Blaue Kuppe
Blaue Kuppe
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Lage | Eschwege, Werra-Meißner-Kreis in Hessen | |
Fläche | 7 ha | |
Kennung | 1636006 | |
WDPA-ID | 81414 | |
Geographische Lage | 51° 9′ N, 10° 2′ O | |
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Meereshöhe | von 295 m bis 314 m (ø 300 m) | |
Einrichtungsdatum | Unterschutzstellung 1910, NSG 1969 | |
Verwaltung | Bundesamt für Naturschutz |
Die Blaue Kuppe ist eine Erhebung auf 309 m ü. NHN im südlichen Stadtgebiet von Eschwege an der Gemarkungsgrenze zu Langenhain im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis. Sie ist ein ausgewiesenes Naturdenkmal und ein Naturschutzgebiet. Die blaugraue Farbe des vor dem Abbau hier zutage tretenden Basaltes gab vermutlich der Kuppe ihren Namen.
Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der bewaldete Hügel der Blauen Kuppe liegt in einer offenen Agrarlandschaft, rund drei Kilometer südlich von Eschwege, westlich der Landesstraße 3424 nach Langenhain. Naturräumlich wird das Gebiet dem Eschweger Becken im unteren Werrabergland zugeordnet, das zu der Haupteinheitengruppe Osthessisches Bergland[1] gehört. Die Blaue Kuppe ist ein Teil des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land.
Geografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Geologische Bedeutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Blaue Kuppe war einst ein überregional bekanntes Naturphänomen. Ihre Entstehung und ihre Gesteine beschäftigten besonders im 19. Jahrhundert die renommiertesten Wissenschaftler ihrer Zeit. Damals stritten die Neptunisten und die Plutonisten, auch Vulkanisten genannt, um die richtige Theorie zur Entstehung der Gesteine. Die einen vertraten die Ansicht, die Gesteine seien als Meeresablagerungen entstanden, die anderen schrieben die Entstehung vulkanischer Tätigkeit zu. Die Blaue Kuppe erregte besonderes Interesse, da sie Vertretern beider Richtungen Argumente lieferte. Schon Lorenz Oken beschrieb 1839 Minerale der Blauen Kuppe in seiner Allgemeinen Naturgeschichte für alle Stände. Auch Alexander von Humboldt besuchte die Blaue Kuppe und schrieb darüber 1845 in seinem fünfbändigen Werk Kosmos.[2]
Heute gilt die Entstehungsgeschichte der Blauen Kuppe als gesichert: Im Miozän, einem Zeitalter des Tertiärs, stieg in Bruchzonen glühendes Magma aus dem Erdinnern auf. Bevor sie die Erdoberfläche erreichte, erstarrte sie und kühlte langsam ab. In der Folgezeit ließ ein stetiger Erosionsprozess das weichere Nebengestein um und über dem Basaltpfropfen verwittern und legte ihn nach und nach frei. Das härtere Gestein blieb schließlich als Kuppe in der Landschaft zurück. Heute liegt die Blaue Kuppe mindestens 100 m unterhalb der damaligen Erdoberfläche. Alle früher darüber liegenden Gesteinsschichten sind abgetragen worden.
Das Basaltgestein besteht aus blasenreichem, Olivin führendem Alkaliolivinbasalt mit deutlichem Fließgefüge. Der Basalt wird von Tuffbrekzien und schaumigen, blasenreichen Schlackentuffen mit zahlreichen mitgerissenen Sand- und Tonsteinschollen begleitet.
Als man die große Bedeutung der Blauen Kuppe für die Wissenschaft erkannte, wurde der Steinbruchbetrieb, der den Berg vollständig abzutragen drohte, eingestellt. So sind die interessanten Kontaktzonen zwischen Basaltlava und Buntsandstein sowie einige Basaltpfeiler erhalten geblieben, die von den drei Kesseln dreier mehr oder minder miteinander verbundener Steinbrüche eingerahmt werden. Durch die heiße Lava ist der rote Sandstein entfärbt, also heller geworden. An den Bruchwänden ist noch zu erkennen, wie sich Sedimentgestein und Eruptivgestein miteinander vermengt haben. Diese Veränderung des Gesteins durch die Glutwirkung der Lava wird als Kontaktmetamorphose bezeichnet[3], das hierbei entstandene metamorphe Gestein heißt Buchit.
Mineralien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Eruption hat eine starke Fumarolentätigkeit noch einige Zeit heißes Gas den Basalt durchströmen lassen und eine Reihe seltener Minerale pneumatolytisch abgesetzt. Später, nach weiterer Abkühlung, haben warme Wässer noch Aragonit- und Calcit-Kristalle gebildet. Als der Basalt der Blauen Kuppe abgebaut wurde, kam zutage, was die Natur vor Jahrmillionen hatte entstehen lassen. Der bekannte Mineraloge Paul Ramdohr promovierte 1919 über die Basalte der Blauen Kuppe, fasste in seiner Dissertation alle damals von dort bekannten Minerale zusammen und erläuterte ihre Bildung. Bis heute wurden etwa 25 verschiedene Minerale festgestellt, die teils in Privatsammlungen und im Stadtmuseum Eschwege, vor allem aber in der mineralogischen Sammlung der Universität Göttingen aufbewahrt werden.
Das Stadtmuseum Eschwege listet die auskristallisierten Minerale der Blauen Kuppe wie folgt auf[4][5]:
- Andradit, ein Mineral der Granatgruppe
- Vertreter der Apatitgruppe
- die Calciumcarbonate Aragonit und Calcit
- den Alkali-Feldspat Orthoklas sowie Augit und verschiedene weitere Pyroxene
- den Glimmer-Mischkristall Biotit
- das Eisenoxihydroxid Goethit (Nadeleisenerz) und die Eisenoxide Hämatit und Magnetit
- das Eisencarbonat Siderit
- das wasserhaltige Zeolithmineral Phillipsit
- das Eisentitanoxid Pseudobrookit
- Quarz, ausgebildet als Amethyst oder als Hochtemperaturmodifikation Cristobalit bzw. Tridymit
- das Calcium-Titan-Silikat Titanit
Nach Aussagen im Museum gehören die Cristobalit-Kristalle zu den weltweit schönsten. Die meisten Funde stammten aus geöffneten Drusen. Die Fundstellen wurden jedoch stark abgesammelt und sind nahezu erloschen. Seit der Unterschutzstellung des Gebietes ist die Entnahme, in welcher Form auch immer, untersagt.[3]
Wirtschaftliche Nutzung und Unterschutzstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die heutige Gestalt der Blauen Kuppe mit den zwei kesselartigen Aushöhlungen entstand durch die frühere Nutzung als Steinbruch seit dem 17. Jahrhundert. Aktenmäßig nachweisbar ist der Basaltabbau kurz vor 1800, auch dadurch bestätigt, dass ab 1802 naturwissenschaftliche Abhandlungen über die Blaue Kuppe publiziert wurden.[6] Die im Besitz der Stadt Eschwege befindliche Basaltkuppe war bereits durch den Steinbruchbetrieb zum größten Teil abgetragen, als die Geologische Landesanstalt gemeinsam mit der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege ihren Schutz beantragte. Durch Beschluss der Stadt Eschwege gelang die Unterschutzstellung im Jahr 1910. Ein Versuch, Schotter für den Straßenbau zu entnehmen, konnte 1919 abgewehrt werden.[7] Heute wird die Blaue Kuppe als flächenhaftes Naturdenkmal unter der Nummer ND 636.647 besonders geschützt. Seit 1969 ist es als Naturschutzgebiet mit einer Fläche von 6,76 Hektar ausgewiesen. Das Naturschutzgebiet hat den CDDA-Code 81414 und die nationale Nummer 1636006.
Wichtige Schutzobjekte sind neben den geologischen Besonderheiten die Pflanzengesellschaften der Fels- und Steinschuttfluren sowie die Magerrasen. In den Kesseln des früheren Steinbruches kommen Arten lückenhafter, wärmeliebender Vegetation vor, die durch dichten Aufwuchs und Waldentwicklung gefährdet sind. Durch die Beweidung mit Schafen und Entnahme von Büschen wird versucht die Fläche freizuhalten.[8]
Geologisch schützenswertes Objekt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als schützenswertes Geotop, das erdgeschichtliche Erkenntnisse über die Entwicklung der Erde vermittelt, wird der aufgelassene Steinbruch der Blauen Kuppe im Landschaftsrahmenplan Nordhessen geführt. Im Rahmen des Hessischen Naturschutzgesetzes (HeNatG) sollen hier sogenannte einzelne Naturschöpfungen und natürliche Landschaftsteile, die wegen ihrer „Seltenheit, Eigenart oder Schönheit“ als Teil des erdgeschichtlichen Naturerbes gelten, geschützt werden. Das frühere Hessische Landesamt für Bodenforschung (HLfB) hat von den 450 in Hessen erfassten schutzwürdigen Geotopen die Bedeutung der Blauen Kuppe, mit weiteren fünf Geotopen im Regierungsbezirk Kassel, besonders hervorgehoben.[9]
Touristische Erschließung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Blaue Kuppe ist über Radwege und kleinere Straßen von den umliegenden Orten Eschwege, Oberdünzebach, Langenhain und Reichensachsen zu erreichen.
- Ein etwa einen Kilometer langer Rundwanderweg führt um die Blaue Kuppe und bietet Einblicke in den nördlichen und südlichen Kessel.
- Der 19 km lange Premiumwanderweg P 3 führt von Eschwege über die Blaue Kuppe zu den Leuchtbergen.[10]
Bildergalerie
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Blick über den südlichen Kessel nach Reichensachsen und in das Wehretal
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Blick von der Blauen Kuppe nach Nordwesten auf den Hohen Meißner und das Meißnervorland.
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Ein Relikt des vergangenen Steinbruchbetriebs in der Blauen Kuppe.
Sonstiges
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nur wenige Meter östlich am Altweg Alte Mühlhäuser Straße, der auch südlich an der Blauen Kuppe vorbeiläuft, befindet sich ein gleichnamiger Hof, der heute ein Gästehaus ist.
- Nordöstlich des NSG liegt die 100 Meter tiefer liegende Kleine Kuppe, die geologisch den fast gleichen Aufbau wie die Blaue Kuppe hat und auf der sich noch die Ruinenreste der Kirche der um 1500 abgegangenen Wüstung Staufenbühl befinden.[11]
- Unmittelbar östlich liegt heute das Segelfluggelände Stauffenbühl des Eschweger Luftsportvereins e. V.[12]
- Südlich der Blauen Kuppe entspringt die Quelle des nach Westen zur Wehre entwässernden Leimbachs.
- Nordwestlich liegt die Domäne Vogelsburg, ein hessisches Lehen derer von Boyneburg-Bischhausen, das eigentlich nach Skizzen von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel von 1631 zu einem Gutsschloss umgebaut werden sollte; der Entwurf kam aber nie zur Ausführung.[13]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lothar und Sieglinde Nitsche, Marcus Schmidt: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 3, cognitio Verlag, Niedenstein 2005, ISBN 3-932583-13-2. S. 107 f.
- Heidrun und Friedrich Jantzen: Naturdenkmale Hessens, Landbuch-Verlag, Hannover 1985, ISBN 3-7842-0323-X. S. 59 f.
- Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen (Hrsg.): Kulturelle Entdeckungen. Band III, Höhl, Bad Hersfeld 2005, ISBN 3-934377-88-2. S. 63
- Karl Kollmann: Frau Holle und das Meißnerland – Einem Mythos auf der Spur. Historische Gesellschaft des Werralandes und Werratalverein (Hrsg.), Cordier, Heiligenstadt 2012, ISBN 978-3-939848-32-5. S. 160 f.
- Sigmund Koritnig (Schriftltg.): Zur Mineralogie und Geologie der Umgebung von Göttingen mit Westharz und Teilen des Nordhessischen Berglandes, Vereinigung der Freunde der Mineralogie und Geologie (VFMG) e. V. Heidelberg (Hrsg.), Sommertagung, Göttingen 1978.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- WPDA:81414: Blaue Kuppe
- Friedrich Freiherr Waitz von Eschen: Zu den Anfängen geologischer Forschung in Hessen-Kassel im 18. Jahrhundert, Online: Verein für hessische Geschichte und Landeskunde 1834 e. V.
- Die Mineralien der Blauen Kuppe auf Mineralienatlas.de
- Die Geologie der Blauen Kuppe auf www.pinatubo.net
- Blaue Kuppe, Eschwege, Hessen, Deutschland, Webseite von www.mindat.org
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Beschreibung des Osthessischen Berglandes im Umweltatlas Hessen; abgerufen am 1. November 2017
- ↑ vergleiche dazu: Band 1, Stuttgart, Tübingen 1845, darin: S. 236–281 zum Vulkanismus, S. 270 zur Blauen Kuppe
- ↑ a b Heidrun und Friedrich Jantzen: Naturdenkmale Hessens, S. 59 f.
- ↑ Liste der Mineralien der Blauen Kuppe entsprechend der Aufstellung in der Gesteinssammlung im Stadtmuseum Eschwege (Stand 2003)
- ↑ Blaue Kuppe, Eschwege, Hesse, Germany auf www.mindat.org (Mineralien-Datenbank); abgerufen am 8. November 2017
- ↑ Karl Kollmann: Frau Holle und das Meißnerland, S. 160 f.
- ↑ Marcus Schmidt: Die Pionierphase des staatlichen Naturschutzes in Nordhessen, in: Jahrbuch Naturschutz in Hessen, Band 14 (2011/2012)
- ↑ Lothar und Sieglinde Nitsche, Marcus Schmidt: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 3, S. 107 f.
- ↑ Geologisch schützenswerte Objekte im Landschaftsrahmenplan Nordhessen auf der Webseite des Regierungspräsidiums Kassel; abgerufen am 25. August 2018.
- ↑ Beschreibung des Premiumweges P 3 auf der Website des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land; abgerufen am 26. Oktober 2017
- ↑ Staufenbühl, Werra-Meißner-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 13. Juni 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 1. November 2017.
- ↑ Eschweger Luftsportverein; abgerufen am 1. November 2017
- ↑ Vogelsburg, Werra-Meißner-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 25. Januar 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 1. November 2017.