Siderodromophobie

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Entgleisung bei Rocky Ponds, Australien, 1948

Siderodromophobie (von altgriechisch σίδηρος sídēros, deutsch ‚Eisen‘, δρόμος drómos, deutsch ‚Weg‘, und φόβος phóbos, deutsch ‚Furcht‘)[1] ist ein veralteter Ausdruck, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die übertriebene Angst oder Furcht vor Zügen, Zugreisen oder Schienen bezeichnete. Sie wurde auch als Eisenbahnphobie,[2] Zugphobie, Eisenbahnangst[3] oder als Eisenbahnfurcht[4] bezeichnet.[1][5]

Das Bild einer in Paris abgestürzten Lokomotive ist ein Symbol technischen Versagens.

Die Siderodromophobie kann im Laufe des Lebens durch traumatische Erlebnisse oder wie andere Angststörungen (z. B. Klaustrophobie) erworben werden.[5][6] Die Symptome können wie das sogenannte Reisefieber schon lange vor der eigentlichen Reise beginnen. Es kommt dabei bei einigen Patienten zu Panikattacken, Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Verdauungsstörungen, während andere weinen, erstarren oder fliehen. Unbehandelt kann die Phobie sich verschlimmern, so dass es den Patienten nicht mehr möglich ist, Bahnübergänge zu kreuzen, an Bahnhöfen vorbeizugehen oder nicht zu erschrecken, wenn sie ein Zugsignalhorn hören.[7][8]

Der offensichtlichste Effekt der Siderodromophobie ist, keine Eisenbahnen, U-Bahnen oder Straßenbahnen benutzen zu können. Manchen Patienten ist es nicht einmal möglich, touristische Attraktionen wie Eisenbahnmuseen, Freizeitparks mit eisenbahnähnlichen Fahrgeschäften oder denkmalgeschützte Objekte, auf denen Schienen verlegt sind, zu besuchen.[7]

Otto Roth schrieb 1883 unter dem Stichwort Siderodromophobie, nach [Johannes] Rigler sei „»die Eisenbahnfurcht« eine Form der Neurasthenia spinalis.“[9]

Sigmund Freud vermutete 1906 einen Zusammenhang zwischen Zugreisen und Sexualität beziehungsweise zwischen Zugangst und Triebunterdrückung.[10][11]

Damals bezog man die Angst nicht auf Passagiere, sondern auf das Bahnpersonal: „Siderodromophobie, Eisenbahnfurcht, von Riegler [sic] gewählte Bezeichnung eines psychopathischen, eine bestimmte Form der Hypochondrie darstellenden Zustandes, welcher namentlich bei dem Fahrpersonal der Eisenbahnen zur Entwicklung kommen und in der Rückwirkung stattgehabter, respektive selbsterlebter Eisenbahnunfälle, in der krankhaft gesteigerten Furcht vor solchen seine Ursache finden soll.“[12]

Walter Guttmann setzte 1902 einen anderen Schwerpunkt: Nach Riegler [sic] ist die Siderodromophobie die „krankhafte Furcht vor Eisenbahnunfällen bei Neurasthenikern.“[13]

Später unterschied man nicht mehr zwischen Passagieren und Bahnpersonal und definierte nach Riegler [Sic! Gemeint war der praktische Arzt Johannes Rigler.] die Siderodromophobie als eine „krankhafte Furcht vor dem Fahren mit der Eisenbahn.“[14]

Auch aktuelle medizinische Wörterbücher nennen die Siderodromophobie noch als eine „krankhafte Angst vor Eisenbahnfahrten.“[15]

Einzelnachweise

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  1. a b Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch., Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch, 13./14. Auflage. Verlag von Walter de Gruyter, Berlin / Leipzig 1927, S. 384.
  2. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung 1966–1977, 2. Ordner (Carg–Ez), München / Berlin / Wien 1967, ISBN 3-541-84000-5, S. E 41.
  3. Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch, 21./22. Auflage, Verlag von Walter de Gruyter, Berlin / Leipzig 1934, S. 456.
  4. Otto Dornblüth: Wörterbuch der klinischen Kunstausdrücke, 1. Auflage, Verlag von Veit & Comp., Leipzig 1894, S. 122.
  5. a b Sigmund Freud: Vorlesungen Zur Einführung in Die Psychoanalyse. Nachdruck des Originals von 1920. Books on Demand, 2012, ISBN 978-3-86403-493-0, S. 465 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Johannes Rigler: Ueber die Folgen der Verletzungen auf Eisenbahnen: insbesondere der Verletzungen des Rückenmarks; mit Hinblick auf das Haftpflichtgesetz. Reimer, 1879 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. a b Lisa Fritscher: Understanding Siderodromophobia (Fear of Trains). 27. Mai 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Juli 2014; abgerufen am 19. Juli 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/phobias.about.com
  8. Hermann Oppenheim: Die Traumatischen Neurosen. Bearbeiteter Nachdruck der Originalausgabe von 1892. Books on Demand, 2012, ISBN 978-3-8457-4269-4, S. 128 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Otto Roth: Klinische Terminologie. 2. Auflage, besorgt von Hermann Gessler, Verlag von Eduard Besold, Erlangen 1884, S. 365.
  10. Wilhelm Stekel: Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung. pp. 191-198
  11. Wolfgang Schivelbusch: The Railway Journey: The Industrialization of Time and Space in the 19th Century. p. 78
  12. Albert Eulenburg (Hrsg.): Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. 2. Auflage. 18. Band, Verlag Urban & Schwarzenberg, Wien / Leipzig 1889, S. 305.
  13. Walter Guttmann: Medizinische Terminologie. 1. Auflage. Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin / Wien 1902, Spalte 933.
  14. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung 1966–1977, 6. Ordner (S–Zz), München / Berlin / Wien 1974, ISBN 3-541-84006-4, S. S 182.
  15. Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007/2008. Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 1699.