Aus dem Kurs: Emotionale Intelligenz entwickeln

Die eigene Gefühlswelt erkennen

Aus dem Kurs: Emotionale Intelligenz entwickeln

Die eigene Gefühlswelt erkennen

Wie fühlen Sie sich heute? Wer sich in einem normalen, gesunden Zustand befindet, der kann diese Frage spontan meist recht gut beantworten. Er oder sie ist müde oder wach, froh oder traurig, steht unter Stress oder ist entspannt. Das ist einfach. Spiegelt aber nur einen kleinen, isolierten Teil der menschlichen Gefühlswelt wider. Die Frage, wie man sich fühlt, sollte nämlich in einem Kontext stehen. Wenn Sie Ihre Gefühlswelt erkennen und ergründen wollen, dann sollten Sie sich konkrete Situationen anschauen. Nehmen Sie das folgende Beispiel. Kürzlich war ich mit dem Auto auf Geschäftsreise. Die Fahrt war anstrengend, denn die Strecke war lang und voller Baustellen. Ich hatte bereits den einen oder anderen Stau hinter mir und wollte nur noch schnell nach Hause, also Wechsel auf die linke Spur und los. Unmittelbar danach scherte kurz vor mir rechts ein Fahrzeug aus, um einen Lastwagen zu überholen. Dieses Manöver verursachte zwar keine ernsthafte Gefahr, aber dennoch regte ich mich fürchterlich auf. Auf der sachlichen Ebene ließe sich jetzt prima darüber diskutieren, welchen Abstand ein Autofahrer zu dem Fahrzeug halten sollte, das hinter ihm fährt, wenn er zum Überholen ausscheren will. Doch diese Frage interessierte mich nicht. Ich fühlte mich gestört, gestört in meinem Drang, schnell nach Hause zu kommen. Ich fühlte mich ungerecht behandelt, weil mein Auto größer war. Wie kann der es wagen, mir einfach den Weg abzuschneiden? Um meinem Ärger Luft zu machen, hupte ich kräftig. Ich fand, dass der andere meinen Ärger spüren sollte. Und dann? Dann scherte er wieder ein, fuhr auf die rechte Spur zurück und lächelte mich im Vorbeifahren so nett und entschuldigend an, dass ich schließlich nur noch wütend auf mich selbst war. Im Nachhinein fand ich meine Reaktion albern, mit Blick auf dieses Video-Training Emotionale Intelligenz völlig unterentwickelt. Abgesehen davon, dass Sie jetzt wissen, dass auch Trainer nicht frei von Fehlern sind, was können Sie für sich aus diesem Beispiel ableiten? Wenn man die eigene Gefühlswelt erkennen möchte, dann hilft es, darüber anhand von konkreten Situationen nachzudenken. Es gibt einen Dreiklang aus einem bestimmten Erlebnis, den Gefühlen, die dieses Erlebnis hervorruft, und dem Verhalten als Antwort darauf. Im Alltag reagieren Menschen auf Situationen, ohne über das Wie und Warum nachzudenken. Wenn es sich um unkritische Situationen handelt, ist es oft auch nicht nötig. Wenn es demgegenüber um Situationen geht, die Unzufriedenheit erzeugt haben, dann sollte man über diesen Dreiklang nachdenken. Das öffnet die Tür zu Einsichten in die eigene Gefühlswelt und es eröffnet die Möglichkeit, das eigene Verhalten in zukünftigen, ähnlichen Situationen anzupassen und zwar so, dass man selbst es als angemessen empfindet. Wie kann das funktionieren? Stellen Sie sich eine konkrete Situation vor, die Sie unzufrieden gemacht hat, weil Sie Ihre Gefühle nicht mehr hinreichend unter Kontrolle hatten. Ich habe dazu für Sie ein zweites Arbeitsblatt zusammengestellt, möchte aber dennoch die einzelnen Schritte kurz mit Ihnen durchgehen. Als Erstes beschreiben Sie die Situation, so dass sie für Sie selbst noch einmal deutlich wird. Zweitens: Beschreiben Sie Ihre Gefühle und notieren Sie auch, was diese Gefühle ausgelöst hat. Versuchen Sie, beides möglichst konkret zu machen. Drittens: Rufen Sie sich in Erinnerung, wie Sie reagiert haben. Versuchen Sie anschließend zu ergründen, warum Sie genau so reagiert haben. Viertens: Was war die Folge Ihrer Reaktion? Fünftens: Kennen Sie vergleichbare Situationen bzw. Reaktionen? Sechstens und letztens schließlich: Inwiefern hätten Sie in der betrachteten Situation besser reagieren können, indem Sie Ihre Gefühle kontrolliert hätten. Abschließend noch zwei Bemerkungen: Nehmen Sie erstens das Arbeitsblatt mehrfach zur Hand. Am besten, Sie wählen mehrere verschiedene Situationen aus. Dann wird Ihr Bild von Ihrer Gefühlswelt deutlicher. Manchmal kann es in die Irre führen, wenn man nur eine einzige Situation heranzieht. Zweitens: Ausgehend von meinem Beispiel fragen Sie sich jetzt vielleicht, ob die Reaktion auf eine bestimmte Situation nicht stark von der Tagesform abhängt. Wäre ich auf dem Weg in den Urlaub gewesen, so hätte ich sicherlich entspannter reagiert. Das stimmt, aber nur zum Teil. Ohne Zweifel spielt die Tagesform eine Rolle. Wer stark angespannt ist, der verliert schneller die Kontrolle über seine Gefühle, als ihm lieb ist. Das Ziel aber sollte sein, emotionale Intelligenz so zu entwickeln, dass sie ihre Wirkung auch in schwierigen Situationen tut. Dass es trotzdem das eine oder andere Mal zu Ausrutschern kommen kann, haben Sie an meinem eigenen Beispiel gesehen. Nobody is perfect.

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