Ligatur (Chirurgie)

Unterbinden eines Hohlorganes mit einem chirurgischen Faden

Unter einer Ligatur (von lateinisch ligatura ‚Band‘, ‚Verband‘, ‚Bündel‘) oder Unterbindung versteht man in der Chirurgie das Verschließen eines Hohlorganes, zum Beispiel eines Blutgefäßes, durch Abbinden mit einem Faden. In besonderen Situationen wird bei einer Ligatur das Gewebe zusätzlich mit der Nadel durchstochen, um ein Abrutschen zu verhindern (scharfe Ligatur). Gelegentlich werden Gewebezapfen mit mehreren Blutgefäßen mit einer Ligatur abgebunden (Massenligatur).

Geprägt wurde der Begriff Ligatur von dem französischen Chirurgen Ambroise Paré, der als Vorreiter der modernen Gefäßchirurgie gilt. Obwohl die Methode bereits zwei Jahrhunderte zuvor beschrieben, sogar im 2. Jahrhundert n. Chr. bei Galenos[1] genannt worden ist und auch im Arzneibuch des Würzburger Wundarztes Ortolf von Baierland um 1280 empfohlen[2] worden war, ist es Parés Verdienst, sie Mitte des 16. Jahrhunderts wieder als bevorzugte Methode bei Gefäßverletzungen eingeführt zu haben. Diese Methode wurde benutzt, um nach der Amputation einer oder mehrerer Extremitäten Gefäße zu verschließen und damit das Verbluten der Patienten zu verhindern.[3][4] William Bromfield (oder Bromfeild), der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in London erfolgreich Exartikulationen des Oberarmknochens durchführte und gegen nicht notwendige Amputationen ebenso wie gegen den Missbrauch des Aderlasses vorging, war ein Pionier der isolierten Arterienligatur, für die er auch einen speziellen krummen und spitzen Haken entwickelte. Der „Bromfield’sche Haken“ wurde auch von dem bedeutenden Chirurgen August Gottlieb Richter empfohlen und fand weithin Verbreitung bei der sorgfältigen Unterbindung kleiner Arterien. (Bei den großen wurde eine Arterienzange, etwa nach Chopart, verwendet.)[5]

Spezialformen der Ligatur werden zum Beispiel zur Behandlung von Hämorrhoiden-Beschwerden (Gummibandligatur) oder als Notfallmaßnahme bei lebensgefährlichen Blutungen von Ösophagusvarizen (wie die von Karl Vossschulte angewandte Dissektionsligatur[6]) eingesetzt. Eine andere Anwendung ist das Abbinden von nicht mehr benötigten Gefäßen nach Kreislaufmodifikationen wie beispielsweise der Glenn-Anastomose.

Der Vorteil der Ligatur gegenüber dem Elektrokauter liegt in der Zuverlässigkeit, dass das Gefäß sicher mechanisch verschlossen wird. Mit dem Kauter koagulierte/kauterisierte Gefäße können dagegen durch den Brandschaden in der Nachbarzone undicht werden und wieder zu bluten beginnen.[4]

Alternativ kann ein Hohlorgan mit einem Gefäßclip verschlossen werden.

Einzelnachweise

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  1. Carl Hans Sasse: Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle (= Bücherei des Augenarztes. Heft 18). Ferdinand Enke, Stuttgart 1947, S. 33.
  2. Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 190.
  3. Steven G. Friedman: A History of Vascular Surgery. 2. Auflage. John Wiley & Sons, 2008, ISBN 9781405171298, S. 10.
  4. a b Franka Böck, Thomas Riedel: Blut ist ein ganz besonderer Saft. Blut und Kreislaufsystem von der Antike zur Moderne. epubli, 2013, ISBN 9783844261844, S. 54.
  5. Georg Fischer: Chirurgie vor 100 Jahren. Historische Studie. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 1876; Neudruck mit dem Untertitel Historische Studie über das 18. Jahrhundert aus dem Jahre 1876 und mit einem Vorwort von Rolf Winau: Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York 1978, ISBN 3-540-08751-6, S. 279, 406–407, 450, 520 und 570.
  6. Rudolf Nissen: Zum Geleit. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. K. Vossschulte, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik Gießen. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. XI–XIII, hier: S. XII.