Afrikanische Kirchen

Von Afrikanern im Zuge des Antikolonialismus gegründete christliche Kirchen

Afrikanische Kirchen, oder auch Afrikanisch-Unabhängige Kirchen, sind jene Gemeinden und Sonderformen des Christentums in Afrika, die nicht von europäischen oder amerikanischen Missionaren oder Kolonialisten der Neuzeit, sondern stattdessen von Afrikanern vornehmlich für Afrikaner in Afrika als antikoloniale Bewegung gegründet wurden.[1] Hierbei kann man nicht von einer homogenen religiösen Gemeinschaft reden, sondern es handelt sich um eine uneinheitliche Bewegung von zehntausenden Kirchen.[2] Neben den altorientalischen Kirchen in Nordost- und Ostafrika sind damit vor allem neuzeitliche unabhängige Kirchen südlich der Sahara gemeint. Die Rastafari-Bewegung wird dagegen nicht dazu gezählt, da ihre Ursprünge in der Karibik liegen, auch wenn sie einige Ähnlichkeiten zu den Afrikanischen Kirchen aufweist.

Überblick

Bearbeiten

Afrikanische Kirchen werden unter der Abkürzung AIC zusammengefasst, wobei AIC, je nachdem welcher Aspekt der Kirchengründungen oder der Kirchengemeinden betont werden soll, verschieden aufgeschlüsselt wird und mit African Independent Church, African Initiated Church, African Initiatives in Christianity, African Indigenous Churches oder African Instituted Churches wiedergegeben werden kann.[3]

Verwandtschaft

Bearbeiten

Viele Afrikanische Kirchen sind mit der Pfingstbewegung verwandt. Häufig werden auch die afrikanischen charismatischen Pfingstkirchen zu den AICs gezählt.[5][6]

Entstehungsgeschichte

Bearbeiten

Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu den heutigen Afrikanischen Kirchen war der Äthiopismus, der im 19. Jahrhundert zunächst in West- und dann in Südafrika als Gegenbewegung zur europäischen Vereinnahmung der Ausdeutung des Evangeliums entstand. Das Einbetten der traditionellen afrikanischen Kulturen in das Christentum ist identitätsstiftend für AICs. Im Gegensatz zu Missionskirchen zeichnen sich Afrikanische Kirchen durch institutionelle und finanzielle Unabhängigkeit aus.[7]

Die Entstehung der AICs lässt sich in drei Phasen einteilen: Die klassischen AICs, klassische Pfingstkirchen und Neo-Pfingstkirchen[8]. Seit ca. 1880 sind die klassischen AICs durch die Abgrenzung zu den europäischen und amerikanischen Missionskirchen (auch traditionelle Kirchen) und den Protest gegen deren Auslegung der Bibel geprägt. Ab ca. 1910 sind klassische afrikanischen Pfingstkirchen durch eine ausgeprägte Parusienaherwartung (Erwartung der baldigen Rückkehr Christi auf die Erde zum Jüngsten Gericht) von weltlichen und politischen Belangen eher zurückgezogen und konzentrieren sich stärker auf charismatische Elemente innerhalb ihrer Gemeinde. Zudem kam eine Indigenisierung, die Integration traditionell afrikanischer Elemente, der Glaubensformen und -inhalte hinzu. Die jüngste dieser Bewegungen sind ab ca. 1970 die Neo-Pfingstkirchen. Sie verstehen Wohlstand und politischen Einfluss als positive Auszeichnung durch Gott. AICs der dritten Generation verstehen sich als Teil der globalen Pfingstbewegung und betonen die Wirkung des Heiligen Geistes im persönlichen Leben.[9]

Sozioökonomischer Aspekt

Bearbeiten

Forschungen heben hervor, dass AICs in vielen Ländern des subsaharischen Afrikas wichtige Akteure sozioökonomischer Entwicklung sind.[10][11]

Schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts gibt es die Ansicht, dass sich religiöses und wirtschaftliches Wachstum positiv bedingen.

Daran anknüpfend gibt es gegenwärtig immer mehr Wissenschaftler und Forschungsgruppen[12] die die global stark anwachsenden Glaubensgemeinschaften der AICs auf deren Aktivitäten zur Förderung eines Wirtschaftswachstums hin untersuchen. Es stellt sich die Frage, inwiefern AICs als Partner für die internationale Entwicklungszusammenarbeit fungieren können und einen Nährboden für wirtschaftlichen Aufschwung darstellen. Denn im Zeitalter des 21. Jahrhunderts bedeutet Entwicklung vor allem ökonomische Entwicklung.[13]

AICs sind als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor in der Lage ein positives Sozialkapital zu fördern. Dies soll in diesem Sinne bedeuten: „a Network that enable individuals to act collectively“[14]. Der Förderung eines positiven Sozialkapitals folgt ein erhöhtes gegenseitiges Vertrauen. Friedliches Gemeinschaftsleben wirkt sich möglicherweise i. V. m. den spezifischen Wertevermittlungen und Praktiken der AICs positiv auf die Ökonomie aus.

Die christliche Datenbank Adherents.com gibt an, dass die afrikanischen Kirchen mit 110 Millionen Anhängern weltweit die drittgrößte christliche Konfessionsgruppe seien (nach der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen und vor der Pfingstbewegung).[15] Laut Mindermeinung sollen mehr als ein Drittel aller afrikanischen Christen diesen unabhängigen Kirchen folgen; dies ist allerdings umstritten.[16] Andere Schätzungen gehen von mindestens einem Fünftel aus.[17]

Literatur

Bearbeiten
  • Francis Kimani Githieya: The freedom of the Spirit: African indigenous churches in Kenya. Scholars Press, Atlanta 1997, ISBN 0-7885-0169-0.

Siehe auch

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. H.W. Turner: A Typology of African Religious Movements. In: Journal of Religion in Africa. Band 1, Nr. 1, 1967, S. 17.
  2. Öhlmann, Philipp; Frost, Marie-Luise; Gräb, Wilhelm: Was sind African Initiated Churches? In: Kurzstellungnahme 02/2018. Forschungsbereich Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2020; abgerufen am 28. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rcsd.hu-berlin.de
  3. John S. Pobee, Gabriel Ositelu: African Initiatives in Christianity. The Growth, Gifts and Diversitiesof Indigenous African Churches – A Challenge to the Ecumenical Movement. Hrsg.: WCC Publications. Genf 1998.
  4. African Church of the Holy Spirit African Church of the Holy Spirit
  5. Philipp Öhlmann, Marie-Luise Frost, Wilhelm Gräb: African Initiated Churches’ potential as development actors. In: HTS Teologiese Studies / Theological Studies. Band 72, Nr. 4, 22. November 2016, ISSN 2072-8050, S. 12 pages, doi:10.4102/hts.v72i4.3825 (org.za [abgerufen am 11. Januar 2018]).
  6. Anderson, Allan.: Zion and pentecost : the spirituality and experience of Pentecostal and Zionist/Apostolic churches in South Africa. University of South Africa, Pretoria 2000, ISBN 978-1-86888-143-7.
  7. Öhlmann, Philipp; Frost, Marie-Luise; Gräb, Wilhelm;: Was sind African Initiated Churches. In: Kurzstellungnahme 02/2018. Forschungsberreich Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2020; abgerufen am 28. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rcsd.hu-berlin.de
  8. J. Kwabena Asamoah-Gyadu: Pentecostalism and the Transformation of the African Christian Landscape. In: Martin Lindhardt (Hrsg.): Pentecostalism in Africa. Presence and Impact of Pneumatic Christianity in Postcolonial Societies. Leiden: Brill, S. 100–114.
  9. Öhlmann, Philipp; Frost, Marie-Luise; Gräb Wilhelm;: Was sind African Initiated Churches. In: Kurzstellungnahme 02/2018. Forschungsbereich Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2020; abgerufen am 28. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rcsd.hu-berlin.de
  10. Philipp Öhlmann, Marie-Luise Frost, Wilhelm Gräb: African Initiated Churches’ potential as development actors. In: HTS Teologiese Studies / Theological Studies. Band 72, Nr. 4, 22. November 2016, ISSN 2072-8050, S. 12 pages, doi:10.4102/hts.v72i4.3825 (org.za [abgerufen am 11. Januar 2018]).
  11. Barbara Bompani: Religion and Development from Below: Independent Christianity in South Africa. In: Journal of Religion in Africa. Band 40, Nr. 3, 1. Januar 2010, ISSN 1570-0666, S. 307–330, doi:10.1163/157006610x525435 (brillonline.com [abgerufen am 11. Januar 2018]).
  12. Forschungsberreich Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung: Forschungsberreich Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung. Abgerufen am 28. November 2018.
  13. Peter L. Berger: MAX WEBER IS ALIVE AND WELL, AND LIVING IN GUATEMALA: THE PROTESTANT ETHIC TODAY. In: The Review of Faith & International Affairs. 2010.
  14. Michael Woolcock und Deepa Narayan: Social Capital: Implications for Development Theory, Research,and Policy, The World Bank Research Observer. Hrsg.: The International Bank for Reconstruction and Development / THE WORLD Bank. vol. 15, no. 2, August 2000, S. 225-49.
  15. adherents.com: Major Branches of Christianity (Memento vom 15. März 2015 im Internet Archive). Abgerufen am 7. April 2024.
  16. Christoff M. Pauw: African Independent Churches as a ‚People’s Response‘ to the Christian Message. In: Journal for the Study of Religion. Bd. 8, Nr. 1, 1995, ISSN 1011-7601, S. 3–25.
  17. 37 bis 46 Millionen Anhänger altorientalischer Kirchen (Summe der Einzelangaben zu den betreffenden Staaten Afrikas nach Auswärtigem Amt, Brockhaus, CIA World Fact Book, Fischer Weltalmanach, Harenberg aktuell, Spiegel Jahrbuch, US Department of State, Religious Freedom Report und MSN Encarta) zuzüglich 5 bis 10 Millionen Kimbanguisten, 4 Millionen Zion-Christen, 3 Millionen Legio-Maria-Katholiken und 15–20 Millionen Anhänger westafrikanischer Mischreligionen, ergeben über 80 Millionen unabhängige Gläubige bei einer Gesamtzahl von bis zu 400 Mio. afrikanischen Christen.