Langobardische Sprache
Die langobardische Sprache ist eine ausgestorbene und nur als Trümmersprache erhaltene germanische Sprache, die von den Langobarden gesprochen wurde und bis spätestens 1000 n. Chr. ausstarb. Geschichtlich werden die Langobarden und ihre Sprache erst vom 6. Jahrhundert an fassbar, als sie ihre Wohnsitze in Pannonien aufgaben und nach Norditalien einwanderten. Zu einer Schriftsprache entwickelte sich das Langobardische nie, weil seine Sprecher sehr schnell die romanische Mundart der Einheimischen annahmen und wie diese als Schriftsprache das Lateinische nutzten.
Welcher Sprachgruppe innerhalb der germanischen Sprachen das Langobardische angehörte, ist nicht restlos geklärt. Derweil die Stammestraditonen eine Herkunft aus Skandinavien vertreten, brachte eine parallel zur II. Lautverschiebung verlaufende Langobardische Lautverschiebung diesen Stammesdialekt in die Nähe zum benachbarten Altbairischen. Obgleich vielfach vermutet wird, dass das Langobardische damit zu den oberdeutschen Dialekten zu zählen ist, stellte der Germanist Otto Höfler fest, dass das Langobardische eher auf der Stufe des Mittelfränkischen anzusiedeln sei.[1] In der Forschung wird daher seit langem die These diskutiert, die Lautverschiebung, die von Süden nach Norden ausstrahlte, sei durch den Einfluss der langobardischen Sprache ausgelöst worden, die im Alpenraum mit den deutschen Dialekten in Berührung kam.
Quellenlage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Quellenlage ist nicht sonderlich ergiebig. Es handelt sich meist um Personennamen, Ortsnamen sowie Einzelwörter, die in der Frühzeit als Runeninschriften, später dann in Urkunden wie dem Codex diplomaticus Langobardorum, dem Edictum Rothari und dem Edictum Langobardorum sowie Geschichtswerken wie der Historia Langobardorum des Geschichtsschreibers Paulus Diaconus auftauchen.
Eine Reihe von sehr wahrscheinlich langobardischen Wörtern hat sich im Italienischen und seinen Dialekten gehalten, vgl.:
- bica ‚Garbe‘ (aus *bīga ‚Stapel, Stoß‘; vgl. süddeutsch Beige, schweizerisch Biig(i))
- bussare ‚klopfen, pochen‘ (vgl. süddeutsch boßen ‚dreschen, verprügeln‘)
- guancia ‚Wange‘
- guercio ‚schieläugig‘ (vgl. althochdeutsch dwerh, twerh ‚quer‘, oberdeutsch zwerch)
- mefio ‚Wittum‘ (vgl. deutsch Miete)
- muffa ‚Schimmel‘ (vgl. deutsch Muff, miefen)
- nocca ‚Fingerknöchel‘ (vgl. deutsch Knochen)
- panca ‚(Sitz-)Bank‘ (mit typisch südbairischer Lautverschiebung von b- > p-)
- pazzo ‚verrückt‘ (vgl. schweizerisch Bärz, Pärz ‚Stoßseufzer, Stöhnen eines Erschöpften‘, südbair. parz’n, perz’n ‚irrereden‘)
- pizzo ‚Biss(en)‘ (vgl. deutsch Bissen)
- staffa ‚Steigbügel‘ (vgl. deutsch Stapfe)
- taccola ‚Dohle‘ (vgl. mittelhochdeutsch tāchele, oberdeutsch (landschaftlich) Tach)
- tecchio ‚dick‘ (vgl. schweizerisch tick)
- zazzera ‚schulterlanges Haar; (Löwen)mähne‘ (vgl. deutsch Zotte, bairisch Zotzen ‚lange, ungepflegte Haare‘, althochdeutsch zaturra ‚Mähne‘)
- zolla ‚(Erd-)Scholle‘ (vgl. deutsch Zoll (Längenmaß), schwäbisch Zolle ‚Butterballen‘, bairisch Zollen ‚Klumpen‘)
Lautsystem und Sprachverwandtschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zusammen mit Bairisch und Alemannisch wird das Langobardische zu den oberdeutschen Dialekten gerechnet. Anhand der überlieferten Sprachdenkmäler lässt sich die hochdeutsche Lautverschiebung bereits eindeutig nachweisen. Für die historische Sprachwissenschaft ist das Langobardische vor allem deshalb interessant, da sich hier Ende des 6., Anfang des 7. Jahrhunderts die frühesten Belege für die hochdeutsche Lautverschiebung finden lassen.
Während die große Mehrheit der Linguisten das Langobardische dem Westgermanischen und innerhalb dessen den oberdeutschen Dialekten zurechnet, vertrat der italienische Linguist Federico Albano Leoni 1991 die Ansicht, man habe kürzlich „die Hypothese geltend gemacht, die ursprüngliche Physiognomie des Langobardischen sei eher ‚gotisch‘ gewesen: Seine endgültige Ausformung sei das Resultat eines relativ späten Verdeutschungsprozesses“.[2]
Grammatik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufgrund der Quellenlage lassen sich zur Grammatik kaum mehr als Vermutungen anstellen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Federico Albano Leoni: Langobardisch. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 5. Artemis & Winkler, München/Zürich 1991, ISBN 3-7608-8905-0, Sp. 1698 f.
- Wilhelm Bruckner: Die Sprache der Langobarden. 1896 [Neudruck 1969] (Digitalisat)
- Nicoletta Francovich Onesti: Vestigia longobarde in Italia (568-774). Lessico e antroponimia. Artemide, Rom 2000
- Karl Remigius Meyer: Sprache und Sprachdenkmäler der Langobarden. 1877 (Digitalisat)
- Florus van der Rhee: Die germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen. Rotterdam, Bronder, 1970
- Max Pfister: Langobardische Superstratwörter im Italienischen. In: Jahrbuch für internationale Germanistik 11, 1979, S. 100–110
- Piergiuseppe Scardigli: Goti e Longobardi. Studi e ricerche. Istituto Italiano di Studi Germanici, Rom, 1987
- Johann Tischler: Zum Langobardischen. In: Heinrich Beck (Hrsg.): Germanische Rest- und Trümmersprachen. S. 195–209. Berlin, de Gruyter, 1989, ISBN 3-11-011948-X
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Das Hildebrandslied, in rekonstruiertem Langboardisch gelesen (engl. Video mit dt. Untertiteln)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Otto Höfler: Die hochdeutsche Lautverschiebung und ihre Gegenstücke bei Goten, Vandalen, Langobarden und Burgundern, Abz. ph. 1956 So. 16; Sonderdruck aus dem Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1956, Nr. 24, S. 317–318
- ↑ Federico Albano Leoni: Langobardisch. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 5. Artemis & Winkler, München/Zürich 1991, ISBN 3-7608-8905-0, Sp. 1698 f.