Gryfino (deutsch Greifenhagen, niederdeutsch Gripenhagen[2]) ist die Kreisstadt des polnischen Powiats Gryfiński mit etwa 20.000 Einwohnern und Amtssitz der gleichnamigen Stadt- und Landgemeinde in der Woiwodschaft Westpommern.

Gryfino
Wappen von Gryfino
Gryfino (Polen)
Gryfino (Polen)
Gryfino
Basisdaten
Staat: Polen

Woiwodschaft: Westpommern
Powiat: Gryfino
Gmina: Gryfino
Fläche: 10,00 km²
Geographische Lage: 53° 15′ N, 14° 29′ OKoordinaten: 53° 15′ 8″ N, 14° 29′ 17″ O
Einwohner: 20.923
(31. Dez. 2020)[1]
Postleitzahl: 74-100 / 74-101
Telefonvorwahl: ( 48) 91
Kfz-Kennzeichen: ZGR
Wirtschaft und Verkehr
Straße: DK 31 StettinSłubice
DW 120 Gryfino ↔ Kobylanka
Eisenbahn: PKP-Linie 273: Stettin ↔ Breslau
Nächster int. Flughafen: Stettin-Goleniów
Gmina
Gminatyp: Stadt- und Landgemeinde
Gminagliederung: 42 Ortschaften
28 Schulzenämter
Fläche: 254,00 km²
Einwohner: 31.626
(31. Dez. 2020)[1]
Bevölkerungsdichte: 125 Einw./km²
Gemeindenummer (GUS): 3206043
Verwaltung (Stand: 2018)
Bürgermeister: Mieczysław Sawaryn
Adresse: ul. 1 Maja 16
74-100 Gryfino
Webpräsenz: www.gryfino.pl

Geographische Lage

Bearbeiten
 
Greifenhagen südlich von Stettin und nordwestlich von Pyritz auf einer Landkarte von 1905.
 
Älteste Stadtansicht von Greifenhagen von 1615 in einer Kopie aus dem 18. Jahrhundert aus der sog. Stralsunder Bilderhandschrift. Original im Stadtarchiv Stralsund. Es existiert auch noch eine zweite, Originalansicht aus der Zeit um 1615.
 
Die Stadt Greifenhagen nach Eilhard Lubinus, 1618
 
Stadtzentrum

Die Stadt liegt im äußersten Westen der Woiwodschaft Westpommern in Hinterpommern an der Odra Wschodnia (Reglitz), dem östlichen Mündungsarm der Oder. Sie gehört zum Einzugsgebiet von Stettin, dessen Zentrum in knapp 20 Kilometern in nördlicher Richtung zu erreichen ist. Gryfino liegt an der Bahnlinie Stettin–Küstrin. Zum drei Kilometer entfernten deutschen Nachbarort Mescherin gibt es einen Grenzübergang, der auch mit Kraftfahrzeugen passiert werden kann.

Geschichte

Bearbeiten

Mittelalter

Bearbeiten

Schon im 12. Jahrhundert lag nördlich des späteren Greifenhagen eine wendische Fischersiedlung mit der für diese Orte üblichen Bezeichnung Wiek. Der Herzog Barnim I. von Pommern, genannt der Städtegründer, überließ 1254 einem Unternehmer 200 Hufen Land zur Gründung der Stadt Greifenhagen, der er am 1. März 1254 das Magdeburgisch-Stettiner Stadtrecht verlieh. Gleichzeitig verbot er den Zuzug der Wieker Einwohner. Zum Schultheißen ernannte er seinen Lokator Rudolf von Bertekow. Um der Stadt eine wirtschaftliche Grundlage zu geben, hatte Barnim bereits ein Jahr zuvor dem Nachbarort Woltin das Marktrecht zugunsten Greifenhagens entzogen. Später mussten auch Fiddichow und Wollin ihre Marktrechte an die neue Stadt abtreten. Zusätzlich erhielt Greifenhagen 1280 das Recht der freien Schifffahrt auf allen pommerschen Gewässern. Der Stadtplan spiegelt mustergültig das Schema einer östlichen Kolonisationsstadt wider, mit einem Rasterschema aus sich schneidenden Straßen um einen rechtwinklig ausgesparten Marktplatz.[3] Um den Handel nach Westen ausdehnen zu können, wurden 1306 ein Brückenzug über beide Oderarme und ein hochwassersicherer Steindamm errichtet. Für beide Verkehrswege erhob die Stadt Zoll, der ihr erheblichen Reichtum einbrachte. Ein Teil der Einnahmen wurde 1312 für den Ankauf der Ortschaft Wiek verwendet, und ein Jahr später umgab sich die Stadt mit einer Befestigungsmauer. 1339 ernannte Pommernherzog Otto I. Greifenhagen zur herzoglichen Münzstätte, was auf die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt schließen lässt.

Frühe Neuzeit

Bearbeiten

Erhebliche Rückschläge brachten 1530 ein Stadtbrand, dem fast alle Häuser zum Opfer fielen, eine Pestepidemie, an der die Hälfte der Einwohner starb, und die Zerstörung der Oderbrücken durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg mit sich. Als Ergebnis dieses Krieges wurde Greifenhagen ein Teil von Schwedisch-Pommern. Im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg ließ der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm 1677 die Stadt besetzen. Im Friedensvertrag von Saint-Germain wurde Greifenhagen – wie alle östlich der Oder gelegenen Schwedisch-Pommerns mit Ausnahme der Städte Damm und Gollnow – Preußen zugesprochen.[4] Im Jahr 1780 richtete eine Überschwemmung schwere Schäden an.

19. und 20. Jahrhundert

Bearbeiten
 
Anteilschein über 150 RM der Greifenhagener Dampfschiffsreederei GmbH vom 28. Februar 1928

Als Preußen 1815/1818 seine Verwaltung neu ordnete, wurde die Stadt Verwaltungssitz des Landkreises Greifenhagen im Regierungsbezirk Stettin der Provinz Pommern. Diese Verwaltungsgliederung blieb bis 1945 bestehen.

Mit der Stettiner und der Bahner Vorstadt entstanden neue Stadtteile, und 1857 gaben zwei Holzbrücken den Weg zum westlichen Oderufer wieder frei. Der 1877 erfolgte Eisenbahnanschluss sowie die Eröffnung des Großschifffahrtswegs Berlin–Stettin im Jahr 1904 ließen die Greifenhagener Wirtschaft expandieren. Vor allem die 1873 gegründete Dampfschiffsreederei, die den Güterverkehr zwischen Schwedt und Stettin übernommen hatte, profitierte von der neuen Wasserstraße. Aber auch industrielle Betriebe, wie insbesondere der Lebensmittelherstellung und chemische Werke siedelten sich an. 1913 wurden die hölzernen Oderbrücken durch eine Stahlkonstruktion ersetzt. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die Kreisstadt eine evangelische Kirche, eine Synagoge und war Sitz eines Amtsgerichts.[5]

Zur letzten deutschen Volkszählung von 1939 lebten 9855 Menschen in der Stadt. Die meisten flohen Anfang 1945 vor der anrückenden sowjetischen Front. Im Kampf um die Eroberung Greifenhagens durch die Rote Armee, der vom 8. bis 21. März andauerte, wurde die Innenstadt völlig zerstört. Nachdem Greifenhagen 1945 unter polnische Verwaltung gestellt worden war, begann die Migration polnischer Zivilisten, und die Stadt wurde in Gryfino umbenannt. Die noch verbliebenen Deutschen wurden von nach Kriegsende zugewanderten polnischen Milizionären aus ihren Häusern und Wohnungen gedrängt, enteignet und vertrieben, soweit sie nicht vereinzelt die polnische Staatsangehörigkeit annahmen.

Gryfino wurde in die damalige Woiwodschaft Stettin eingegliedert und wurde Kreisstadt. 1975 verlor die Stadt ihren Rang als Kreishauptstadt und wurde zum Sitz einer Stadt- und Landgemeinde. 1999 erhielt sie den Status der Kreishauptstadt zurück.

 
Marienkirche
 
Bahner Tor
 
Stadtmauer
 
Friedhofskapelle
 
Postgebäude
 
Bahnhof

Demographie

Bearbeiten
Bevölkerungsentwicklung bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1740 2152 [6]
1782 2762 [6] davon 83 Juden[7]
1802 3323 [8]
1817 3890 [6]
1822 4290 [6]
1867 6774 am 3. Dezember[9]
1871 6611 am 1. Dezember, davon 6395 Evangelische, 29 Katholiken, sieben sonstige Christen, 180 Juden[9]
1875 6759 [10]
1880 6906 [10]
1890 6692 darunter 65 Katholiken, 91 Juden[10]
1900 6473 [5]
1910 7260 am 1. Dezember[11][12]
1925 8184 [10]
1933 8938 [10]
1939 9855 [10]

Sehenswürdigkeiten

Bearbeiten
  • Die katholische Pfarrkirche Mariä Geburt (Kościół p.w. Narodzenia NMP) war vor dem Zweiten Weltkrieg die evangelische Stadtpfarrkirche St. Nikolaus. Der Bau wurde um 1250 aus Feldsteinen begonnen, um dann backsteingotisch vollendet zu werden. Viele (Außen-)Details der Kirche wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts neugotisch überformt. Der barocke, zweifach durchbrochene Turmhelm wurde 1938 aufgesetzt und ersetzte den bisherigen Nadelhelm. Im Innern blieben neben dem neugotischen Orgelprospekt und dem Hauptaltar – dessen Altarblatt Maria, Königin von Polen nach 1945 aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten in die Kirche verbracht wurde – zwei Renaissancekunstdenkmäler erhalten: Das Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert sowie die aufwendig renovierte Kanzel von 1605.
  • Das Sankt-Georgs-Tor (poln. Brama Bańska, also Bahner Tor) ist ein mit Resten der Stadtmauer erhaltener Torturm am südlichen Ausgang der Altstadt an der nach Banie (Bahn) führenden Straße. Es wurde um 1300 erbaut, der Unterbau aus Feldsteinen, die oberen Geschosse im Stil der Backsteingotik.
  • Friedhofskapelle, neugotisch, errichtet von 1907 bis 1911[13]
  • Postamt von 1883
  • Krummer Wald. Ein Wald aus gekrümmten Kiefern, Naturdenkmal.

Wirtschaft

Bearbeiten

Der größte Arbeitgeber in der Stadt ist ein kohlebetriebenes Elektrizitätswerk, das Kraftwerk Dolna Odra. Seit 1990 investiert auch ausländisches Kapital beim Aufbau der Industrie in der Stadt, z. B. die deutschen Firmen Fliegel-Textil-Service, die eine große Wäscherei betreibt, und Jürging Naturdärme, die Därme zur Wurstherstellung produziert. 2017 eröffnete Zalando hier ein Logistikzentrum.[14]

Schulwesen

Bearbeiten

In der Stadt bestehen:

  • fünf Kindergärten;
  • vier Grundschulen, davon drei gewöhnliche und eine Spezialgrundschule;
  • eine Mittelschule (7. bis 9. Klasse);
  • zwei Gymnasien

Persönlichkeiten

Bearbeiten

Söhne und Töchter der Stadt

Bearbeiten

Städtepartnerschaften

Bearbeiten

Gmina Gryfino

Bearbeiten

Die Gesamtfläche der Stadt- und Landgemeinde Gryfino umfasst 254 km². Die Grenzen der Gemeinde haben die Länge von 111 km, davon sind 24,5 km Wasserlinie, unter ihnen bilden 2200 m die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen.

Zur Gemeinde gehören neben dem gleichnamigen Hauptort, der Stadt Gryfino, 28 ländliche Ortschaften, die jeweils ein Schulzenamt bilden:[15]

Andere Ortschaften sind: Ciosna (Dorotheenhof), Dębce (Eichwerder), Gajki (Uhlenhorst), Łubnica (Bienenwerder), Nowe Brynki (Neu Brünken), Osuch (Bergmühle), Pastuszka (Viehhof), Raczki (Neuteich), Szczawno (Vogelsang), Śremsko, Wirówek (Wierower Mühle) und Zaborze (Schulzendorf)

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Gryfino – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Population. Size and Structure by Territorial Division. As of December 31, 2020. Główny Urząd Statystyczny (GUS) (PDF-Dateien; 0,72 MB), abgerufen am 12. Juni 2021.
  2. Plattdeutsches Wörterbuch. In: ndr.de. Abgerufen am 12. März 2024.
  3. Günther Grundmann: Die mittelalterliche Stadtbaukunst. In: Der Ostseeraum im Blickfeld der Deutschen Geschichte (= Studien zum Deutschtum im Osten. Band 6). Böhlau Verlag, S. 81.
  4. Friedrich Thiede: Pomerania. Geschichte und Beschreibung des Pommernlandes zur Förderung der pommerschen Vaterlandskunde, Bd. 2. Sanne, Stettin 1846, S. 315.
  5. a b Greifenhagen. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 8: Glashütte–Hautflügler. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1907, S. 273 (Digitalisat. zeno.org).
  6. a b c d Friedrich von Restorff: Topographische Beschreibung der Provinz Pommern mit einer statistischen Uebersicht. Berlin / Stettin 1827, S. 190–191 (books.google.de).
  7. Heinrich Berghaus: Landbuch des Herzogthums Stettin, von Kamin und Hinterpommern; oder des Verwaltungs-Bezirks der Königl. Regierung zu Stettin. Bearbeitet von Heinrich Berghaus. Zweiten Teils dritter Band: Kreise Greifenhagen und Piritz. Anklam 1868, S. 245; Textarchiv – Internet Archive.
  8. Leopold Krug: Betrachtungen über den National-Reichthum des preußischen Staats, und über den Wohlstand seiner Bewohner. Zweiter Theil. Berlin 1805, S. 62–90, insbesondere S. 64, Ziffer 102; books.google.de
  9. a b Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preußischen Staats und ihre Bevölkerung. Teil III: Provinz Pommern. Königliches Statistisches Bureau, Berlin 1874, S. 32, Nr. 3 (books.google.de).
  10. a b c d e f Michael Rademacher: Kreis Greifenhagen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  11. Greifenhagen, östlich der Großen Reglitz, Regierungspezirk Stettin, Pommern. In: Meyers Gazetteer, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Greifenhagen (meyersgaz.org).
  12. Landkreis Greifenhagen. In: Gemeindeverzeichnis Deutschland 1900 (U. Schubert, 17.09.2022).
  13. cmentarze.gryfino.pl Friedhofskapelle
  14. Polen lockt Investoren mit rosigen Aussichten. In: Tagesspiegel. 4. September 2017, abgerufen am 16. September 2019.
  15. Sołectwa. gryfino.pl.