Karl Ove Knausgård

norwegischer Schriftsteller

Karl Ove Knausgård [ˈkɑːɭ ˈuːvə ˈknæʉsˌgɔːɾ] (* 6. Dezember 1968 in Oslo) ist ein norwegischer Schriftsteller.

Karl Ove Knausgård 2024

Karl Ove Knausgård ist Sohn einer Krankenschwester und eines Lehrers und wuchs mit einem älteren Bruder auf der Insel Tromøy bei Arendal und in Kristiansand auf. Er studierte Kunstgeschichte und Literatur an der Universität Bergen. Sein literarisches Debüt Ute av verden erhielt 1998 den norwegischen Kritikerprisen. Damit wurde erstmals das Erstlingswerk eines Autors mit dem Preis geehrt. 2004 folgte der Roman En tid for alt, der für den Literaturpreis des Nordischen Rates und den International IMPAC Dublin Literary Award nominiert war[1] und unter dem Titel Alles hat seine Zeit in deutscher Übersetzung vorliegt.

Im Jahre 2009 veröffentlichte Knausgård die ersten drei seines sechs Bände umfassenden, autobiografisch angelegten Romanzyklus Min Kamp (wörtlich: Mein Kampf), der der Gattung der Autofiktion zugerechnet wird.[2] Das Erscheinen des ersten Bandes, der die schwierige Beziehung zu seinem Vater thematisiert und dabei „in einer regelrechten Gedankenflut“ essayistische Passagen mit Kindheits- und Jugenderinnerungen verbindet,[3] sorgte in Norwegen für großes Aufsehen und löste heftige Diskussionen aus. Das Buch avancierte zum Bestseller und wurde von den Lesern der Zeitung Morgenbladet zum Buch des Jahres gewählt.[4] Knausgård bekam dafür den wichtigsten Literaturpreis seines Heimatlandes, den Brageprisen. Die Bände vier und fünf erschienen 2010, der sechste und letzte Band wurde 2011 veröffentlicht. 2011 kam der erste Band unter dem Titel Sterben auf Deutsch heraus. Der Luchterhand Literaturverlag verzichtete wohlweislich darauf, den Gesamttitel des Sechsteilers für die deutsche Ausgabe zu übernehmen.[5] Der Abschlussband Kämpfen erschien im Mai 2017.

Knausgård gründete 2010 mit den ersten Einnahmen aus seinem Min Kamp-Zyklus den kleinen Pelikan-Verlag, in dem er unter anderem Bücher von Christian Kracht und Peter Handke auf Norwegisch herausgibt.[6][7]

Durch seinen zunehmenden internationalen Erfolg bekam er die Gelegenheit, für Zeitschriften wie The New York Times Magazine und The New Yorker zu schreiben. Seine Texte umfassen Reiseberichte[8][9], eine Auseinandersetzung mit dem norwegischen Terroristen Breivik[10], Beobachtungen bei einer Gehirnoperation[11], einen Essay über sein Leben als Hundehalter[12] und eine Rezension von Michel Houellebecqs Roman Unterwerfung[13]. Veröffentlichte und bislang unveröffentlichte Essays aus den Jahren 1996–2013 erscheinen auch in der 2016 auf Deutsch herausgegebenen Sammlung Das Amerika der Seele.[14][15]

In den Jahren 2015 und 2016 veröffentlichte Knausgård jeweils zwei Bände der Jahreszeiten-Tetralogie, deren Teile je einem seiner Kinder gewidmet sind und in den Folgejahren auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurden. Er selbst versteht die Bücher als „persönliche Enzyklopädie von Dingen aus meinem näheren Umfeld“, in der er Alltagsgegenstände in Briefen an seine noch ungeborene jüngste Tochter beschreibt.[16][17]

Knausgård kuratierte 2017 eine Ausstellung mit Bildern von Edvard Munch im Munch-Museum in Oslo.[18]

Seit 2007 war Knausgård in zweiter Ehe mit der Lyrikerin und Romanautorin Linda Boström Knausgård (* 1972), Tochter der schwedischen Schauspielerin Ingrid Boström, verheiratet. Die Familie lebte mit den gemeinsamen Kindern, drei Töchtern und einem Sohn, zunächst in Malmö, ab 2011 in Glemmingebro im schonischen Österlen.[19] Im November 2016 kündigte Boström die bevorstehende Scheidung an.[20] Heute lebt Knausgård in London und ist mit der Verlagsmanagerin Michal Shavit verheiratet. Das Paar hat einen gemeinsamen Sohn.[21]

2019 schrieb Knausgård einen Beitrag für das Kunstprojekt Future Library der schottischen Künstlerin Katie Paterson. Es soll im Jahr 2114 in einer 100 Texte umfassenden Anthologie veröffentlicht werden. Bis dahin wird das Manuskript unveröffentlicht und ungelesen in der Deichmanske bibliotek in Oslo verwahrt. Knausgårds Beitrag trägt den Titel Blindeboka.[22]

Im Jahr 2020 erschien sein Debütroman erstmals auf Deutsch. Adam Soboczynski bemerkte in seiner Kritik für Die Zeit die unterschiedlichen Wirkungen, die das Buch auf seine Leserschaft hat. Für ihn ist das Buch ein Träume, Essays und Seelenerkundungen verbindendes, „raumgreifendes“ Epos, die „Soziogenese eines Antihelden“, die Motive aus Knausgards biografischem Zyklus literarisch zu Ende denkt.[23] Berit Glanz urteilte, der Roman sei „auf zwei Ebenen gescheitert, ästhetisch und ethisch“.[24] Der Schreibstil sei „definitiv ein ausbeuterisches Schreiben“, da der Blick auf die weibliche Hauptfigur, eine 13-jährige Schülerin, „extrem sexualisierend“ sei und nicht negativ bewertet werde.[25]

„Im Leben ist es sehr, sehr schlecht, sensibel zu sein, aber für einen Schriftsteller ist es sehr gut.“[26]

 
Karl Ove Knausgård 2011
  • 1998: Ute av verden.
  • 2004: En tid for alt.
    • Alles hat seine Zeit (aus dem Norwegischen von Paul Berf), Luchterhand, München 2007, ISBN 978-3-630-87264-3.
  • 2009: Min kamp. Første bok.
  • 2009: Min kamp. Andre bok.
  • 2009: Min kamp. Tredje bok.
  • 2010: Min kamp. Fjerde bok.
  • 2010: Min kamp. Femte bok.
  • 2011: Min kamp. Sjette bok.
    • Kämpfen (aus dem Norwegischen von Paul Berf und Ulrich Sonnenberg), Luchterhand, München 2017, ISBN 978-3-630-87415-9.
  • 2013: Sjelens Amerika: tekster 1996–2013.
    • Das Amerika der Seele (aus dem Norwegischen von Paul Berf und Ulrich Sonnenberg), Luchterhand, München 2016, ISBN 978-3-630-87455-5.
  • 2014: Hjemme/Borte (mit Fredrik Ekelund).
  • 2015: Om høsten.
  • 2015: Om vinteren.
  • 2016: Om våren.
  • 2016: Om sommeren.
  • 2017: Så mye lengsel på så liten flate. En bok om Edvard Munchs Bilder.
    • So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche. Edvard Munch und seine Bilder (aus dem Norwegischen von Paul Berf), Luchterhand, München 2019, ISBN 978-3-630-87589-7.
  • 2019: Fuglene under himmelen.[33]
  • 2020: Morgenstjernen.
    • Der Morgenstern (aus dem Norwegischen von Paul Berf), Luchterhand, München 2022, ISBN 978-3-630-87516-3 (Band 1 der Morgenstern-Serie).[34]
  • 2021: Ulvene fra evighetens skog
    • Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit (aus dem Norwegischen von Paul Berf), Luchterhand, München 2023, ISBN 978-3-630-87635-1 (Band 2 der Morgenstern-Serie).[35]
  • 2021 Skogen og elva. Om Anselm Kiefer og kunsten hans
  • 2022 Det tredje riket
    • Das dritte Königreich (aus dem Norwegischen von Paul Berf), Luchterhand, München 2024, ISBN 978-3-630-87710-5 (Band 3 der Morgenstern-Serie).
  • 2023: Der Roman ist die Form des Teufels. Tübinger Vorlesungen. (aus dem Norwegischen von Paul Berf), BTB, München, ISBN 978-3-442-77277-3.
  • 2023: Nattskolen.[36]

Auszeichnungen

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Commons: Karl Ove Knausgård – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ten books shortlisted for the 2014 Award (Memento vom 16. Juli 2014 im Internet Archive)
  2. Süddeutsche Zeitung: Karl Ove Knausgård: Wo das Wahre Risse bekommt. Abgerufen am 25. Januar 2022.
  3. Sein Kampf Rezension, Deutschlandradio Kultur vom 30. März 2011
  4. Noe å snakke om, Morgenbladet, 15. Januar 2010.
  5. Ijoma Mangold: Der Entschleuniger Die Zeit, 3. Juli 2014.
  6. Om oss. Abgerufen am 19. Februar 2019 (norwegisch (Bokmål)).
  7. Richard Kämmerlings: Karl Ove Knausgårds Jahreszeiten-Zyklus erzählt von Depression und Lebensglück. 31. Mai 2018 (welt.de [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  8. Karl Ove Knausgaard: My Saga, Part 1. In: The New York Times. 25. Februar 2015, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  9. Karl Ove Knausgaard: A Literary Road Trip Into the Heart of Russia. In: The New York Times. 14. Februar 2018, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  10. Karl Ove Knausgaard: Anders Breivik’s Inexplicable Crime. 18. Mai 2015, ISSN 0028-792X (newyorker.com [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  11. Karl Ove Knausgaard: The Terrible Beauty of Brain Surgery. In: The New York Times. 30. Dezember 2015, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  12. Karl Ove Knausgaard: The Trouble with Dogs for a Writer. 18. August 2018, ISSN 0028-792X (newyorker.com [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  13. Karl Ove Knausgaard: Michel Houellebecq’s ‘Submission’. In: The New York Times. 2. November 2015, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  14. Peter Praschl: Karl Ove Knausgårds Essays: Darm ohne Charme. 13. November 2016 (welt.de [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  15. Knausgårds "Das Amerika der Seele" - Vom Himmel der Fiktionen. Abgerufen am 19. Februar 2019 (deutsch).
  16. Silke Scheuermann: Knausgårds Jahreszeiten-Zyklus: Sein Kampf, ihr Kämpfen und das Glück an sich. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  17. Burkhard Müller: Erstaunliches vom Dachs. In: sueddeutsche.de. 2017, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 19. Februar 2019]).
  18. Karl Ove Knausgård: Kein "Schrei" verstellt den Blick - derStandard.de. Abgerufen am 19. Februar 2019 (österreichisches Deutsch).
  19. Marthe Berg: Var redd datteren var død. In: VG. 29. April 2014, abgerufen am 10. Juni 2014 (norwegisch).
  20. Paret Knausgård skiljer sig. In: SvD. 25. November 2016, abgerufen am 14. Februar 2017 (schwedisch).
  21. Karl Ove Knausgård: »Om du ska skriva om livet så måste du bejaka kaoset«. 28. Oktober 2019, abgerufen am 10. Dezember 2019 (sv-SE).
  22. Alva Gehrmann: Buch-Projekt in Norwegen: Tsitsi Dangarembga und die „Future Library“. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 1. September 2022]).
  23. ZEIT ONLINE. Abgerufen am 10. Januar 2021.
  24. https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_tag/archiv/20201024_1000/kultur_aktuell_1110.html
  25. https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_tag/archiv/20201024_1000/kultur_aktuell_1110.html
  26. Quotable Quote. Abgerufen am 11. August 2019.
  27. Tobias Wenzel: Karl Ove Knausgård über „Aus der Welt“ – Scham und Schuld, deutschlandfunkkultur.de, gesendet 18. Oktober 2020, abgerufen am 19. Oktober 2020.
  28. Volker Heigenmooser: Was sich in Karl Ove Knausgårds Roman „Sterben“ als persönliches Geständnis ankündigt, entpuppt sich als exemplarische Studie über die 1980er-Jahre, Rezension auf literaturkritik.de vom 11. Juli 2011, abgerufen am 19. Mai 2021
  29. Peter Mohr: Auf der Suche nach dem Dopamin : Über Karl Ove Knausgards Roman „Lieben“, Rezension auf literaturkritik.de vom 25. Juli 2012, abgerufen am 19. Mai 2021
  30. Thomas Neumann: Keine Angst haben : Karl Ove Knausgårds „Spielen“ ist der dritte Teil seines autobiografischen Epos, Rezension auf literaturkritik.de vom 12. Juli 2014, abgerufen am 19. Mai 2021
  31. Bernd Blaschke: Erwachsenwerden in Nord-Norwegen : Autobiografie erinnert an Schreiben und Trinken, an Sex und Arbeit, Rezension auf literaturkritik.de vom 24. Oktober 2014, abgerufen am 19. Mai 2021
  32. Sascha Seiler: Artifizielle Authentizität : Im fünften Teil seiner ‚Min Kamp‘-Reihe beschreibt Karl-Ove Knausgård seine Lehrjahre in Bergen, Rezension auf literaturkritik.de vom 22. Oktober 2015, abgerufen am 19. Mai 2021
  33. Caroline Trump. «Se på fuglene». Klassekampen. 2019-05-18. S. 19
  34. Süddeutsche Zeitung: Karl Ove Knausgårds Roman "Der Morgenstern". Rezension. Abgerufen am 15. April 2022.
  35. Frankfurter Rundschau: Karl Ove Knausgård: „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ – Das letzte Aufflammen. Rezension. Abgerufen am 26. Februar 2023.
  36. Nattskolen. Abgerufen am 17. April 2024 (norwegisch (Bokmål)).
  37. Jerusalem International Book Fair. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Juli 2017; abgerufen am 30. Juni 2017.
  38. Svenska Akademiens nordiska pris 2019. Abgerufen am 3. April 2019 (schwedisch).
  39. Karl Ove Knausgård und Judith Schalansky bei der Tübinger Poetik-Dozentur 2019. (PDF) In: Universität Tübingen. 2. Dezember 2019, abgerufen am 26. Februar 2021.
  40. Christian Gampert: Poetik-Vorlesung in Tübingen - Knausgard: "Schriftsteller wissen nicht, was sie tun!" In: Deutschlandfunk. 3. Dezember 2019, abgerufen am 7. Dezember 2019 (deutsch).
  41. Karl Ove Knausgård – Andersen Award. Abgerufen am 7. Dezember 2019 (englisch).
  42. livreshebdo.fr: Le prix Médicis 2020 pour Chloé Delaume. Abgerufen am 6. November 2020 (französisch).