Gaius Mucius Scaevola

sagenhafter römischer Held

Gaius Mucius Scaevola (Linkshand) ist eine Person aus der römischen Frühgeschichte. Die Legende – wie sie z. B. Livius berichtet[1] – besagt, dass Mucius die Stadt Rom gerettet habe, als sie im Jahre 508 v. Chr. von dem feindlichen Etruskerkönig Lars Porsenna belagert wurde.

Gemälde Hans Baldungs (1531): Mucius Scaevola vor Porsenna

Mucius soll sich in das feindliche Lager geschlichen haben, um Porsenna zu töten. Aus Unwissenheit hat er jedoch nicht Porsenna, sondern einen Schreiber getötet. Als er danach ergriffen wurde, sagte er Porsenna, dass viele Römer die Ehre begehren, ihn zu töten, und dass sich einige bereits im Lager befänden. Porsenna drohte Mucius, ihn den Flammen zu übergeben, falls Mucius nicht verriete, wer sie seien. Mucius streckte vor den Augen Porsennas seine rechte Hand in eine offene Flamme. Die Hand verbrannte, ohne dass er sich die Schmerzen anmerken ließ; er soll gesagt haben, dass sein Körper wertlos sei, seine Ehre nicht. Porsenna war von diesem Beispiel an Standhaftigkeit derart überwältigt, dass er Mucius die Freiheit schenkte, Friedensverhandlungen begann und schlussendlich die Belagerung Roms abbrach. Mucius erhielt den Beinamen Scaevola (Linkshänder) und vom römischen Senat ein Stück Land.

Wissenschaftlicher Erklärungsansatz

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Aktuellen Überlegungen zufolge wird in Betracht gezogen, Scaevola habe unter Syringomyelie gelitten. Eine dissoziierte Sensibilitätsstörung in der rechten Hand und damit einhergehender Verlust protopathischer Sensibilität könnten dem Römer seine Heldentat ermöglicht haben.[2] Hierbei wird aber die Tatsache außer Acht gelassen, dass es sich bei den Helden der römischen Frühgeschichte überwiegend um Sagengestalten handelt, deren tatsächliche Existenz mehr als ungewiss ist.[3] Daher führen naturwissenschaftliche Erklärungsversuche in die Irre. Die antiken Autoren ließen Scaevola seine Hand ins Feuer halten, um ein leuchtendes Beispiel für Vaterlandsliebe zu geben, die die Existenz der Stadt Rom über die eigene Existenz stellt.[4] Über die Möglichkeit einer Syringomyelie haben sich die Autoren dabei sicherlich keine Gedanken gemacht, weshalb diese These unter Historikern und Philologen auch nicht diskutiert wird.

Rezeption

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Blaue Fächerblume (Scaevola aemula)
Bildende Kunst
  • Ferdinand Bol: Mutius Scaevola verbrennet seine Hand im Beysein des Königes Porsenna.[5]
Oper
Film
  • 1964 war eine freie Adaption des Stoffs Grundlage für den italienischen Sandalenfilm Il Colosso di Roma (in Deutschland unter dem Titel Der Titan mit der eisernen Faust veröffentlicht), in dem Gordon Scott den Gaius Mucius Scaevola verkörperte.
  • In Star Trek: Discovery hält der Klingone Voq ebenfalls seine Hand freiwillig in eine Flamme, um damit zu beweisen, dass seine Ehre und sein Wille wichtiger als sein Körper sind.
Wissenschaft
  • Die Pflanzengattung Scaevola (Fächerblumen) wurde von Carl von Linné beschrieben und deutet mit ihrem Namen darauf hin, dass die Blütenkrone der Pflanze stark zygomorph, 5-zählig und bei vielen Arten deutlich auf eine Seite gestaucht ist.[6]
Nachahmung
  • Im Alter von zwölf Jahren versuchte Friedrich Nietzsche, seinen Mitschülern zu beweisen, dass die Geschichte wahr sein könnte, und verbrannte seine ausgestreckte Handfläche über einem brennenden Streichholzbriefchen, ohne dabei Schmerzen zu zeigen, und wurde nur durch den Präfekten der Schule vor ernsthaften Verletzungen bewahrt.[7]
  • Jean-Jacques Rousseau erwähnt im ersten Buch seiner Bekenntnisse, dass er als Kind versuchte, die Handlung des Mucius nachzuahmen, indem er seine Hand über einen Rechaud hielt.

Literatur

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Commons: Gaius Mucius Scaevola – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. Livius 2,12,1–2,13,5.
  2. Christian Müller: Elegante Selbstbeherrschung. (Memento vom 12. Juni 2018 im Internet Archive). Im Original publiziert in: Schweizerische Ärztezeitung. Band 84, Nr. 47, 2003, S. 2515–2516. – Die Fabel zu Mucius Scaevola findet sich mindestens seit 1978 bei Klaus Poeck: Neurologie. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte, fünfte neubearbeitete Auflage. Berlin-Heidelberg-New York, Springer Verlag, Seite 400.
  3. Luciana Aigner-Foresti: Die Etrusker und das frühe Rom, Darmstadt 2009, S. 9.
  4. Early Rome. Myth and Society, hg. v. Jaclyn Neel, Hoboken (New Jersey) 2017, S. 274
  5. Auktionator Schmidmer: Verzeichnis der seltenen Kunst-Sammlungen. Nürnberg 1825, 250 Seiten (online, S. 73)
  6. florabase online
  7. Peter Levine: Nietzsche and the Modern Crisis of the Humanities. State University of New York Press, 1995, S. 3.