Stilleit

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Stilleit
Stilleit aus der Shinkolobwe-Mine, Shinkolobwe, Haut-Katanga, Demokratische Republik Kongo
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Sll[1]

Chemische Formel ZnSe[2][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/B.01
II/C.01-040

2.CB.05a
02.08.02.02
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakistetraedrisch; 43m
Raumgruppe F43m (Nr. 216)Vorlage:Raumgruppe/216[2]
Gitterparameter a = 5,87 Å[2]
Formeleinheiten Z = 4[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 5,42; berechnet: 5,267[5]
Spaltbarkeit nicht definiert
Farbe grau[4]
Strichfarbe nicht definiert
Transparenz durchscheinend bis undurchsichtig (opak)[5]
Glanz Metallglanz[4]
Kristalloptik
Brechungsindex n = 2,5[6]
Doppelbrechung keine, da optisch isotrop

Stilleit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung ZnSe und damit chemisch gesehen Zinkselenid.

Stilleit kristallisiert im kubischen Kristallsystem, konnte bisher jedoch nur in Form mikroskopisch kleiner Einschlüsse in Linneit entdeckt werden. Das Mineral ist im Allgemeinen undurchsichtig (opak) und nur in dünnsten Schichten durchscheinend[7] mit einem metallischen Glanz auf den Oberflächen. In polierten Dünnschliffen unter dem Auflichtmikroskop erscheint Stilleit grau und ähnelt dabei dem Tetraedrit, allerdings ohne die für dieses Mineral typischen olivbraunen oder grünlich-blauen Farbtöne.

Etymologie und Geschichte

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Namensgeber Hans Stille, 1941

Erstmals entdeckt wurde Stilleit in Mineralproben aus der Shinkolobwe-Mine (auch Kasolo Mine), einem Uran- und Cobalt-Bergwerk bei Shinkolobwe in der Provinz Katanga der Demokratischen Republik Kongo. Die Analyse und Erstbeschreibung führte Paul Ramdohr durch, der das Mineral nach dem Deutschen Geologen Hans Stille (1876–1966) benannte. Ramdohr veröffentlichte seine Erstbeschreibung 1956, also im gleichen Jahr, in dem Stille auch seinen 80. Geburtstag feierte, in der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft.

Da der Stilleit bereits vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Stilleit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[3] Die seit 2021 ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Stilleit lautet „Slw“.[1]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist definiert[5] beziehungsweise nicht dokumentiert.[8]

Bereits in der zuletzt 1977 überarbeiteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Stilleit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung „Sulfide mit M : S = 1 : 1“, wo er gemeinsam mit Coloradoit, Hawleyit, Metacinnabarit, Sphalerit und Tiemannit sowie im Anhang mit Lautit in der „Zinkblende-Reihe“ mit der Systemnummer II/B.01 steht.

In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer II/C.01-040. Dies entspricht der Abteilung „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : S,Se,Te ≈ 1 : 1“, wo Stilleit zusammen mit Browneit, Coloradoit, Hawleyit, Ishiharait, Metacinnabarit, Polhemusit, Rudashevskyit, Sphalerit und Tiemannit die „Sphaleritgruppe“ mit der Systemnummer II/C.01 bildet.[4]

Auch die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Stilleit in die Abteilung „Metallsulfide, M : S = 1 : 1 (und ähnliche)“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit Zink (Zn), Eisen (Fe), Kupfer (Cu), Silber (Ag) usw.“ zu finden ist, wo es zusammen mit Coloradoit, Hawleyit, Metacinnabarit, Rudashevskyit, Sphalerit und Tiemannit die „Sphaleritgruppe“ mit der Systemnummer 2.CB.05a bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Stilleit die System- und Mineralnummer 02.08.02.02. Das entspricht ebenfalls der Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort der Abteilung „Sulfidminerale“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m n) : p = 1 : 1“ in der „Sphaleritgruppe (Isometrisch: F43m)“, in der auch Sphalerit, Metacinnabarit, Tiemannit, Coloradoit, Hawleyit und Rudashevskyit eingeordnet sind.

Kristallstruktur

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Stilleit kristallisiert in der kubischen Raumgruppe F43m (Raumgruppen-Nr. 216)Vorlage:Raumgruppe/216 mit dem Gitterparameter a = 5,87 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Bildung und Fundorte

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Über die Bildungsbedingungen der Selenminerale an der Typlokalität Shinkolobwe-Mine ist bisher nichts genaues bekannt. Die Erzlagerstätte wurde vor allem auf Uran, aber auch auf Cobalt, Kupfer und Nickel abgebaut. Stilleit fand sich hier eng verwachsen mit anderen Selenmineralen als Einschluss in Linneit. Als weitere Begleitminerale traten hier Clausthalit (auch Selenblei), Dolomit, Molybdänit, Pyrit und selenhaltiger Vaesit auf.

In einer weiteren Uranerzlagerstätte, der Santa-Brigida-Mine bei Sañogasta im Departamento Chilecito (Provinz La Rioja) in Argentinien fand sich Stilleit ebenfalls vergesellschaftet mit Clausthalit sowie mit Eukairit (auch Selenkupfersilber), Tiemannit (auch Selenquecksilber) und den Kupferseleniden Klockmannit und Umangit.[5]

Stilleit gehört zu den sehr seltenen Mineralbildungen, das nur in wenigen Proben aus bisher weniger als 10 Vorkommen entdeckt wurde (Stand 2024).[10] Seine Typlokalität Shinkolobwe-Mine ist dabei der bisher einzige bekannte Fundort in der Demokratischen Republik Kongo. In Argentinien fand sich das Mineral außer in der Santa-Brigida-Mine bei Sañogasta noch in der Sierra de Cacho nahe Villa Castelli unb im Bergbaubezirk Los Llantenes (alle Provinz La Rioja).

In Deutschland trat Stilleit nur in der Grube Roter Bär bei Sankt Andreasberg in Niedersachsen und im Bergbaurevier Tilkerode im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt zutage.[10]

Des Weiteren konnte Stilleit noch in Mineralproben aus dem Bohrloch M-5-00, die 2007 im Zuge des Stratigraphischen Kernbohrungsprogramms nahe Wellburns Creek in der kanadischen Provinz Manitoba entnommen wurden, sowie in den sogenannten Jordan Areva Resources in der die Lisdan-Siwaga-Störung des Gouvernement Amman in Jordanien gefunden werden.[10]

  • Paul Ramdohr: Stilleit, ein neues Mineral, natürliches Zinkselenid, von Shinkolobwe. In: Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Band 1, 1956, S. 481–483 (rruff.info [PDF; 273 kB; abgerufen am 29. Juli 2024]).
  • Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 42, 1957, S. 580–586 (englisch, rruff.info [PDF; 644 kB; abgerufen am 29. Juli 2024]).
  • R. W. G. Wyckoff: Crystal Structures 1. 2. Auflage. Interscience Publishers, New York 1963, S. 85–237 (englisch).
Commons: Stilleite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 29. Juli 2024]).
  2. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 77 (englisch).
  3. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  4. a b c d Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b c d Stilleite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 46 kB; abgerufen am 29. Juli 2024]).
  6. Stilleite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 29. Juli 2024 (englisch).
  7. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 429 (Erstausgabe: 1891).
  8. Catalogue of Type Mineral Specimens – S. (PDF 315 kB) Commission on Museums (IMA), 10. Februar 2021, abgerufen am 29. Juli 2024 (Gesamtkatalog der IMA).
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  10. a b c Fundortliste für Stilleit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 29. Juli 2024.