Räderpflug

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Räderpflug

Unter Räderpflug bzw. Karrenpflug versteht man einen Pflug, welcher die Anspannung an einem Rädergestell hat. Der schollenwendende, schwere Räderpflug ist eine technische Weiterentwicklung des aus prähistorischer Zeit stammenden leichten Hakenpflugs. Er zeichnet sich neben einem Hauptpflug durch ein Vordergestell mit Rädern und Achse aus. Dieser Räderpflug bestand (besteht) komplett aus Eisen.

Vorteile gegenüber anderen Pflügen

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Bei der Pflugherstellung wurde Eisen eingesetzt. Der Wendepflug hatte vorne ein Rädergestell, dahinter saß das Pflugmesser, das den Boden senkrecht aufschnitt, Streifen davon nach oben drückte und umdrehte. Die eiserne Pflugschar konnte tiefer in den Boden eindringen als der bis dahin gebräuchliche Hakenpflug, dadurch wurden ganze Schollen angehoben. Das unter den Pflugbaum montierte Streichbrett ermöglichte das Umdrehen der angehobenen Schollen in einem Arbeitsgang. Der Ackerboden war somit stärker für die spätere Aussaat aufgelockert. Die Nährstoffe wurden durch das verbesserte Pflügen mobilisiert und an die Oberfläche gebracht.[1] Das Zusammenspiel von Räderpflug und Dreifelderwirtschaft führten zu höheren landwirtschaftlichen Erträgen und begünstigten ein Bevölkerungswachstum im Mittelalter.[2]

Bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. ist der Einsatz eines tiergezogenen Räderpfluges (lateinisch carruca) im Römerreich belegt.[3] Aufgrund der germanisch-römischen Wirtschaftsbeziehungen wurde in den Provinzen zwischen Niederrhein und mittlerer Donau der Räderpflug zum Ende der Römerzeit eingesetzt und von zuwandernden Germanen in der Landwirtschaft genutzt.[4] Er verdrängte ab dem 8. Jahrhundert nach und nach den aus Holz bestehenden, leichten Hakenpflug (lateinisch aratrum) aus dem Neolithikum. Er begünstigte die Einführung der Dreifelderwirtschaft nördlich der Alpen.[3]

Die Grundform des Wendepfluges erhielt sich bis in das 19. Jahrhundert.[3] Von dem lateinischen carruca für Pflug leitet sich auch das französische Wort charrue (Pflug) ab und das deutsche Schar, nämlich Pflugschar.[5] In Frankreich wird zudem die Hufe, die mit dem Räderpflug bewirtschaftet wird, als charrue bezeichnet.[6]

Der Räderpflug mit Anspannung an einem Rädergestell[7] setzte sich aus einem Vorderteil mit Rädern und Achse, dem so genannten Vorpflug, und einem Hauptpflug zusammen. Der hölzerne Pflugbaum (Grindel) war mit einer Haltevorrichtung ausgestattet. An diesem wurde eine eiserne Schar und ein bewegliches Streichbrett (Riester) zum Umbrechen der Schollen befestigt.[3]

Beim Räderpflug wurde die Kraft der Zugtiere mehr für das Aufbrechen der Erde und weniger für das Ziehen wie beim Hakenpflug eingesetzt.[8] Zum Ziehen des schweren Räderpfluges waren drei bis vier Ochsen oder zwei Pferde und zwei Personen notwendig.[3] Der Gebrauch des Pfluges setzte somit den Besitz von ausreichend Zugtieren voraus. Waren diese nicht vorhanden, wurden andere Bewirtschaftungsformen wie Hackbau betrieben.[9] Die Zugtechnik und Zugkraft wurde durch die Entwicklung des Stirnjochs für Ochsen und des Kummets für Pferde erheblich verbessert. So konnte die Zugkraft eines Pferdes mit Verwendung des Kummets um das Vier- bis Fünffache gegenüber der Anschirrung mit Riemen um Hals und Brust gesteigert werden.[10] Um die Tiere zu führen, war eine exakte Handhabung erforderlich. Zum Heben und Wenden des Pfluges musste Kraft eingesetzt und Geschicklichkeit aufgebracht werden. Die tierische Zugleistung wurde durch den Räderpflug stärker für das Pflügen des Bodens nutzbar gemacht.[11]

  • Wolfgang Stürner: Technik und Kirche im Mittelalter. In: Mohammed Rasem, Ansgar Stöcklein (Hrsg.): Technik und Kultur in 10 Bänden. Springer, Heidelberg 1990, ISBN 978-3-540-62257-4, S. 161.
  • Schlipf: Schlipfs populäres Handbuch der Landwirtschaft. Gekrönte Preisschrift. 18. Auflage. Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Berlin 1917, S. 36–37.

Einzelnachweise

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  1. Leben im Mittelalter: Vom Hakenpflug zum Räderpflug. Ernst Klett Verlag GmbH, 2008, abgerufen am 9. November 2019.
  2. Martin Scheufens: Betriebsames Mittelalter. In: Spektrum.de. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, 27. Dezember 2013, abgerufen am 9. November 2019.
  3. a b c d e Anne-Marie Dubler: Pflug. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 28. September 2010, abgerufen am 9. November 2019.
  4. Verena Postel: Die Ursprünge Europas: Migration und Integration im frühen Mittelalter. Kohlhammer W., Stuttgart 2004, ISBN 978-3-17-018405-3, S. 132.
  5. Christian Eduard Langethal: Geschichte der teutschen Landwirthschaft: Von den ältesten Zeiten bis auf Karl den Großen. Luden, 1847, S. 55–56 (google.de [abgerufen am 9. November 2019]).
  6. Jean-Marc Moriceau: Ländliche Gesellschaften in Deutschland und Frankreich, 18.-19. Jahrhundert. In: Gerard Beaur, Christophe Duhamelle, Reiner Prass und Jürgen Schlumbohm (Hrsg.): Max-Planck-Instituts für Geschichte. Band 187. Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, ISBN 978-3-525-35185-7, S. 86.
  7. Wilhelm Martin: Die Hauptlehren der neueren Landwirtschaft. Ein Leitfaden zum Unterricht an niederen und mittleren landwirtschaftlichen Schulen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1891, S. 114 (archive.org [abgerufen am 11. November 2019]).
  8. Vom Hakenpflug zum Räderpflug: Fortschritte in der Bodenbearbeitung. In: Kinderzeitmaschine.de. BFW GbR, abgerufen am 10. November 2019.
  9. Peter Bretscher: Landwirtschaftliche Geräte II (Pflüge). In: Merkblätter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, Kulturgüterschutz. Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS, Fachbereich Kulturgüterschutz, 2003, abgerufen am 11. November 2019.
  10. Wolfgang Hartung: 11. Jahrhundert als „Aufbruchsepoche“ Europas. In: Wegmarken europäischer Zivilisation. Hrsg.: Dirk Ansorge, Dieter Geuenich und Wilfried Loth. Wallstein Verlag, Göttingen 2001, ISBN 978-3-89244-438-1, S. 54.
  11. Christian Rohr: Landwirtschaft im Mittelalter: Veränderungen in der Landwirtschaft im Hochmittelalter. In: Verbund Oberösterreichischer Museen. Verein zur Unterstützung von Museen und Sammlungen in Oberösterreich (VOMUS), 2009, abgerufen am 9. November 2019.