Villa Beer
Die Villa Beer (auch: Haus Beer) ist ein viergeschossiges Villengebäude in der Wenzgasse 12 im 13. Wiener Gemeindebezirk, Hietzing, mit rund 650 m² Wohnfläche.[1][2][3] Das von Josef Frank und Oskar Wlach von Oktober 1929 bis 1931 errichtete Gebäude gilt als wichtiger architektonischer Vertreter der Moderne in Wien.
Geschichte
BearbeitenJulius Beer, Mitinhaber der Berson Kautschuk Gummisohlenfabrik, und seine Frau Margarete (geb. Blitz), beide Liebhaber der städtischen Musikkultur, ließen das Haus errichten, um einen geeigneten Ort für den Empfang von Gästen und Geschäftspartnern sowie für musikalische Abendveranstaltungen zu schaffen.[4][5] Bereits 1925 hatte Julius Beers drei Jahre älterer Bruder Robert Josef Frank mit der Einrichtung seiner Wohnung in der Wiener Innenstadt beauftragt.[3] Nachdem Julius Beer 1931 als Hauptgeschäftsführer ausgeschieden war und es zu Streitigkeiten mit den Hauptgesellschaftern Berson gekommen war, vermieteten er und seine Familie das Haus aufgrund der daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten ab 1932.[3][6] Die jüdische Familie Beer mit den Kindern Helene, Hans und Elisabeth bewohnte das Haus nur ein Jahr.[3][7] Zwischenmieter des Hauses waren – während ihrer Aufenthalte in Wien – unter anderem Richard Tauber, Jan Kiepura mit Marcel Prawy sowie Marta Eggerth.[1][6] 1935 leitete die hypothekenfinanzierende Allianz und Giselaverein-Versicherungs-AG ein Versteigerungsverfahren ein und erwarb 1936 die beiden unbebauten Grundstücke an der Lainzer Straße. 1937 wurde das Versteigerungsverfahren für die restliche Liegenschaft eröffnet, wobei die Versicherung 1938 den Zuschlag für das Haus samt mitverpfändeter Einrichtung von „Haus und Garten“ erhielt. 1941 erwarb der Textilunternehmer Harry Pöschmann zusammen mit seiner Frau Herta das Haus von der Versicherungsanstalt.[6]
Rezeption
BearbeitenDas Haus steht seit 1987 unter Denkmalschutz (Listeneintrag).[8] Laut Bundesdenkmalamt (BDA) stellt es einen Höhepunkt in der Entwicklung der modernen Architektur in Österreich dar und ist ein Vorzeigebauwerk.[9] Damit steht es nach Ansicht der Kunsthistorikerin Maria Welzig und dem BDA in einer Reihe mit Adolf Loos’ Haus Müller in Prag, Mies van der Rohes Villa Tugendhat in Brünn und Le Corbusiers Villa Savoye in Poissy bei Paris.[10][9] Friedrich Achleitner nannte das Haus „das wohl bedeutendste Beispiel Wiener Wohnkultur der Zwischenkriegszeit“.[11] Wolfgang Born zählte das Haus bereits 1931 zu „jenen Meisterwerken der Architektur […], in denen über die Lösung einer speziellen Aufgabe hinaus ein künstlerisches Bekenntnis seinen vollkommenen Ausdruck gefunden hat.“[12]
Museum
Bearbeiten2016 forderte die ÖGFA in einer Petition die „Entwicklung eines Konzepts zur öffentlichen Nutzung unter Einbeziehung aller rechtlich Beteiligten und der kompetentesten Persönlichkeiten und Institutionen der Fachwelt, sowie die Einleitung eines Restaurierungsprozesses für das Haus und den Garten“.[13][14] 2021 erwarb die Villa Beer GmbH unter der Leitung von Lothar Trierenberg das Haus.[15][1][16] Zuvor war das Haus von der Immobilienfirma Knight Frank LLP für 5,3 Millionen Euro zum Verkauf angeboten worden.[17][18][19] Nach einer mit dem Bundesdenkmalamt und Fachleuten abgestimmten Sanierung soll die Villa Beer als „Hausmuseum“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.[20] Die Stadt Wien unterstützt die umfassende Sanierung der Villa Beer mit 200.000 € und fördert die museale Öffnung des denkmalgeschützten Gebäudes.[21][22]
Im Frühling 2022 organisierte die ÖGFA gemeinsam mit Docomomo Austria und der Villa Beer Foundation ein internationales Symposium zur Zukunft der Villa Beer: Offene Moderne, Zur Zukunft der Villa Beer.[23]
Weblinks
Bearbeiten- Homepage der Villa Beer
- Historische Fotografien des Hauses auf Kulturpool.at
- Grundrisspläne des Hauses und Fassadenansicht auf Kulturpool.at
- Weitere Fotografien und Abbildungen von Möbelentwürfen für das Haus in der digitalen Sammlung des MAK
- Hausbesprechung von Max Eisler mit Fotos von Julius Scherb in der Ausgabe 31 / 1932 der Zeitschrift »Moderne Bauformen«[24]
- Das neue Leben der großen Villa Beer auf ORF
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c Josef Franks Villa Beer in Wien. Abgerufen am 30. Juli 2021.
- ↑ cz: Architektur-Juwel "Haus Beer" um 5,3 Mio. Euro zu haben. Abgerufen am 30. Juli 2021.
- ↑ a b c d Marlene Ott-Wodni: Josef Frank 1885-1967. Hrsg.: Eine Publikationsreihe MMD der Museen des Mobiliendepots. Band 33. Böhlau Verlag, Wien 2015, ISBN 978-3-205-79647-3, S. 208 (google.de).
- ↑ Maria Welzig, Josef Frank: Josef Frank (1885–1967): Das architektonische Werk. Böhlau Verlag Wien, Wien 1998, ISBN 3-205-98407-2.
- ↑ Christopher Long: The New Space: Movement and Experience in Viennese Modern Architecture. Yale University Press, 2016, ISBN 978-0-300-22392-7 (google.com [abgerufen am 29. Juli 2021]).
- ↑ a b c Tano Bojankin: Das Haus Beer und seine Bewohner. In: Iris Meder (Hrsg.): Josef Frank. Eine Moderne der Unordnung. Pustet, Salzburg und Wien, ISBN 978-3-7025-0581-3, S. 101–107 (ipts.at [PDF]).
- ↑ Marlene Ott: „Josef Frank (1885-1967) – Möbel und Raumgestaltung“. Hrsg.: Universität Wien. Wien 2009 (univie.ac.at [PDF]).
- ↑ nina.schedlmayer: Architektur: Moderne Gebäude sind massiv bedroht. 21. Juli 2016, abgerufen am 29. Juli 2021.
- ↑ a b Wahrnehmungsbericht des Denkmalbeirates. In: Bundesdenkmalamt. Denkmalbeirat beim Bundesdenkmalamt, abgerufen am 21. Juli 2021.
- ↑ nextroom-architektur im netz: Haus Beer, Josef Frank, Oskar Wlach - Wien (A) - 1931. Abgerufen am 29. Juli 2021.
- ↑ Stadt Wien überlegt Ankauf der Hietzinger Villa Beer. Abgerufen am 29. Juli 2021 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Wolfgang Born: Ein Haus in Wien-Hietzing. In: Innen-Dekoration. Nr. 10/1931 (XLII. Jahrgang). Koch, Darmstadt 1931, S. 363–398. – Volltext online (PDF; 10 MB).
- ↑ Haus Beer in Gefahr — Österreichische Gesellschaft für Architektur. Abgerufen am 2. August 2021.
- ↑ Condé Nast: ARQUITECTURA EN EXTINCIÓN: Una casa de Josef Frank, salvada. 21. Juli 2021, abgerufen am 2. August 2021 (europäisches Spanisch).
- ↑ IDM_admin: Haus Beer (Wien): Architekturjuwel von Josef Frank wird Museum. In: Initiative Denkmalschutz. 15. Juni 2021, abgerufen am 29. Juli 2021 (deutsch).
- ↑ Josef Frank's Villa Beer is ripe for renovation. In: The Spaces. 17. April 2020, abgerufen am 6. August 2021 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Knight Frank: International Property Digest: A waltz around Vienna. Abgerufen am 22. November 2024 (englisch).
- ↑ cz: Architektur-Juwel "Haus Beer" um 5,3 Mio. Euro zu haben. 20. Juli 2020, abgerufen am 22. November 2024.
- ↑ Kathryn M: Villa Beer by Josef Frank. 26. Mai 2020, abgerufen am 22. November 2024.
- ↑ Sanierung von Villa Beer gestartet. In: wien.orf.at. 20. April 2024, abgerufen am 21. April 2024.
- ↑ Hietzing: Villa Beer wird Museum – Stadt Wien fördert Sanierung. 15. Juni 2024, abgerufen am 22. November 2024.
- ↑ Ernst Berger: Hietzing: Stadt fördert Sanierung der Villa Beer. In: Wiener Bezirksblatt. 13. Juni 2024, abgerufen am 22. November 2024.
- ↑ Symposium „Offene Moderne – Zur Zukunft der Villa Beer“: 24.–26.2.2022 – DOCOMOMO Austria. Abgerufen am 22. November 2024 (deutsch).
- ↑ Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst (31.1932). Abgerufen am 3. September 2021.
Koordinaten: 48° 11′ 6,1″ N, 16° 17′ 35,4″ O