Tétouan

Marokkanische Stadt im westlichen Rif in der Region Ayt El Hauz

Tétouan (marokkanisches Tamazight ⵜⵉⵟⵟⴰⵡⵉⵏ Tiṭṭawin, deutsch ‚Augen‘, arabisch تطوان, DMG Tiṭwān, spanisch Tetuán) ist eine historisch bedeutende Stadt unweit der Mittelmeerküste Marokkos mit etwa 400.000 Einwohnern. Seit dem Jahr 1997 ist die Altstadt (Medina) als Weltkulturerbe der UNESCO anerkannt.[1] Seit 1999 ist sie – wegen ihres gemäßigten Klimas – Sommerresidenz von König Mohammed VI.

Tétouan
تطوان
ⵜⵉⵟⵟⴰⵡⵉⵏ
Wappen von Tétouan
Tétouan (Marokko)
Tétouan (Marokko)
Tétouan
Basisdaten
Staat: Marokko Marokko
Region: Tanger-Tétouan-Al Hoceïma
Provinz: Tétouan
Koordinaten 35° 34′ N, 5° 22′ WKoordinaten: 35° 34′ N, 5° 22′ W
Einwohner: 380.787 (2014)
Fläche: 60,9 km²
Bevölkerungsdichte: 6.253 Einwohner je km²
Höhe: 90 m
Postleitzahl: 93022
Website der Stadtverwaltung:
Tétouan – Stadtansicht
Tétouan – Stadtansicht
Tétouan – Stadtansicht
Blick auf Tétouan 1842
Fassade des Königlichen Palasts (Palais royal)
Nuestra Señora de la Victoria
Gasse in der Medina
Gerberviertel von Tétouan

Der berberische Name der Stadt bedeutet wörtlich „Augen“. Sie hat auch den poetischen Beinamen „Die weiße Taube“ (arabisch الحمامة البيضاء, DMG al-Ḥamāma al-Bayḍāʾ, französisch La Colombe blanche).

Lage und Klima

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Die für marokkanische Verhältnisse regenreiche Stadt Tétouan liegt in den nördlichen Ausläufern des Rifgebirges in einer Höhe von etwa 35 bis 150 m auf einem Plateau, das an den Jbel Dersa angrenzt. Die nördlich des Oued Martil gelegene Stadt ist nur etwa 10 km (Luftlinie) von der Mittelmeerküste entfernt; die spanische Exklave Ceuta befindet sich ca. 40 km nördlich. Das Klima ist gemäßigt; der für marokkanische Verhältnisse reichliche Regen (ca. 685 mm/Jahr) fällt nahezu ausschließlich in den Wintermonaten.[2]

Bevölkerung

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Anzahl Einwohner[3]
Jahr 199420042014
Einwohner 277.516320.539380.787

Die schnell wachsende Bevölkerung besteht hauptsächlich aus zugewanderten Rif-Berbern und Arabern, doch haben sich die Kulturen weitgehend vermischt. Gesprochen werden Marokkanisches Arabisch und Tarifit.

Wirtschaft

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Die Einwohner der Stadt leben hauptsächlich von Handwerk, Handel, Dienstleistungen und Tourismus. Fischverarbeitung und das Pulen von Nordseegarnelen spielen eine wichtige Rolle. Weitere Einnahmequellen bieten die Textil-, Zigaretten- und Elektroindustrie.

Geschichte

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Anders als bei anderen Städten an der Mittelmeerküste sind für Tetouan keinerlei Zeugnisse aus phönizischer Zeit belegt. Die Römer gründeten in der Nähe der heutigen Stadt eine Militärsiedlung mit Namen Oppidum Tamuda. Im 14. Jahrhundert war Tétouan als Seeräubernest gefürchtet und wurde deshalb wiederholt von kastilischen Schiffen angegriffen. Nach der Eroberung Granadas (1492) und nochmals zu Beginn des 17. Jahrhunderts siedelten sich maurische und jüdische Flüchtlinge aus Andalusien an, was einen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zur Folge hatte.

Im Rahmen des Spanisch-Marokkanischen Krieges fanden bei Tétouan mehrere kleine, jedoch sehr blutige Gefechte zwischen Spaniern und Marokkanern statt, nach denen die Spanier am 4. Februar 1860 die Stadt besetzten. Nach einer am 23. März westlich von Tétouan erlittenen entscheidenden Niederlage baten die Marokkaner um Waffenstillstand.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts – nach dem Verlust seiner überseeischen Kolonien – expandierte Spanien zunehmend im Norden Marokkos. 1913 wurde Tétouan Residenzstadt des spanischen Hochkommissars in Marokko. In Spanisch-Marokko begann am 17. Juli 1936 der Staatsstreich des Militärs zum Sturz der spanischen Regierung, wobei die Militärs in Tétouan loyal zur spanischen Regierung standen. Nach der Einnahme Tétouans und der Luftwaffenbasis Sania Ramel liquidierten die Putschisten den Hochkommissar von Spanisch-Marokko und den Major Ricardo de la Puente Bahamonde mit weiteren 189 Republikanern.[4] Der Politiker Mekki Naciri des Parti de l'unité marocaine verließ Französisch-Marokko, ließ sich 1937 in Tétouan nieder und ließ unter anderem antizionistische Parolen an Marokkos Juden verlauten.[5]

Während des Spanischen Bürgerkriegs wurde Tétouan von Flugzeugen der republikanischen Seite bombardiert. 1956 gab Franco dem internationalen Druck nach und stimmte der Unabhängigkeit Marokkos zu. Im Algerienkrieg erschien El Moudjahid,[6] die Untergrundzeitung der FLN, zeitweise in Tétouan.

Sehenswürdigkeiten

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  • Hauptattraktion von Tétouan ist die weitläufige, zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Medina mit ihrem engen Nebeneinander von Wohnen, Handwerk und Handel.
  • Das Archäologische Museum (Musée d’archéologie) befindet sich am Übergang zur Neustadt (ville nouvelle) und zeigt vorgeschichtliche Funde sowie eine schöne Sammlung römischer Mosaike, Münzen und Keramiken; im Gartenbereich findet sich eine große Anzahl von Grabsteinen – libysch-berberische, römische, islamische, jüdische und portugiesische in friedlichem Nebeneinander.
  • Ein weiteres Museum (Musée d'ethnographie) befindet sich am entgegengesetzten Ende der Medina in der Nähe des Gerberviertels.
  • Das im Jahr 2014 im ehemaligen Bahnhofsgebäude eröffnete Centre d’art moderne de Tétouan befindet sich nahe der Medina.
  • Es existieren Bauten aus der spanischen Kolonialzeit, darunter die im neomaurischen Stil erbaute Pfarrkirche Nuestra Señora de la Victoria an der Place Moulay el Mehdi.
Umgebung
  • Etwa fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt befinden sich die römischen Ruinen Oppidum Tamuda, eine Militärsiedlung mit quadratischem Grundriss.

Söhne und Töchter der Stadt

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Städtepartnerschaft

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Sonstiges

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Im Jahr 2015 wurde durch die Internationale Astronomische Union (IAU) der Doppelstern Titawin nach der Stadt benannt.

Literatur

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  • Arnold Betten: Marokko. Antike, Berbertraditionen und Islam – Geschichte, Kunst und Kultur im Maghreb. DuMont, Ostfildern 2012, ISBN 978-3-7701-3935-4, S. 138 f.
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Commons: Tetouan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Tétouan (Memento vom 12. Januar 2013 im Webarchiv archive.today)

Einzelnachweise

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  1. Eintrag auf der Website des Welterbezentrums der UNESCO (englisch und französisch).
  2. Tétouan – Klimatabellen
  3. Tétouan – Bevölkerungsentwicklung etc.
  4. Antony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg. 2. Auflage, ISBN 978-3-442-15492-0, S. 82.
  5. Georges Bensoussan: Juifs en pays arabes – Le grand déracinement, 1850–1975. Hrsg.: Denis Maraval (= Collection Texto). 2. Auflage. Éditions Tallandier, Paris 2021, ISBN 979-1-02105090-7, S. 521.
  6. Karima Dirèche, Nessim Znaien, Aurélia Dusserre: Histoire du Maghreb depuis les indépendances: États, sociétés, cultures. Éditions Armand Colin, Malakoff 2023, ISBN 978-2-200-63179-6, S. 125.