Chapter Text
Ezio blinzelte in den Raum. Jemand hatte den Fensterladen zum Lüften geöffnet – jedoch nicht so weit, dass Licht auf das Bett fallen konnte. Aus dem Hof drangen Hühnergackern und das Schnauben der Pferde. Ein Besen wurde über Steinplatten gezogen, in kurzen, regelmäßigen Strichen. Ezio lauschte darauf, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. Er war allein. Leonardo und Claudia mussten schon vor einer Weile aufgestanden sein.
Entschlossen schälte sich Ezio aus dem Bett. Er fühlte sich ausgeruht, wenngleich die Finger seiner rechten Hand noch immer schmerzten. Er trat zum Fenster und öffnete den Laden zur Gänze. Die Sonne schien, und die wenigen Wolken, die am Himmel auszumachen waren, erinnerten kaum an das Unwetter, das in der Nacht über Florenz niedergegangen war. Ezio roch es noch, als feuchten, mineralischen Duft, der in den Hauswänden steckte. Er griff nach seiner Kleidung, wusch sich und polterte die Treppe hinunter in die Werkstatt. Leonardo war gerade damit beschäftigt, Farbpigmente zu sortieren und in einen Weidenkorb zu packen.
„Ich dachte schon, du willst gar nicht mehr aufstehen“, scherzte er. „Auf dem Tisch neben der Tür liegen Obst und Brot.“
Ezio bediente sich, biss in einen Apfel und setzte sich neben Leonardo.
„Fegt Claudia den Hof?“, fragte er.
„Nein, das ist Tommaso. Claudia ist bei Paola.“
„Sie ist mutig.“
„Hm?“
„Sie hat nicht einmal gezögert, die Erkundung der Katakomben zu übernehmen.“
„Sie ist deine Schwester, natürlich ist sie mutig.“ Grinsend stellte Leonardo zwei Gläser mit Malachit und Umbra in den Korb und nahm ein drittes zur Hand.
„Verdeterra“, sagte Ezio. „Du willst beim Ausmalen mit den Bäumen anfangen?“
„Warum nicht? Welche Pigmente fehlen mir noch dafür?“
„Elfenbeinschwarz, Terra di Siena und Orpiment.“
„Sehr gut. Hol sie mir.“
Ezio legte den abgenagten Apfelgriebs beiseite und ging zum Wandregal, auf dem Leonardo seine Farben aufbewahrte. Die meisten waren nicht beschriftet. Dieser Umstand überforderte Ezio längst nicht mehr, auch wenn sich manche Pigmente nur in feinen Nuancen voneinander unterschieden. Eins nach dem anderen nahm Ezio die gewünschten Gläser vom Brett. Dabei lauschte er dem Herold, der draußen auf der Piazza die Stimme erhob.
„Bürger der erlauchtesten Republik, hört her! Am Morgen erreichte die Signoria eine Beschwerde aus Rom über das unangemessene Verhalten der florentinischen Stadtgarde gegenüber eines Inquisitors aus dem Elsass, der seit einigen Monaten als Gast bei uns weilt. Man erwarte Respekt gegenüber allen Vertretern der Heiligen Römischen Kirche und würde einen erneuten Affront mit entsprechenden Maßnahmen ahnden, so heißt es in einem Brief, der vom Capitano der päpstlichen Garde unterzeichnet überbracht wurde. Um die gerade erst wieder verbesserten Beziehungen mit Rom nicht aufs Spiel zu setzen, hat die Signoria ein Disziplinarverfahren gegen Agostino Popoleschi eingeleitet und ihn mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben. Bis die Angelegenheit geklärt ist, werden die Bürger gebeten, sich mit ihren Anliegen an die Commissari ihrer Stadtviertel zu wenden.“
Beinahe wäre Ezio das Glas mit Elfenbeinschwarz aus der Hand gefallen. Fassungslos starrte er zur Hoftür. Auch Leonardo wirkte betroffen. Sie warteten auf weitere Informationen, doch der Herold wechselte das Thema und pries nun die ausgezeichneten Stiefel eines Schusters in Nicchio.
„Ago hat gewusst, dass sein Handeln Konsequenzen haben würde“, sagte Ezio bitter. „Er wusste es schon, als er Institoris verhaften ließ. Ohne sein Eingreifen hätten wir über Ostern nicht nach Monteriggioni reiten können.“
Leonardo nickte. „Ago hat uns den Weg geebnet, und das mehr als einmal.“
„Und was machen wir jetzt?“
„Dafür sorgen, dass sein Opfer nicht umsonst war.“ Leonardo schob den Korb mit den Farbpigmenten beiseite und stand auf. „Wir bereiten die Mission so vor, wie wir es besprochen haben, belauschen das Templertreffen und sichern die Karte. Aber zuerst gehen wir zu Rosanna. Ich möchte mich davon überzeugen, dass es ihr gut geht.“
In diesem Moment wurde die Tür zur Straße aufgerissen. Claudia kam herein, außer Atem und mit zornrotem Gesicht.
„Diese Schweine!“, schimpfte sie. „Habt ihr gehört, was –“
„Haben wir“, sagte Leonardo. „Kommst du mit zu Rosanna?“
„Natürlich!“
Sie gaben Tommaso Bescheid und verließen die Bottega. Ezio war flau im Magen. Das, was gerade geschah, erinnerte ihn an seine eigene Familie, und er wünschte sich von Herzen, dass Popoleschi ein ähnliches Schicksal erspart blieb.
„Wer ist dieser Capitano der päpstlichen Garde überhaupt, von dem der Herold gesprochen hat?“, fragte Claudia, während sie die Straße hinuntereilten.
„Girolamo Riario“, sagte Leonardo.
„Hatte der nicht bei der Pazzi-Verschwörung seine Finger mit im Spiel?“
„Ja. Er hat meinem Vater damals auch die Kodexseiten für Institoris gegeben und stand in engem Kontakt mit Colonnesi.“
„Na großartig.“ Claudia warf die Arme in die Luft. „Dann ist das hier ja fast ein Streit zwischen Freunden!“
Sie erreichten die Altstadt mit ihren engen, verwinkelten Gassen. Zu ihrer Erleichterung waren keine Gardisten vor Popoleschis Haus abgestellt worden, zumindest waren keine zu sehen. Ezio klopfte an die Tür. Es dauerte, bis Rosanna öffnete. Sie wirkte müde. Ihre Augen waren gerötet.
„Hat man dich bedroht?“, fragte Ezio sofort, wobei er beschloss, dass auch ihr gegenüber keine förmliche Anrede mehr angebracht war.
Rosanna schüttelte den Kopf.
„Und eure Kinder?“, fragte er weiter.
„Die wohnen nicht mehr hier. Über Luca wisst ihr ja Bescheid. Unsere Tochter ist seit zwei Jahren verheiratet und unser Jüngster in Ausbildung bei einem Hufschmied.“ Rosanna seufzte. „Ich war vorhin im Regierungspalast und habe darum gebeten, mit Ago sprechen zu dürfen, aber man hat mich abgewiesen. Wann die erste Anhörung stattfinden soll, konnte mir niemand sagen.“
„Wir sollten mit Lorenzo reden“, sagte Ezio. „Er kann das doch nicht gutheißen!“
Mit einem Mal wirkte Rosanna noch müder. „Er wird nichts tun, ragazzo. Sich gegen Rom aufzulehnen, würde bedeuten, den gerade erst geschlossenen Frieden wieder zu gefährden. Das kann sich Florenz nicht leisten.“
„Aber Ago hat Lorenzo treu gedient!“, rief Ezio. Er war erschüttert, wie vertraut diese Worte klangen. Wie leicht er Popoleschis Namen mit dem seines Vaters hätte ersetzen können.
„Vor dem Wohl einer Republik zählt das eines Einzelnen nur wenig“, sagte Rosanna. „Auf Lorenzos Hilfe können wir nicht hoffen.“
„Dann befreien wir Ago, und ihr flieht.“
„Nein, Ezio. Damit würde er jede Hoffnung verlieren, zur Garde zurückkehren zu können. Bitte macht uns nicht zu Vogelfreien, und euch auch nicht. Warten wir lieber die Anhörung ab. Wenn ich etwas Neues erfahre, lasse ich es euch wissen.“
Ezio ließ die Schultern hängen. „Solltest du Hilfe brauchen, Rosanna –“
„Ihr seid da, ich weiß. Und ich danke euch dafür. Doch jetzt geht. Es ist besser für uns alle.“
Ernüchtert traten sie den Rückweg an. Ezios Gedanken kreisten um Popoleschi, doch ihm fiel nichts ein, was sie tun konnten.
„Wir müssen uns auf unsere Mission konzentrieren“, sagte Leonardo. „Wann kannst du die Katakomben auskundschaften, Claudia?“
„Spätestens Dienstag. Paola wird alles besorgen, was ich brauche. Sie glaubt, dass es am besten ist, wenn ich zur Abendmesse gehe. Ich nehme mir auf dem Weg zur Kapelle eins von den Opferlichtern mit. Dann kann ich in Ruhe nach dem Zugang suchen.“
„Ich warte vor der Kirche auf dich“, sagte Ezio. „Wenn du nach einer Stunde nicht zurück bist, komme ich nach.“
„In Ordnung. Dann treffen wir uns an der Mauer neben dem Friedhof. Was macht ihr jetzt eigentlich mit San Donato?“
„Wir spielen die Unwissenden“, sagte Leonardo. „Ezio bleibt die nächsten Tage bei mir in der Sakristei. Mal sehen, ob man überhaupt über Bonifatius’ Verschwinden sprechen wird.“
Ezio machte ein sauertöpfisches Gesicht. „Und was soll ich tun, außer Farben anrühren?“
„Dich an das Malen mit Öl gewöhnen“, sagte Leonardo. „Ich finde schon Bildelemente, die ich dir überlassen kann, damit du dich ausprobieren kannst.“
„Und wenn ich Fehler mache?“
„Ich habe genug Balsamöl, um sie wegzuwischen und es dich noch einmal versuchen zu lassen – so lange, bis du es gut machst.“
„Dio mio!“ Ezio stöhnte. „Dann wird das Gemälde ja nie fertig!“
Leonardo lachte. „Du darfst gleich nächste Woche anfangen. Dann werden wir ja sehen.“
***
Leonardo und Ezio waren noch nicht lange bei der Arbeit, als di Magonza die Sakristei betrat. Der Abt wirkte verstimmt, und als er zu sprechen begann, wurde der Grund für seine Laune schnell deutlich.
„Ihr e-erinnert Euch an die Familie, die a-auf dem Landstück wohnt, d-das wir Euch zugesprochen haben, Maestro?“
„Die Familie von Salvestro di Giovanni, ja.“
„Er war g-gerade bei mir“, sagte di Magonza. „Seine T-Tochter soll nächsten Monat h-heiraten, weshalb er die Auszahlung der versprochenen Mitgift e-einfordert.“
Leonardo ließ seinen Pinsel sinken. „Sofort?“
Di Magonza nickte. „Sofort.“
„Aber ich kann ihm das Geld nicht auszahlen“, sagte Leonardo. „Ich habe keine Einkünfte, bis ich das Land an San Donato zurückverkaufen kann – übernächstes Jahr.“
„Das habe ich ihm a-auch erklärt.“ Di Magonza verflocht die Finger vor seinem Bauch und reckte das Kinn. „Leider ist e-ein Aufschub seiner Forderung nicht m-möglich. Die Familie des B-Bräutigams besteht auf eine b-baldige Eheschließung.“
Leonardo raufte sich das Haar. Offiziell verfügte er nicht über den Betrag der geforderten Mitgift. Wenn er di Magonza zusicherte, ihn dennoch zahlen zu können, würde dieser eine Erklärung verlangen, woher Leonardo das Geld hatte.
„Es ist e-eine unangenehme Situation für uns a-alle“, sagte di Magonza. „Schließlich hat die A-Angelegenheit auch A-Auswirkungen auf den Ruf dieses Klosters. Aus diesem Grund m-möchte ich Euch ein A-Angebot unterbreiten.“
„Das wäre?“, fragte Leonardo.
„Ich g-gebe Euch einen Kredit u-und zahle die Mitgift. E-einen Teil des Betrages erstattet Ihr dem K-Kloster in Quartalsbeträgen zurück. Den Rest k-könnt Ihr abarbeiten. Das U-Unwetter am Samstag hat das Dach des D-Dormitoriums beschädigt. Es muss neu g-gedeckt werden. So schnell wie m-möglich.“
Leonardo seufzte. Der Vorschlag des Abtes bedeutete weitere unwillkommene Aufgaben, die ihn und Ezio von der Arbeit am Gemälde abhielten. In Anbetracht ihrer Lage war es jedoch die einzige Option, die ihnen blieb.
„Va bene“, sagte er. „Ich bin einverstanden.“
„Das ist e-erfreulich.“ Nun verschränkte di Magonza die Hände im Rücken und wippte auf seinen Fußspitzen auf und ab. „I-ich werde Euer K-Konto über vier Quartale mit 28 Fiorini belasten. Diese Summe d-dürftet Ihr aufbringen können. Den übrigen B-Betrag verrechne ich mit der Reparatur a-am Dach. Wenn Ihr d-damit fertig seid, könnt Ihr Euch um die V-Verzierung unserer Kirchenglocke kümmern. D-das sollte die Differenz ausgleichen.“
„Klingt machbar“, sagte Leonardo.
„G-großartig. Dann werde ich a-alles in die Wege leiten. I-ich rechne damit, dass man uns die n-neuen Dachziegel bis zum Ende d-der Woche liefert. Sobald sie e-eintreffen, möchte ich, dass Ihr u-unverzüglich mit der Reparatur b-beginnt.“
Di Magonza drehte sich um und verließ die Sakristei. Leonardo schloss die Augen. Nach Ezios Verletzung und der Verhaftung von Popoleschi schien ihre Pechsträhne nicht mehr abreißen zu wollen.
„Bis die Ziegel da sind, müsste ich wieder klettern können“, sagte Ezio und betrachtete den Olivenbaum, an dessen Krone sie zur Stunde arbeiteten. „Ich lasse dich nicht alleine schwitzen.“
„Das ist es nicht, was mich bedrückt. Man behandelt uns wie Leibeigene, und ich habe es satt.“
„Zwei Wochen, amore. Dann wissen wir, wer Bonifatius’ Verbündeter ist, und können die Sache beenden.“
„Hoffentlich.“
Leonardo beobachtete, wie Ezio weitere Blätter an die Zweige malte. Ihm fiel auf, dass Ezio seinen Pinsel mit ruhiger Hand führte, wenngleich er zügig und sauber arbeitete. Leonardo lächelte.
„Unser Auftrag hat zumindest etwas Gutes“, sagte er. „Du profitierst davon.“
Ezio drehte den Kopf. „Ich? Wieso?“
„Du entwickelst Routine“, sagte Leonardo. „Dein Gefühl für Form und Perspektive ist bereits recht fortgeschritten. Mir gefällt, was ich sehe.“
Ezio errötete, und seine Miene erheiterte Leonardo.
Sie malten gemeinsam weiter an den Baumkronen, ohne ein weiteres Wort miteinander zu wechseln. Die Tür, die aus der Sakristei in den Chorraum führte, stand sperrangelweit offen. Sie hörten die Glocke, die zur Andacht rief, bald gefolgt vom Gesang der Mönche. Fremde Geistliche gingen dieser Tage nicht mehr im Kloster ein und aus. Alles war friedlich. Niemand sprach über Bonifatius.
Und vielleicht war es genau dieser Umstand, der den Schein der Idylle störte.
***
„Ihr seid dem Verführer anheimgefallen wie einfältige Rindviecher, die man zur Schlachtbank führt, ohne dass sie es bemerken! Noch im Angesicht des Fleischerbeils kauen sie tröge wieder, was man ihnen gütigst zu Fressen gegeben hat! Und im Falle der Verführten ist es falsche Kunde, die sie fressen und wiederkäuen, ohne ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen!“
Institoris’ Stimme schallte über die Piazza. Heute hatte er sich das Ospedale ausgesucht, um seine Predigt zu halten, und diesmal würde kein Agostino Popoleschi erscheinen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Claudia seufzte und drückte den Leinenbeutel, den sie bei sich trug, enger an sich. In ihm befand sich Trauerkleidung, die Paola für sie besorgt hatte. Eigentlich hatte Claudia geplant, nach Hause zu eilen und alles anzuprobieren, doch nun stand sie im Schatten der Häuser an der Straßenecke und beobachtete, wie Institoris sein Gift in die Menge spie.
„Mörder und Verräter am einzig wahren Glauben sind es, die Florenz beschützt wie einen Säugling an der Mutterbrust!“, schrie er. „Geht in euch, wenn Euer Herz dem Herrn gehört und nicht dem Satan! Besinnt euch! Verstoßt den Wechselbalg und beschützt euer Heim! Jagt die Assassinen zum Teufel, der ihnen befiehlt und sie lenkt, der durch sie wirkt und die Seelen der Schwachen vergiftet, auf dass sie sich der Schlange hingeben, die sie aus dem Paradies führt! Wie viele Frauen drehen sich auf der Straße nach ihnen um, um ihr animalisches Imponiergehabe zu bewundern? Wie viele Männer wurden im Geiste ihrem Ehegelübde untreu, da sie des unschicklichen Weibes gewahrten, das durch die Stadt streicht, in Hosen und mit Waffen angetan wie ein Mann? Fleischgewordene Dämonen sind diese Assassinen! Öffnet eure Augen und lasst euch nicht blenden von jenen, die meucheln und morden und behaupten, es zu euer aller Wohl zu tun!“
„Es fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, dass die Männer mit den schlechtesten Absichten die größten rhetorischen Talente besitzen.“
Claudia zuckte zusammen. Volpe stand so dicht neben ihr, dass sie beinahe gegen ihn stieß. Es war ihr ein Rätsel, wie er sich unbemerkt an sie hatte heranschleichen können.
„Er nennt uns Dämonen“, sagte sie. „Dabei benimmt er sich selbst wie einer.“
„Wir sind den Templern im Weg, also bedient sich Institoris eines Mittels, das diese Ratten mehr als jedes andere zu nutzen verstehen.“
„Der Hetze?“
„Der Manipulation, Claudia.“
Nachdenklich sah sie ihn an. Dann glitt ihr Blick zurück auf die Piazza.
„Sogar die Medici unterstützen die Assassinen!“, schimpfte Institoris. „Aber wen mag es verwundern, wenn man bedenkt, dass diese Familie dem Mammon dient! Statt Bescheidenheit zu leben, errichtet sie sich Palazzi und Sommerresidenzen! Mit wessen Geld, so frage ich euch? Wen schröpft sie wohl für ihren Gewinn? Wen, wenn nicht euch, das Volk?“
„Jetzt wagt er sich aber auf dünnes Eis“, murmelte Claudia.
„Er soll ruhig damit weitermachen“, sagte Volpe. „Dann haben die Commissari einen Grund, ihn von der Kanzel zu jagen.“
„Hast du gehört, wie es mit Popoleschi weitergehen soll? Drohen ihm Strafen?“
Volpe verzog das Gesicht. „Was ihm droht, ist bereits passiert: Er ist seines Amtes enthoben und weggesperrt. Seine Anhörung steht noch aus. Der zuständige Richter behauptet, dass er sich momentan nicht mit Popoleschi befassen kann. Er müsse warten.“
„Sie schinden Zeit! Bestimmt gehört dieser Richter auch zu den Templern.“
„Oder er wird von ihnen bestochen. Auf jeden Fall wird man Popoleschi schmoren lassen.“
„Wie lange?“
„Keine Ahnung“, sagte Volpe. „Zwei Tage? Zwei Wochen? Zwei Monate? Denk an den alten Vespucci und wie lange er im Kerker ausgeharrt hat.“
Claudia keuchte. „Das können sie doch nicht machen!“
„Du weißt, dass Lorenzo sich nicht einmischen wird. Und wer außer ihm hätte einen Grund, es zu tun?“
Volpe tippte sich an die Kapuze und machte einen Schritt nach vorn, hinein in eine Gruppe aus vorbeiziehenden Burschen, die Kisten in Richtung Piazza del Duomo schleppten. Claudia sah ihm nach und seufzte. Dabei erinnerte sie sich daran, dass man im Rahmen des Stadtfestes all jene Gefangenen entließ, denen man weder Mord noch Landesverrat vorwerfen konnte; schließlich kosteten sie Florenz Geld, das man gerne einsparte. Popoleschi durfte also darauf hoffen, nach Beginn der Feierlichkeiten wieder auf freien Fuß gesetzt zu werden.
Es war ein kleiner Trost, der einen bitteren Beigeschmack besaß, denn das Templertreffen würde längst vorbei sein, wenn Popoleschi seine Haftzelle verließ.
Von dieser Tatsache entmutigt, machte sich Claudia auf den Heimweg.