Strontiumtitanat

chemische Verbindung

Strontiumtitanat ist eine chemische Verbindung des Strontiums aus der Gruppe der Titanate.

Kristallstruktur
Struktur von Strontiumtitanat
_ Sr2 0 _ Ti4 0 _ O2−
Allgemeines
Name Strontiumtitanat
Verhältnisformel SrTiO3
Kurzbeschreibung

farbloses kristallines Pulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 12060-59-2
EG-Nummer 235-044-1
ECHA-InfoCard 100.031.846
PubChem 82899
Wikidata Q421340
Eigenschaften
Molare Masse 183,49 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

5,12 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

2060 °C[3]

Löslichkeit

nahezu unlöslich in Wasser[3]

Brechungsindex

2,394 (620 nm)[4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Vorkommen

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Strontiumtitanat kommt natürlich in Form des sehr seltenen und erst 1982 entdeckten Minerals Tausonit (nach dem russischen Geologen Lev Vladimirovich Tauson) vor.[5]

Gewinnung und Darstellung

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Strontiumtitanat wird mit Hilfe eines Verneuil-Verfahrens aus Strontiumcarbonat und Titandioxid gewonnen.[6]

 

Eigenschaften

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Strontiumtitanat besitzt eine kubische Elementarzelle des Perowskit-Typs mit der Raumgruppe Pm3m (Raumgruppen-Nr. 221)Vorlage:Raumgruppe/221. Im Zentrum der Elementarzelle befindet sich das Ti4 -Kation, auf den Flächenzentren befinden sich die O2−-Anionen und auf den Eckplätzen die Sr2 -Kationen. Bis zu einer Temperatur von 105 K besitzt es eine tetragonale Kristallstruktur mit der Raumgruppe I4/mcm (Nr. 140)Vorlage:Raumgruppe/140. Darüber tritt ein antiferrodistortiver Übergang zur Perowskitstruktur auf.[7] Strontiumtitanat besitzt ungewöhnliche physikalische Eigenschaften. So ist es die einzige bekannte Verbindung, die bei tiefen Temperaturen (minus 195 bis 770 Grad Celsius) duktil, bei zunehmender Hitze (770 bis 1230 Grad Celsius) spröde und bei sehr hohen Temperaturen (1230 bis 1530 Grad Celsius) wieder duktil ist.[8]

Strontiumtitanat ist ein indirekter Halbleiter mit einer Bandlücke von 3,25 eV (und direkter Bandlücke von 3,75 eV) und ist somit für sichtbares Licht transparent.[9] Bei Raumtemperatur besitzt Strontiumtitanat eine hohe relative Permittivität von circa 300, welche beim Abkühlen zunächst deutlich ansteigt, dann aber bei Temperaturen unterhalb von 4 K einen konstanten Wert von ca. 104 annimmt (und nicht wie bei einem Ferroelektrikum bei der Curie-Temperatur divergiert). Es ist deshalb ein Quanten-Paraelektrikum.[10] Bereits bei sehr niedriger Dotierung wird Strontiumtitanat supraleitend und zeigt mit zunehmender Ladungsträgerdichte ein breites Maximum der supraleitenden Sprungtemperatur mit Maximalwert von ca. 0,3 K (in Volumenexperimenten) bzw. von ca. 0,5 K (im Gleichstromwiderstand).[11]

Strontiumtitanat-Einkristalle zeigen persistente Photoleitung bei Raumtemperatur. Nach Belichtung erhöht sich die freie Elektronen-Konzentration um zwei Größenordnungen und bleibt über Tage erhöht.[12]

Verwendung

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Strontiumtitanat wird aufgrund seines hohen Brechungsindex für optische Bauelemente und als Fenster im Infrarot-Bereich verwendet. Strontiumtitanat hat dieselbe Perowskit-Kristallstruktur wie viele andere Oxide mit für Anwendungen interessanten Eigenschaften (z. B. Hochtemperatursupraleitung in Kupraten) und ist deshalb populäres Substrat für die Dünnfilmabscheidung dieser Materialien.[13]

An atomaren Gitterfehlern hat Strontiumtitanat die Eigenschaft eines Halbleiters und wird in der Forschung als Memristor erprobt.[14]

Radionuklidbatterien

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In sowjetischen Radionuklidbatterien wurde Strontiumtitanat mit dem Strontiumisotop 90Sr für terrestrische Zwecke verwendet.[15] Vorteilig ist hierbei die chemische Beständigkeit und physikalische Haltbarkeit (hoher Schmelz- und Siedepunkt, unlöslich in Wasser), nachteilig die gegenüber metallischem Strontium geringere Leistungsdichte ~0,45 Wthermisch für SrTiO3 im Vergleich zu ~0,9 Wthermisch pro Gramm für elementares Strontium. Da Plutonium-238 sowohl eine höhere Leistungsdichte als auch eine höhere Halbwertszeit (= längere und langsamer abfallende Leistungsabgabe) hat, ist Strontium-90 als Radionuklidbatterie heutzutage fast vollständig außer Gebrauch gekommen. Nichtsdestotrotz wäre Sr-90 aufgrund der prinzipiell besseren Verfügbarkeit (Extraktion aus abgebrannten Kernbrennstoff) im Vergleich zu Plutonium-238 (Extraktion von Neptunium-237 aus abgebrannten Kernbrennstoff und anschließender Beschuss mit thermischen Neutronen) für Anwendungen, bei denen der Preis eine größere Rolle als das Gewicht spielt, prinzipiell interessant.

Literatur

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  • Michael Bäurer: Kornwachstum in Strontiumtitanat. Univ.-Verlag Karlsruhe, Karlsruhe 2009, ISBN 978-3-86644-335-8 (PDF).
  • Anissa Gunhold, Wolfgang Maus-Friedrichs, Karsten Gömann, Günter Borchardt: Strontiumtitanat: Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten als Sauerstoffsensor. In: TU Contact. Nr. 12, Mai 2003, S. 31–37 (PDF).

Einzelnachweise

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  1. a b c Datenblatt Strontium titanate, single crystal substrate, <100> bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 1. Dezember 2019 (PDF).
  2. Taşyürek, Lütfi & Sevim, Melike & Çaldıran, Zakir & Aydoğan, Şakir & Metin, Onder. (2018). The Synthesis of SrTiO3 Nanocubes and the Analysis of nearly ideal diode application of Ni/SrTiO3 nanocubes/n-Si heterojunctions. Materials Research Express. 5. doi:10.1088/2053-1591/aaa745.
  3. a b Eintrag zu Strontiumtitanat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 4. November 2018. (JavaScript erforderlich)
  4. Optical Properties of Zinc Oxide and Strontium Titanate Thin Films (PDF; 6,9 MB)
  5. Webmineral: Tausonite
  6. H. J. Scheel: Kristallzüchtung und Charakterisierung von Strontiumtitanat SrTiO3. In: Zeitschrift für Kristallographie - Crystalline Materials. 143, 1976, S. 417–428, doi:10.1524/zkri.1976.143.jg.417.
  7. Jakob Sidoruk: Konkurrierende ferroische Ordnungsparameter in SrTiO3: Domänenverhalten und Schaltverhalte. Dissertation, Universität Göttingen, 2014.
  8. Welt der Physik: Von spröde keine Rede – neuartige Keramiken, Artikel vom 12. März 2003.
  9. K. van Benthem, C. Elsässer, R. H. French: Bulk electronic structure of SrTiO3: Experiment and theory. In: Journal of Applied Physics. Band 90, Nr. 12, 15. Dezember 2001, S. 6156–6164, doi:10.1063/1.1415766.
  10. K. A. Müller, H. Burkard: SrTiO3: An intrinsic quantum paraelectric below 4 K. In: Physical Review B. Band 19, Nr. 7, 1. April 1979, S. 3593–3602, doi:10.1103/PhysRevB.19.3593.
  11. Clément Collignon, Xiao Lin, Carl Willem Rischau, Benoît Fauqué, Kamran Behnia: Metallicity and Superconductivity in Doped Strontium Titanate. In: Annu. Rev. Condens. Matter Phys. 10. Jahrgang, 2019, S. 25–44, doi:10.1146/annurev-conmatphys-031218-013144, arxiv:1804.07067.
  12. Marianne C. Tarun, Farida A. Selim, Matthew D. McCluskey: Persistent Photoconductivity in Strontium Titanate. In: Physical Review Letters. Band 111, 2013, doi:10.1103/PhysRevLett.111.187403.
  13. Florencio Sanchez, Carmen Ocal, Josep Fontcuberta: Tailored surfaces of perovskite oxide substrates for conducted growth of thin films. In: Chemical Society Reviews. 43. Jahrgang, 2014, S. 2272, doi:10.1039/c3cs60434a.
  14. techtransfer.ima.kit.edu: Bewegliche Leerstellen
  15. Rashid Alimov: Radioisotope Thermoelectric Generators. (Memento vom 13. Oktober 2013 im Internet Archive) Belonia, April 2005, abgerufen am 20. Dezember 2010.