Kreis Ohlau
Der preußische Kreis Ohlau in Schlesien bestand in der Zeit zwischen 1742 und 1932 sowie von 1933 bis 1945. Das Landratsamt war in der Stadt Ohlau. Das frühere Kreisgebiet liegt heute in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen.
Verwaltungsgeschichte
BearbeitenNach der Eroberung des größten Teils von Schlesien ordnete König Friedrich II. durch die Kabinettsorder vom 25. November 1741 an, in Niederschlesien die preußischen Verwaltungsstrukturen einzuführen.[1] Dazu gehörte die Einrichtung zweier Kriegs- und Domänenkammern in Breslau und Glogau sowie deren Gliederung in Kreise und die Einsetzung von Landräten zum 1. Januar 1742.[2]
Im Fürstentum Brieg, einem der schlesischen Teilfürstentümer, wurden aus alten schlesischen Weichbildern die fünf preußischen Kreise Ohlau, Brieg, Kreuzburg, Strehlen und Nimptsch gebildet. Als erster Landrat des Kreises Ohlau wurde Ernst Friedrich von Berge-Herrendorf eingesetzt.[3][4] Der Kreis Ohlau unterstand der Kriegs- und Domänenkammer Breslau und wurde im Zuge der Stein-Hardenbergischen Reformen 1815 dem Regierungsbezirk Breslau der Provinz Schlesien zugeordnet.[5]
Im Zuge von Grenzbereinigungen zwischen den schlesischen Regierungsbezirken gab der Kreis Grottkau 1816 die Stadt Wansen sowie die Dörfer Alt Wansen, Bischwitz, Halbendorf, Johnwitz, Knischwitz und Spurwitz an den Kreis Ohlau ab.[6] Bei der Kreisreform vom 1. Januar 1818 im Regierungsbezirk Breslau wurden außerdem die Dörfer Beckern, Jeltsch, Lange, Neuvorwerk und Rattwitz aus dem Kreis Breslau in den Kreis Ohlau umgegliedert.[7][8]
Der Freistaat Preußen löste zum 8. November 1919 die Provinz Schlesien auf und bildete aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz die neue Provinz Niederschlesien. Zum 30. September 1929 wurden im Kreis Ohlau wie im übrigen Preußen alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt.
Zum 1. Oktober 1932 wurde der Kreis Ohlau vorübergehend aufgelöst. Die Stadt Wansen sowie die Landgemeinden Alt Wansen, Brosewitz, Hermsdorf, Johnwitz, Knischwitz, Köchendorf, Marienau und Spurwitz kamen zum Kreis Strehlen, während der größte Teil des Kreises zum Landkreis Brieg kam.[9][10] Hintergrund hierfür waren Notverordnungen des Reichspräsidenten über Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst, wonach unter anderem eine Reihe von Kreisen aufgelöst wurden. Zum 1. Oktober 1933 wurde der Kreis Ohlau wiedererrichtet, allerdings ohne den Teil der 1932 an den Kreis Strehlen gefallen war.
Zum 18. Januar 1941 wurde die erst am 1. April 1938 vereinigte Provinz Schlesien wieder aufgelöst und aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz die neue Provinz Niederschlesien gebildet.
Nachdem die Rote Armee das Kreisgebiet im Januar 1945 erobert hatte, verfügte der Ministerrat der Volksrepublik Polen am 14. März 1945, es wie ganz Niederschlesien dem Verwaltungsbezirk Nr. II der Wiedergewonnenen Gebiete zu unterstellen. Die praktische Durchsetzung des Beschlusses verzögerte sich bis in den Juni 1945. Ende Juni 1945 begann im Kreisgebiet die Polnische Volksarmee, „den uralten polnischen Boden vom deutschen Ungeziefer zu säubern.“[11] An die Stelle dieser nur zum Teil erfolgreichen „wilden Vertreibung“ (im Dezember 1945 lebten im Kreisgebiet noch 29.000 Deutsche und nur knapp 23.000 neu angesiedelte Polen) trat Anfang 1946 die systematische Vertreibung der eingesessenen Einwohner. Sie war im September 1947 beendet, als im Kreisgebiet noch 187 Deutsche gezählt wurden.
Einwohnerentwicklung
BearbeitenJahr | Einwohner | Quelle |
---|---|---|
1795 | 25.994 | [12] |
1819 | 34.402 | [13] |
1846 | 49.285 | [14] |
1871 | 55.020 | [15] |
1885 | 56.409 | [16] |
1900 | 54.497 | [17] |
1910 | 54.963 | [17] |
1925 | 57.463 | [18] |
1939 | 52.475 | [18] |
Landräte
Bearbeiten- 1742–1759 Ernst Friedrich von Berge-Herrendorf
- 1765–1780 Johann George von Kottulinsky
- 1781–1805Hans Friedrich von Wentzky und Petersheyde
- 1805–1841 Emanuel von Hoverden
- 1844–1850Carl Arthur von Wrochem (1809–1872)
- 1850 Heinrich Dietlein (kommissarisch)
- 1850–1853 Heinrich Wilhelm
- 1853–1866Moritz von Prittwitz und Gaffron (1819–1888)
- 1867–1873 Albert von Seherr-Thoß
- 1873–1887Emil Ernst Friedrich von Eicke (1828–1887)
- 1887–1898 Bernhard von Puttkamer
- 1898–1901Heinrich Yorck von Wartenburg (1861–1923)
- 1901–1909 Erich von Strempel
- 1909–1914Kurt von Hertzberg († 1914)
- 1914–1917 Heino von Heimburg
- 1917–1918 Mueller-Baudiß (vertretungsweise)
- 1918–1919 von Hoffmann (vertretungsweise)
- 1919–1924Ferdinand Mackensen von Astfeld (1883–1969)
- 1924–1932Otto Ehrensberger (1887–1968)
- 1932Hans Bertuch (1880–1946)
- 1933–1944Rudolf Thiele (* 1876)
- 1944–1945Otto Braß (* 1887)
Kommunalverfassung
BearbeitenDer Kreis Ohlau gliederte sich seit dem 19. Jahrhundert in die Stadt Ohlau, in Landgemeinden und Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 sowie der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurde zum 1. April 1935 das Führerprinzip auf Gemeindeebene durchgesetzt. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Gemeinden
BearbeitenDer Kreis Ohlau umfasste zuletzt eine Stadt und 85 Landgemeinden:[7][18]
Zum Kreis gehörte außerdem der unbewohnte Forstgutsbezirk Rogelwitz.
- Eingemeindungen bis 1929
- Lange, am 20. April 1929 zu Jeltsch
- Halbendorf, am 29. März 1919 zu Wansen
- Jakobine, am 30. September 1928 zu Dremling
- Poppelwitz, am 30. September 1928 zu Polwitz
- Rohrau, am 30. September 1928 zu Saulwitz
- Bischwitz bei Wansen, am 30. September 1928 zu Wansen
- Baumgarten, am 31. März 1913 zu Ohlau
Ortsnamen
Bearbeiten1936/1937 wurden im Kreis einige Gemeinden umbenannt:
- Goy → Göllnerhain,
- Graduschwitz → Grasau
- Groß Dupine → Groß Eichau
- Jankau → Grünaue
- Kontschwitz → Hohenlinde (Schlesien)
- Laskowitz → Markstädt
- Niefnig → Kresseheim
- Quosnitz → Quosdorf
- Radlowitz → Radwaldau
- Raduschkowitz → Freudenfeld
- Schwoika → Silingental
- Stannowitz → Eisfeld (Schlesien)
- Trattaschine → Hirschaue
Persönlichkeiten
Bearbeiten- Albert Horn (* 1840 in Bulchau–1921), deutscher Jurist und Politiker sowie Mitglied des Deutschen Reichstags
- Curt von Prittwitz und Gaffron (* 16. Juli 1849; † 16. Februar 1922), Marineoffizier, Admiral der Kaiserlichen deutschen Marine und MdPH, geboren auf Gut Sitzmannsdorf
- Bernhard Lichtenberg (* 3. Dezember 1875 in Ohlau; † 5. November 1943)
- Hans-Ulrich von Schweinitz (1908–1972), deutscher Diplomat, geboren in Sitzmannsdorf
Literatur
Bearbeiten- Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage. Band 2, Berlin 1874, S. 194–195, Ziffer 10. (books.google.de)
- Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 92–99 (Faksimile in der Google-Buchsuche).
- Michael Rademacher: Landkreis Ohlau – Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Roland Gehrke: Landtag und Öffentlichkeit: Provinzialständischer Parlamentarismus in Schlesien 1825-1845. Böhlau Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20413-6, S. 45 (Teildigitalisat).
- ↑ Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Akten vom 31. Mai 1740 bis Ende 1745. In: Königliche Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Acta Borussica. Band 6,2. Paul Parey, Berlin 1901, Königliche Ordre zur Bestellung von Landräthen in Niederschlesien, S. 259 (Digitalisat).
- ↑ W. F. C. Starke: Beiträge zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsverfassung und der neusten Resultate der Justizverwaltung in dem Preussischen Staate. Carl Heymann, Berlin 1839, Kreiseinteilung des preußischen Herzogtums Schlesien im 18. Jahrhundert, S. 290 (Digitalisat).
- ↑ Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
- ↑ Verordnung zur Eintheilung des preußischen Staats nach seiner neuen Begrenzung. 1815 (Digitalisat).
- ↑ Roman Kamionka: Die Reorganisation der Kreiseinteilung Schlesiens in der Stein-Hardenbergschen Reformperiode. Breslau 1934.
- ↑ a b Territoriale Veränderungen in Deutschland
- ↑ Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau 1817, Nr. XLV. Neue Eintheilung und Abgränzung der Kreise im Breslauer Regierungs-Departement vom 31. Oktober 1817. Breslau, S. 476 ff. (Digitalisat).
- ↑ Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen vom 1. August 1932. In: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.): Preußische Gesetzessammlung. Berlin 1932, Kreisreform 1932, S. 256 (Digitalisat).
- ↑ Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945. Reihe A: Preußen. Band 4: Dieter Stüttgen: Schlesien. Johann-Gottfried-Harder-Institut, Marburg/Lahn 1976, ISBN 3-87969-116-9.
- ↑ Zitat aus dem entsprechenden Befehl vom 23. Juni 1945 bei Włodzimierz Borodziej, Hans Lemberg: Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945–1950. Dokumente aus polnischen Archiven. Band 4. Wojewodschaften Pommerellen und Danzig (Westpreußen). Wojewodschaft Breslau (Niederschlesien). Herder-Institut, Marburg 2004, ISBN 3-87969-315-3, S. 458; dort auch die folgenden statistischen Angaben.
- ↑ Georg Hassel: Statistischer Umriss der sämtlichen europäischen Staaten. Die statistische Ansicht und Specialstatistik von Mitteleuropa. Vieweg, Braunschweig 1805, S. 36 (Digitalisat).
- ↑ Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S. 87 (Digitalisat).
- ↑ Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).
- ↑ Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung 1871
- ↑ Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1885
- ↑ a b www.gemeindeverzeichnis.de
- ↑ a b c Michael Rademacher: Landkreis Ohlau. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 10. Mai 2023.