Chapter Text
Eis. Wenn Theresia an ihre früheste Kindheit zurück dachte, war das einzige was ihr einfiel Eis. Es zog sich durch ihre Erinnerungen hindurch wie ein Gletscher und oft genug schien es, als ob sie sich selbst durch ein Fenster aus reinstem, gefrorenem Wasser beobachtete. Sie wusste, dass sie nicht auf Fenris geboren war, aber wirklich zuhause fühlte sie sich nur im Reißzahn. Die Festung der Space Wolves stellte einen angenehmen Gegensatz zu ihren Erinnerungen dar, warm und immer mit den verschiedensten Gerüchen und Geräuschen gefüllt. Sie dachte oft daran zurück, wie sie das erste Mal vor den großen Toren gestanden hatte und sich ihr eine neue Welt auftat. Eigentlich hatte sich diese Welt ihr schon lange vorher geöffnet. Am Tag, an dem ihre Eltern starben. Einzig und allein sie war übrig geblieben und wäre Lokan nicht gewesen, so wäre auch sie inzwischen ein Teil des Eises.
Seufzend stand Theresia von dem schlichten Tisch auf und legte das Datapad hin. Hinter ihr, hinter dem Bullauge, hinter der Versiegelung, war schwärzeste Nacht und gerade noch konnte man das Schimmern des Gellarfeldes sehen, das jetzt, wo sie wieder im Realraum waren, abgeschaltet wurde.
Die Anweisungen waren unmissverständlich, aber noch immer stieg Zorn in ihr auf, wenn sie daran dachte. Evanna verlangte viel von ihr, und obwohl Theresia ihrer Inquisitorin treu ergeben war, so folgte sie ihr doch nicht blind. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, um die Rückversetzung zu bitten. Aber inzwischen fragte sich Theresia auch, ob dieser Kampf es noch wert war, geführt zu werden, oder ob es nur noch allein um den Kampf und des Kampfes willen ging. Zweifel waren ihr nicht fremd, aber diese gingen tiefer und mehr als ein mal in den letzten Monaten fragte sie sich, ob sie noch diejenige war, die Lokan vor so vielen Jahren in ihr gesehen hatte. "Malý vlký" hatte er sie genannt, kleine Wölfin. Und wie ein Wolf hatte sie Jagd auf all diejenigen gemacht, die ihr Rudel, ihre Familie, ihre Menschheit bedrohten. Und sie zweifelte nicht daran, dass es das alles wert gewesen war. Aber manchmal musste man einen Teil eines Körpers herausbrennen, damit die Krankheit sich nicht weiter verbreitete und sie fragte sich ernsthaft, ob das nicht der Fall war. Konnte sie ihnen überhaupt noch zeigen, dass ihr einziger Daseinszweck der Schutz der Menschheit war? Oder kämpften auch sie nur noch um des Kampfes willen?
Sie blieb vor der Tür ihrer Kajüte stehen. Die Uhr neben der Tür verriet ihr, dass es Zeit für ihr Abendgebet war. Auf einen sanften Händedruck öffnete sich die Tür und entließ Theresia in die übervölkerten Gänge des Schiffes. Menschen, die hin und her hasteten, kamen ihr entgegen, doch sie blieb ruhig auf ihrem Weg. Manch einer blieb stehen und bestaunte die einfach gekleidete, weißhaarige Frau mit dem Rosenkranz um die Taille. Für sie war Theresia so etwas wie eine Heilige, obwohl sie selbst dies anders sah und solche Aussagen stets bestritt. Für andere war sie schon fast eine Ketzerin aufgrund ihrer Ansichten.
Die Kathedrale des Schiffs, einst die Kapelle einer kleinen, entlegenen Siedlung, begrüßte die junge Frau mit friedvollem Schweigen. Kein Laut drang durch die dicken Metallwände, nur das leise Klackern der Perlen an Theresias Hüfte schallte durch das Mittelschiff. Am Kopf der Kathedrale stand übergroß eine Statue, prunkvoll vergoldet und sorgsam von Scheinwerfern angestrahlt. Ein Lächeln huschte über Theresias Gesicht. Der Imperator wachte auch hier in dieser entrückten, verglorifizierten Gestalt über seine Menschheit. Gott-Imperator nannten sie ihn, richteten ihre flehenden, freudigen, bangen, verzweifelten Gebete an ihn. Theresias Ansinnen war davon so fern wie nur irgendwas sonst, und dennoch war es näher an den Geboten der Ekklesiarchie als diese es wahr haben wollte.
Sie entfernte sich vom Mittelschiff, ging aus der direkten Sichtlinie des Priesters, der unweigerlich irgendwann hier auftauchen würde, und ließ sich schließlich auf einer niedrigen Bank in einem der Seitenschiffe nieder. Hier standen ebenfalls Statuen, aber kleiner und weniger prunkvoll, aber dennoch Ehrfurcht gebietend.