Die Rytzsche Achsenkonstruktion ist eine nach ihrem Schweizer Erfinder David Rytz benannte Methode der Darstellenden Geometrie, um die Scheitel und Halbachsen einer Ellipse mit Hilfe von Zirkel und Lineal zu konstruieren, falls der Mittelpunkt und zwei Punkte auf zwei konjugierten Durchmessern bekannt sind. Nach der Konstruktion der Scheitel kann man dann die Ellipse mit einer der zahlreichen Methoden von Hand oder einem Ellipsenzirkel zeichnen.

Rytz-Konstruktion: Anfang – Ende
Würfel mit Kreisen in Vogelperspektive
Rytz-Konstruktion in 6 Schritten.
Gegeben sind Mittelpunkt M und zwei konjugierte Halbmesser MP, MQ einer Ellipse.
Gesucht: die Scheitel der Ellipse.

Beschreibung des Problems und seine Lösung

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Bei einer in der Darstellenden Geometrie üblichen Parallelprojektion einer Ellipse bzw. eines Kreises werden die Hauptachsen bzw. zwei orthogonale Durchmesser des Kreises auf konjugierte Durchmesser der Bildellipse abgebildet.

  • Zwei Durchmesser einer Ellipse heißen konjugiert, wenn die Tangenten in den Punkten des einen Durchmessers parallel zu dem anderen Durchmesser sind. Bei einem Kreis sind zwei Durchmesser konjugiert, wenn sie orthogonal sind.

Die nebenstehende Abbildung zeigt eine Vogelperspektive (schiefe Parallelprojektion) eines Würfels mit Kreisen. Die obere (horizontale) Seite des Würfels wird bei Vogelperspektive (die Bildtafel ist horizontal) unverzerrt abgebildet. Das Bild des Deckelkreises ist also wieder ein Kreis. Die beiden anderen Kreise werden auf Ellipsen abgebildet, von denen jeweils zwei konjugierte Durchmesser (Bilder senkrechter Durchmesser der Kreise) leicht zu konstruieren sind. Sie sind aber nicht die Hauptachsen der Bildellipsen. Dies ist eine Standardsituation in der Darstellenden Geometrie:

  • Von einer Ellipse sind der Mittelpunkt   und zwei Punkte   auf zwei konjugierten Durchmessern bekannt.
  • Aufgabe: Konstruiere die Hauptachsen und Scheitel der Bildellipse.
Konstruktionsschritte

(1) Drehe Punkt   um   um 90°.
(2) Bestimme den Mittelpunkt   der Strecke  .
(3) Zeichne die Gerade   und den Kreis durch   mit Mittelpunkt  . Schneide den Kreis mit der Gerade. Die Schnittpunkte sind  .
(4) Die Geraden   und   sind die Achsen der Ellipse.
(5) Die Strecke   kann man als Papierstreifen der Länge   auffassen, mit dem der Ellipsenpunkt   erzeugt wird. Also sind   und   die Halbachsen der Ellipse. (Falls   ist, ist   die große Halbachse.)
(6) Damit sind auch die Scheitel der Ellipse bekannt und die Ellipse kann mit einer der Methoden gezeichnet werden.

Falls man bei derselben Vorgabe als ersten Schritt eine Linksdrehung ausführt, ergibt sich die Konfiguration der zweiten Papierstreifenmethode und   und   ist auch hier gültig.

Beweis der Methode

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Zum Beweis der Methode

Der Standardbeweis wird geometrisch geführt (s. unten)[1]. Leichter nachvollziehbar ist der analytische Beweis:

Der Beweis ist geführt, wenn man zeigen kann, dass gilt:

  • Die Schnittpunkte   der Gerade   mit den Achsen der Ellipse liegen auf dem Kreis durch   mit Mittelpunkt  . Also ist   und   und  
Beweis

(1): Jede Ellipse kann in einem geeigneten Koordinatensystem durch eine

Parameterdarstellung   beschrieben werden.
Zwei Punkte   liegen auf konjugierten Durchmessern, wenn   ist. (s. konjugierte Durchmesser)

(2): Es seien   und

 
zwei Punkte auf konjugierten Durchmessern.
Dann ist   und der Mittelpunkt der Strecke   ist  .

(3): Die Gerade   hat die Gleichung  

Die Schnittpunkte dieser Gerade mit den Achsen der Ellipse sind
 
 
Rytz: Linksdrehung des Punktes  

(4): Wegen   liegen die Punkte   auf dem

Kreis mit Mittelpunkt   und Radius  
Also ist  

(5):  

Der Beweis benutzt eine Rechtsdrehung des Punktes  , was zu einer Konfiguration wie bei der 1. Papierstreifenmethode führt.

Variationen

Führt man eine Linksdrehung des Punktes   durch, so sind die Resultate (4) und (5) weiterhin gültig und die Konfiguration zeigt die 2. Papierstreifenmethode (s. Bild).
Verwendet man  , so ist die Konstruktion und der Beweis weiterhin gültig.

Lösung mit Hilfe eines Computers

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Um die Scheitel einer Ellipse mit Hilfe eines Computers zu finden, müssen

  • die Koordinaten der Punkte   bekannt sein.

Man kann versuchen, ein Programm zu schreiben, das die obigen Schritte der Konstruktion rechnerisch nachvollzieht. Eine effektivere Methode benutzt die Parameterdarstellung einer beliebigen Ellipse:

 ,

wobei   der Mittelpunkt und  ,   (zwei konjugierte Halbmesser) sind. Hiermit ist man in der Lage, beliebig viele Punkte zu berechnen und die Ellipse als Polygon zu zeichnen.

Falls nötig: Mit   erhält man die vier Scheitel der Ellipse,  ,  ,  . (s. Ellipse)

Geometrischer Beweis der Methode

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Abbildung 1: Gegebene Größen und Ergebnisse

Eine Ellipse kann als affines Bild ihres Hauptkreises unter einer senkrechten Achsenaffinität betrachtet werden. Abbildung 1 zeigt neben der Ellipse   ihren Hauptkreis  . Die Affine Abbildung  , welche   in   überführt, ist durch gestrichelte Pfeile angedeutet. Das Urbild eines Ellipsendurchmessers unter der Abbildung   ist ein Kreisdurchmesser von  . Die definierende Eigenschaft konjugierter Durchmesser   und   einer Ellipse ist, dass ihre Urbilder   und   aufeinander senkrecht stehen.

Die Urbilder der konjugierten Durchmesser

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Abbildung 3: Urbilder der konjugierten Durchmesser

Die Ellipse, deren konjugierten Durchmesser   und   gegeben sind, kann als affines Bild ihres Hauptkreises bezüglich einer affinen Abbildung   betrachtet werden. Abbildung 3 zeigt die Ellipse mit ihrem Hauptkreis   und ihrem Nebenkreis  . Die Punkte   und   seien Endpunkte von   bzw.  , die sich im Mittelpunkt   des Hauptkreises schneiden. Die Urbilder   und   (grün) von   und   bezüglich   sind damit Kreisdurchmesser des Ellipsen-Hauptkreises  . Aufgrund der Eigenschaft, dass   und   konjugierte Durchmesser sind, stehen ihre Urbilder   und   aufeinander senkrecht. Das Urbild von   bzw.   bezüglich   sind die korrespondierenden Endpunkte   bzw.   der Kreisdurchmesser   bzw.  . Die Schnittpunkte der Kreisdurchmesser   bzw.   mit dem Nebenkreis   der Ellipse seien die Punkte   bzw.  .

Zu Beginn der Konstruktion sind nur die Punkte  ,   und   gegeben. Weder die Urbilder   und   der konjugierten Durchmesser noch die Punkte  ,  ,   und   sind bekannt noch werden sie im Verlauf der Konstruktion bestimmt. Sie sind lediglich für das Verständnis der Konstruktion wichtig. Wenn im weiteren Verlauf der Beschreibung auf diese Punkte Bezug genommen wird, ist das zu verstehen als „Wenn diese Punkte bekannt wären, dann würde man feststellen, dass …“.

Parallelen zu den Ellipsenachsen

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Abbildung 4: Parallelen zu den Ellipsenachsen

Interessanterweise sind die Strecken   und   parallel zu den Ellipsenachsen und bilden daher einen rechten Winkel in  . Gleiches gilt für die Strecken   und   im Punkt  . Dies kann folgendermaßen erklärt werden: Die affine Abbildung  , welche den Ellipsenhauptkreis auf die Ellipse abbildet, hat die Nebenachse der Ellipse als Fixgerade. Da eine Gerade durch einen Punkt (beispielsweise  ) und seinen Bildpunkt (beispielsweise  ) ebenfalls eine Fixgerade ist, muss aufgrund der Parallelentreue affiner Abbildungen die Gerade durch   und   eine Parallele zur Nebenachse sein. Dasselbe Argument gilt für die Gerade durch   und  . Um zu zeigen, dass die Geraden durch   und   bzw.   und   parallel zur Ellipsen-Hauptachse sind, betrachtet man die Ellipse als affines Bild ihres Nebenkreises und wendet das Argument entsprechend an.

Die Erkenntnis, dass die Strecken   und   parallel zu den gesuchten Achsen liegen, hilft noch nicht weiter, da die Punkte   und   nicht bekannt sind. Der folgende Schritt nutzt diese Parallelitäten allerdings geschickt aus, um dennoch die Achsen zu finden.

Finden der Ellipsenachsen

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Abbildung 5: Finden der Ellipsenachsen

Dreht man, wie in Abbildung 3 gezeigt, den Ellipsendurchmesser   mitsamt seinem Urbild   um   um den Mittelpunkt   in Richtung  , so kommen die Urbilder   und   zur Deckung, und der gedrehte Punkt   fällt mit   und   mit   zusammen. Der Punkt   geht in   über. Aufgrund der Parallelität von   und   mit einer Ellipsenachse und der Parallelität von   und   mit der anderen Ellipsenachse bilden die Punkte  ,  ,   und   ein Rechteck, wie man in Abbildung 4 sieht. Von diesem Rechteck sind allerdings nur die Punkte   und   bekannt. Dies reicht aber aus, um seinen Diagonalenschnittpunkt zu finden.

Der Diagonalenschnittpunkt   ergibt sich durch Halbierung der Diagonale  . Die andere Diagonale liegt auf der Geraden durch   und   (weil   der Diagonalenschnittpunkt ist und die Diagonale auf einem Durchmesser des Hauptkreises liegen muss), allerdings sind ihre Endpunkte   und   durch die Konstruktion noch nicht identifiziert. Wichtig zum Finden der Ellipsenachsen ist aber lediglich, dass die Ellipsen-Hauptachse eine Parallele zu   durch   ist und entsprechend die Ellipsen-Nebenachse eine Parallele zu   durch   ist.

Verlängert man die bereits bekannte Diagonale   wie in Abbildung 5, so schneidet sie die Ellipsen-Hauptachse in einem Punkt   und die Ellipsen-Nebenachse in  , und es entstehen gleichschenklige Dreiecke   und   in   (die Diagonalen teilen ein Rechteck in vier gleichschenklige Dreiecke, plus Strahlensatz). Selbiges gilt für die Dreiecke   und  . Diese Eigenschaft wird für die Konstruktion der Punkte   und   ausgenutzt: Da die Länge der Strecke   gleich der Länge der Strecken   bzw.   sein muss, findet man   bzw.   als Schnittpunkte eines Kreises um   mit Radius  . Mit den Punkten   und   ist jetzt auch die Lage der Ellipsenachsen bekannt (auf den Geraden durch   und   bzw.  ). Es fehlen lediglich die Scheitelpunkte.

Identifikation der Ellipsenscheitel

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Abbildung 6: Identifikation der Scheitelpunkte

Die Länge der Hauptachse   entspricht der Länge des Radius des Hauptkreises. Die Länge der Nebenachse   ist gleich dem Radius des Nebenkreises. Der Radius des Hauptkreises ist aber gleich der Länge der Strecke   und der Radius des Nebenkreises ist gleich der Länge der Strecke  . Zur Bestimmung von   und   muss die Lage der Punkte   und   nicht konstruiert werden, da folgende Identitäten gelten:

 

 

In der Konstruktion lässt sich also die Länge der Ellipsenachsen bereits ablesen:   und  . Mit dieser Information lassen sich der Haupt- und Nebenkreis der Ellipse einzeichnen. Die Hauptscheitelpunkte   und   findet man als Schnittpunkte des Hauptkreises mit der Ellipsen-Hauptachse. Die Entscheidung, bei welcher der beiden gefundenen Achsen es sich um die Haupt- bzw. die Nebenachse handelt, begründet sich wie folgt:   ist das Bild von   bezüglich der affinen Abbildung  , die den Ellipsen-Hauptkreis auf die Ellipse abbildet. Da es sich bei   um eine Kontraktion in Richtung der Hauptachse handelt, muss sich die Hauptachse auf der   gegenüberliegenden Seite von   befinden und daher durch den Punkt   verlaufen, der auf der Seite des nicht gedrehten Ellipsendurchmessers   liegt. Dies ist unabhängig von der anfänglichen Wahl der Punkte   und  . Entscheidend ist allein, dass   bei der Drehung um   auf   zugedreht wird, da nur dann der Punkt   auf dem Urbild   des konjugierten Durchmessers   liegt. Die Ellipsen-Hauptachse liegt dann von   aus betrachtet immer auf der   gegenüberliegenden Seite von  .

Literatur

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  • Rudolf Fucke, Konrad Kirch, Heinz Nickel: Darstellende Geometrie für Ingenieure. 17. Auflage. Carl Hanser, München 2007, ISBN 3-446-41143-7, S. 183 (online bei google-books [abgerufen am 31. Mai 2013]).
  • Klaus Ulshöfer, Dietrich Tilp: Darstellende Geometrie in systematischen Beispielen. 1. Auflage. C. C. Buchner, Bamberg 2010, ISBN 978-3-7661-6092-8, 5: Ellipse als orthogonal-affines Bild des Hauptkreises (Übungen für die gymnasiale Oberstufe).
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Einzelnachweise

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  1. Ulrich Graf, Martin Barner: Darstellende Geometrie. Quelle & Meyer, Heidelberg 1961, ISBN 3-494-00488-9, p.114