Bündner Autoverbot

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Auto wird in Malans (Kanton Graubünden) durch Fuhrwerk abgeschleppt, 1900–1911.

Das Bündner Autoverbot im Schweizer Kanton Graubünden bestand zwischen 1900 und 1925. Ähnliche Verbote existierten auch in anderen Kantonen, dauerten aber wesentlich weniger lange. Die Stimmberechtigten im Kanton Graubünden mussten insgesamt neun Mal über das Autoverbot abstimmen, eine weitere Abstimmung galt dem Verfassungsartikel über den Autoverkehr. Das Autoverbot fiel erst am 21. Juni 1925.

Der gebirgige Kanton Graubünden ist mit 7185 km² flächenmässig der grösste Kanton der Schweiz. Er hatte schon um 1900 ein grosses Strassennetz, das aber nur von Pferdefuhrwerken und Postkutschen befahren wurde und nicht asphaltiert war. Die Pflege oblag in vielen Fällen den Gemeinden.[1][2]

Der Grossrat Gaudenz Issler aus Davos besass im Jahr 1897 das erste Auto in Graubünden, gab es jedoch bereits nach kurzer Zeit wieder an den Verkäufer zurück, da er der Ansicht war, die Straßen in Graubünden seien nicht für Automobile geeignet.[3] Das Aufkommen des Automobils wurde von einer Mehrheit der Bevölkerung mit Misstrauen und Angst kommentiert. Der Kleine Rat des Kantons Graubünden erliess am 24. August 1900 ein Verbot auf sämtlichen Strassen des Kantons, nachdem Fälle gemeldet wurden, in denen der Post- und Fahrverkehr durch Automobile gefährdet worden sei.[4] Das Verbot war in der Bündner Gesellschaft umstritten und rief auch Kritik hervor. 1906 beschloss der Kleine Rat eine Öffnung gewisser Straßenabschnitte für den Automobilverkehr, diese wurde jedoch durch ein Referendum am 13. Oktober 1907 wieder aufgehoben.[3]

Nachdem in den Folgejahren eine Reihe weiterer Abstimmungen zugunsten der Autogegner ausging, wurde 1919 erstmals eine Strecke in Graubünden für das Postauto freigegeben. Endgültig wurde das Autoverbot jedoch erst am 21. Juni 1925 aufgehoben.[3]

Liste der Abstimmungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kantonale Abstimmungen [5]
Nr Titel Jahr Tag Ja Nein Ja/Nein Anteil Ja-Stimmen
143 Automobilverordnung 1907 13. Oktober 2074 11'184 Nein 15.6
157 Gesetz betr. Automobilverbot ('Zizerser Initiative') 1911 5. März 3453 11'977 Nein 22.4
175 Gesetz betr. Motorfahrzeuge 1920 21. März 6754 14'644 Nein 31.6
185 Gesetz betr. Motorfahrzeuge 1921 13. März 7569 12'987 Nein 36.8
189 Initiativvorschlag betr. Zulassung

des Verkehrs mit Motorfahrzeugen für Ärzte, Tierärzte usw.

1922 30. April 10'381 10'842 Nein 48.9
194 Gesetz betr. probeweiser Öffnung

einiger Strassen für das Automobil in Graubünden.

1923 24. Juni 11'422 9104 Ja 55.6
196 Öffnung einiger Strassen im Oberland

für das Automobil während der Zentenarfeier in Trun

1924 9. Juni 8001 6457 Ja 55.3
197 Gesetz über Verkehr mit Motorfahrzeugen 1924 21. Juni 11'143 12'700 Nein 46.7
199 Gesetz betr. teilweiser Zulassung des Automobils 1925 21. Juni 11'318 10'271 Ja 52.4
202 Kantonales Strassengesetz 1927 20. Februar 11'151 10'093 Ja 52.5
Abstimmungspropaganda aus dem Jahr 1927 zum eidgenössischen Strassengesetz
Eidgenössische Abstimmungen [6]
Nr. Titel Jahr Tag Ja Nein Ja/Nein Anteil Ja-Stimmen
87 Bundesbeschluss betreffend Aufnahme eines Art. 37bis in die Bundesverfassung (Automobil- und Fahrradverkehr) 1921 22. Mai 206'297 138'876 Ja 59.8
104 Bundesgesetz über den Automobil- und Fahrradverkehr 1927 15. Mai 343'387 230'287 Nein 40.1

Der Bundesrat legte am 12. Dezember 1930 dem Parlament einen neuen Gesetzesentwurf vor. Das Parlament verabschiedete ihn am 15. März 1932. Der Bundesrat setzte das „Bundesgesetz über den Automobil- und Fahrradverkehr“ per 1. Dezember 1932 in Kraft. Das war der Anfang einer eidgenössischen Strassenverkehrsgesetzgebung.[7]

Entwicklung des Motorfahrzeug-Bestands 1925–1930 im Kanton Graubünden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Ende des Autoverbots am 21. Juni 1925 entwickelte sich der Bestand von Motorfahrzeugen im Kanton Graubünden fast explosionsartig und verzehnfachte sich innerhalb von sechs Jahren von 260 auf 2262 Fahrzeuge.[8]

Jahr PKW LKW Motorräder Total
1925 136 7 117 260
1926 283 31 300 614
1927 412 35 482 929
1928 612 43 706 1361
1929 814 58 903 1775
1930 1051 75 1136 2262
  • Christoph Maria Merki: Der holprige Siegeszug des Automobils 1895–1930. Zur Motorisierung des Strassenverkehrs in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Wien, Köln, Weimar 2002, ISBN 978-3-205-99479-4. S. 148.
  • Stefan Hollinger: Graubünden und das Auto. Kontroversen um den Automobilverkehr 1900–1925. Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 19. Staatsarchiv Graubünden. Chur 2018, ISBN 978-3-85637-350-4. online
  • Jürg Simonett: Die verweigerte Automobilität: das Bündner Autoverbot 1900–1925. Kontroversen um das Auto. 4/1993. S. 37–40. Online
  • Sur Felici Maissen: Der Kampf um das Automobil in Graubünden 1900–1925. Chur 1968.
  • Bundesamt für Strassen: Wie die Strasse in der Schweiz ein nationales Thema wurde. In: Blog des Bundesamts für Strassen vom 28. Dezember 2021. Online
  • Stefan Hollinger: Graubünden und das Auto. Kontroversen um den Automobilverkehr 1900–1925. Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 19. Staatsarchiv Graubünden. Chur 2018, ISBN 978-3-85637-350-4. online
  • Dominik Landwehr: Das Bündner Autoverbot. Blog des Schweizer Nationalmuseum vom 19. Juni 2024. Online

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Christoph Maria Merki: Der holprige Siegeszug des Automobils 1895–1930. Zur Motorisierung des Strassenverkehrs in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Wien, Köln, Weimar 2002, ISBN 978-3-205-99479-4
  2. Vgl.dazu die Tabelle in diesem Aufsatz: Stefan Hollinger: Graubünden und das Auto. Kontroversen um den Automobilverkehr 1900–1925. Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 19. Staatsarchiv Graubünden. Chur 2018, ISBN 978-3-85637-350-4. Seite 40. online
  3. a b c Dominik Landwehr: Das Bündner Autoverbot. Schweizer Nationalmuseum, 19. Juni 2024, abgerufen am 2. Juli 2024.
  4. Amtsblatt des Kantons Graubünden, Nr. 34/1900. Seite 393.
  5. Handbuch der Bündner Geschichte, Bd. 4: Quellen und Materialien. Chur 2000. S. 340–345
  6. Bundeskanzlei BK: Politische Rechte. Abgerufen am 24. April 2024.
  7. Bundesamt für Strassen ASTRA: Wie die Strasse in der Schweiz ein nationales Thema wurde - Unterwegs – der ASTRA-Blog. In: https://blog.astra.admin.ch/. Abgerufen am 25. April 2024 (Schweizer Hochdeutsch).
  8. Christoph Maria Merki. Wie oben. Seite 155