Richlind (* um 948; † wahrscheinlich nach 1007[1]) war eine Adlige, die in Quellen zur Herkunft der Welfen genannt wird, deren historische Einordnung aber umstritten ist. Nach der „Richlind-These“[2] spielten ihre verwandtschaftlichen Bindungen bei der Nachfolge Kaiser Ottos III. eine bedeutende Rolle.

Quellenlage

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Die Quellen zu Richlind und vor allem zu ihren familiären Beziehungen sind spärlich:

  1. als Mutter der Ita von Öhningen, der Ehefrau Rudolfs von Altdorf, eines Stammvaters der Welfen,
  2. als Ehefrau des nobilissimus comes Kuno und
  3. als Tochter Kaiser Ottos des Großen („filia Ottonis Magni imperatoris“)[3].
  • Die 1167/74 entstandene Historia Welforum übernimmt die Angaben aus der Genealogia und nennt die Ehefrau Kunos (von Öhningen) und Tochter Kaiser Ottos des Großen Richlind (Richlint nomine)[4].

Sowohl die Genealogia als auch die Historia berichten, dass von den Töchtern Kunos (von Öhningen) die vierte einen Grafen von Andechs/Dießen heiratete.[5] Die Dießener Überlieferung berichtet, dass diese Tochter, hier Kunizza (Kunigunde) genannt, einen Grafen von Andechs/Dießen heiratete, und dass „Kaiser Otto der Große Kunizzas Großvater“ gewesen sei.[6]

In einem Memorialeintrag des Klosters Reichenau aus dem Jahr 983 oder kurz davor werden zehn Personen aufgelistet, die der Familie Kuno von Öhningens zugeordnet werden konnten, darunter auch eine Júdita und eine Richlint, deren Identitäten aber strittig sind.[7] Wolf sieht Júdita als weitere Tochter und Richlind als Ehefrau Konrads, Hlawitschka sieht aufgrund der Anordnung der Namen Júdita als Ehefrau und Richlint als Enkelin.[8]

Die Richlind-These

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Die reine Zusammenführung dieser Daten ergibt, dass Richlind, eine Tochter des Kaisers Otto der Große, den Grafen Kuno von Öhningen heiratete. Das Ehepaar hatte mehrere Kinder, darunter Hermann, Ita, die den Welfen Rudolf von Altdorf heiratete, und Kunigunde oder Kunizza, die Ehefrau des Grafen Friedrich von Andechs oder Dießen, als deren Großvater wiederum Otto der Große genannt wird.

Lange war vermutet worden, dass Kuno von Öhningen eine Sagengestalt ist (was die Welfenchronik als wenig zuverlässig erscheinen ließ), doch konnte Schmid 1966 zeigen, dass es sich bei ihm um eine reale Person handelt.[9] Wolf wies dann 1980 darüber hinaus nach, dass Kuno von Öhningen identisch mit dem Herzog Konrad I. von Schwaben ist.[10]

Unstrittig ist darüber hinaus, dass Richlind keine Tochter Ottos des Großen und Otto nicht Kunigundes Großvater sein kann. Wolf sieht in ihr eine Tochter von Ottos Sohn Liudolf und dessen Ehefrau Ita von Schwaben, also eine Enkelin des Kaisers.[11][12]

Folgerungen

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Falls die „Richlind-These“ gültig ist, ergeben sich eine Reihe von Folgerungen:

  • Konrad von Öhningen war der Schwiegersohn des schwäbischen Herzogs Liudolf und der Schwager des 982 kinderlos verstorbenen Herzogs Otto I., als er selbst in diesem Jahr dessen Nachfolger als Herzog von Schwaben wurde.[13]
  • Konrads Sohn Herzog Hermann II. von Schwaben bewarb sich nach dem Tod Ottos III. bei der Königswahl von 1002 um die Nachfolge. Da die Söhne der Schwester Kaiser Ottos III. noch minderjährig waren und der Salier Herzog Otto von Kärnten, ein Vetter des Kaisers, verzichtet hatte, war Hermann unter den Bewerbern derjenige, der mit dem verstorbenen Kaiser am nächsten verwandt war[14], denn Richlind war die leibliche Kusine Ottos III. und Hermann ihr Sohn. Hermann war auch näher mit Otto III. verwandt als der Herzog Heinrich von Bayern, der ein Vetter zweiten Grades war. Heinrich setzte sich jedoch am Ende durch, indem er sich bereits vor der allgemeinen Wahlversammlung wählen und krönen ließ.
  • Die Ehe Herzog Hermanns II. mit Gerberga von Burgund war eine in der strengsten Fassung des kanonischen Rechts verbotene 4:3-Verwandtenehe[15]: Hermanns Urgroßvater Otto der Große (4 Generationen) war ein Bruder von Gerbergas gleichnamiger Großmutter (3 Generationen).[16] Hermanns Konkurrent König Heinrich II. thematisierte diese Frage mit Blick auf die Ehe von Hermanns Tochter Mathilde mit Konrad von Kärnten auf einer Synode im Januar 1003[17][18], als er sagte, „dass so nahe Verwandte die Ehe miteinander eingehen, dass sie … sogar eine Verbindung in Blutsverwandtschaft dritten Grades nicht vermeiden“.[19]
  • Die zweite Tochter Hermanns und Gerbergas, Gisela, war mit dem Herzog Konrad von Franken verheiratet, der am 4. September 1024 (als Konrad II.) mit dem Mainzer Erzbischof Aribo als treibende Kraft zum König gewählt wurde. Am 8. September 1024 krönte Aribo Konrad in Mainz zum deutschen König – und verweigerte das gleiche Gisela.[20] Wolf folgert daraus, dass Gisela für Aribo ein Problem darstellte und sieht dies als eine Folge der unkanonischen 4:3-Ehe ihrer Eltern[21], die Aribo auch deswegen nicht dulden konnte, weil er im seit 1018 laufenden Verfahren zur Hammersteiner Ehe zwischen Otto von Hammerstein und Irmingard von Verdun, die ebenfalls eine 4:3-Verwandtenehe war, und zu der er sich im Jahr zuvor sogar gegen Papst Benedikt VIII. gestellt hatte, seine Position durch ein Präjudiz zugunsten Giselas nicht schwächen wollte. Die Krönung Giselas wurde am 21. September 1024 vom Kölner Erzbischof Pilgrim in Köln vorgenommen. Auf der Synode von Frankfurt 1027 schließlich wurde das Verfahren um die Hammersteiner Ehe auf Wunsch Konrads II. eingestellt: Konrad war nicht gewillt, gegen die Ehe vorzugehen, da er erstens mit Otto verwandt war[22] und er zweitens mit seiner Ehefrau in diesem Punkt selbst angreifbar war.
  • Genealogia Welforum, MGH Scriptores XIII (Supplementa tomorum I–XII, 1881), S. 733ff
  • De fundatoribus monasterii Diessensis, MGH Scriptores XVII (Annales aevi Suevici, 1861), S. 329
  • Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau, MGH Libri memoriales et Necrologia, Nova series 1, Tafel 135
  • Erich König (Hrsg.): Historia Welforum. In: Schwäbische Chroniken der Stauferzeit I (1938)

Literatur

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  • Karl Schmid: Problem um den „Grafen Kuno von Öhningen“. Ein Beitrag zur Entstehung der welfischen Hausüberlieferung und zu den Anfängen der staufischen Territorialpolitik im Bodenseegebiet. In: Herbert Berner (Hrsg.): Dorf und Stift Öhningen, 1966
  • Armin Wolf: Wer war Kuno „von Öhningen“? Überlegungen zum Herzogtum Konrad von Schwabens († 997) und zur Königswahl im Jahr 1002. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Band 36, 1980, S. 25–83.
  • Eduard Hlawitschka: Wer waren Kuno und Richlind von Öhningen. Kritische Überlegungen zu einem neuen Identifizierungsvorschlag. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Band 128, 1980, S. 1–49.
  • Donald C. Jackman: The Konradiner: A Study in Genealogical Methodology. In: Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte. Band 47, 1990, S. 178–195.
  • Johannes Fried: Prolepsis oder Tod? Methodische und andere Bemerkungen zur Konradiner-Genealogie im 10. und frühen 11. Jahrhundert. In: Joachim Dahlhaus und Armin Kohnle (Hrsg.): Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann Jakobs zum 65. Geburtstag. Köln u. a. 1995, S. 115–117 (Exkurs 3)
  • Alois Schütz: Die Grafen von Dießen und Andechs, Herzöge von Meranien. In: Armin Wolf (Hrsg.): Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten. Frankfurt 2002, S. 236.
  • Armin Wolf: Zur Königswahl Heinrichs II. im Jahre 1002. Verwandtschaftliche Bedingungen des Königswahlrechts. In: Genealogisches Jahrbuch, Band 42, 2002, S. 5–88.
  • Eduard Hlawitschka: Konradiner-Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und spätottonisch-frühsalische Thronbesetzungspraxis: ein Rückblick auf 25 Jahre Forschungsdisput, 2003.
  • Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln. Band 1.1, 2005, Tafel 10.
  • Eduard Hlawitschka: Die Ahnen der hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser und ihrer Gemahlinnen. Ein kommentiertes Tafelwerk. Band 1, 2006, S. 917–1137.
  • Johannes Fried: Konradiner und kein Ende oder Die Erfindung des Adelsgeschlechtes aus dem Geist der Kanonistik. Eine Auseinandersetzung mit Eduard Hlawitschka, In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Band 123, 2006, S. 1–66.
  • Eduard Hlawitschka: Konradiner-Streitfragen. Ein Feld nur für unverbindliche Hypothesen, nicht auch für Plausibilitätsargumente und Logikbeweise? In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Band 71, 2008, S. 1–101 (online).
  • Armin Wolf: Ahnen deutscher Könige und der Königinnen. In: Herold-Jahrbuch. Neue Folge, Band 15, 2010, S. 77ff.

Fußnoten

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  1. Wolf (2010), S. 134/135
  2. Diese These wird vertreten u. a. von Jackman, Fried, Wolf und Schütz, für die Gegenposition steht vor allem von Hlawitschka (vgl. Abschnitt Literatur)
  3. „Ruodolfus uxorem accepit de Oningen Itam nomine, cuius pater fuit Chuono nobilissimus comes, mater vero filia Ottonis Magni imperatoris fuit.“ (Genealogia Welforum, caput 4, S. 734) – „Rudolf nahm Ita von Öhningen zur Ehefrau, deren Vater der hochadlige Graf Kuno war, die Mutter eine Tochter Kaiser Ottos des Großen.“
  4. „Roudolfus […] accepit uxorem de Oningen Itham nomine, cuius pater Chouno nobilissimus comes, mater vero eius filia Otthonis Magni imperatoris fuit, Richlint nomine“ (König: Historia Welforum, caput 6, S. 12/13)
  5. Genealogia, caput 4: „4a comiti nupsit de Andhese“; Historia, caput 6: „quarta comiti de Diezon nupsit“
  6. „Huius itaque Kunizza avus fuit Otto imperatoris magnus…“; De fundatoribus monasterii Diessensis, MGH Scriptores XVII (Annales aevi Suevici), S. 329
  7. MGH Libri memoriales et Necrologia, Nova series 1: Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau, Tafel 135: Die Namen lauten: [1] Cuonradus comes / [2] Liutoldus laicus / [3] Cuonradus laicus / [4] Herimannus / [5] Ita [6] Júdita / [7] Richlint / [8] Ruo- / dolf / [9] Vuelf Hein- / rich [10] Heinrich; die Zahlen sind zum besseren Verständnis eingefügt, zwischen [6] und [7] beginnt eine neue Spalte in gleicher Handschrift. Einigkeit besteht zu den Personen [1] bis [5] (Konrad, drei Söhne, darunter der Herzog Hermann II. von Schwaben, und eine Tochter) und [8] bis [10] (der Schwiegersohn Rudolf von Altdorf und dessen Söhne), strittig sind [6] und [7].
  8. Wolf (2010), S. 134; Hlawitschka (2003), S. 35–38
  9. Schmid: Problem um den „Grafen Kuno von Öhningen“ (1966), siehe Abschnitt Literatur
  10. Wolf: Wer war Kuno „von Öhningen“? (1960), siehe Abschnitt Literatur
  11. Wolf (1980), Wolf (2010), S. 126ff
  12. In der Forschung ist es umstritten, ob Kuno der Sohn des Grafen Udo in der Wetterau oder des Grafen Konrad im Rheingau war; als Sohn Udos wäre seine Ehe mit Richlind eine verbotene 2:3-Ehe (mit Herzog Gebhard von Lothringen als Großvater Konrads und Urgroßvater Richlinds), als Sohn Konrads eine erlaubte 4:4-Ehe gewesen (mit Graf Udo im Lahngau als Ur-Urgroßvater sowohl Konrads als auch Richlinds); Hlawitschka vertritt die erste Variante (Hlawitschka (2006), S. 273f), Wolf die zweite (Wolf (2010), S. 139f)
  13. Konrads Verwandtschaft mit dem Herzog Hermann I. von Schwaben, der seiner eigenen Familie angehörte, ist wesentlich entfernter: Konrads Großvater Gebhard, Graf im Ufgau, war ein Vetter Hermanns I.
  14. Die Fundatio monasterii Brunwilarensis, die Gründungsgeschichte der Abtei Brauweiler und ezzonische Hauschronik, berichtet (vgl. Königswahl von 1002 und Ezzonen), dass der Pfalzgraf Ezzo von Lothringen kandidiert habe, der Ehemann von Ottos Schwester Mathilde und Vater der minderjährigen Neffen.
  15. „Das kanonische Recht verbot in seiner strengsten Fassung Ehen innerhalb des 7. Verwandtschaftsgrades. Doch die Zählweisen, die hier und da in der Christenheit zugrunde gelegt wurden, differierten so stark, dass tatsächlich die verschiedensten Möglichkeiten praktiziert wurden.“ Fried, Prolepsis oder Tod, S. 72, mit Hinweis auf: Joseph Freisen, Geschichtliche Untersuchung über die Verwandtschaftszählung nach canonischem Recht, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht (AKKR) 56 (1886), S. 217–263, hier 235f; zusammenfassend Paul Mikat, Ehe, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG) 1 (1971), S: 824; Rudolf Weigand, Ehe, in: Lexikon des Mittelalters Band 3 (1986), Spalte 1623f.
  16. Eine andere Filiation ist ebenfalls kritisch: Gerbergas Großmutter Berta und Konrads Großmutter Ita waren Halbschwestern; sie hatten mit Regelinda dieselbe Mutter, aber unterschiedliche Väter (Burchard II. bzw. Herman I., beide Herzöge von Schwaben); bei selbem Vater wäre es eine verbotene 3:3-Ehe gewesen, der unterschiedliche Vater macht daraus eine 4:4-Ehe (vgl. Wolf (2010), S. 137)
  17. Diese Synode von Diedenhofen fand unmittelbar nach dem Königsrumritt Heinrichs II. statt, der wiederum unmittelbar nach der Krönung und der Unterwerfung Hermanns II. begonnen hatte.
  18. Wolf (2010), S. 136/137, nennt hier eine Synode im Januar 1003 oder April 1005 – der wesentliche Unterschied ist, dass Hermann im Mai 1003 starb, die Ehe im Jahr 1005 also nicht mehr existierte
  19. Vita Adalberonis II. Mettensis episcopi auctore Constantino abbate, caput 16, MGH Scriptores IV, S. 663, zitiert nach Wolf (2010), S. 136
  20. Belege zu Aribos Motivation liegen nicht vor
  21. Die Ehe Konrads und Giselas selbst war eine geduldete 4:4-Verwandtenehe, Otto der Große und Edgitha waren von beiden die Ururgroßeltern
  22. Otto von Hammerstein und Giselas Vater Hermann waren Vettern
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