Kernwaffentest in Nordkorea am 3. September 2017

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kernwaffentest in Nordkorea am 3. September 2017 (Nordkorea)
Kernwaffentest in Nordkorea am 3. September 2017 (Nordkorea)
Testgelände

Der Kernwaffentest in Nordkorea am 3. September 2017 wurde um 03:30:01 UTC beobachtet. Es war der sechste Kernwaffentest, der in Nordkorea seit der ersten Explosion 2006 durchgeführt wurde.

Handschrift­licher Befehl von Kim Jong-un zur Durch­führung des Kernwaffen­versuchs

Eine vom United States Geological Survey (USGS) registrierte[1] Erschütterung[2] wurde nach Berichten des japanischen Außenministeriums als Kernwaffentest mit einer Sprengkraft von etwa 50 bis 100 Kilotonnen TNT-Äquivalent eingestuft.[2]

Die Erschütterung erreichte nach USGS die Magnitude 6,3 auf der Raumwellen-Magnituden-Skala, nordöstlich von Sungjibaegam. Dort wurden auf dem geheimen militärischen Testgelände Punggye-ri bereits 2006, 2009, im Februar 2013 sowie im Januar und September 2016 unterirdische Nukleartests durchgeführt.[3] Etwa acht Minuten später wurden zwei Einsturzbeben des durch die Explosion entstandenen Hohlraumes registriert, wovon das erste die Magnitude 4,2 erreichte.[2]

Die Regierung Nordkoreas bestätigte einige Stunden später die erfolgreiche Durchführung ihres bislang stärksten Atomwaffentests und proklamierte diesen als erfolgreichen Test einer Wasserstoffbombe zur Bestückung von Interkontinentalraketen.[4]

Auswertungen von NORSAR taxierten die Sprengkraft auf etwa 120 kt basierend auf einer Magnitude von 5,8.[2][5] Das japanische Verteidigungsministerium korrigierte am 6. September 2017 dessen Einstufung der Sprengkraft und gab sie in der Folge mit 160 kt an, was in etwa der zehnfachen Sprengkraft der Atombombe von Hiroshima entspricht.[6]

Vorbereitungen und Vorgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

f1 Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap

Die Zündung erfolgte, ebenso wie bei den vorausgegangenen Ereignissen des nordkoreanisches Kernwaffenprogrammes, in einem tief in den anstehenden Fels des Gebirgszuges abgeteuften Schacht.
Internationale Beobachter hatten die Vorbereitungen anhand der Auswertung von Satellitenbildern bereits 2016 beobachtet und die baldige Durchführung eines weiteren Kernwaffenversuches vermutet. Die Lokalisierung des Hypozentrums der Erschütterung ergab, dass dieses auf der Höhe des Meeresspiegels lag, sodass der Schacht etwa 1300 bis 1700 m tief niedergebracht worden sein muss, da das Deckgebirge dort Höhen von knapp 1800 m erreicht.

Für den Bau dieser Versuchsanlagen herangezogen wurden regelmäßig politische Gefangene aus zurückliegenden politischen Säuberungen Nordkoreas, die in dem nur etwa 30 km östlich gelegenen Internierungslager Hwasŏng untergebracht waren.

Den „lebenslänglich“ inhaftierten Gefangenen wurde hierbei stets vorgegaukelt, sie würden im Bergbau oder an einer „U-Bahn-Baustelle“ arbeiten. Ein geflohener ehemaliger Aufseher berichtete, dass niemals einer der dort eingesetzten Arbeiter wieder in das Lager zurückkehrte, Augenzeugenberichte gebe es daher keine.[7]

Der US-Atomwaffenspezialist Siegfried Hecker schätzte bereits im November 2016, dass die Kerntechnische Anlage Nyŏngbyŏn Nordkoreas über genügend Plutonium verfüge, um damit etwa 20 Gefechtsköpfe zu bestücken. Die Kapazität reiche aus, um dort spaltbares Material für sieben weitere Sprengköpfe jährlich erbrüten zu können.[8]

Angesichts der von Nordkorea demonstrierten, neuerlichen Steigerung der Sprengkraft seiner Kernwaffentests fielen die Reaktionen der Weltöffentlichkeit deutlich schärfer aus als bei den fünf vorhergegangenen Atomwaffentests. Diese waren im Einzelnen:

  • UNO-Sicherheitsrat: zunächst uneinheitlich; Sondersitzung, aber keine explizite Resolution.[9] Am 12. September wurde einstimmig beschlossen, die Öllieferungen an Nordkorea stark zu drosseln und die Lieferung von Erdgas ganz zu verbieten.[10]
  • NATO: ließ durch Generalsekretär Stoltenberg ihre Besorgnis über die „Destabilisierung und Bedrohung der regionalen und internationalen Sicherheit“ ausdrücken.[11]
  • Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten: forderten Ölembargo, Vermögensnachteile gegen Kim Jong-un persönlich u. a.[12][13]
  • China Volksrepublik Volksrepublik China: signalisierte seine Zustimmung zu einem Ölembargo,[12] das jedoch nicht zu einem Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes führen dürfe,[14] und führte ein Militärmanöver zur Abwehr eines Überraschungsangriffs durch[15]
  • Russland Russland: setzte auf eine „diplomatische Lösung“[12]
  • Japan Japan: forderte Ölembargo und weitere Sanktionen[16] und überprüfte mit drei Flugzeugen der JASDF eine mögliche Kontamination des Gebiets der japanischen Lufthoheit[17]
  • Australien Australien: erwog die Evakuierung aller Australier aus Südkorea[18]
  • Korea Sud Südkorea: forderte Nordkorea völlig zu isolieren[19] und simulierte in einer Gefechtsübung einen Raketenangriff auf das Atomwaffentestgelände Punggye-ri[20]
  • Europaische Union Europäische Union: forderte Ölembargo und die Verhängung eines allgemeinen Handelsembargos der EU gegen Nordkorea[21][12]
  • Deutschland Deutschland: forderte ein Handelsembargo sowie die Schließung aller EU-Häfen für nordkoreanische Frachtschiffe
  • Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich: bestellte den nordkoreanischen Botschafter ein und verurteilte den Kernwaffenversuch „auf das Schärfste“
  • Schweiz Schweiz: bot Gute Dienste als Vermittlerin an[9][22]
  • Frankreich Frankreich: forderte „Standhaftigkeit“ von der internationalen Gemeinschaft um Nordkorea dazu zu bewegen, „ohne Bedingungen auf den Weg des Dialogs zurückzukehren und die vollständige, überprüfbare und irreversible Stilllegung seiner nuklearen und ballistischen Programme vorzunehmen“[19]
  • Israel Israel: verdammte Nordkorea als „Schurkenstaat[23][24]

Antwort Nordkoreas

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nordkorea bezeichnete die von der internationalen Staatengemeinschaft verhängten Sanktionen als „barbarisch“ und antwortete am 14. September 2017 um 21:57 UTC mit dem weiteren Start einer Hwasong-12-Mittelstreckenrakete.[25] Diese erreichte eine Flugweite von 3700 km (rund 2300 Meilen) und eine Flughöhe von 770 km (rund 478 Meilen).[26] Sie überflog Japan, das auf Abwehrmaßnahmen verzichtete, und landete etwa 2000 km (rund 1240 Meilen) östlich der Insel Hokkaidō wirkungslos im Pazifischen Ozean.[27] Dieser weitere Raketentest Nordkoreas war in Geheimdienstkreisen bereits erwartet worden.[28]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. M 6.3 Explosion - 22km ENE of Sungjibaegam, North Korea. In: USGS Earthquake Hazards Program. United States Geological Survey, 3. September 2017, abgerufen am 16. September 2017 (englisch, Messdaten und technisch-wissenschaftliche Informationen zur Kernwaffenexplosion vom 3. September 2017).
  2. a b c d Nuclear test conducted by North Korea, country claims; South Korea responds with drills. CNN, 4. September 2017, abgerufen am 11. September 2017 (englisch).
  3. M 5.1 Nuclear Explosion - 24km ENE of Sungjibaegam, North Korea. In: USGS Earthquake Hazards Program. United States Geological Survey, 12. Februar 2013, abgerufen am 16. September 2017 (englisch, Messdaten und technisch-wissenschaftliche Informationen zur Kernwaffenexplosion vom 12. Februar 2013).
  4. Nation succeeds in test of H-bomb for ICBM. In: The Pyongyang Times. 3. September 2017, abgerufen am 9. September 2017 (englisch).
  5. Vanessa Steinmetz: Nach sechstem Atomtest: Was Sie zum Nordkorea-Konflikt wissen müssen. In: Spiegel Online. 4. September 2017, abgerufen am 7. September 2017.
  6. North Korean nuke test put at 160 kilotons as Ishiba urges debate on deploying U.S. atomic bombs. In: The Japan Times. 6. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  7. Hwasong Concentration Camp english.chosun.com, 3. Juni 2006, zuletzt abgerufen am 15. September 2017. ("The Terrible Secrets of N.Korea's Mt. Mantap")
  8. North Korea ready for another nuclear test any time: South Korea. Reuters, 11. September 2016, abgerufen am 11. September 2017 (englisch).
  9. a b Nordkorea "bettelt um Krieg". In: Die Zeit Online. 4. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  10. Atomkonflikt: UN-Sicherheitsrat beschränkt Öllieferungen an Nordkorea. In: zeit.de. 12. September 2017, abgerufen am 15. September 2017.
  11. Konjunktur: Nato verurteilt Nordkoreas destabilisierendes Verhalten. In: focus.de. 3. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  12. a b c d Tobias Matern: Putin will Nordkorea-Krise diplomatisch lösen. In: sueddeutsche.de. 7. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  13. Trump will Pjöngjang den Ölhahn zudrehen. In: Spiegel Online. 6. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  14. Kinling Lo, Kristin Huang, Catherine Wong: Oil supplies to North Korea could be cut as China’s frustration with ally’s failure to communicate grows. In: South China Morning Post. 5. September 2017, abgerufen am 9. September 2017 (englisch).
  15. Atomkonflikt mit Nordkorea: China übt Abwehr eines "Überraschungsangriffs". In: Spiegel Online. 7. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  16. Abe and Putin call North Korea nuke test ‘grave’ regional threat. In: The Japan Times. 7. September 2017, abgerufen am 11. September 2017 (englisch).
  17. 空自が放射性物質分析で3機飛ばす. In: Mainichi Shimbun. 3. September 2017, abgerufen am 17. September 2017 (japanisch).&rft.description=空自が放射性物質分析で3機飛ばす&rft.identifier=https://mainichi.jp/articles/20170904/k00/00m/040/047000c&rft.date=2017-09-03&rft.language=ja"> 
  18. Sorge vor Kriegsgefahr: Australien prüft Evakuierungspläne für Bürger in Südkorea. In: Spiegel Online. 7. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  19. a b Internationale Reaktionen: Trump hält Handeln Nordkoreas nach Atomtest für feindlich. In: Berliner Zeitung. 3. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  20. Südkorea simuliert Angriff auf Nordkoreas Atomzentrum. In: handelsblatt.com. 4. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  21. Nordkorea: EU kündigt eigene Sanktion gegen Kim-Diktatur an. In: Spiegel Online. 7. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  22. Die Schweiz bietet in Nordkorea-Krise Vermittlerdienste an. In: nzz.ch. 4. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  23. Israel condemns 'defiant' North Korea for latest nuclear test. In: timesofisrael.com. 4. September 2017, abgerufen am 11. September 2017 (englisch).
  24. North Korea conducts most powerful nuclear test yet. In: aljazeera.com. 3. September 2017, abgerufen am 11. September 2017.
  25. Jesse Johnson, Reiji Yoshida: North Korea responds to latest U.N. sanctions with second missile over Japan. In: The Japan Times. 15. September 2017, abgerufen am 15. September 2017 (englisch).
  26. Hans Nichols, Stella Kim, Phil Helsel: North Korea fires ballistic missile over Japanese airspace again. In: nbcnews.com. 15. September 2017, abgerufen am 15. September 2017 (englisch).
  27. Choe Sang-Hun, David E. Sanger: North Korea Launches Another Missile, Escalating Crisis. In: nytimes.com. 14. September 2017, abgerufen am 15. September 2017 (englisch).
  28. Aktuell: Nächster Raketen-Test Nordkoreas steht wohl unmittelbar bevor. In: finanzmarktwelt.de. 14. September 2017, abgerufen am 15. September 2017.