Aimé Césaire

afrokaribisch-französischer Schriftsteller und Politiker

Aimé Fernand David Césaire (* 26. Juni 1913 in Basse-Pointe, Martinique; † 17. April 2008 in Fort-de-France, Martinique) war ein afrokaribisch-französischer Schriftsteller und Politiker (PPM). Er begründete zusammen mit Léopold Sédar Senghor und Léon-Gontran Damas das Konzept der Négritude. Von 1983 bis 1986 war er Präsident des Regionalrats von Martinique.

Aimé Césaire 2003

Leben und Werk

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Jugend und Ausbildung

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Aimé Césaire wurde in eine kinderreiche, in einfachen Verhältnissen lebende Familie geboren.[1] Sein Vater war Steuerkontrolleur, seine Mutter Schneiderin. Er wurde 1924 im Lycée Victor Schoelcher in Fort-de-France auf Martinique eingeschult. Als 18-Jähriger wurde er für seine schulischen Leistungen mit einem Förderstipendium ausgezeichnet. So konnte er ab 1932 das Elitegymnasium Louis-le-Grand in Paris besuchen.[2][3] Dort war Léopold Sédar Senghor sein Mitschüler. Zusammen lasen sie die Schriften des deutschen Ethnologen Leo Frobenius und gründeten die Gruppe „L’Etudiant noir“ (Der schwarze Student) und 1934 die gleichnamige Zeitschrift, die den französischen Kolonialismus analysierte und kritisierte.[4] 1935 wurde Césaire in die Elitehochschule École normale supérieure aufgenommen. Nach dem Abschluss seiner Studien kehrte er 1938 nach Martinique zurück.

In Paris stellte ihm Senghor die ebenfalls aus Martinique stammende Suzanne Roussi vor. Césaire, Senghor, Damas und Suzanne Roussi arbeiteten für die Redaktion der Zeitschrift L’étudiant noir (Der schwarze Student). Am 10. Juli 1937 heirateten Suzanne Roussi und Aimé Césaire in Paris, im Jahr darauf wurde ihr erstes Kind geboren; fünf weitere gemeinsame Kinder sollten folgen.[5] Die Ehe mit Suzanne Césaire wurde 1963 nach 25 Jahren geschieden.

Lehrer und Herausgeber

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1938 kehrten die Eheleute nach Martinique zurück, zogen nach Fort-de-France und arbeiteten als Lehrer am Lycée Schoelcher. 1941 gründeten Suzanne und Aimé Césaire gemeinsam mit Aristide Maugée und René Ménil die Kulturzeitschrift Tropiques, die das wichtigste Literaturmagazin der Antillen werden sollte und auch wirtschaftliche wie politische Probleme ansprach.[6]

Schriftsteller

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In Paris hatte sich Césaire mit dem Konzept der pré-négritude und dem Surrealismus auseinandergesetzt. Bei der pré-négritude handelt es sich um eine Bewegung afrikanischer Schriftsteller, die im Paris der 20er Jahre antikoloniale Ideen entwickelten.[7] Anfang der 40er Jahre gab er die Kulturzeitschrift Tropiques mit seiner Frau und weiteren Gleichgesinnten heraus.[3] Er war Autor zahlreicher Gedichtbände und Essays – darunter die nie gehaltene, aber als Text folgenreiche Rede Über den Kolonialismus – sowie einiger Theaterstücke.[2]

Politiker

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Zugleich war Aimé Césaire der wichtigste Politiker von Martinique im 20. Jahrhundert. 1945 wurde er zum Bürgermeister von Fort-de-France gewählt.[2] Er hatte dieses Amt 56 Jahre lang inne, bis 2001. Im selben Jahr 1945 wurde er zudem in die französische Assemblée constituante (verfassunggebende Versammlung) und ab 1946 als Abgeordneter der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) in die Französische Nationalversammlung gewählt (ununterbrochen wiedergewählt bis 1993).[8] Er bewog seine Partei dazu, bei der Abstimmung über den künftigen Status von Martinique und Guadeloupe am 19. März 1946 dafür zu votieren, dass die bisherigen karibischen Kolonien als Übersee-Départements (Département d’Outre Mer/DOM) eingestuft werden sollten. Denn er glaubte das Schicksal seiner Heimat bei einer linken französischen Regierung am besten aufgehoben.[9] 1956 trat er aus der KPF aus.[10] Er gründete die Parti Progressiste Martiniquais (PPM), eine linke Partei, die ein autonomes Martinique im französischen Staat anstrebte.[11] 1978 schloss er sich den Sozialisten an. Von 1983 bis 1986 war er Präsident des Regionalrats von Martinique.

Sein persönliches Urteil über den Kolonialismus und den Imperialismus:

„Der Kolonisator, der im anderen Menschen ein Tier sieht, nur um sich selber ein ruhiges Gewissen zu verschaffen, dieser Kolonisator wird objektiv dahingebracht, sich selbst in ein Tier zu verwandeln. … Man erzählt mir von Fortschritt und geheilten Krankheiten. Ich aber spreche von zertretenen Kulturen, […] von Tausenden hingeopferten Menschen. … Ich spreche von Millionen Menschen, denen man geschickt das Zittern, den Kniefall, die Verzweiflung […] eingeprägt hat.“[12]

Seine Vision von der Integration aller Völker und Kulturen:

„Keine Rasse besitzt das Monopol der Schönheit, der Intelligenz, der Kraft // für alle ist Platz beim Stelldichein des Sieges.“[13]

Über Adolf Hitler und den Zweiten Weltkrieg:

„Ja, es wäre der Mühe wert, das Verhalten Hitlers und des Hitlerismus einer detaillierten klinischen Studie zu unterziehen und dem ach so distinguierten, ach so humanen, ach so christlichen Bürger des zwanzigsten Jahrhunderts mitzuteilen, dass Hitler in ihm ‚haust‘, dass Hitler sein ‚Dämon‘ ist, dass er, wenn er ihn rügt, einen Mangel an Logik verrät, und dass im Grunde das, was er Hitler nicht verzeiht, nicht das ‚Verbrechen‘ an sich, das ‚Verbrechen am Menschen‘, dass es nicht ‚die Erniedrigung des Menschen an sich‘, sondern dass es das Verbrechen gegen den weißen Menschen ist, dass es die Demütigung des Weißen ist und die Anwendung kolonialistischer Praktiken auf Europa, denen bisher nur die Araber Algeriens, die Kulis in Indien und die Neger Afrikas ausgesetzt waren.“[14]

Schriften

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Dichtung

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  • La Tragédie du roi Christophe. 1963
  • Une saison au Congo. 1966
    • Im Kongo. Ein Stück über Patrice Lumumba. Mit einem Essay von Jean-Paul Sartre: Das politische Denken Lumumbas. Aus dem Französischen übertragen von Monika Kind. Wagenbach, Berlin 1966
  • Une tempête. (nach William Shakespeare) 1969
    • Übers. Monika Kind: Ein Sturm, Stück für ein schwarzes Theater. Wagenbach, Berlin 1970
  • Et les chiens se taisaient

Literatur

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  • Thomas A. Hale: Les écrits d’Aimé Césaire. Bibliographie commentée. Études françaises 14/3-4, octobre 1978. Les Presses de l’Université de Montréal ISBN 0-8405-0419-5, ISSN 0014-2085
  • Lilyan Kesteloot: Comprendre le «Cahier d’un retour au pays natal» d’Aimé Césaire. Saint-Paul 1982, ISBN 2-85049-243-4
  • John Gaffar LaGuerre: Enemies of Empire. University of the West Indies, St. Augustine, Trinidad and Tobago, um 1982, ohne ISBN, vorhanden im Iberoamerikanischen Institut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin
  • Jean-Claude Bajeux: Antilia retrouvée. Claude McKay, Luis Palès Matos, Aimé Césaire, poètes noirs antillais. Éd. Caribéennes, Paris 1983, ISBN 2-903033-45-5
  • Soleil Eclaté. Mélanges offerts à Aime Césaire à l’occasion de son soixante-dixième anniversaire par une équipe internationale d’artistes et de chercheurs. Gunter Narr, Tübingen 1984
  • Aimé Césaire ou l’athanor d’un alchimiste. Actes du premier colloque international sur l’oeuvre littéraire d’Aimé Césaire. Éd. Caribéennes Paris 1987, ISBN 2-903033-94-3
  • Ernstpeter Ruhe: Aimé Césaire et Janheinz Jahn. Les débuts du théâtre césairien. La nouvelle version de «Et le chiens se taisaient», Königshausen & Neumann, Würzburg 1990, ISBN 3-88479-515-5
  • Josaphat B. Kubayand: The Poet’s Africa. Africanness in the Poetry of Nicolás Guillén and Aimé Césaire. Greenwood Press, New York 1990, ISBN 0-313-26298-5 ISSN 0069-9624
  • Victor M. Hountondji: Le Cahier d’Aimé Césaire. Evénement littéraire et facteur de révolution. L’Harmattan Paris 1993, ISBN 2-7384-1965-8 ISSN 1242-5974
  • Buata B. Malela: Les écrivains afro-antillais à Paris (1920–1960). Stratégies et postures identitaires. coll. Lettres du Sud, Karthala, Paris 2008, ISBN 978-2-84586-979-0
  • Buata B. Malela: Aimé Césaire. Le fil et la trame: critique et figuration de la colonialité du pouvoir. Anibwe, Paris 2009, ISBN 978-2-916121-19-2
  • Gregson Davis: Aimé Césaire. Cambridge University Press 1997 ISBN 0-521-39072-9
  • Luciano C. Picanço: Vers un concept de littérature nationale martiniquaise. Évolution de la littérature martiniquaise au XXème siècle. Une étude sur l’œuvre d’Aimé Césaire, Édouard Glissant, Patrick Chamoiseau et Raphaël Confiant. Peter Lang Publishing New York 2000, ISBN 0-8204-5030-8
  • Karin Sekora: Der Weg nach Kem’t. Intertextualität und diskursives Feld in Aimé Césaires «Cahier d’un retour au pays natal». Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 3-8260-1673-4
  • Patrice Louis: A, B, C …ésaire. Aimé Césaire de A à Z. Ibis Rouge Éditions, Martinique 2003, ISBN 2-84450-200-8
  • Kora Véron, Thomas A. Hale: Les écrits d’Aimé Césaire. Bibliographie commentée (1913–2008), 2 Vol., Honoré Chamipn éditeur, Paris 2013, ISBN 978-2-7453-2520-4
  • Ernstpeter Ruhe: Une oeuvre mobile. Aimé Césaire dans les pays germanophones 1950–2015. Königshausen & Neumann, Würzburg 2015, ISBN 978-3-8260-5787-8
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Commons: Aime Cesaire – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Walter Schomers: Vorstoss in eine neue Wirklichkeit des Sehens. Neue Zürcher Zeitung, 18. April 2008, abgerufen am 19. Mai 2021.
  2. a b c Joseph Hanimann: J’accepte. Zum Tod des martinikanischen Autors Aimé Césaire. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. April 2008, S. 36.
  3. a b Aimé Césaire – Munzinger Biographie. Abgerufen am 25. Januar 2021.
  4. Gert Eisenbürger: Poet, Kämpfer, Politiker. Abschied von Aimé Césaire. In: ila. Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika, ISSN 0946-5057, Heft 315 (Mai 2008), S. 50–53, hier S. 50.
  5. Suzanne Césaire: The Unknown Mother of Antillanité. In: terremoto.mx. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (englisch).
  6. Robin D.G. Kelley: Monthly Review – A Poetics of Anticolonialism. In: monthlyreview.org. 1. November 1999, abgerufen am 15. Dezember 2023 (englisch).
  7. Sam Haigh: Mapping a Tradition: Francophone Women’s Writing from Guadeloupe. MHRA, 2000, ISBN 978-1-902653-20-4, S. 86 (google.de [abgerufen am 25. Januar 2021]).
  8. Ernest Moutoussamy: Aimé Césaire, député à l’Assemblée nationale, 1945–1993. L’Harmattan, Paris 1993, ISBN 2-7384-2255-1.
  9. Ulrich Fleischmann: Am Ende des französischen Traums. Der karibische Dichter und Politiker Áimé Cesáire hat in seinem langen Leben viele Rollen gespielt. Ein Nachruf. In: Lateinamerika Nachrichten, ISSN 0174-6324, Jg. 35 (2008), Heft 408, S. 57–58, hier S. 58.
  10. Gert Eisenbürger: Poet, Kämpfer, Politiker. Abschied von Aimé Césaire. In: ila, Heft 315 (Mai 2008), S. 50–53, hier S. 51.
  11. Gert Eisenbürger: Poet, Kämpfer, Politiker. Abschied von Aimé Césaire. In: ila, Heft 315 (Mai 2008), S. 50–53, hier S. 52.
  12. Amin Césaire: Über den Kolonialismus. Wagenbach, Berlin 1968, S. 21–23.
  13. Amin Césaire: Zurück ins Land der Geburt. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1967, S. 91.
  14. Aimé Césaire: Über den Kolonialismus, Wagenbach, Berlin 1968, S. 12. Quelle: Discours sur le Colonialisme, 1950, éd. Présence africaine, 1989, ISBN 2708705318, S. 13f
  15. das hier enthaltene, gleichnamige Gedicht auch als Notizen von einer Heimkehr, zus. mit anderen Texten in einer Anthologie von Jahn: Schwarzer Orpheus. Carl Hanser, München 1954; ferner Aufzeichnungen von einer Rückkehr ins Land der Geburt in Jede Insel ist Witwe im Verlag Volk und Welt, siehe unten
  16. a b c d Deutsch in Auswahl in An Afrika. Gedichte. Zweisprachig. Hanser, München 1968
  17. Übers. mangelhaft