Synagoge (Hemmersdorf)

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Postkarten-Ortsansicht von Großhemmersdorf aus dem Jahr 1914. Von der Synagoge ist das Dach und ein Teil der Eingangsseite zu sehen.[1]

Die Synagoge stand im Hemmersdorfer Ortsteil Großhemmersdorf in der Bachstraße Nr. 4. Sie wurde vor 1844 gebaut oder eingerichtet und 1939 oder 1940 abgerissen. Die Mitglieder der Synagogen-Gemeinde wohnten in Großhemmersdorf, Kerprichhemmersdorf, Niedaltdorf, Biringen und Fürweiler.[2]

Die Bachstraße wurde 1974 in „Zum Wertchen“ umbenannt.

Die Synagoge stand mit mehreren anderen Gebäuden, auf der zur Schoppach liegenden Seite der Bachstraße. Diese Gebäude waren alle mit ihren Giebelseiten aneinander gebaut. Während die Nachbargebäude der Synagoge ihre Eingänge zur Straße hin hatten, lag der Eingang der Synagoge auf der gegenüber liegenden Seite. Da auf dieser Seite die Schoppach floss, war der Zugang zur Synagoge nur über eine kleine Brücke möglich. Der Gebetsraum der Synagoge war ca. 27 m² groß und hatte eine Empore. Es gab vier weitere, kleinere Räume und eine als „ortsüblich“ beschriebene Toilette. Die Synagoge hatte ein Satteldach mit zwei Rundgauben. Zur Straße waren zwei große Rundbogenfenster und ein mittleres Rundfenster angebracht.

Die Hemmersdorfer Synagoge wurde während der Novemberpogrome 1938 beschädigt. Nach der Schädigung in der Pogromnacht, machte die Hitlerjugend und anderen Organisationen der NSDAP die Synagoge zur Turnhalle. Zusammen mit den Nachbargebäuden wurde das Synagogen-Gebäude in den Jahren 1939 bis 1940 abgerissen. Mit dem Schutt der abgerissenen Häuser wurde das Ufer der Nied angefüllt.[2]

Synagogen-Gemeinde Hemmersdorf

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Eine jüdische Gemeinde wird erstmals im Jahr 1837 erwähnt. Die Mitglieder dieser Gemeinde lebten in Großhemmersdorf, Kerprichhemmersdorf und Niedaltdorf.[3] Die erste Erwähnung der Hemmersdorfer Synagoge findet sich in einem 1849 veröffentlichten Buch von Georg Bärsch.[4] Bärschs Buch beschreibt die Gegebenheiten des Jahres 1843, so dass die Hemmersdorfer Synagoge vor 1843 errichtet oder eingerichtet worden war. 1856 gehörten zur Hemmersdorfer Synagogen-Gemeinde die Orte Großhemmersdorf, Kerprichhemmersdorf, Niedaltdorf und Biringen.[5]

1892 lehnte der Oberpräsident der Rheinprovinz ein Gesuch der Synagogen-Gemeinde ab eine Kollekte durchführen zu dürfen. Die Gemeinde wollte mit dem Ertrag der Kollekte Baukosten für die Synagoge begleichen. Ob die Baukosten für einen Neubau oder den Umbau eines schon vorhandenen Gebäudes verwendet werden sollten, geht aus dem Ablehnungsbescheid nicht hervor. Die Ablehnung des Antrags begründete der Oberpräsident damit, dass er die Gemeinde nicht in der Lage sah, die Baukosten zu einem „beachtlichen Teil“ selbst zu tragen. Ein weiterer Ablehnungsgrund lag darin, dass die Gemeinde nicht den Status einer öffentlich rechtlichen Körperschaft hatte. Aus dem Ablehnungs-Bescheid geht auch hervor, dass die Gemeindemitglieder in Großhemmersdorf, Kerprichhemmersdorf, Niedaltdorf und Fürweiler lebten.[6]

Am rechten Bildrand ist ein Teil der zur Bachstraße liegenden Synagogen-Fassade zu sehen. Das Foto wurde ca. 1939 aufgenommen.[1]

Nach der Volksabstimmung 1935 und dem daraus folgenden Anschluss des Saargebiets an Nazi-Deutschland, verließen viele Gemeindemitglieder ihre Heimat. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde im September 1939 zwischen 700 000 und einer Million Zivilisten aus dem Saarland, der Pfalz und Baden nach Thüringen, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern evakuiert.[7] Hemmersdorf, Biringen, Fürweiler und Niedaltdorf waren Teil des „Rote Zone“ genannten Evakuierungsgebiets. Unter den Evakuierten waren auch die letzten Mitglieder der Synagogen-Gemeinde (4 aus Hemmersdorf und 3 aus Niedaltdorf). Keiner der evakuierten Juden kehrte nach Hause zurück.[8] Sie wurden in den Vernichtungslagern Auschwitz, Sobibór, Treblinka und im Ghetto Theresienstadt ermordet.[2]

Statistik der Jahre 1824 bis 1939

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In der nachfolgenden Tabelle ist angegeben, wie viele jüdische Menschen im jeweiligen Jahr in den zur Synagogen-Gemeinde gehörenden Orten lebten. Orte und Zeiten für die keine Angaben vorliegen, sind mit „k.A.“ bezeichnet.

1937 wurden die bis dahin eigenständigen Gemeinden Großhemmersdorf und Kerprichhemmersdorf zur Gemeinde „Hemmersdorf (Saar)“ zusammengeschlossen.[9]

1824[5] 1833[10] 1843[11] 1856[10] 1885[12] 1895[12] 1927[12] 1933[12] 1935[10] 1939
Großhemmersdorf 8 13 25 15 12 12 7 8 7 4[8]
Kerprichhemmersdorf 26 30 18 24 31 27 16 17 22
Niedaltdorf k. A. 6 9 8 40 43 38 34 34 3[13]
Fürweiler k. A. k. A. k. A. k. A. 7 8 0 0 k. A. k. A.
Biringen k. A. k. A. 6 8 4 5 0 0 k. A. k. A.

Folgende, Mitglieder der jüdischen Gemeinde Hemmersdorf wurden während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet:[14][15]

Name Vorname Todeszeitpunkt Alter Ort des Todes Bemerkung Quellen
Hanau Josef unbekannt unbekannt Konzentrationslager Auschwitz Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 11515923) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Levy Benjamin 1944 73 Jahre Konzentrationslager Auschwitz Deportation ab Sammellager Drancy Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 11574515) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Michel Edmund 25. Juli 1942 38 Jahre Konzentrationslager Auschwitz Deportation ab Durchgangslager Pithiviers Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 3203475) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Michel Irma 25. Juli 1942 34 Jahre Konzentrationslager Auschwitz Deportation ab Durchgangslager Pithiviers Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 3203483) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Michel Isidor vermutlich 1943 48 Jahre Konzentrationslager Auschwitz Deportation ab Berlin Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 11595514) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Michel Rosa unbekannt unbekannt Konzentrationslager Auschwitz Deportation am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs. Am 11. November 1942 Deportation von Lager Drancy (Transport 45, Zug Da.901/38) nach Auschwitz Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 3203510) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Salm Milli 1944 55 Jahre Konzentrationslager Auschwitz Deportation am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs. Am 30. Mai 1944 Deportation von Lager Drancy (Transport 75) nach Auschwitz Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 3215417) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Schwarz Clementine 3. Juni 1942 62 Jahre Vernichtungslager Sobibor Deportation am 1. Juni 1942 von Halle an der Saale Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 11630304) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Süßkind Babette 16. Oktober 1942 76 Jahre Ghetto Theresienstadt Deportation ab Hannover (Transport VIII/1, Zug Da 75) Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 14861769) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Süßkind Leo unbekannt unbekannt unbekannt unbekannt Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 4424018)
Süßkind Siegmund 6. November 1942 72 Jahre Ghetto Theresienstadt Deportation ab Dortmund (Transport X/1, Zug Da 72) am 29. Juli 1942 Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 4878900) / Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
Süßkind Walter 28. Februar 1945 39 Jahre Konzentrationslager Auschwitz Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 4426410)
  • Hans Peter Klauck: Jüdisches Leben in der Stadt und im Landkreis Saarlouis 1680–1940. In: Veröffentlichungen der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis. (= Veröffentlichungen der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis. Band 20). 2016, ISBN 978-3-933926-65-4.

Einzelnachweise

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  1. a b Heimatmuseum Hemmersdorf, Fotoausstellung 2024, Historische Ansichten von Hemmersdorf aus den letzten 100 Jahren
  2. a b c AG Geschichte Rehlingen-Siersburg: Wir können nur nicht verstehen, weshalb immer noch keine Nachricht von Euch zu bekommen ist; Eine Infomappe zu den jüdischen Familien aus Hemmersdorf mit einem Anhang zur Geschichte der Hemmersdorfer Synagogengemeinde. Rehlingen-Siersburg 2024, (https://archive.org/details/wir-konnen-nur-nicht-verstehen, abgerufen am 9. Oktober 2024)
  3. Albert Marx: Die Geschichte der Juden im Saarland. Verlag Die Mitte, Saarbrücken 1992, ISBN 3-921236-67-3, S. 121.
  4. Georg Friedrich Bärsch: Beschreibung des Regierungsbezirks Trier: nach amtlichen Quellen bearbeitet und im Auftrage der Königl. Preuß. Regierung. Enthaltend die Verhältnisse des Regierungs-Bezirks in allen seinen Beziehungen, Bd. Nr. 1, Lintz 1849, S. 183 und S. 106–107 (https://books.google.de/books?id=hhw_AAAAcAAJ&hl=de, abgerufen am 1. September 2024).
  5. a b Werner Müller: Die jüdische Minderheit im Kreis Saarlouis, Politische, sozialökonomische und kulturelle Aspekte ihrer Lebenssituation vom Ancien Régime bis zum Nationalsozialismus, Röhrig Verlag, St. Ingbert 1993, ISBN 3-86110-025-8, S. 58–60 und S. 152–153
  6. Veröffentlichung der Landesarchivverwaltung: Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800-1945, Selbstverlag der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Koblenz 1982, ISBN 3-922018-17-3, S. 231, (Bd. Nr. 9,1 der Dokumentationsreihe: Inventar der Quellen zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800/1815–1945. Eine Gemeinschaftsarbeit. Redaktion: Theresia Zimmer.)
  7. Nicholas John Williams: An ‘Evil Year in Exile’? The Evacuation of the Franco-German Border Areas in 1939 under Democratic and Totalitarien Conditions; Evakuierungen im Zeitalter der Weltkriege, Bd. 2, Metropol Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-86331-368-5, S. 596
  8. a b Yad Vashem: Correspondence between Yad Vashem and the municipality of Hemmersdorf, Germany, related to the creation of the Encyclopedia of Jewish Communities in Germany, 1961, O.52.2, (https://collections.yadvashem.org/en/documents/11727084, abgerufen am 9. Oktober 2024)
  9. Amtsblatt des Reichskommissars für das Saarland. Saarbrücken 14. Januar 1937, S. 1, Landesarchiv Saarland, Saarbrücken
  10. a b c Veröffentlichung der Landesarchivverwaltung: Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800-1945, Selbstverlag der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Statistische Materialien zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung. Koblenz 1975, ISBN 3-931014-11-8, S. 45, S. 87, S. 101–107 und S. 161–162
  11. Georg Friedrich Bärsch: Beschreibung des Regierungsbezirks Trier: nach amtlichen Quellen bearbeitet und im Auftrage der Königl. Preuß. Regierung. Enthaltend die Verhältnisse des Regierungs-Bezirks in allen seinen Beziehungen, Bd. Nr. 1, Lintz 1849, S. 183 und S. 106–107 (https://books.google.de/books?id=hhw_AAAAcAAJ&hl=de, abgerufen am 1. September 2024).
  12. a b c d Nachrichtenblatt der Synagogen-Gemeinden des Saargebietes; Nachrichtenblatt der Synagogen-Gemeinden des Kreises Saarbrücken, Ausgabe vom 2. März 1934, (online https://archive.org/details/nachrichtenblatt00unse/page/n85/mode/2up, abgerufen am 10. Oktober 2024)
  13. Yad Vashem: Correspondence between Yad Vashem and the municipality of Niedaltdorf, Germany, related to the creation of the Encyclopedia of Jewish Communities in Germany, 1961, O.52.2, (online https://collections.yadvashem.org/en/documents/11811580, abgerufen am 10. Oktober 2024)
  14. Namensverzeichnis der Onlineversion des Gedenkbuches für die Opfer der NS-Judenverfolgung Auf: www.bundesarchiv.de, abgerufen am 6. Dezember 2019.
  15. Yad Vashem - Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Auf: yvng.yadvashem.org, abgerufen am 6. Dezember 2019.