Milice française

paramilitärische Truppe des Vichy-Regimes in Frankreich im Zweiten Weltkrieg
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Die Milice française („französische Miliz“) war eine paramilitärische Truppe während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich. Sie wurde im Jahre 1943 nach der deutschen Besetzung Frankreichs und dem anschließenden Erstarken der Widerstandsbewegung ins Leben gerufen und entwickelte sich von einer Organisation der Vichy-Regierung zur eigenständigen, mit der Besatzungsmacht kollaborierenden Kraft. Es bestand eine enge Zusammenarbeit mit der deutschen Sicherheitspolizei (Sipo). Die Milice verfolgte politische Gegner im Inneren und war beim Aufspüren gesuchter Personen, insbesondere Juden, behilflich. Führer der Milice war der rechtsextreme französische Politiker Aimé-Joseph Darnand, der sich 1936/37 einen Namen bei der gewalttätigen Untergrundorganisation Cagoule gemacht hatte. Zur Zeit ihres größten Personalbestandes umfasste die Miliz 30.000 Mann, insgesamt dienten dort im Laufe der Zeit 45.000 Freiwillige.

Flagge
Abzeichen
Propagandaplakat zur Anwerbung von Milice-Mitgliedern von 1944

Geschichte

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Seit Herbst 1940 existierte die Kriegsveteranenorganisation Légion française des combattants, aus der Darnand gemeinsam mit hohen Offizieren der Französischen Armee im Spätsommer 1941 enttäuschte Kämpfer rekrutierte. Diese gründeten im Département Alpes-Maritimes eine geheime Militärorganisation unter der Bezeichnung Service d’ordre légionnaire (SOL), die im Falle einer weiteren italienischen Aggression gegen französisches Territorium eingesetzt werden sollte. Bis Ende 1941 entwickelte sie sich zu einer ernstzunehmenden Streitmacht außerhalb der Waffenstillstands-Armee, die als Schutz Frankreichs vor externer und interner Aggression im Januar 1942 den offiziellen Segen des Vichy-Regimes erhielt.

Gegen Ende des Sommers 1942 rekrutierte Darnand daraus Freiwillige für die Légion des volontaires français contre le bolchévisme (LVF, französische Freiwilligenlegion gegen den Bolschewismus) oder Légion anti-bolchévique bzw. Légion tricolore, bei der französische Freiwillige in deutschen Uniformen gegen die Sowjetunion kämpften. Als offenkundig wurde, dass im Januar 1943 Militante der rivalisierenden Kollaborationsparteien Parti populaire français (PPF) und Rassemblement national populaire (RNP) Kampftruppen zur Widerstandsbekämpfung zu formieren suchten, strukturierte Darnand den SOL zur Milice française um.

Ministerpräsident Pierre Laval, der sich angesichts polemischer Auseinandersetzungen mit ultra­kol­labo­ratio­nisti­schen Kreisen ohne persönliche Deckung sah, hatte im Dezember 1942 Hitlers Erlaubnis eingeholt, eine Truppe zu seiner persönlichen Verfügung zu bilden. Deshalb betrachtete Laval die Milice als seine persönliche Verteidigungsmacht, die von Darnand befehligt wurde, der sich jedoch vor allem als Gefolgsmann des greisen Marschalls Henri Philippe Pétain verstand.

Bis Sommer 1943 blockte Laval alle Eingaben nach Bewaffnung der Milice noch ab. Ihre Mitgliederzahl betrug im Herbst 1943 rund 35.000[1] Personen, davon befanden sich 20.00[1] in der unbesetzten Südzone und 15.000[1] in der von den Nazis besetzten Nordzone Frankreichs.

Mit wachsender Eskalation der Lage betrachtete die Waffen-SS die Milice als ideales Rekrutierungsfeld zur Aufstellung eines Bataillons französischer Waffen-SS. Letztlich wurde ein Teil der Milice bewaffnet, wofür sich ihre Führungsmitglieder verpflichten mussten, neue Soldaten für die Waffen-SS zu werben. Die Milice wurde der Sipo unterstellt, die jedoch Darnands Versuche zunächst unterband, ihr Tätigkeitsfeld nach Nordfrankreich auszudehnen. Erst ab Januar 1944 durfte sie in der Nordzone operieren. Sie diente der Waffen-SS als nützliche Nebenstreitkraft vornehmlich im Kampf gegen die Résistance. Zusätzlich stellte Darnand die Groupes mobiles de réserve (GMR) auf und schlug die Gründung einer Groupe franc de la garde unter seiner direkten Kontrolle zur Zerschlagung des Maquis der Glières vor, was vom Chef der SS, SS-Obergruppenführer Carl Oberg, jedoch abgelehnt wurde.

 
Parade der Milice Française am 2. Juni 1944. Aufnahme im Bestand des Bundesarchivs in Koblenz. Die blauen Textilien für die Uniform und das charakteristische Béret wurden von Roger Peyré geliefert und von Conchon-Quinette in Clermont-Ferrand genäht.[1]

Diese nach deutschem Vorbild ausgerüsteten, mobilen, paramilitärischen Einheiten setzten sich meist aus sehr jungen, aus bescheidenen Verhältnissen kommenden Franzosen zusammen, die durch Antikommunismus und Antisemitismus geprägt waren und einen vergleichsweise hohen Sold erhielten. Ideologisch wurden ihre Angehörigen auf die Anerkennung von Hierarchien, Autorität und Disziplin ausgerichtet. Die Überwindung der Klassenschranken wurde für wichtiger als der Kapitalismus angesehen sowie ein aktiver Rassismus propagiert. Stärker als die übrigen Kollaborationsgruppen bekannte sich die Milice zur christlichen Gesellschaft und respektierte katholische Traditionen. In öffentlichen Kampagnen nahm die Milice eine Art „Kreuzzugshaltung“ ein. Ihre Aufgabe bestand darin, versteckte Juden und Mitglieder der Résistance zu ergreifen und an die deutschen Besatzer auszuliefern. Mehrere tausend Juden fanden durch sie in den Vernichtungslagern den Tod. Da die Milice nicht im Stande war, den Maquis selbst zu zerschlagen, beschränkte sie sich häufig darauf, einzelne Maquisards zu erschießen. Örtliche Anwohner wurden unter dem Verdacht, die Résistance unterstützt zu haben, von der Milice gefoltert und getötet.

Nach der Befreiung des französischen Territoriums durch alliierte Truppen wurde die Milice durch die provisorische Regierung am 9. August 1944 aufgelöst.[2] Viele Anführer und Mitglieder der Milice wurden vor Kriegsgerichte gestellt und einige zum Tode verurteilt.

Filmische und literarische Rezeption

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Commons: Milice française – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d Éric Branca: La République des imposteurs : Chronique indiscrète de la France d’après-guerre, 1944–1954. Éditions Perrin, Paris 2024, ISBN 978-2-262-09760-8, S. 133.
  2. Text der Verfügung auf der französischen Gesetzesdatenbank legifrance, abgerufen am 8. August 2011.