γ-Glutamyltransferasen

Enzymfamilie
(Weitergeleitet von Gamma-Glutamyltransferase)

γ-Glutamyltransferasen (γ-GT sprich: ‚Gamma-GT‘, GGT, auch γ-Glutamyltranspeptidasen, γ-GTP oder GGTP) sind eine Gruppe von Enzymen in vielen Körperzellen von Säugetieren, Pilzen und Bakterien. Sie sind Teil der Abwehr gegen reaktive Sauerstoffspezies.

γ-Glutamyltransferase
Sekundär- bis Quartärstruktur Heterodimer, Membranprotein
Enzymklassifikation
EC, Kategorie
Substrat 5-L-Glutamyl-Peptid Aminosäure
Produkte Peptid 5-L-Glutamyl-Aminosäure

Biochemische Funktion

Bearbeiten

GGT überträgt den Glutamylrest von Glutathion auf Peptide oder Wasser. Dadurch wird gleichzeitig der Abbau von Glutathion (GSH) eingeleitet. Dieser Abbau ist die einzige Möglichkeit, das in GSH enthaltene Cystein effektiv und ohne Verlust in die Zelle zu schleusen, da es keinen GSH-Membrantransporter gibt. Innerhalb der Zelle wird GSH wieder aufgebaut.

Der zweite Reaktionsweg, von dem die von GGT katalysierte Reaktion ein Teil ist, ist die Ausschleusung von Fremdstoffen, die in der Zelle von GSH (an der Thiolgruppe) gebunden wurden. Hier erhöht die Entfernung des Glutamats vom GSH-Teil die Transportierbarkeit des Addukts, so dass es ausgeschleust werden kann.

Bedeutung in der Medizin

Bearbeiten

GGT dient als Biomarker, der im Zusammenhang mit anderen Werten auf eine Lebererkrankung hinweist. Erhöhte GGT-Werte treten bei Gallengangatresie[1] und Bakteriämie[2] auf.

Erhöhte GGT-Werte korrelieren mit einem erhöhten Risiko für späteren Typ-2-Diabetes[3] und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen,[4] sowie mit erhöhter Homocystein-Konzentration.

Mutationen an GGT können die (seltene) Glutathionurie verursachen.[5][6]

Vorkommen im Menschen

Bearbeiten

Im Menschen sind mindestens dreizehn Gene bekannt, die für eine GGT codieren, von denen mindestens sechs aktiv sind, mit jeweils mehreren Isoformen. Mehrere Isoformen der GGT sind im Menschen inaktiv. Eine Isoform von GGT7 bindet an FAM57A. GGT5 wandelt Leukotrien C4 nach Leukotrien D4 um und zeigt geänderte Substrataffinität. GGT3 wird in manchen Epilepsiepatienten gefunden.[7][8][9]

Gen-Name UniProt Größe
UE1 UE2=gesamt
Isoformen OMIM Anmerkungen
GGT1 P19440 380 189 = 569 3 612346 In Nieren, Leber, Pankreas, Magen, Darm, Plazenta, Lunge. Isoform 3 inaktiv. Bei Mutation Glutathionurie.
GGT2 P36268 380 189 = 569 2 137181 In fetaler/adulter Niere und Leber.
GGT3P A6NGU5 380 188 = 568 1 - Möglicherweise inaktiv.
GGT5 P36269 387 998 = 586 2 137168 Reagiert möglicherweise nicht mit GSH, sondern mit GSH-Konjugat. Katalysiert Leukotrien C4 = D4.
GGT6 Q6P531 ? ? = 493 2 612341 Substrat ist GSH-Konjugat.
GGT7 Q9UJ14 472 190 = 662 4 612342 Ubiquitär in geringer Menge, außer in Epithelzellen der Atemwege. Substrat ist GSH-Konjugat.

Labordiagnostik

Bearbeiten

Leberdiagnostik

Bearbeiten

In der Labordiagnostik wird die Aktivität der GGT aus dem Plasma oder dem Serum bestimmt, um abzuklären, ob eine Leber- oder Gallenwegserkrankung vorliegt. Der Referenzbereich für Messungen bei 37 °C (GGT37) nach IFCC liegt bei unter 42 U/l für Frauen und unter 60 U/l für Männer.[10]

Der Laborwert GGT, welcher im Blut gemessen wird, entspricht der enzymatischen GGT-Gesamtaktivität, wobei man annimmt, dass messbare Erhöhungen ausschließlich durch Zerstörung von Leberzellen entstehen, da es sich um ein Enzym handelt, das normalerweise fest an die Zellmembran gebunden ist.[11]

Erhöhte GGT-Werte können allerdings viele Ursachen haben und müssen im Zusammenhang mit anderen Laborwerten wie Alkalische Phosphatase, ALT/GPT, AST/GOT oder Bilirubin interpretiert werden. Leichte Erhöhungen können durch die Einnahme von gewissen Medikamenten oder durch chronischen Alkoholkonsum auftreten. Stärkere Erhöhungen findet man bei chronischer Hepatitis, Leberzirrhose, Lebermetastasen oder Schädigungen der Leber durch Gifte, Medikamente, Alkoholkonsum oder Erbkrankheiten wie Myotone Dystrophie Typ 2 (DM2, PROMM). Die höchsten GGT-Werte beobachtet man bei Erkrankungen der Gallenkanäle (Cholestase, Cholangitis), bei akuter Hepatitis sowie bei toxischen Leberschädigungen.

Als Marker für einen chronischen Alkoholkonsum ist GGT bei einer Sensitivität von 58 % nur begrenzt gut geeignet[12], eine deutliche Verbesserung lässt sich durch Verrechnung mit dem Laborwert CDT im Rahmen des Anttila-Index erreichen[13].

Nierendiagnostik

Bearbeiten

In der menschlichen Niere kommt die GGT in höchster Konzentration im proximalen Tubulus vor. Sie ist dort auf der Membranoberfläche der Mikrovilli (Bürstensaum) der Epithelien, also lumenwärts gerichtet, lokalisiert.[14] Die GGT kommt hier im Verbund eines sog. Multienzymkomplexes vor, dem u. a. auch eine Alanin-Aminopeptidase und Alkalische Phosphatase angehören. Der Multienzymkomplex besteht aus ca. 5 bis 10 nm großen gestielten „Kugeln“ (engl. knobs), die schon bei frühen Schädlichkeiten der Niere (Ischaemie, Nephrotoxine, Entzündungen oder Nierentransplantatabstoßung) von der Membran desintegrieren (shedding) und in erhöhter Konzentration im Harn der Kranken erscheinen (Gewebsproteinurie, Histurie).[15] Die nierentypische GGT, ein Glycoprotein mit einer Lektin-Affinität gegenüber ConA und wheat-germ-Agglutinin, lässt sich aus dem Harn von Patienten mit Nierenerkrankungen z. B. durch immunspezifische Affinitätschromatographie isolieren.[16] Die GGT ist ein wichtiger Differenzierungsmarker tubulärer Nierenzellen, wobei die GGT-Biosynthese je nach Nierenfunktion angepasst wird: so exprimieren hypertrophierte (und hypermetabolische) Nephrone bei chronischer Niereninsuffizienz vermehrt membrangebundene GGT.[17]

Nierenadeno-Karzinom: die membrangebundene GGT ist – ungeachtet der Tumordifferenzierung – ein konstanter Membranmarker klarzelliger Nierenadeno-Karzinome.[18] Ein monoklonaler Antikörper gegen eine Tumor-assoziierte GGT, inzwischen auch rekombinant verfügbar, wurde für immunszintigrafische Zwecke und immunhistologische Diagnostik von Metastasen eingesetzt.[19][20][21][22][23]

Literatur

Bearbeiten
  • B. Neumeister, I. Besenthal, H. Liebrich: Klinikleitfaden Labordiagnostik. Urban & Fischer, München/Jena 2003, ISBN 3-437-22231-7.
  • Lothar Thomas: Labor und Diagnose. TH-Books, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-9805215-5-9.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Kuo-Shu Tang, Li-Tung Huang, Ying-Hsien Huang, Chi-Yin Lai, Chi-Hung Wu, Sheng-Ming Wang, Kao-Pin Hwang, Fu-Chen Huang, Mao-Meng Tiao: Gamma-glutamyl transferase in the diagnosis of biliary atresia. In: Acta Paediatrica Taiwanica = Taiwan Er Ke Yi Xue Hui Za Zhi. Band 48, 4 (Juli–August), 2007, ISSN 1608-8115, S. 196–200, PMID 18265540.
  2. Shinichiro Kanai, Takayuki Honda, Takeshi Uehara, Takehisa Matsumoto: Liver function tests in patients with bacteremia. In: Journal of Clinical Laboratory Analysis. Band 22, Nr. 1, 2008, ISSN 0887-8013, S. 66–69, doi:10.1002/jcla.20205, PMID 18200569.
  3. D. H. Lee, M. W. Steffes, D. R. Jacobs: Can persistent organic pollutants explain the association between serum gamma-glutamyltransferase and type 2 diabetes? In: Diabetologia. Band 51, Nummer 3, März 2008, S. 402–407, doi:10.1007/s00125-007-0896-5. PMID 18071669.
  4. E. Ruttmann, L. J. Brant u. a.: Gamma-glutamyltransferase as a risk factor for cardiovascular disease mortality: an epidemiological investigation in a cohort of 163,944 Austrian adults. In: Circulation. Band 112, Nummer 14, Oktober 2005, S. 2130–2137, doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.105.552547. PMID 16186419.
  5. UniProt P19440
  6. G. Lippi, G. L. Salvagno u. a.: Plasma gamma-glutamyl transferase activity predicts homocysteine concentration in a large cohort of unselected outpatients. In: Internal medicine. Band 47, Nummer 8, 2008, S. 705–707, PMID 18421185.
  7. UniProt Q9UJ14
  8. UniProt P36269
  9. UniProt A6NGU5
  10. Lab Tests Online: GGT
  11. N. Heisterkamp, J. Groffen u. a.: The human gamma-glutamyltransferase gene family. In: Human genetics. Band 123, Nummer 4, Mai 2008, S. 321–332, doi:10.1007/s00439-008-0487-7. PMID 18357469.
  12. Johanna Hietala, Heidi Koivisto, Petra Anttila: Comparison of the combined marker GGT-CDT and the conventional laboratory markers of alcohol abuse in heavy drinkers, moderate drinkers and abstainers. In: Alcohol and Alcoholism. Nr. 41(5), 23. Juni 2006, S. 528–533, doi:10.1093/alcalc/agl050, PMID 16799164.
  13. Petra Anttila, Kimmo Järvi, Joan E. Blake: A new modified gamma-�T method improves the detection of problem drinking: studies in alcoholics with or without liver disease. In: International Journal of Clinical Chemistry. 338(1-2). Jahrgang, 1. Dezember 2003, S. 45–51, doi:10.1016/j.cccn.2003.07.016, PMID 14637264.
  14. G. B. Wolf, J. E. Scherberich, W. Schoeppe: Peptidase-associated antigens as markers of differentiation in human kidney and renal adenocarcinoma. In: Cellular and molecular biology. Band 34, Nummer 3, 1988, S. 311–321, PMID 3061652.
  15. J. E. Scherberich, W. A. Mondorf: Excretion of kidney brush border antigens as a quantitative indicator of tubular damage. In: Current problems in clinical biochemistry. Nummer 9, 1979, S. 281–298, PMID 36259.
  16. J. E. Scherberich, B. Kleemann, W. Mondorf: Isolation of kidney brush border gamma-glutamyl transpeptidase from urine by specific antibody gel chromatography. In: Clinica Chimica Acta. Band 93, Nummer 1, April 1979, S. 35–41, PMID 35293.
  17. J. E. Scherberich, G. Wolf u. a.: Glomerular and tubular membrane antigens reflecting cellular adaptation in human renal failure. In: Kidney International. Supplement. Band 27, November 1989, S. S38–S51, PMID 2636672.
  18. P. Fischer, S. Störkel u. a.: Differential diagnosis of histogenetically distinct human epithelial renal tumours with a monoclonal antibody against gamma-glutamyltransferase. In: Cancer Immunology, Immunotherapy. Band 33, Nummer 6, 1991, S. 382–388, PMID 1678984.
  19. P. Fischer, J. E. Scherberich, W. Schoeppe: Comparative biochemical and immunological studies on gamma-glutamyltransferases from human kidney and renal cell carcinoma applying monoclonal antibodies. In: Clinica Chimica Acta. Band 191, Nummer 3, November 1990, S. 185–200, PMID 1979761.
  20. O. Kaufmann, M. Dietel u. a.: Immunohistochemical differentiation of metastases of renal carcinomas versus other carcinomas with anti-gamma GT monoclonal antibody 138H11. In: Histopathology. Band 31, Nummer 1, Juli 1997, S. 31–37, PMID 9253622.
  21. P. Fischer, R. P. Baum u. a.: Immunoscintigraphic localization of renal tumours in an extracorporeal perfusion model with a monoclonal antibody against gamma-glutamyltransferase. In: Cancer Immunology, Immunotherapy. Band 35, Nummer 4, 1992, S. 283–288, PMID 1355011.
  22. K. Knoll, W. Wrasidlo u. a.: Targeted therapy of experimental renal cell carcinoma with a novel conjugate of monoclonal antibody 138H11 and calicheamicin thetaI1. In: Cancer Research. Band 60, Nummer 21, November 2000, S. 6089–6094, PMID 11085532.
  23. A. Schmiedl, J. Zimmermann u. a.: Recombinant variants of antibody 138H11 against human gamma-glutamyltransferase for targeting renal cell carcinoma. In: Human antibodies. Band 15, Nummer 3, 2006, S. 81–94, PMID 17065739.