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ADB:Baer, Karl Ernst Ritter von

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Artikel „Baer, Karl Ernst von“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 207–212, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baer,_Karl_Ernst_Ritter_von&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 20:23 Uhr UTC)
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Baer: Karl Ernst von B., berühmter Naturforscher, entstammt einer alten, ursprünglich in Westfalen ansässigen deutschen Familie, von der ein Sprosse etwa um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts nach Livland kam. Karl Ernst wurde am 17./28. Februar 1792 als Sohn des Gutsbesitzers Magnus Johann v. B. auf dem Landgute Piep in Esthland geboren. Seine erste Erziehung erhielt er im Hause seines Onkels Karl Heinrich v. Baer in Lassila; dann kam er 1807 nach Reval in die sogenannte Ritter-Domschule, die er 1810 mit dem Zeugniß der Reife verließ, um in Dorpat sich dem Studium der Medicin zu widmen. Seine Pflegeeltern, sowie sein Vater, hatten eigentlich gewünscht, daß Karl Militär werden sollte; anfangs schien der Jüngling diesen Plänen auch nicht abgeneigt. Was ihn schließlich veranlaßte, sich der Medicin zuzuwenden, ist unbekannt. Im August 1810 wurde der junge Karl an der Universität zu Dorpat immatriculirt; am 29. August (10. September) 1814 wurde er nach Vertheidigung einer lateinischen Dissertation („De morbis inter Esthonos endemicis“ (88 S.) zum Dr. med. promovirt. Während der Studienzeit hörte B. Vorlesungen beim Botaniker Ledebour, beim Anatomen Cichorius, beim Physiologen Burdach, – Präparirübungen wurden nicht abgehalten; über seine klinischen Lehrer, den Chirurgen Moser, den Geburtshelfer Deutsch und den [208] Mediciner Balk urtheilt B. nicht sehr günstig. Die Studienzeit verlief im ganzen regelmäßig; nur ein Mal unterbrach B. seine Arbeiten, als er im October 1812 mit einigen Commilitonen sich nach Riga begab, um sich hier in den Hospitälern hülfreich zu erweisen. Die Absicht war lobenswerth – 29 Mediciner zogen nach Riga, fast alle erkrankten am Typhus, auch B. – einige starben. B. gelangte bei dieser Gelegenheit zu der Erkenntniß, daß er zum praktischen Arzt sich nicht eigne. Dem damaligen Gebrauch folgend, verließ B. unmittelbar nach seiner Doctorpromotion seine Heimath: er sollte fremde Länder und fremde Menschen sehen; er sollte seine im ganzen doch sehr ungenügende medicinische Bildung vervollständigen, um dereinst in seiner Heimath segensreich wirken zu können, so wünschten es die Eltern und die Familie. Aber es kam anders. B. reiste im August 1814 über Königsberg nach Berlin, dann weiter nach Wien, besuchte die Kliniken der berühmten Professoren Beer, Rust, Hein, Hildebrandt – ohne besonderen Eifer. Im Herbst 1815 ging B. nach Würzburg, eigentlich in der Absicht, daselbst die nothwendigen klinischen Studien fortzusetzen – aber er wurde durch Döllinger gefesselt. Er beginnt sich mit anatomischen und embryologischen Arbeiten zu beschäftigen. Das zieht ihn an, das packt ihn, gleichzeitige Arbeiten Pander’s über Entwicklung des Hühnchens nehmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch, liebenswürdige Menschen wie Nees von Esenbeck machen ihm den Aufenthalt in Würzburg sehr angenehm. Da B. gar keine Neigung zur praktischen Medicin verspürte, so erschien ihm die Einladung Burdach’s nach Königsberg als Prosector zu kommen, sehr erwünscht. Nachdem B. das Wintersemester 1816/17 in Berlin verbracht, nachdem er seine Eltern und Verwandten im Sommer flüchtig besucht hatte, trat er im August 1817 seine neue Stellung in Königsberg an: es eröffnete sich ihm ein neuer Lebensabschnitt voller Thätigkeit als Forscher und als Lehrer. – Fast zwei Jahrzehnte, von 1817–1834 dauerte Baer’s Aufenthalt in Königsberg – eine sehr bedeutungsvolle Zeit; hier wurde er aus einem Jünger der Wissenschaft ein auf der Höhe seiner Zeit stehender Gelehrter: als solcher verließ er die enge Universitätsstadt und die kleinen Verhältnisse, um auf russischem Boden sich einen größeren Spielraum für seine Wirksamkeit zu schaffen – freilich auf ganz anderen Gebieten, als er es eigentlich wünschte.

B. war nach Königsberg mit der ausgesprochenen Neigung für Anatomie und Naturwissenschaft gekommen, bei Burdach, dem Professor für Anatomie und Physiologie, fand er weitere Anregung und wissenschaftliche Unterstützung. Auch im Kreise der Collegen Bessel, Schweigger, Neumann u. A. gefiel es ihm gut; dennoch strebte er fort. Er hatte sich bereits 1819 mit einem Fräulein v. Medern verheirathet, und sehnte sich nach einer selbständigen und unabhängigen Stellung. Seine Wünsche gingen nach dieser Richtung auch in Königsberg baldigst in Erfüllung: er wurde schon 1819 zum außerordentlichen und 1821 zum ordentlichen Professor der Zoologie ernannt, unter Beibehaltung der Prosectur, und 1826 zum ordentlichen Professor der Anatomie, während die Prosectur in die Hände des jungen Burdach überging. So war B. ordentlicher Professor der Zoologie und Anatomie, Director der zoologischen und anatomischen Anstalt, mit 900 Thalern Gehalt, 400 Thalern Facultätseinkünfte und freier Wohnung; er befand sich in einer für jene Zeit immerhin günstigen Lage. Er war außerordentlich fleißig und strebsam: er las Anatomie, Zoologie, leitete die anatomischen Präparirübungen, gründete ein zoologisches Museum, sorgte mit Burdach für Erweiterung der anatomischen Sammlungen; daneben hielt er botanische Vorlesungen und versah die Stelle eines Directors des botanischen Gartens, während der eigentliche Inhaber des Amts auf Reisen war. Und dabei war B. als Forscher und Schriftsteller unermüdlich. Neben vielen kleinen [209] anatomischen Arbeiten begann B. seine entwicklungsgeschichtlichen Studien, deren Ergebnisse ihn für alle Zeiten zu einem der hervorragendsten Forscher gemacht haben; hier in Königsberg wurde B. zum „Vater der Entwicklungsgeschichte“. Er entdeckte das Säugethier-Ei (1827); hier veröffentlichte er den ersten Band seiner „Entwickelungsgeschichte“ (August 1828). B. war durch seine Arbeiten bald bekannt geworden, er hatte in Königsberg eine angenehme Stellung, sowol in den Universitätskreisen wie in der Stadt; er lebte in glücklichen Familienverhältnissen – und doch wünschte er Königsberg zu verlassen. Warum? Darauf zu antworten ist schwer. War es der Wandertrieb, der auch heute noch im deutschen Professor steckt? Er machte Reisepläne aller Art und konnte sie nicht ausführen, machte allerlei Anstrengungen, an eine Universität des Westens zu kommen, er wäre so gern nach Halle an die Stelle Meckel’s gegangen: vergeblich – man berief ihn nicht. Das verstimmte ihn.

Da wurde ihm die Stelle eines Mitglieds der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg angeboten: er schwankte sehr lange – Familienverhältnisse gaben den Ausschlag: er sagte zu. Im Juli 1834 wurde er zum ordentlichen Mitglied für Zoologie an der Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg ernannt. Kurz vorher hatte die kgl. preußische Regierung an ihn die Anfrage gerichtet, ob er nach Halle als Nachfolger Meckel’s gehen wolle. Es war zu spät. B. antwortete, er habe sich bereits durch eine feste Zusage in St. Petersburg gebunden.

Am 19. October 1834 verließ B. mit seiner ganzen Familie das ihm zur Heimath gewordene Königsberg, betrauert von seinen Freunden und Schülern und Collegen.

Das Aufgeben der Professur in Königsberg und die Uebersiedlung nach St. Petersburg war der bedeutungsvollste Schritt in Baer’s Leben. Er verließ Königsberg, weil ihm die Verhältnisse daselbst zu klein schienen, er hoffte in dem großen Rußland günstigere äußere Bedingungen für seine wissenschaftlichen Bestrebungen zu finden, als er sie in Königsberg gehabt hatte. Aber er sah sich bald getäuscht – es kam ganz anders, als er es geträumt und gehofft hatte. Daß B., trotz der ihm in Rußland zunächst entgegentretenden Hindernisse, dennoch sich ein reiches Arbeitsfeld schuf, lag in seiner glänzenden Begabung, die ihm gestattete, auch auf einem anderen, als seinem bisherigen Gebiet sich Lorbeeren zu erwerben. B. war in Königsberg Lehrer und Forscher gewesen – er war Professor im wirklichen Sinne des Wortes, Mitglied einer Universität: in St. Petersburg sollte er zunächst nur Forscher sein; die Versuche, sich eine Lehrthätigkeit zu schaffen, waren nicht ganz befriedigend – die Akademie der Wissenschaften ist keine Lehranstalt. Die Vorträge, die B. in der damaligen medico-chirurgischen Akademie hielt – er las vergleichende Anatomie in lateinischer Sprache – waren nicht geeignet, die altgewohnten akademischen Vorlesungen zu ersetzen. Er konnte auch seine entwicklungsgeschichtlichen Forschungen nicht nach Belieben fortsetzen, es fehlte ihm das geeignete Material, es fehlte ihm ein Arbeitslocal: er ließ den bereits 1829 begonnenen zweiten Band seiner Entwicklungsgeschichts-Arbeit unbeendet. Anfangs hatte er auch mit materiellen Sorgen zu kämpfen.

Das war alles dazu angethan, um ihm den Aufenthalt in St. Petersburg nicht angenehm zu machen. Allein B. überwand alle Hindernisse, er unterdrückte alle alten Wünsche und Gefühle, er ließ Anatomie und Entwicklungsgeschichte allmählich fallen; sein scharfer Blick erkannte, daß auch auf andern Gebieten neue Aufgaben zu erfüllen, neue Fragen zu beantworten seien, das gab ihm Beschäftigung und Zufriedenheit. Ueberdies wurde seine materielle Lage sehr [210] bald eine bessere: er wurde zum Bibliothekar der zweiten (ausländischen) Abtheilung der Bibliothek der Akademie ernannt, er wurde (Juni 1841) zum ordentlichen Professor der vergleichenden Anatomie und Physiologie an der damaligen medico-chirurgischen Akademie, einer Bildungsstätte für Militärärzte, berufen; man wählte ihn (1843) zum Mitglied des med. statistischen Comités. Alle diese Nebenstellungen nahmen Baer’s Arbeitskraft sehr in Anspruch, aber sie vermehrten seine Einnahmen. Seine Thätigkeit war eine ganz andere geworden, dazu kam, daß er (Januar 1846) aus der Stellung eines Akademikers für Zoologie in die Stellung eines Akademikers für vergleichende Anatomie übergeführt wurde; dabei wurde ihm das sogenannte anatomische Museum und die darin enthaltenen Sammlungen übergeben; als Zoologe hatte er – Nichts gehabt. Damit gelangte B. endlich in sein altes anatomisches Fahrwasser: er ordnete die Schädel seines Museums und begann sich mit craniologischen und anthropologischen Arbeiten zu beschäftigen.

Die verschiedenen Aemter, die B. verwaltete, legten ihm sehr verschiedene Pflichten auf, und da er sich redlich bemühte, seine Aufgaben zu erfüllen, so war er auf sehr verschiedenen Forschungsgebieten thätig. Dazu kam, daß das weite russische Reich ihm reichlich Gelegenheit bot, die Pläne seiner Jugend auszuführen – er konnte reisen. Es wurden ihm sowol wichtige wissenschaftliche Aufgaben gestellt, als auch die Mittel, dieselben zu lösen, bereitwillig gewährt.

B. hatte den Wunsch gehabt, den Norden in wissenschaftlicher Hinsicht zu erforschen, er besuchte im Sommer 1837 mit einer auserlesenen Schar von Begleitern die nordische Insel Nowaja Semlja; im Sommer 1839 mit seinem Sohne Karl die Inseln des Finnischen Meerbusens; im Sommer 1840 mit Middendorf das russische Lappland und die Halbinsel Kola. – Dann wollte er noch einmal seinen alten entwicklungsgeschichtlichen Neigungen nachgehen: er reiste 1845 und 1846 nach Westen und nach Süden, um in Triest die Entwicklung der Seesterne zu untersuchen; aber die Ergebnisse waren nicht befriedigend. Er wandte sich einer anderen Aufgabe zu: der Erforschung des Fischereiwesens in Rußland. B. wünschte die Anwendung der Naturwissenschaften auf das praktische Leben zu verfolgen, und dazu wurde ihm durch die Untersuchung der Fischerei im russischen Reich reichliche Gelegenheit gegeben. Im Hinblick auf diese Aufgabe unternahm B. sechs Reisen während der Jahre 1851–1857. Zunächst besuchte er (1851) die baltischen Provinzen, dann (1852) den Peipus-See, Finnland und Schweden, und während der Jahre 1853–1856 bereiste er die Wolgagegenden, die Ufer des Kaspischen Meeres, das Kaukasusgebiet. Eine Reihe umfassender wissenschaftlicher Arbeiten verdankt diesen Reisen ihre Entstehung. Die das Fischereiwesen betreffenden Abhandlungen sind nur in russischer Sprache erschienen, dagegen sind die betreffenden geographischen Arbeiten unter dem Titel: „Kaspische Studien“ (I–VIII) in deutscher Sprache veröffentlicht, sie geben Kunde davon, daß aus dem Anatomen Baer ein Geograph geworden war. – Schließlich war B. im J. 1862 am Ufer des Asowschen Meeres, um die Frage nach der Versandung dieses seichten Gewässers zu prüfen, und 1863 schon wieder in Kasan, um den Zustand der dortigen Universität einer eingehenden Inspection zu unterziehen. – Aber nicht nur nach Osten, auch nach Westen lenkte B. seine Schritte, wenn er Zeit dazu hatte: im Interesse seiner anthropologischen Studien war er drei Mal, 1856, 1859 und 1861, im Westen. 1856 besuchte er die Naturforscherversammlung in Karlsruhe, 1859 war er in Rostock, Paris und London, 1861 war er in Göttingen, um in Gemeinschaft mit R. Wagner, Ecker und andern Forschern über ein gleichmäßiges Verfahren bei craniologischen Arbeiten zu berathen. Er [211] gab dadurch in gewissem Sinne Veranlassung zur Gründung des Archivs für Anthropologie und der deutschen Gesellschaft für Anthropologie.

Auf diese Reisen und die sich daran anschließenden wissenschaftlichen Arbeiten und Publicationen beschränkte sich die Thätigkeit Baer’s aber nicht. Abgesehen von seiner Beschäftigung als Bibliothekar und als Mitglied der Akademie, die ihn zu allerlei Berichten nöthigte, abgesehen von seinen Vorlesungen an der medico-chirurgischen Akademie und seiner regen thatkräftigen Theilnahme an der Verwaltung dieses Institutes, abgesehen von seiner Wirksamkeit als Director des anatomischen Museums, richtiger der craniologischen Sammlung der Akademie, übte B. auch einen außerordentlich anregenden Einfluß auf die weiteren gebildeten Kreise der Residenz und des russischen Reiches, indem er die Gründung zweier wichtigen Gesellschaften veranlaßte. In Verbindung mit dem damaligen Admiral Georg F. Lütke und dem Admiral Ferdinand Baron Wrangel wurde 1845 die K. Russ. Geographische Gesellschaft unter der Präsidentschaft des Großfürsten Konstantin Nikolajewitsch gegründet. – Später im J. 1859 regte B. die Gründung der Russischen entomologischen Gesellschaft an, die 1860 in ihrer ersten Sitzung B. zu ihrem Präsidenten wählte. Ein Eingehen auf Baer’s Wirksamkeit in dieser Gesellschaft ist hier nicht möglich. Im J. 1864 feierte B. unter großer Betheiligung sein 50jähriges Dienstjubiläum; er hielt seine Thätigkeit in St. Petersburg für abgeschlossen; er hatte allmählich alle seine Aemter niedergelegt, von der Akademie war er 1864 zum Ehrenmitglied ernannt worden, – er bereitete sich jetzt langsam vor, einen andern Aufenthaltsort sich zu wählen. Nach langem Schwanken zog er 1867 nach Dorpat in Begleitung einer alten Schwester – seine Frau war ihm schon vor Jahren durch den Tod entrissen – seine Kinder waren zum Theil gestorben, zum Theil hatten sie das elterliche Haus verlassen, um sich einen eigenen Herd zu gründen.

Hier in Dorpat lebte B. zuerst einsam, still und ruhig, er wurde aber bald zum Mittelpunkt eines kleinen Kreises wissenschaftlich gebildeter Männer; er hörte nicht auf zu arbeiten und zu schaffen, trotzdem seine Körperkraft abnahm und seine Augen ihm ihren Dienst versagten. Er versuchte, so viel er es vermochte, einzelne Fragen, naturwissenschaftliche, geographische, historische, die ihn früher interessirt hatten, zu beantworten – eine Reihe höchst anziehender Arbeiten stammen aus dieser Zeit. Im Herbst des Jahres 1876, am 16./28. November, schied B. nach kurzem Kranksein aus diesem Leben.

B. war ein außerordentlich fleißiger Forscher und Schriftsteller, er hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen in einer großen Reihe von Schriften veröffentlicht. Er schrieb klar und leicht, verständlich und fesselnd. Wir sind hier nicht im Stande, alle seine Schriften aufzuzählen. Wer eine vollständige Uebersicht verlangt, wird dieselbe in „K. E. v. Baer, eine biographische Skizze“ (von L. Stieda), S. 196–298 finden.

Baer’s Arbeiten liegen auf sehr verschiedenen Gebieten. Aus den das Gebiet der Anatomie und Entwicklungsgeschichte betreffenden Arbeiten seien genannt: „De ovi mammalium et hominum genesi Epistola“, Lipsiae 1827, wo B. die Entdeckung des eigentlichen Säugethiereies bekannt macht. Weiter seine „Entwickelungsgeschichte der Thiere“, I. Theil Königsberg 1828, II. Theil Königsberg 1837. (Der Schluß ist erst lange nach Baer’s Tode herausgegeben.) Aus der Zahl der anthropologischen Arbeiten seien hier genannt: „Vorlesungen über Anthropologie für den Selbstunterricht“, I. Theil Königsberg 1824, und „Der Mensch in naturhistorischer Beziehung“, St. Petersburg 1854 (in russischer Sprache). Dieses Werk, dessen deutsche Urschrift sich erhalten hat, verdient wol noch dem deutschen Publicum mitgetheilt zu werden. Ferner „Die Stellung des Menschen in der Natur, oder: welche Stellung nimmt der Mensch in Bezug [212] auf die übrige Natur ein?“, ein nur russisch veröffentlichter Aufsatz. Neben einigen speciell mit den craniologischen Untersuchungen sich beschäftigenden Schriften sei noch genannt der Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen im September 1861 in Göttingen (Leipzig 1861), worin ein gemeinsames Meßverfahren aller Forscher bei craniologischen Arbeiten empfohlen wird. – Schließlich hat B. mancherlei geographische Abhandlungen verfaßt. Er hatte die Gründung einer geographischen Gesellschaft angeregt, er veranlaßte mit Gregor v. Helmersen die Herausgabe einer Zeitschrift: „Beiträge zur Kenntniß des Russischen Reiches“ in deutscher Sprache. In dieser noch heute bestehenden Zeitschrift hat B. viele Abhandlungen erscheinen lassen über Nowaja Semlja, über die Reisen Wrangel’s und Middendorf’s, über die Verdienste Peter’s des Großen um die Erweiterung der geographischen Kenntnisse, u. a. m. – Die „Kaspischen Studien“ (I–VIII) sind in den Bulletins der Petersburger Akademie abgedruckt; unter diesen ist besonders Nr. VII bemerkenswerth: „Ueber ein allgemeines Gesetz in der Gestaltung der Flußbette“, weil dies Gesetz danach mit dem Namen Baer’s bezeichnet worden ist. B. hatte beobachtet, daß bei allen Flüssen der nördlichen Halbkugel das rechte Ufer das hohe, steile, das linke Ufer das niedere, flache sei. – Aus der Reihe der mit allgemeinen Problemen sich beschäftigenden Aufsätze sei hier hingewiesen auf den Vortrag: „Das allgemeine Gesetz der Entwicklung in der Natur“, Königsberg 1834. „Welche Auffassung der lebenden Natur ist die richtige?“, St. Petersburg 1837. Diese Abhandlung ist auch russisch und holländisch erschienen. – Eine Anzahl kleinerer und größerer Aufsätze gemeinverständlichen Inhalts sammelte B. in seinen „Reden und verschiedene Aufsätze“, Theil I–III St. Petersburg 1864 –1873.