Der Bayerische Geographlateinisch Geographus Bavarus, auch Ostfränkische Völkertafel genannt – ist eine frühmittelalterliche Handschrift in lateinischer Sprache, die nach dem Einleitungssatz Descriptio civitatum et regionum ad septentrionalem plagam Danubii die Namen von Völkerschaften nördlich der Donau auflistet. Bei den insgesamt 59 Völkerschaften handelt es sich überwiegend um slawische Völker oder Stämme. Die Aufzählung dieser Stämme ist in zwei Abschnitte unterteilt. Die im ersten Abschnitt genannten Stämme lassen sich bis auf eine Ausnahme eindeutig bestimmen, weil sie auch in anderen fränkischen Quellen erwähnt werden. Eine zufriedenstellende Identifizierung der im zweiten Abschnitt genannten Stämme ist hingegen ganz überwiegend noch nicht gelungen. Ebenfalls ungeklärt ist die Bedeutung der den meisten Stämmen zugeordneten „civitates“ und des vereinzelt verwendeten Begriffs der „regiones“.

Bei der Handschrift handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Abschrift eines oder sogar mehrerer älterer Texte. Die Verfasser des oder der Texte, der Entstehungsort der Handschrift und das Datum der Anfertigung von Texten und Handschrift sind unbekannt. Obwohl damit die entscheidenden Voraussetzungen einer historischen Interpretation des Textes im Dunkeln bleiben, gilt das Manuskript als eine der zentralen Schriftquellen zur frühmittelalterlichen Geschichte Mittel- und Osteuropas. Der Bayerische Geograph gibt Auskunft über die damalige politische Konstellation, das Siedlungswesen und er spiegelt die Vorstellung des Verfassers von ethnischen Kategorien wider.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich die moderne Geschichtsschreibung vornehmlich mit der Frage nach der Datierung des Bayerischen Geographen. Geschichtswissenschaft und Archäologie sind unabhängig voneinander seit den 1990er Jahren zu einer ganzen Reihe von neuen Erkenntnissen gelangt, die eine Entstehung des ersten Abschnittes Ende des 9. Jahrhunderts und des 2. Abschnittes Anfang des 10. Jahrhunderts wahrscheinlich machen, während die Handschrift zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt des 10. Jahrhunderts erarbeitet worden sein könnte.

Handschrift

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Die Handschrift befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München unter der Signatur Clm 560 auf folio 149v–150r. Es handelt sich um die einzige erhaltene Abschrift des Textes. Der Entstehungsort der Handschrift ist unbekannt. Da das Schriftbild paläographisch am ehesten einer südwestdeutschen Schreibschule des 10. Jahrhunderts zuzuordnen ist,[1] werden als Entstehungsort unter anderem das Kloster Reichenau[2] und die Schreibschule des Konstanzer Münsters in Betracht gezogen.[3] Über mehrere Jahrhunderte hatte sich die Handschrift dann im 997 gegründeten Kloster Prüll bei Regensburg befunden, ehe sie um 1487 in den Besitz des Büchersammlers und Nürnberger Stadtarztes Hartmann Schedel gelangte.[4] Seit 1618 war der Codex in der herzoglichen Bibliothek in München. Der Text wurde 1772 durch den französischen Gesandten am kurbayerischen Hof in München Louis-Gabriel Du Buat-Nançay auf Französisch publiziert.[5] Einer der ersten Kommentatoren, der auf Französisch schreibende polnische Wissenschaftler Jan Potocki, bezeichnete den Autor dann 1796 als „Géographe de la bibliothèque de Bavière“[6] und als „Géographe de Bavière“.[7]

Der Text ist auf zwei einspaltig beschriebenen Pergamentblättern im Format 173 mm × 145 mm nachgetragen. Diese sind am Schluss eines in Leder eingeschlagenen Sammelbandes mit den Ausmaßen von 205 mm × 147 mm eingebunden. Das kleine Buch ist aus zwei älteren Büchern zusammengesetzt, dessen erster Teil aus dem 11. Jahrhundert stammt. Der zweite Teil ist älter und enthält kurze Abhandlungen über Astrologie und Geometrie. Schließlich folgen die beiden Seiten mit dem schmucklosen Text, abgefasst in einer karolingischen Minuskel, die Initialen in schwarzer Uncialis.[8] Die Schrift erscheint hastig. Insgesamt erweckt die Handschrift den Anschein von „Gebrauchsliteratur“. Die zweite Seite ist nur zur Hälfte beschrieben und unten zur Gewinnung von Pergamentmakulatur abgeschnitten. Auf den unbeschriebenen Teil der zweiten Seite hat ein anderer Schreiber zwei Glossen gesetzt.[9]

Verfasser

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Der Verfasser des Textes ist unbekannt. Ausgehend von seinem geographischen Standpunkt südlich der Donau liegt es nahe, ihn in Baiern oder im Erzbistum Salzburg zu vermuten. Dafür streitet zudem die Heranziehung der Enns als Ausgangspunkt für eine Entfernungsangabe. Der polnische Historiker Łowmiański vermutete den Abt Rudolf von Fulda als Verfasser des ersten Teils.[10] Wolfgang H. Fritze nimmt an, Urheber sei Grimald von Weißenburg gewesen.[11] Zuletzt hat der russische Historiker Alexander Nazarenko erörtert, ob der Text auf Method von Saloniki zurückgehen könnte.[12]

Datierung

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Die Datierung des Bayerischen Geographen ist bis heute umstritten. Ohne eine nähere Eingrenzung der Entstehungszeit kann der Text geschichtswissenschaftlich nicht eingeordnet werden, kann insbesondere eine zuverlässige Interpretation der aufgelisteten Stammesnamen nicht erfolgen. Die Handschrift selbst enthält keine Datumsangabe.

Weitestgehende Einigkeit besteht insoweit, als Text und Handschrift zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sein können, es sich also bei der Handschrift um eine Abschrift oder Zusammenstellung einer oder mehrerer älterer Texte handeln kann. Nachdem die Forschung bis Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund textkritischer Untersuchungen überwiegend von einer Entstehungszeit in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts ausgegangen war, datierte Wolfgang H. Fritze den Text um das Jahr 844 und sprach sich damit zugleich gegen neuere Überlegungen aus, die den Text auf den Anfang des 9. Jahrhunderts datieren wollten.[13] Der polnische Historiker Łowmianski schloss sich aufgrund eigener Erkenntnisse dieser Datierung an,[14] die damit bis Ende der 1980er Jahre die wohl herrschende Meinung bildete.

Seit Anfang der 1990er Jahre gelangten Historiker und Archäologen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, der Text sei in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts entstanden. So konnte ein slawischer Burgenbau in dem geschilderten Umfang mittels dendrochronologischen Datierungen erst ab dem Ende des 9. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Der Historiker Christian Hanewinkel schlug 2004 vor, zumindest die Entstehung des ersten Textteiles in der Herrschaftszeit Arnolfs von Kärnten um 889–892 anzusiedeln, zumal auch die Heveller um diese Zeit erstmals in einer anderen Quelle erwähnt werden. Für den zweiten Teil wird inzwischen sogar angenommen, er stamme aus dem beginnenden 10. Jahrhundert.

Der Text listet zunächst die Gebiete von 14 slawischen Völkerschaften auf, „die unseren Grenzen benachbart sind.“ (Iste sunt regiones quae terminant in finibus nostris.) Gemeint sind damit die Stämme östlich der Grenzen des fränkischen oder ostfränkischen Reiches. Die Aufzählung beginnt im Norden an der Grenze zu Dänemark mit den Abodriten und setzt sich bis zu den Bulgaren im Süden fort. Bis auf die Marharii und Merehanos, bei denen es sich möglicherweise um eine Doppelnennung der Mährer handelt, sind alle Stämme dieses Abschnitts aufgrund von entsprechenden Erwähnungen in anderen fränkischen Quellen eindeutig bestimmbar.

Anschließend folgt eine Liste von 44 Stämmen, „die nächst deren Grenzen siedeln.“ (Isti sunt qui iuxta istorum fines resident.) Die meisten dieser Stämme haben keine Entsprechung in anderen fränkischen Quellen, sondern sind ausschließlich durch den Text des Bayerischen Geographen bekannt. Ihre Identifizierung ist nur in wenigen Ausnahmefällen zufriedenstellend gelungen. Von den insgesamt 59 im Text genannten Völkerschaften erhalten 43 eine bestimmte Anzahl von civitates zugeordnet. Die Bandbreite variiert von zwei civitates bei den Besunzanen bis zu 516 bei den Stadici. Nur zwei Völkerschaften verfügen über urbes, darunter die Thadesi gleich mit 200. Eine Untergliederung in regiones findet sich nur bei den Stammesverbänden der Abodriten, Wilzen und Sorben sowie bei den unbekannten Sittici. Geographisch bemerkenswert ist noch eine Entfernungsangabe: Das Gebiet der Bruzzi hat eine größere Ausdehnung als von der Enns bis an den Rhein.

Die nachfolgende Wiedergabe des Textes entspricht den Editionen von Erwin Herrmann aus dem Jahre 1965[15] und Sébastien Rossignol aus dem Jahre 2011[16]. Sie lehnt sich enger an die Handschrift an als etwa die Ausgabe von Henryk Łowmiański aus dem Jahre 1955,[17] dessen Darstellungsabsicht allerdings nicht in einer originalgetreuen Wiedergabe der Handschrift, sondern in einer Hervorhebung der Stämme bestand.[18] Eine Übersetzung des Textes in die deutsche Sprache, die ihrerseits bereits eine Interpretation darstellt, hat beispielsweise Christian Lübke vorgelegt.[19]

Wortlaut

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Clm. 560, Fol. 149v:
Descriptio ciuitatum et regionum ad septentrionalem plagam Da-
nubii. Isti sunt qui propinquiores resident finibus Danaorum.
Quos uocant Nortabtrezi, ubi regio in qua sunt ciuitates
LIII, per duces suos partitae. Vuilci, in qua ciuitates XCV et
regiones IIII. Linaa est populus, qui habet ciuitates VII.
Prope illis resident quos vocant Bethenici, et Smeldingon,
et Morizani, qui habent ciuitates XI.Iuxta illos sunt qui uocan-
tur Hehfeldi, qui habent ciuitates VIII. Iuxta illos est re-
gio, quae uocatur Surbi. In qua regione plures sunt, quae ha-
bent ciuitates L. Iuxta illos sunt quos uocantur Talaminzi, qui ha-
bent ciuitates XIIII. Beheimare, in qua sunt ciuitates XV. Marha-
rii habent ciuitates XI. Vulgarii regio est inmensa et populus mul-
tus habens ciuitates V, eo quod multitudo magna ex eis sit et non
sit eis opus ciuitates habere. Est populus, quem uocant Mereha-
nos; ipsi habent ciuitates XXX. Iste sunt regiones quae terminant
in finibus nostris. Isti sunt qui iuxta istorum fines resident. Osterab-
trezi, in qua ciuitates plusquam C sunt. Miloxi, in qua ciuitates
LXVII. Phesnuzi habent ciuitates LXX. Thadesi plusquam CC urbes
habent. Glopeani, in qua ciuitates CCCC aut eo amplius. Zuireani ha-
bent ciuitates CCCXXV. Busani habent ciuitates CCXXXI. Sittici, regio
inmensa populis et urbibus munitissimis. Stadici, in qua ciuitates
DXVI populusque infinitus. Sebbirozi habent ciuitates XC. Vn-
lizi, populus multus, ciuitates CCCXVIII. Neriuani habent ciuitates
LXXVIII. Attorozi habent CXLVIII, populus ferocissimus.
Eptaradici habent ciuitates CCLXIII. Vuillerozi habent ciuitates CLXXX.
Zabrozi habent ciuitates CCXII. Znetalici habent ciuitates LXXIIII.

Clm. 560, Fol. 150r:
Aturezani habent ciuitates CIIII. Chozirozi habent ciuitates CCL.
Lendizi habent ciuitates XCVIII. Thafbezi habent ciuitates CCL-
VII. Zeriuani, quod tantum est regnum, ut ex eo cunctae gentes
Sclauorum exortae sint et originem, sicut affirmant, ducant.
Prissani, ciuitates LXX. Velunzani, ciuitates LXX. Bruzi plus
est undique quam de Enisa ad Rhenum. Vuizunbeire, Caziri,
ciuitates C. Ruzzi. Forsderen. Liudi. Fresiti. Serauici. Luco-
lane. Vungare. Vuislane. Sleenzane, ciuitates XV. Lun-
sizi, ciuitates XXX. Dadosesani, ciuitates XX. Milzane, ciuitates
XXX. Besunzane, ciuitates II. Verizane, ciuitates X.
Fraganeo, ciuitates XL. Lupiglaa, ciuitates XXX. Opolini, ci-
uitates XX. Golensizi, ciuitates V.

Interpretation

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  1. Danaorum: Dänen
  2. Nortabtrezi: Der Stammesverband der Abodriten von Ostholstein bis Mecklenburg, nach der Gegenauffassung nur der abodritische Teilstamm der Wagrier, während die Abodriten als Stamm an der Wismarer Bucht unter [15.] genannt sein sollen.
  3. Uuilci: Der Stammesverband der Wilzen im östlichen Mecklenburg, Vorpommern und im Norden Brandenburgs[20]
  4. Linaa: Linonen um die Burg Lenzen im nordwestlichen Brandenburg[21]
  5. Bethenici: Bethenzer zwischen Goldberg und Plau im südlichen Mecklenburg[22]
  6. Smeldingon: Smeldinger, entweder in der Gegend um Parchim im südwestlichen Mecklenburg[23] oder in der Prignitz im nordwestlichen Brandenburg[24]
  7. Morizani: Morizani östlich von Magdeburg in Sachsen-Anhalt[25]
  8. Hehfeldi: Heveller um die Burg Brandenburg an der Havel im westlichen Brandenburg
  9. Surbi: Der Stammesverband der Sorben zwischen Saale und Oder in Sachsen und dem südlichen Brandenburg
  10. Talaminzi: Daleminzer an der mittleren Elbe um Lommatzsch in Sachsen
  11. Beheimare: Böhmer in Tschechien
  12. Marharii: Zweifelhaft. Wahrscheinlich die Mährer im Großmährischen Reich
  13. Vulgarii: Bulgaren im Donaubulgarischen Reich von der unteren Donau bis zum Dnjestr im heutigen östlichen Ungarn und Rumänien bis weit in die westliche Ukraine
  14. Merehanos: Zweifelhaft. Eventuell erneut die Mährer wie [12.], vielleicht aus dem bis 833 unabhängigen Fürstentum Nitra im Westen der Slowakei.
  15. Osterabtrezi: Zweifelhaft. Wohl die Praedenecenti nördlich von Belgrad an der Donau und in Dakien, benachbart zu den Bulgaren,[26] nach der Gegenauffassung nur der abodritische Teilstamm der Abodriten im engeren Sinn an der Wismarer Bucht im östlichen Mecklenburg (Lübke, Hanewinkel)
  16. Miloxi: Zweifelhaft. Eventuell erneut die Milzener im östlichen Sachsen wie [53.]
  17. Phesnuzi: Unbekannt
  18. Thadesi: Unbekannt
  19. Glopeani – Goplanen am Goplo-See im heutigen Zentral-Polen
  20. Zuireani: Unbekannt
  21. Busani: Buschanen am Oberlauf des Westlichen Bug überwiegend in der heutigen westlichen Ukraine
  22. Sittici: Unbekannt (möglicherweise Žitiči beim heutigen Schytomyr in der Ukraine[27] oder am Fluss Žitava in der heutigen Slowakei (Fürstentum Nitra?))
  23. Stadici: Unbekannt.
  24. Seberozzi: Unbekannt.
  25. Unlici: Zweifelhaft. Vielleicht die Ulitschen am unteren Dnjepr
  26. Neriuani: Unbekannt.
  27. Attorozi: Unbekannt.
  28. Eptaradici: Unbekannt. Beschreibt vielleicht ein Sieben-Burgen(-Land) unbekannter Lage (von griechisch hepta = sieben, radikoi = Wurzeln, Herkünfte)
  29. Uuilerozi: Unbekannt
  30. Zabrozi: Unbekannt
  31. Znetalici: Unbekannt
  32. Aturezani: Unbekannt
  33. Chozirozi: Unbekannt
  34. Lendizi: Zweifelhaft. Vielleicht die Lendizen als Vorläufer der Polanen im südöstlichen Polen
  35. Thafnezi: Unbekannt
  36. Zeriuani: Zweifelhaft. Vielleicht handelt es sich bei den Zeriuani um die Tscherwjanen um die Burg Tscherwen im östlichen Polen, das Königreich (regnum) spricht für das 981 von der Kiewer Rus eroberte, wohl vormals selbstständige Tscherwener Burgenland, wie auch die Lage bei Lendizen.(33.) und Prissanen (36.)
  37. Prissanen: Zweifelhaft. In Betracht kommen Pruzzen (wie 39.), Pyritzer zu der Burg Pyritz im polnischen Pommern östlich der Oder, oder auch ein nach dem polnischen Fluss San benannter Stamm im östlichen Polen (slawisch pri = am, bei, also am San)
  38. Uuelunzanen: Zweifelhaft. Eventuell Wolhynier in der westlichen Ukraine zu der Burg Wolyn
  39. Bruzi: Zweifelhaft. Eventuell Pruzzen, ein baltischer Stamm an der Ostseeküste im heutigen nördlichen Polen und der russischen Exklave Kaliningrad (ohne Angabe der Burgenanzahl, eventuell daher Ergänzung (37.))
  40. Uuizunbeire: Unbekannt. Möglicherweise kein Stamm, sondern das elsässische Kloster Weissenburg (Wizunburc)[28]
  41. Casiri: Chasaren in dem Khaganat vom östlichen Schwarzen Meer bis weit nach Osten in der heutigen östlichen Ukraine, Südrussland und dem westlichen Kasachstan
  42. Ruzzi: Bewohner der Nowgoroder Rus, Russen oder Ruthenen
  43. Forsderen: Unbekannt.
  44. Liudi: Unbekannt.
  45. Fresiti: Unbekannt.
  46. Serauici: Unbekannt.
  47. Lucolane: Unbekannt.
  48. Ungare: Ungarn, bis 896 nördlich des Schwarzen Meers in der heutigen Westukraine zwischen den Reichen der Donaubulgaren und der Chasaren, ab 901 westlich der Donau in Pannonien, dem heutigen westlichen Ungarn und angrenzenden Gebieten.
  49. Uuislane: Wislanen an der Weichsel/Wisła in Kleinpolen
  50. Sleenzane: Slensanen im westlichen, heute polnischen Niederschlesien, Vorläufer der Schlesier
  51. Lunsizi: Lusitzi an der mittleren Spree (Lausitz), Vorfahren der heutigen Sorben
  52. Dadosesani: Dadosanen am Bober mit der Burg Ilva im heute polnischen westlichen Niederschlesien
  53. Milzane: Milzener an der oberen Spree, Vorfahren der heutigen Sorben
  54. Besunzane: Besunzane
  55. Uerizane: Unbekannt. Evtl. muss Ucrizane gelesen werden, was auf das untere Odergebiet hindeuten könnte (Ueckermünde)[29]
  56. Fraganeo: Zweifelhaft. Eventuell zu Praga, also die Tschechen um Prag
  57. Lupiglaa: Unbekannt
  58. Opolini: Opolanen um die später oberschlesische Burg Opole im heutigen Polen
  59. Golensizi: Golensizen im östlichen Oberschlesien im heutigen nordöstlichen Tschechien

Civitates

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Worum es sich bei den Civitates der einzelnen Stämme handeln soll, ist bislang nicht zufriedenstellend geklärt.[30] Eine civitas – wörtlich „Bürgerschaft“ – ist im klassischen Latein das Wort für eine halbautonome Verwaltungseinheit der mittleren Ebene. Die römischen civitates bestanden aus einem städtischen Zentrum nebst Umland und wurden meistens nach ihrem Hauptort oder dem zugehörigen Stamm benannt. Ob das Wort mehrere Jahrhunderte später im Bayerischen Geographen ebenfalls für ein Gebiet (Burgbezirk, Verwaltungsbezirk, Siedlungsgefilde oder -kammer) oder für einen Ort (Burg, Stadt, vorstädtische Siedlung) verwendet wird, ist umstritten.[31]

Regiones

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Auch die Bedeutung des Begriffes der regio konnte bislang nicht geklärt werden. Christian Lübke hält sie für Teilstämme.[32]

Literatur

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  • Wolfgang H. Fritze: Geographus Bavarus. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1269 f.
  • Wolfgang H. Fritz: Die Datierung des Geographus Bavarus und die Stammesverfassung der Abotriten. In: Zeitschrift für slavische Philologie 21 (1952), S. 326–341.
  • Christian Hanewinkel: Die politische Bedeutung der Elbslawen im Hinblick auf die Herrschaftsveränderungen im ostfränkischen Reich und in Sachsen von 887–936. Politische Skizzen zu den östlichen Nachbarn im 9. und 10. Jahrhundert. Dissertation, Münster 2004, insbesondere S. 71–99 und 142–148 PDF (Datierung).
  • Erwin Herrmann: Zu Entstehung und Bedeutung des sog. Geographus Bavarus (Descriptio civitatum). In: Jahrbuch für altbayerische Kirchengeschichte, 23 (1963), S. 77–86.
  • Christian Lübke: Das östliche Europa. Siedler, Berlin 2004 (Die Deutschen und das europäische Mittelalter, Bd. 2), ISBN 3-88680-760-6 Auszug 1 (PDF) Auszug 2.
  • Heinrich Kunstmann: Der alte Polenname Lach, Lech und die Lendizi des Geographus Bavarus. In: Die Welt der Slaven, Ser. NS, 11 (1987), S. 145–157.
  • Heinrich Kunstmann: Nestors Dulebi und die Glopeani des Geographus Bavarus. In: Die Welt der Slaven, Ser. NS, 8 (1984), S. 44–61.
  • Sébastien Rossignol: Überlegungen zur Datierung des Traktates des sog. Bayerischen Geographen. in: Felix Biermann, Thomas Kersting und Anne Klammt (Hrsg.): Der Wandel um 1000. Beier & Beran, Langenweissbach 2011, ISBN 978-3-941171-45-9, S. 305–316. PDF, eingeschränkter Zugang (Überblick).
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Anmerkungen

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  1. Bernhard Bischoff: Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen). Teil 2. Wiesbaden 2004, S. 221–222.
  2. Erwin Herrmann: Zu Entstehung und Bedeutung des sog. Geographus Bavarus (Descriptio civitatum). In: Jahrbuch für altbayerische Kirchengeschichte, 23 (1963), S. 77–86, hier S. 78.
  3. Hartmut Hoffmann: Schreibschulen des 10. und des 11. Jahrhunderts im Südwesten des Deutschen Reichs. Hannover 2004, S. 170.
  4. Erwin Herrmann: Zu Entstehung und Bedeutung des sog. Geographus Bavarus (Descriptio civitatum). In: Jahrbuch für altbayerische Kirchengeschichte 23 (1963), S. 77–86, hier S. 78.
  5. Le comte du Buat: Histoire ancienne des peuples de l'Europe. T. 11. Paris 1772, S. 145 ff.
  6. Jan Potocki: Fragments historiques et geographiques sur la Scythie, Sarmatie, et les Slaves. Braunschweig 1796, S. 80.
  7. Jan Potocki: Fragments historiques et geographiques sur la Scythie, Sarmatie, et les Slaves. Braunschweig 1796, S. 271.
  8. Erwin Herrmann: Zu Entstehung und Bedeutung des sog. Geographus Bavarus (Descriptio civitatum). In: Jahrbuch für altbayerische Kirchengeschichte 23 (1963), S. 77–86, hier S. 77 f.
  9. „Suevi non sunt nati, sed seminati“ (Sueben sind nicht geboren, sondern gesät) und „Beire non dicuntur bauarii, sed boiarii, a boia fluvio.“
  10. Henryk Łowmiański: O pochodzeniu Geografa Bawarskiego. (Über die Ursprünge des Geographus Bavarus), Roczniki historyczne 20 (1951/1952), S. 45–47.
  11. Wolfgang H. Fritze: Geographus Bavarus. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1270.
  12. Bayerischer Geograph, In: A. V. Nazarenko: Nemeckie latinojazyčnye istočniki IX-XI vekov., Moskau 1993, S. 7–51.
  13. Wolfgang H. Fritze: Die Datierung des Geographus Bavarus und die Stammesverfassung der Abodriten. In: Zeitschrift für slavische Philologie 21, Heft 2, (1952), ISSN 0044-3492, S. 326–342 und Wolfgang H. Fritze: Geographus Bavarus. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1270.
  14. Henryk Łowmiański, O pochodzeniu Geografa bawarskiego, Roczniki Historyczne, R. 20 (1955), S. 9–58; reed: w: Studia nad dziejami Słowiańszczyzny, Polski i Rusi w wiekach średnich, Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza, Poznań 1986, S. 104–150, ISSN 0554-8217
  15. Erwin Herrmann: Slawisch-germanische Beziehungen im südostdeutschen Raum von der Spätantike bis zum Ungarnsturm. Ein Quellenbuch mit Erläuterungen. München 1965, S. 220–221.
  16. Sébastien Rossignol: Überlegungen zur Datierung des Traktates des sog. Bayerischen Geographen. In: Felix Biermann/Thomas Kersting/Anne Klammt (Hrsg.): Der Wandel um 1000. Beier & Beran, Langenweissbach 2011, ISBN 978-3-941171-45-9, S. 305–316, hier S. 313.
  17. Łowmiański Darstellung findet sich hier
  18. Henryk Łowmiański: O pochodzeniu Geografa bawarskiego, Roczniki Historyczne, R. 20 (1955), S. 9–58; In: Studia nad dziejami Słowiańszczyzny, Polski i Rusi w wiekach średnich, Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza, Poznań 1986, ISSN 0554-8217 S. 104–150, hier S. 148.
  19. Christian Lübke: Das östliche Europa. Siedler, Berlin 2004 (Die Deutschen und das europäische Mittelalter, Bd. 2), ISBN 3-88680-760-6, S. 22. PDF mit Übersetzung (PDF).
  20. Christian Hanewinkel: Die politische Bedeutung der Elbslawen im Hinblick auf die Herrschaftsveränderungen im ostfränkischen Reich und in Sachsen von 887–936. Politische Skizzen zu den östlichen Nachbarn im 9. und 10. Jahrhundert. Münster 2004, S. 87., online (PDF; 5 MB) (Memento vom 21. September 2013 im Internet Archive) (PDF)
  21. Sébastien Rossignol: Aufstieg und Fall der Linonen.Misslungene Ethnogenese an der unteren Mittelelbe. in: Karl-Heinz Willroth, Jens Schneeweiß (Hrsg.): Slawen an der Elbe. (=Göttinger Forschungen zur Ur- und Frühgeschichte., Bd. 1), Wachholtz, Göttingen 2011, S. 15–38, hier S. 32–33.
  22. Fred Ruchhöft: Vom slawischen Stammesgebiet zur deutschen Vogtei. Die Entwicklung der Territorien in Ostholstein, Lauenburg, Mecklenburg und Vorpommern im Mittelalter (= Archäologie und Geschichte im Ostseeraum. Bd. 4). Leidorf, Rahden/Westfalen 2008, ISBN 978-3-89646-464-4; Fred Ruchhöft: Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Raum Plau-Goldberg im Mittelalter (= Rostocker Studien zur Regionalgeschichte. Bd. 5). Neuer Hochschulschriftenverlag, Rostock 2001, ISBN 3-935319-17-7.
  23. Fred Ruchhöft: Vom slawischen Stammesgebiet zur deutschen Vogtei. Die Entwicklung der Territorien in Ostholstein, Lauenburg, Mecklenburg und Vorpommern im Mittelalter. (= Archäologie und Geschichte im Ostseeraum. Bd. 4). Leidorf, Rahden (Westfalen) 2008, ISBN 978-3-89646-464-4, S. 91.
  24. Christian Hanewinkel, Die politische Bedeutung der Elbslawen im Hinblick auf die Herrschaftsveränderungen im ostfränkischen Reich und in Sachsen von 887 bis 936 – Politische Skizzen zu den östlichen Nachbarn im 9. und 10. Jahrhundert, Münster 2004, S. 146.
  25. Christian Hanewinkel: Die politische Bedeutung der Elbslawen im Hinblick auf die Herrschaftsveränderungen im ostfränkischen Reich und in Sachsen von 887–936. Politische Skizzen zu den östlichen Nachbarn im 9. und 10. Jahrhundert. Münster 2004, S. 94.
  26. Heinrich Kunstmann: Die Slaven. Ihr Name, ihre Wanderung nach Europa und die Anfänge der russischen Geschichte in historisch-onomastischer Sicht. Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06816-3, S. 51.
  27. So ein Vorschlag von Paul Joseph Schafarik (Pavel Jozef Šafárik): Slawische Alterthümer, 2. Band, Leipzig 1844, S. 138.
  28. Eugenjusz Kucharski: Polska w zapisce karolińskiej, zwanej niewłasciwie „Geografem bawarskim“. In: Pamiętnik IV Powszechnego Zjazdu Historyków Polskich w Poznaniu 6–8 grudnia 1925. I. Referaty. Lwów 1925, S. 1–11, hier S. 3 (dLibra).
  29. L. v. Ledebur: Die Ucranen und nicht Veranen. In: Märkische Forschungen. Dritter Band, Berlin 1847, S. 345–353, hier: S. 352 f.
  30. Überblick bei Sébastien Rossignol: Civitas in Early Medieval Central Europe – Stronghold or District? In: The Medieval History Journal 14 (2011), S. 71–98, insbesondere S. 85–91.
  31. Für eine Interpretation als Siedlungskammer sprechen sich beispielsweise aus: Sebastian Brather: Archäologie der westlichen Slawen. Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage de Gruyter, Berlin 2008 (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 61), ISBN 978-3-11-020609-8, S. 94–95 und Fred Ruchhöft: Vom slawischen Stammesgebiet zur deutschen Vogtei. Die Entwicklung der Territorien in Ostholstein, Lauenburg, Mecklenburg und Vorpommern im Mittelalter. Leidorf, Rahden (Westfalen) 2008, (Archäologie und Geschichte im Ostseeraum, Bd. 4), ISBN 978-3-89646-464-4, S. 68–70. Gegen diese Meinung argumentiert Sébastien Rossignol: Civitas in Early Medieval Central Europe – Stronghold or District? In: The Medieval History Journal 14 (2011), S. 71–98, hier S. 74, für den es sich eindeutig um Burgen handelt. Unentschlossen bleibt hingegen Christian Lübke: Das östliche Europa. Siedler, Berlin 2004, (Die Deutschen und das europäische Mittelalter, Bd. 2), ISBN 3-88680-760-6, S. 22 übersetzt civitates einmal mit „Burg“, definiert sie aber auf S. 24 ausdrücklich als „Siedlungsgefilde“.
  32. Christian Lübke: Das östliche Europa. Siedler, München 2004, (Die Deutschen und das europäische Mittelalter Bd. 2), ISBN 3-88680-760-6, S. 22.