Spolienklage
Die Spolienklage (vom lat. spolium, das seit dem Mittelalter im Sinne der widerrechtlichen Besitzentsetzung gebraucht wird)[1] ist eine aus dem kanonischen Recht (Spolienrecht) stammende Besitzschutzklage (actio oder condictio ex canone, actio spolii). Sie schützt den possessorischen Besitzschutzanspruch des unmittelbaren Besitzers gegen verbotene Eigenmacht (§ 861 BGB),[2][3] wenn auch dem Bürgerlichen Gesetzbuch der Ausdruck fremd ist.[4]
Mit der Rezeption des römischen Rechts knüpfte das Gemeine Recht den Besitzschutz an die tatsächliche Sachherrschaft, zu deren Bezeichnung sich der in der römischen Antike noch nicht technisch gebrauchte Ausdruck „detentio“ (Innehabung)[5] einbürgerte. Dem Detentor wurde Besitzschutz durch die aus dem kanonischen Recht übernommene Spolienklage zuteil.[6] Sie war im Hochmittelalter aus einer Einrede entwickelt worden, die es dem Bischof, dem Vermögenswerte eigenmächtig entzogen worden waren, gestattete, die Einlassung auf eine Klage zu verweigern, solange ihm das vom Kläger Entzogene nicht zurückerstattet worden war (dolo agit).[7] Am Anfang war die Spolienklage ausschließlich auf die Angehörigen des Klerus anwendbar. Erst im 15. Jahrhundert begannen die weltlichen Gerichte, diese Klage auch auf Laien anzuwenden, womit sich die Spolienklage zu einem beinahe universellen Rechtsmittel entwickelte.[8]
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Bezeichnung Spolienklage im Zivilprozessrecht nicht durchgesetzt. Üblich blieb die Bezeichnung als interdictum quod vi aut clam.[9]
In einer Entscheidung vom 5. Juli 1892 befasste sich das Reichsgericht mit der Frage der Beweislast.[10] Im Hinblick auf die Beweisbarkeit und aus Gründen der Rechtssicherheit hielt es die Feststellung des unfreiwilligen Besitzverlustes des Klägers für maßgeblich. Einreden des Beklagten zu seinem vermeintlich rechtmäßigen Besitz seien unzulässig.[11]
Literatur
Bearbeiten- Spolienklage. In: Otto Bähr: Urteile des Reichsgerichts mit Besprechungen. 1883, S. 37 ff.
- Heinrich Duncker: Die Besitzklage und der Besitz: Ein Beitrag zur Revision der Theorie vom subjektiven Recht. Berlin und Leipzig, 1884. google.books.
- Thomas Rüfner: Besitz. 3. Regelungen des Besitzrechts im Einzelnen. HWB-EuP 2009. PDF.
- Therese Müller: Besitzschutz in Europa: eine rechtsvergleichende Untersuchung über den zivilrechtlichen Schutz der tatsächlichen Sachherrschaft. Mohr Siebeck, 2010. google.books.
- Riccarda Feldmann: Der possessorische Besitzschutz und sein Verhältnis zum petitorischen Recht. Eine materiellrechtliche und zivilprozessuale Betrachtung. Mohr Siebeck, 2020. ISBN 978-3-16-159004-7.
- Pinar Kütük: Einflüsse des römischen Rechts im Bereich des Schuld- und Sachenrechts auf das österreichische ABGB. Universität Graz, 2014. PDF.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ DRW: Spolium. In: Deutsches Rechtswörterbuch. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 17. März 2024.
- ↑ Hans Josef Wieling: Mittelbarer Besitz, in: Sachenrecht. Springer-Verlag 2007, S. 75–82.
- ↑ DRW: Spolienklage. In: Deutsches Rechtswörterbuch. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 17. März 2024.
- ↑ Spolienklage. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 773. zeno.org, abgerufen am 18. März 2024.
- ↑ Max Kaser: Das Römische Privatrecht. (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abteilung 10: Rechtsgeschichte des Altertums. Band 3.3.1: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht). C.H.Beck, München 1955, 2. Auflage 1971. Erster Abschnitt. § 94, S. 327.
- ↑ J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen. Buch 3, Sachenrecht. Einleitung zum Sachenrecht; §§ 854–882 (Allgemeines Liegenschaftsrecht 1). 15. Neubearbeitung 2007, Rz. 4.
- ↑ Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts. 9. Auflage 1906, § 162a.
- ↑ Therese Müller: Besitzschutz in Europa. Eine rechtsvergleichende Untersuchung über den zivilrechtlichen Schutz der tatsächlichen Sachherrschaft, Mohr Siebeck 2010. ISBN 978-3-1615-0220-0. S. 24.
- ↑ Spolienklage als interdictum quod vi aut clam für begründet erachtet. Seuffert's Archiv für Entscheidungen der Obersten Gerichte in den deutschen Staaten. Band 5, S. 722. google.books.
- ↑ RG, Urteil vom 5. Juli 1892 - III 98/92
- ↑ Vgl. dazu RG, Urteil vom 21. Oktober 1881 - III 129/81.