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Titularstadt

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Titularstadt ist die Bezeichnung für einen Ort, der berechtigt ist, den Titel Stadt zu führen, also Stadtrecht hat (oder hatte), aber nicht in vollem Umfang die Merkmale einer Stadt aufweist. Der Begriff wird in der Stadt- bzw. Siedlungsgeographie verwendet, Titularstadt ist kein offizieller Titel der Kommunalverfassung oder Gemeindeordnung.

Zu unterscheiden ist Titularstadt von Minderstadt. Minderstadt ist ein Ort mit städtischen Merkmalen (z. B. dem Recht, einen Markt abzuhalten), der aber nicht den Titel Stadt, sondern einen anderen Titel (z. B. Markt, Flecken) führt.

In vielen Fällen handelt es sich bei Titularstädten um kleine Landstädte, an denen, bedingt durch historische Entwicklungen oder eine Lage abseits der wichtigen Verkehrswege (im 19. Jahrhundert die Eisenbahn), der wirtschaftliche Aufschwung vorbeiging[1]. In der Folge verloren die Orte weitere zentrale Funktionen (wie z. B. Gericht oder Krankenhaus) und behielten einen dörflichen, durch die Landwirtschaft geprägten Charakter[2].

Gebräuchlich ist der Begriff Titularstadt insbesondere für Orte in Preußen. Dort wurde im 19. Jahrhundert die Unterscheidung zwischen Stadt und Gemeinde in neuen Städte- und Gemeindeordnungen festgelegt. So legte z. B. die westfälische Landgemeindeordnung von 1841 fest, dass Städte mit weniger als 2500 Einwohnern nach der Landgemeindeordnung verwaltet werden.[3] Diese Städte wurden Titularstädte genannt.

Aufgrund der westfälischen Regelung finden sich dort viele Titularstädte, z. B. Dringenberg, Kleinenberg, Peckelsheim und Borgholz im Paderborner Raum, Grevenstein und Eversberg im Sauerland und Freckenhorst im Münsterland.[4] Die Häufung von Titularstädten im Hochstift Paderborn ist Folge reger Städtegründungen durch die Paderborner Bischöfe. Aufgrund der Häufung und ausbleibender Industrialisierung entwickelten sich diese kleinen Städte nicht weiter.[5]

Beispiele aus Niedersachsen: Rehburg[6], Rethem[7] und Freren[8].

Strittig ist die neuere Verwendung der Bezeichnung Titularstadt für kleine Städte, die im Rahmen der Kommunalreformen in eine andere Stadt eingemeindet wurden und damit das (eigene) Stadtrecht verloren. Einige Bundesländer erlauben es, dem Namen des Ortes wieder den Titel „Stadt“ voranzustellen (z. B. in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt). Beispiele:

  • Loburg in Sachsen-Anhalt: Loburg hatte Stadtrecht seit 1207 und verlor es 2009 mit der Eingemeindung in die Stadt Möckern. Heute heißt der Ort wieder offiziell Stadt Loburg. Die Kommunalverfassung von Sachsen-Anhalt bietet diese Möglichkeit seit 2014[9].
  • Blankenberg im Rheinland: Blankenberg hatte Stadtrecht von 1245 bis 1805; seit 1954 heißt der Ort, der 1935 in die Gemeinde Hennef eingegliedert wurde, wieder offiziell Stadt Blankenberg. Erst 1981 wurde Hennef Stadt, sodass Blankenberg seitdem ein Stadtteil (und die Voranstellung des Wortes Stadt eigentlich überflüssig geworden) ist.[10]
  • Wachtendonk am Niederrhein: Wachtendonk erhielt 1343 Stadtrecht, seit der Kommunalreform 1969 ist Wachtendonk eine Gemeinde. Der Ortsteil Wachtendonk der Gemeinde Wachtendonk heißt offiziell wieder Stadt Wachtendonk.[11]

Weitere Beispiele

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Orte, die als Titularstädte bezeichnet werden:

Einzelnachweise

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  1. Klaus Fehn: Entstehung und Entwicklung kleinerer Städte . Einführung in die Tagungsthematik. (PDF) Universität Bamberg, 1993, S. 23, abgerufen am 24. Oktober 2022.
  2. Alois Mayr: Kleinstädte in Ostwestfalen-Lippe. Studien zu ihrer Entwicklung im 19. und 20. lahrhundert, ihrer Funktion und ihrer landesplanerischen Stellung. In: Klaus Fehn (Hrsg.): Siedlungsforschung Archäologie-Geschichte-Geographie. Band 11. Verlag Siedlungsforschung, Bonn 1993, S. 266.
  3. Bernhard Stüer: Titular-Stadtrechte – Rechtsnachfolge bei der Gebietsreform. (PDF) Nordrhein-Westfälischer Städte- und Gemeindebund, Juni 1982, abgerufen am 24. Oktober 2022.
  4. Hans Friedrich Gorki: Fläche, Rechts- und Verwaltungsstellung der Städte im 19. und 20. Jahrhundert. In: Geographische Kommission für Westfalen (Hrsg.): Geographisch-Landeskundlicher Atlas von Westfalen. Themenbereich IV Siedlung. Aschendorff, Münster 1993, ISBN 3-402-06193-7, S. Karte 2.2.
  5. Adele Berg: Die Siedlungsentwicklung im Kreis Paderborn. Von der sächsischen Landnahme bis zur Nachkriegszeit. 2005, ISBN 978-3-656-89897-9.
  6. Gemeindelexikon für die Provinz Ostpreußen (1888). Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. In: Königliches statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Band I, 1888, ZDB-ID 1046036-6, S. 14.
  7. Gemeindelexikon für die Provinz Ostpreußen (1888). Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. In: Königliches statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Band I, 1888, ZDB-ID 1046036-6, S. 96.
  8. Gemeindelexikon für die Provinz Ostpreußen (1888). Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. In: Königliches statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Band I, 1888, ZDB-ID 1046036-6, S. 184.
  9. Stephen Zechendorf: "Stadt Loburg" statt "Möckern Ortsteil Loburg"? Abgerufen am 24. Oktober 2022.
  10. Stadt Blankenberg Die Geschichte der Stadt und Ihre Entwicklung. Heimat- und Verkehrsverein Stadt Blankenberg, abgerufen am 24. Oktober 2022.
  11. Ausflugtipps Niederrhein und Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen. Abgerufen am 24. Oktober 2022.
  12. Integriertes Entwicklungskonzept für die Gemeinde Wusterhausen/Dosse 2035. (PDF) Gemeinde Wusterhausen, 10. Februar 2021, S. 24, abgerufen am 24. Oktober 2022.
  13. Eva Krall: Österreichs Städte in Zahlen. (PDF) Statistik Austria und Österreichischer Städtebund, 2013, abgerufen am 24. Oktober 2022.