Carbios

Französisches Biochemie-Unternehmen

Carbios ist ein französisches Biochemie-Unternehmen mit Sitz im Wissenschaftspark Biopôle Clermont-Limagne nahe der französischen Stadt Clermont-Ferrand.[3] Es forscht unter anderem am „enzymatischen Biorecycling“ von Kunststoffen, also deren Zersetzung mithilfe von Enzymen, um sie anschließend wiederzuverwenden.[4][5]

Carbios
Rechtsform Aktiengesellschaft
ISIN FR0011648716
Gründung April 2011[1]
Sitz Saint-Beauzire, Frankreich
Leitung Emmanuel Ladent[2]
Branche Biochemie
Website carbios.com

Geschäftsidee

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Bei konventionellen Verfahren zur Wiederverwendung sortenreiner Kunststoffe wird der Kunststoff sortiert, gereinigt und eingeschmolzen. Dieser Vorgang lässt sich nur begrenzt wiederholen, da die Qualität des Rezyklats mit jedem Einschmelzvorgang durch Eintrag von Verschmutzungen schlechter wird.[6]

Carbios verfolgt stattdessen einen biochemischen Ansatz. In der Annahme, in Mülldeponien auf spezielle Bakterien zu stoßen, die Kunststoffe zum Energiegewinn enzymatisch abbauen können, untersuchten die Forscher des Unternehmens 2011 gezielt tausende unterschiedliche Arten von Mikroorganismen. Dabei entdeckten sie Organismen, die ein Enzym zum Abbau von Polyethylenterephthalat-Kunststoff nutzen, die PET-Depolymerase.[7] Durch gezielt ausgelöste Mutationen konnte die Abbaugeschwindigkeit der bakteriellen Enzyme deutlich gesteigert werden.[5] Bei dem Verfahren von Carbios können unterschiedliche PET-Produkte wie Verpackungen und Textilien (Polyester) verarbeitet werden. Verschiedenfarbige Produkte lassen sich in Monomere zerlegen, ohne sie vorher zu sortieren, um daraus wieder farbloses neuwertiges PET oder Polyestergarn für Textilien herzustellen.[8] Das Ziel von Carbios ist eine echte Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe.

Unternehmensgeschichte

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Das Unternehmen wurde im April 2011 gegründet. 2012 schloss sich Carbios mit anderen französischen Start-ups für ein Forschungsprojekt unter dem Namen „Thanaplast“ zusammen und kooperierte dann ab 2013 mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology.[1] Später unterzeichnete man ein Abkommen mit dem französischen Umweltunternehmen Suez. Suez lieferte eingelagerte Kunststoffabfälle, mit denen Carbios sein Verfahren unter realistischen Bedingungen optimieren konnte.[9]

Ebenfalls im Jahr 2013 fand der Börsengang statt. Seitdem wird die Aktie am Börsenplatz Euronext gehandelt.[1] 2014 bezog Carbios den jetzigen Standort im Wissenschaftspark Biopôle Clermont-Limagne bei Clermont-Ferrand. 2016 gründete Carbios zur Herstellung von abbaubaren Kunststoffen die Tochterfirma Carbolice. Die Tochterfirma entwickelt unter anderem Folien für landwirtschaftliche Zwecke mit einem Gehalt von bis zu 20 Prozent an biobasierten und kompostierbaren Milchsäuremolekülen, sog. Polylactiden.[10] 2017 begann Carbios eine Zusammenarbeit mit dem Ölfelddienstleister und Anlagenbauer TechnipFMC.[1]

2019 traf Carbios mit dem französischen L'Oreal-Konzern die Vereinbarung, gemeinsam ein Konsortium zu gründen. Ziel sei es, Kunststoffe mit biotechnologischen Mitteln in industriellem Maßstab wiederzuverwerten.[11] Diesem Konsortium schlossen sich im selben Jahr die Firmen Nestlé Waters, PepsiCo und der japanische Getränkehersteller Suntory Beverage & Food Europe an.

2020 veröffentlichte die Zeitschrift Nature einen viel zitierten Artikel, in dem beschrieben wurde, wie die Technologie von Carbios PET-Flaschen in „chemische Bausteine für die Herstellung neuer, hochwertiger Kunststoffe“ umwandelt und innerhalb von 10 Stunden eine Tonne geschredderten Kunststoff zu 90 Prozent in seine Monomere zerlegt habe.[7] Die Flaschen müssten vor dem Erhitzen zuerst zerkleinert werden. Trotz dieses zusätzlichen Aufwands werde das Verfahren als lohnend eingestuft, da die Kosten dieses Prozesses nur etwa 4 Prozent der Gesamtkosten für die Produktion neuer PET-Flaschen aus Rohöl betragen würden.[12]

Ebenfalls 2020 wurden aus Polyester-Textilien die ersten PET-Flaschen hergestellt, die identische Eigenschaften wie PET-Neuware aus Rohöl haben. Damit konnten nicht nur PET-Flaschen als Ausgangsmaterial für den Recycling-Prozess genutzt werden, sondern auch Textilabfälle.[13] Im nächsten Schritt produzierten alle Mitglieder des Konsortiums mit den gewonnenen Monomeren erfolgreich Originalverpackungen ihrer Hauptprodukte wie Orangina, Pepsi-Cola, Perrier etc.[14] Carbios kündigte daraufhin den Bau einer Fabrik in Saint-Fons (Lyon) zu Demonstrations- und Dokumentationszwecken an.[15][16] Nach der Beteiligung von Michelin im Juli 2020 entschied Carbios, die Anlage auf dem Betriebsgelände von Michelin nahe Clermont-Ferrand zu errichten. Auch die zuvor unterschiedlich lokalisierten Entwicklungslabore und Pilotanlagen wurden dort konzentriert.[17] Sie wurde im September 2020 in Betrieb genommen und sollte Daten- und Planungsgrundlagen für den Bau einer größeren Referenzanlage mit einer Jahreskapazität von 40 000 Tonnen liefern.[14] Potentiellen Lizenznehmern wurden Chargen der erzeugten Monomere zur technischen und regulatorischen Validierung von Recycling-PET zur Verfügung gestellt.[18][15]

Einige zukünftige Abnehmer sind bereits über Aktienpakete am Unternehmen beteiligt (L’Oréal, Michelin, Groupe Occitan) oder haben Partnerschaften geschlossen (Nestlé, PepsiCo und der japanische Getränkehersteller Suntory). Bereits jetzt realisierte und validierte Einsatzzwecke sind Produktverpackungen in Lebensmittel-, Getränke- und Kosmetikindustrie[19][20][21][8] sowie Polyestergarn bei der Reifenherstellung.[22]

2022 wurde aus gemischtfarbigen Textilabfällen erfolgreich farbneutrales für Textilien geeignetes Polyestergarn und transparente PET-Flaschen hergestellt.[23]

Zukünftige Projekte

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Geplant ist, bis 2023 die erste Lizenz für enzymatisches Recycling an Kunden zu erteilen.[17]

2025 soll in Frankreich in Longlaville eine Anlage mit einer Kapazität von 50 000 Tonnen PET-Abfall in Betrieb genommen werden. Der weltgrößte PET-Verpackungsrecycler Indorama Ventures aus Thailand plant, sich an der Investition zu beteiligen und im Erfolgsfall eigene neue Anlagen mit dem Carbios-Verfahren zu betreiben.[24]

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Einzelnachweise

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  1. a b c d Carbios History. Carbios, abgerufen am 30. Januar 2021 (englisch).
  2. Pressemitteilung vom 8. November 2021
  3. Biopôle Clermont-Limagne. Abgerufen am 5. Januar 2022.
  4. Chemisch gereinigt: Recyclingkunststoffe. In: eu-recycling.com. 2018, abgerufen am 30. Januar 2021.
  5. a b Mutiertes Enzym zerlegt Plastik in Rekordzeit. In: ingenieur.de. 16. April 2020, abgerufen am 27. Januar 2021.
  6. Was bereitet Probleme beim Kunststoff-Recycling? Abgerufen am 6. Januar 2022.
  7. a b PET-Recycling: Mutiertes Enzym von Carbios verdaut Plastikflaschen auf die Schnelle. In: Cleanthinking.de. 15. April 2020, abgerufen am 25. Januar 2021.
  8. a b Nestlé setzt sich für PET-Recycling ein. In: Getränkezeitung. 5. August 2019, abgerufen am 25. Januar 2021.
  9. CARBIOS und SUEZ ENVIRONNEMENT unterzeichnen Vorvertrag über künftige Zusammenarbeit für eine verbesserte Wiederverwertung von Kunststoffabfällen. In: businesswire.com. 29. November 2013, abgerufen am 30. Januar 2021.
  10. Barbier / Carbiolice: Enzymatisch angereichertes PLA für Mulchfolien. In: kunststoffweb.de. 19. August 2020, abgerufen am 30. Januar 2021.
  11. L’ORÉAL and CARBIOS sign agreement to jointly found consortium for bio-recycling of plastic on industrial scale. Abgerufen am 5. Januar 2022.
  12. Mutiertes Enzym zerlegt Plastik in wenigen Stunden. In: t-online.de. 20. April 2020, abgerufen am 27. Januar 2021.
  13. Michel Doepke: AKTIONÄR-Hot-Stock Carbios: Großes Problem, kleine Lösung – Aktie schießt hoch. In: Der Aktionär. 19. November 2020, abgerufen am 13. März 2021.
  14. a b History. In: Carbios. Abgerufen am 6. Januar 2022 (französisch).
  15. a b Der perfekte Kreislauf: Mit dieser Methode kann aus einer PET-Flasche ein T-Shirt entstehen. In: St. Galler Tagblatt. 20. Oktober 2020, abgerufen am 27. Januar 2021.
  16. Carbios baut PET-Recycling-Anlage bei Lyon. Fachverband Kunststoffrecycling, 1. Juli 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Juni 2021; abgerufen am 27. Januar 2021.
  17. a b Martin Jendrischik: PET-Recycler Carbios zieht auf Michelin-Gelände. In: Cleanthinking.de. 30. September 2020, abgerufen am 13. März 2021.
  18. Carbios beginnt mit dem Bau einer industriellen Demonstrationsanlage als letzten Schritt zur kommerziellen Nutzung seiner PET-Recyclingtechnologie. In: eu-Business Wire. 29. Juni 2020, abgerufen am 30. Januar 2021.
  19. Französisches Cleantech-Start-up Carbios stellt Plastik-Recycling-Prozess in der angesehenen Zeitschrift Nature vor und kündigt Bau einer Demonstrationsanlage an. In: Wissenschaftsportal der Französischen Botschaft in Deutschland. 21. April 2020, abgerufen am 27. Januar 2021.
  20. Nestlé Waters unterstützt neuartige Recyclingtechnologie. In: neue-verpackung.de. 9. Mai 2019, abgerufen am 25. Januar 2021.
  21. Carbios share. In: Carbios. Abgerufen am 6. Januar 2022 (französisch).
  22. Claudia Leistritz: Michelin will komplett nachhaltige Reifen bis 2050. In: Profi Werkstatt. 24. Februar 2021, abgerufen am 13. März 2021.
  23. Carbios takes textile circularity a step further with its enzymatic recycling technology. In: Carbios. 10. März 2022, abgerufen am 23. März 2022 (französisch).
  24. Carbios to build in France its first-of-a-kind manufacturing plant for fully bio-recycled PET in partnership with Indorama Ventures. In: Carbios. 23. Februar 2022, abgerufen am 23. März 2022 (französisch).