journalistisch zu wirken. Dabei trat der um Communal- und Landesverwaltung verdiente Mann entschieden jedem Rückschritt entgegen, bis sein Streben, aufs Empfindungs- und Gemüthvolle angelegt und nicht für den Tagesstreit actueller Politik, angesichts der übermächtigen klerikal-conservativen Gegnerschaft sich vom öffentlichen Leben ab- und außer humanitären Bestrebungen seinem Schaffen, der Freude an den Geheimnissen heimathlicher Natur und Volksseele ausschließlicher zuwandte. Seit 1871 hat er eine Reihe von Jahren die „Hohenzollernschen Blätter“ redigirt.

Insbesondere widmete er schon von früh an die wärmste Theilnahme dem Sammeln und Verarbeiten aller Mittheilungen und alles Wissenswürdigen über Vergangenheit und Civilisation des hohenzollernschen Gebiets, und aus dieser unermüdlichen herzlichen Hingabe entsprangen wol alle seine Veröffentlichungen. Schon sein eigentliches Erstlingswerk (1857): „Sonetten-Kranz [279] zur Erinnerung an das Leben und den Tod der Fürstin Eugenie von Hohenzollern-Hechingen“, einer geistig bedeutenden, Wohlthaten halber warm verehrten Frau († 1847). Das nächste, größere Ergebniß jener sorgsamen Thätigkeit, „Aus der Vorzeit Hohenzollerns. Sagen und Erzählungen“ (1861), brachte Volksüberlieferungen und Legenden poetisch gefaßt, allerhand geschichtliche Sagen in gewandter Balladenform, dazu culturgeschichtliche Prosaerzählungen. Eigentlich galt es als achte Lieferung oder Supplement 1. Lieferung zu J. Barth, „Hohenzollernsche Chronik oder Geschichte und Sage der hohenzollernschen Lande“, enthält auch die sog. „Hohenzollernsche Hochzeit“ von 1599 in Prosaform und einen Artikel über Volksbelustigungen. Hiermit hängt, durch „Der Sylvesterabend im Spiegel des Volksglaubens. Ein ländliches Bühnenstück“ (1870) repräsentirt, sein erster Ausflug ins dramatische Fach zusammen, in welch letzterem er sich dann auch in „Deutschlands Ehrenkampf 1870–71. Dramatische Bilder“ (1873) versucht hat. Es entwickelte sich aus dieser Beschäftigung mancherlei, theilweise innige Beziehung zu Freunden solcher Pflege der Kenntniß „guter alter“ Zeit, so zu dem grundgelehrten Bonner Professor Anton Birlinger, Graf Stillfried, Michael Buck, dem E. mannichfach verwandten, u. a., mit denen er seitdem Briefe, Bücher, Besuche wechselte – das Glück und der Stolz des litterarisch einsamen Mannes. Sein genanntes breiteres Werk brachte es, nachdem E. unter Birlinger’s fortwährenden Anregungen seine Kenntniß und Materialsammlung in engerer Territorialhistorie immer mehr ergänzt und vertieft hatte, 1895 zu einer völligen Neugestalt als „Mythologie, Sage und Geschichte der hohenzollernschen Lande“, die beste Zusammenfassung des einschlägigen Stoffes, nur durch seine eigene reiche Specialbibliothek ermöglicht. Andererseits stellte er seinem angeführten poetischen Debüt noch 1884 ein „Leben der Fürstin Eugenie von Hohenzollern“ zur Seite. Außerdem hat er sich durch Ausschluß und Erschließung der heimathlichen Gegenden vielfältiges Verdienst erworben. Dahin rechnen: „Führer durch Hohenzollern. Ein Handbüchlein für Reisende. I. Führer durch Hechingen und die Burg Hohenzollern“ (1863; neubearbeitet 1898); „Der Curort Imnau mit Umgebung und die Stadt Haigerloch“ (1864), „Schwefelbad Sebastiansweiler und Umgebung“ (1886), die auf die Dauer werthvolle, wenn auch nicht streng kritische „Chronik der Stadt Hechingen“ (1887), nach dem Urtheile von Kennern gründlich und einsichtsvoll, eine gediegene stoffreiche Festschrift zur 1100jährigen Jubelfeier seines Geburtsorts.

E. vermochte daneben die Lust, seine Beobachtungen wie seine Gefühle dichterisch und in der geliebten heimischen Abart des schwäbischen Dialekts wiederzuspiegeln, auch unter dem Drucke der prosaischen Alltagsbeschäftigung nicht zu bändigen. Im J. 1855 ließ er zuerst ein Gedicht drucken, und von da an hat er den Musendienst nie abgebrochen. Seine Sammlung dieser Erzeugnisse, „Aus’m Zollerländle. Gedichte und Volksthümliches in schwäbischer Mundart“, 1881, leitet ein mehrstrophiges köstlich naives Bekenntniß „Wia oam d’Versle kommet“, ein, dessen bezeichnender Anfang lautet: „Miar sitzt’s so warm im Heaza drinn, ’S thuat wunderbarlich treiba; Gedanka kummt miar in Sinn, Ka’s saga kaum und schreiba. Au wechslet’s oft, – bald ischt es trüab, Bald hell wia Summermorga, ’S isch, wia wenn oas a schtille Liab Im Heaza hält verborga“. Es tritt hier alles in selbständiger poetischer Form vor uns hin. Daneben stellt sich der Schluß des poetischen Grußes, mit dem der alte E. zu Anfang seines genannten Compendiums „Mythologie u. s. w.“ 1894 den Leser ins „Reich der Sage“ einführt: „Das Liederspiel der Sage ist verklungen Gleich einem abendlichen Harfenhauch, Tief hat es mich und wunderbar durchdrungen, und was in meine Seele sie gesungen, [280] Ich geb’ es wieder nach Poetenbrauch“. Dies betrachte man als Motto seines vielgeübten Reproducirens.

E. war sicher kein Localgeschichtensammler und Gelegenheitsgedichte verbrechender Handwerksmeister im gewöhnlichen Sinne. Ein berufener Richter seiner ortsgeschichtlichen Arbeiten, der ihn auch genau gekannt und liebevoll geschildert hat, der fürstliche Hofrath und Archivdirector Dr. K. Th. Zingeler in Sigmaringen, sagt, E. sei stets ernst und gemessen, grüblerisch, kein Kopfhänger gewesen, selbstbewußt ohne Hochmuth. Er wie ein anderer persönlicher Bekannter, der Nekrologist der „Frankf. Ztg.“, erwähnen Egler’s merkwürdiges fesselndes bezw. glänzendes weit schauendes Auge, der letztere auch seinen echten Dichterkopf. Ueber seinen Werth und sein Sonderwissen wol klar, lernte er doch bescheiden immer gern gerade auf dem Felde, da er so gut zu Haus war, der Kunde von Bau- und Kunstdenkmälern, der vor- und frühgeschichtlichen Tradition Hohenzollerns von anderen. Auch die äußeren Anerkennungen fürstlicherseits, die Vertrauens- und Ehrenämter bei Gemeinde und Staat stiegen dem aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden, in ihnen als Geschäftsmann drinsteckenden, nicht zu Kopfe; das Glück geistiger Arbeit, die Wonne litterarischen Gelingens, das Lob berufener Kenner, überwogen ihm jene Würdigungen bei weitem. Aus den zwei letzten Strophen der oben citirten autobiographischen mundartlichen Selbsteinführung charakterisiren ihn folgende Worte sehr deutlich in dieser Hinsicht: „Ma möcht’s nau saga jederma Sei Glück, sei Innras, zeiga … Nur hie oder do, am reachtan Oat Und au zua gwissa Schtunda, do kama’s saga, findt ma d’ Woat zu dem, was ’s Heaz empfunda … Schön reiht ses anander a, Was aus’m Heaza klunga; So geit’s halt no a Liadle na Wia des, wo grad i gsunga“.

Vgl. J. Kehrein, Biographisch-litterar. Lexikon d. kathol. dtschn. Dichter im 19. Jhrh. I 85 (gibt auch an: „Alles f. d. Himmel. Mit Gedichten aus d. Engl. Mit Dr. Plifke. Ravensburg 1865. – Beiträge in Lang’s Hausb. u. verschied. kathol. Zeitschr.“); Brümmer, Lex. d. dtsch. Dicht. u. Pros. d. 19. Jhrh.4 u. 5 I 307 (535); Wienstein, Lex. d. kathol. dtsch. Dichter (1899) S. 89 f. – Aus den Nachrufen der landsmännischen Zeitungen und Zeitschriften sind zu nennen: Hohenzollernsche Blätter (die er einst leitete) v. 3. Aug. 1898, Hohenzollernsche Volkssztg. v. 4. Aug., Schwarzwälder Bote, Schwäbisch. Merkur, Tübing. Chronik, alle schon am Todestage; Blätter des Schwäb. Albvereins; „Schwabenland“ 1898 Nr. 17 (v. A. Holder; mit Egler’s Bild); seines Freundes Birlinger „Alemannia“ XXVI S. 190–191 (A. Holder). Alle diese Nekrologe verzeichnet der gediegene warme Artikel Zingeler’s, den wir mit Dank benutzten, in Bettelheims „Biogr. Jhrb. u. Dtsch. Nekrlg.“ III 115–7; vgl. außerdem (L.) L(evi – Hechingen?) i. d. „Frankftr. Ztg.“ v. 3. Aug. 1898 Abendbl., S. 2.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Egler, Ludw. XLVIII 278 Z. 19 v. o. l.: † am 2. Aug. 1898 zu Hechingen. [Bd. 56, S. 396]