Benutzer:JEW/Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg

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Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg; Rekonstruktion im Museum Quintana
Modell Erdwerk Künzing

Die nördlich des Ortsteils Unternberg, auf einem Sandlössrücken gelegene Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg, im Landkreis Deggendorf, in Niederbayern wurde seit 1985 erforscht. Es handelt sich um eine Kreisgrabenanlage der Gruppe Oberlauterbach mit zugehörigem umwehrten Erdwerk die zu der kleineren Sorte, (Typ Kothingeichendorf) zählt. In Ostbayern sind bisher neun Anlagen nachgewiesen, von denen sechs südlich der Isarmündung liegen.

Unternberg ist eine doppelte Kreisgrabenanlage mit 110 m Außendurchmesser und vier als Zugänge interpretierten Erdbrücken, die um 20 Grad im Uhrzeigersinn gegen die Himmelsrichtungen gedreht sind. Eine Besonderheit ist, dass die beiden Außengräben im Bereich der Zugänge miteinander verbunden sind.

Nach bereits in den 1920er Jahren erfolgten Untersuchungen an der einst einzigen bekannten Kreisgrabenanlage von Kothingeichendorf bei Landau an der Isar handelte es sich in Unternberg um die einzige zeitgenössische Untersuchung an dieser Denkmalgruppe in Niederbayern. In Arbeiten über die mitteleuropäischen Kreisgrabenanlagen legten die Autoren Jörg. Petrasch 1990 und Gerhard Trnka 1991 Kriterien fest, die charakteristisch für den frühmittelneolithischen Kreisgrabentyp gegenüber andersartigen neolithischen Grabenwerken sind.

  • annähernde Kreisform
  • eine kleine freie Innenfläche bei relativ großer Gesamtfläche,
  • ein Außendurchmesser zwischen 35 und 150 m, *ein bis auf Palisadenringe befundfreier Innenraum,
  • mehrere konzentrische Gräben und/oder Palisaden,
  • Spitzgräben mit mindestens 1,7 m Tiefe,
  • zwei bis vier Zugänge
  • Siedlungsspuren außerhalb der Anlage
  • einheitlicher kultureller Zeithorizont.

Die auf 5600 m² durchgeführte Grabung wurde durch eine Magnetometerprospektion vorbereitet, um die Luftbildstrukturen genau zu erkennen und die Untersuchung entsprechend präzise vornehmen zu können. Die von Jörg Petrasch durchgeführte Ausgrabung lieferte eine Menge an Fundmaterial. Damit wurde es der Forschung möglich, wenigstens teilweise zu den gewonnenen Erkenntnissen an den Anlagen Niederösterreichs (Kreisgrabenanlage Puch, Fundstelle Kamegg), Ungarns (Balatonmagyaród-Hídvégpuszta, Nagykanizsa-Palin und Sormás-Török-földek I), der Tschechei (Bylany, Těšetice-Kyjovice) und der Slowakei (Kreisgrabenanlage von Svodín) aufzuschließen.

Bei den Gräben handelt es sich um Spitzgräben, die an der am besten erhaltenen Stelle etwa 6,0 m breit und 4,0 m tief waren, wobei die unteren 1,5 m lediglich eine Breite von 15-30 cm aufwiesen. Unter Berücksichtigung des Erosionsprozesses ist auf eine ursprüngliche Grabentiefe von über 5,0 m zu schließen. Sedimentationsvorgänge führten bereits innerhalb weniger Jahre zur Teilverfüllung der Spitzgräben. Stärkere helle und dunkle Schichtpakete aus zahlreichen Einzelschichten, sind vermutlich auf jahreszeitliche Schwankungen zurückzuführen. Besonderer Wert wurde erkennbar auf den untersten Grabenbereich gelegt, da die Spitzen nach wenigen Jahren Ausbesserungen erfuhren. Im Torbereich ließen sich vier Solche Phasen beobachten, was einer Nutzungsdauer von zwei oder drei Generationen entspricht.

Parallel zu den massiven Gräben verliefen im Innern der Anlage fünf konzentrische Palisadengräben. Im Torbereich befanden sich – etwa 2,0 m unter der neolithischen Oberfläche – jeweils drei Pfostenspuren in den schrägen Innenwänden der verbundenen Gräben die vermuten lassen, dass der innere Zugangsteil überdacht war.

Für den Aushub aller Gräben waren 12.000 m³ Erde erforderlich. Die Palisaden und Torbauten an den Zugängen benötigten 2100 Balken bzw. Rundhölzer von 5,5 m Länge, wofür auch Bäume aus größerer Entfernung herangeschafft wurden. Die beiden Kreis- und die fünf Palisadengräben existierten nicht alle gleichzeitig. Die tiefen Gräben bildeten mit zwei unmittelbar anschließenden Palisadengräben eine architektonische Einheit, während die drei inneren Palisadenringe später entstanden – die großen Gräben waren zu dieser Zeit nur noch flache Mulden im Gelände. Die aus Tierknochen gewonnenen Daten zeigen, dass die Kreisgrabenanlage in der zweiten Hälfte des 49. Jahrhunderts v. Chr. entstand und nach etwa der Mitte des 48. Jahrhunderts sowie während des 47. Jahrhunderts noch als Drei-Palisadenanlage existierte.

Das zu 80% aus den Spitzgräben stammende, Fundmaterial besteht aus 12.800 Gefäßeinheiten, 10.700 Tierknochen und 4200 Feuersteinartefakten. Derzeit liegen vorläufige Ergebnisse der Felsgesteingeräte und der Keramik vor, das Feuersteinmaterial ist noch unbearbeitet. Pflanzenreste und Tierknochen vollständig bearbeitet. Die Tierknochen zeigen einen Wildanteil von über 50%, (dominiert vom Rothirsch mit 40,7 %), Hausrind, Hausschwein und Schaf bzw. Ziege kommen zusammen auf knapp 44%.

Die Botanik erbrachte die dem heutigen Weizen verwandten Sorten Einkorn und Emmer, dazu vor allem Linsen, Erbsen und Lein. Hinzu kommen Wildfrüchte und Unkrautreste, die in Verbindung mit dem Pflanzenbau vorkommen.

Das in den Gräben entdeckte Fundmaterial stammt partiell von der nahe gelegenen, von drei Gräben unterschiedlicher Zeitstellung eingefriedeten etwa acht Hektar großen Siedlung. Auf einer untersuchten Fläche von 2800 m² wurden 11 Silogruben und der Grundriss eines zeittypischen zweireihigen Hauses gefunden. Der Ausgräber geht davon aus, dass in der Siedlung etwa 100 Personen lebten, die den Bau der Kreisgrabenanlage unmöglich allein durchführen konnten. Es müssen auch Bewohner der Umgebung an den Arbeiten beteiligt gewesen sein, woraus auf bestimmte gesellschaftliche Strukturen zu schließen ist.

Die sechs südlich der Isarmündung im Abstand von maximal 10 km gelegenen Kreisgrabenanlagen samt den, überwiegend befestigten Siedlungen verteilen sich geographisch in einer Weise, die auf Zentralorte einer Siedlungskammer schließen lassen. Für Unternberg ergibt sich als weiterer Aspekt für diese Annahme die Verarbeitung und der Handel mit Knollenhornstein aus Flintsbach am Inn. Auch im Künzinger Ortsteil Bruck weisen Hornsteinanhäufungen von fast 24 kg auf einen Schlagplatz, auf die Bedeutung des Raumes für Bearbeitung und Handel mit Hornstein hin. Die Gleichzeitigkeit mit Unternberg ist allerdings ungesichert.

Die Idee, zentrale Orte durch Kreisgrabenanlagen kenntlich zu machen, entstand in der ersten Hälfte des 49. Jahrhunderts v. Chr. im Verbreitungsgebiet der Lengyel-Kultur Lengyelkultur. Zeugnis für die Verbindung Ostbayerns mit dieser Kultur ist das rot-weiß-bemalte Gefäß aus Unternberg. Es handelt sich um die einzige bisher in Ostbayern nachgewiesene Keramik der Lengyel-Kultur, die als Direkt- oder Ideenimport zu sehen ist.

Trotz erheblichen Anstrengungen der Forschung unter Einsatz aller verfügbaren technischen Möglichkeiten ist der Zwecke der Anlagen noch kaum ergründet. Kreisgrabenanlagen nehmen kaum strategisch günstige Lagen ein. Sie sind ein getrennter Teil der Siedlung ohne Bebauung im Innern und ohne Befestigungscharakter. Sie können als Versammlungsorte mit gesellschaftlichen Aspekten für politische und rechtliche Entscheidungen, aber auch als Ausdruck des Glaubens religiöser Gemeinschaften für rituelle Handlungen, wiederkehrende Feste und allgemein kultische Handlungen gesehen werden.

  • Aline J. E. Deicke: Studien zu reich ausgestatteten Gräbern aus dem urnenfelderzeitlichen Gräberfeld von Künzing(Lkr. Deggendorf, Niederbayern) In: Römisch-Germanisches Zentralmuseum: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 2011
  • Angelika Grillo: Hornsteinnutzung und -handel im Neolithikum Südostbayerns. In: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Band 12, Beier & Beran, Weißbach 1997.
  • H. Becker/Jörg Petrasch: Prospektion eines mittelneolithischen Erdwerkes bei Künzing-Unternberg, Landkreis Deggendorf, Niederbayern. Das Archäologische Jahr in Bayern 1984 (1985) S. 32-34.
  • H. Becker: Mittelneolithische Kreisgrabenanlagen in Niederbayern und ihre Interpretation auf Grund von Luftbildern und Bodenmagnetik. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 8. Niederbayerischen Archäologentages (Buch a. Erlbach 1990) S. 139-176.
  • H. Becker: Kultplätze, Sonnentempel und Kalenderbauten aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. Die mittelneolithischen Kreisanlagen in Niederbayern. In: Archäologische Prospektion. Luftbildarchäologie und Geophysik. Arbeitsheft des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 59 (München 1996) S. 101-122.
  • B. Kromer, Jörg Petrasch: Aussagemöglichkeiten von 14C-Daten zur Verfüllungsgeschichte prähistorischer Gräben am Beispiel der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg, Ldkr. Deggendorf. In: Archäologisches Korrespondenzblatt 19, 1989, S. 231-238.
  • K. Schmotz: Die mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen Niederbayerns. Anmerkungen zum Gang der Forschung. In: K. Schmotz (Hrsg.): Vorträge des 25. Niederbayerischen Archäologentages. Rahden/Westf. 2007, S. 71–106, bes. 94–95.</ref>

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Kategorie:Kultbau (Ur- und Frühgeschichte) Kategorie:Kreisgrabenanlage in Bayern Kategorie:Kupfersteinzeit (Mitteleuropa) Kategorie:Bodendenkmal im Landkreis Deggendorf