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Kai konnte es nicht ahnen. Doch seine Worte, gesprochen mit leichtem Widerwillen angesichts einer emotionalen Übermacht, sollten nicht ohne Folgen bleiben. Ein alter, mächtiger Zauber vergangener Tage wurde erweckt und legte sich sanft über den schlafenden jungen Mann namens Peter Shaw.
Ahnungslos erwachte der zweite Detektiv wie jeden Morgen recht früh. Routiniert machte er sich auf den Weg zu seiner morgendlichen Joggingrunde. Und obwohl alles so war wie immer, fühlte er sich doch anders.
Bisher hatte es ihm wenig ausgemacht, dass er trotz des bevorstehenden Wechsels auf die Uni Ruxton den finalen Schritt der Intimität noch nicht gegangen war. Seit er sich vor einem Jahr von Kelly getrennt hatte, lag sein ganzer Fokus auf seinem Sport und natürlich seiner Arbeit als zweitem Detektiv.
Aber heute fühlte er sich anders. Er wusste nicht genau, was passiert war, aber während er an diesem Morgen schnellen Schrittes durch Rocky Beach joggte, wusste er, dass er diesen Schritt endlich gehen wollte. Und zwar bevor er in wenigen Wochen mit seinen beiden besten Freunden in eine WG auf dem Campus ziehen würde.
Denn die Vorstellung, so etwas zu tun, während Justus Jonas im Nebenzimmer hauste und wahrscheinlich anhand seiner Socken am Folgetag deduzieren konnte, was er in der Nacht zuvor getan hatte, war keine besonders erstrebenswerte Aussicht.
Und auch wenn er sonst die meisten Erfahrungen seines Lebens mit seinen beiden besten Freunden geteilt hatte, musste er diesen Schritt doch alleine gehen. Denn während Bob bereits mit gefühlt halb Rocky Beach verkehrt hatte, hatte Justus mehr als einmal deutlich gemacht, dass er kein Interesse an derartigen Aktivitäten hatte, da sie ihn nur von dem ablenkten, was für ihn wirklich zählte: Denkarbeit.
Also musste sich Peter selbst darum kümmern. Er fühlte sich so selbstbewusst wie noch nie. Als hätte er über Nacht plötzlich an Selbstsicherheit gewonnen, wusste er einfach, dass er mit seinem Aussehen und seinem Charme jedes willige Herz würde erobern können.
So suchte Peter am nächsten Freitagabend zuversichtlich und entschlossen die in Rocky Beach und über die Stadtgrenzen hinaus beliebte Szene-Bar Tipsy Cow auf.
Der Laden war so voll, wie er es erwartet hatte. Peter hatte kaum eine Limo bestellt, als sich eine junge Frau neben ihn schob und sich als Jenny vorstellte. Die Art, wie sie ihn anlächelte, ihren Kopf beim Sprechen schief legte und mit ihren Haaren spielte, machten Peter deutlich, dass er gewollt wurde. Und er wollte sie auch.
Jenny war hübsch, sportlich und mit ihren langen blonden Haaren, die leicht gelockt auf ihre Schultern fielen, genau sein Typ. Ihre angeborene Fröhlichkeit war ansteckend und etwas, das Peter sofort attraktiv fand. Und offenbar beruhte das auf Gegenseitigkeit.
„Lass uns hier verschwinden“, flüsterte sie ihm etwas später ins Ohr und Peter raunte als Antwort: „Jetzt kannst du sogar Gedanken lesen.“ Sie lächelte ihn zwinkernd an und zog ihn hinter sich her aus der Bar. Peter spürte sein Herz laut klopfen in einer Mischung aus Adrenalin und Vorfreude. Jenny war der Typ Frau, mit der er sehr gerne die Nacht verbringen würden.
Gut gelaunt liefen sie durchs nächtliche Rocky Beach. Aus den umliegenden Kneipen hörte man munteres Stimmengewirr und Musik dringen. Sie waren gerade einige Meter gegangen, als Jenny plötzlich inne hielt. „O nein!“, stöhnte sie.
„Was ist los?“, erkundigte sich Peter fragend und wandte sich ihr zu. Verkniffen verzog sie den Mund. Eine Hand legte sich auf ihren Unterleib. „Ich hab meine Tage bekommen.“ Sie klang gequält.
„Jetzt gerade?“, quietschte Peter fast. „Ja.“ Sie seufzte lautstark. Sie blickte auf und sah ihn entschuldigend mit ihren braunen Augen an. „Tut mir leid, Peter. Ich bin jetzt echt nicht mehr in Stimmung.“
Peter bot sofort hilfsbereit an: „Soll ich dich nach Hause fahren?“ Jenny sah ihn überrascht an. „Das würdest du machen?“ „Na klar“, meinte er nur. „Mein MG steht um die Ecke.“ Sie lächelte ihm dankbar zu und zügig gingen sie zu seinem Wagen.
Wenige Minuten später standen sie vor ihrem Haus. Während der Motor noch lief, wandte sie sich ihm zu. „Danke dir und noch mal Sorry.“ „Kannst ja nichts dafür“, gab Peter zurück, dem es zwar leid tat, der es aber auch verstehen konnte. Sie lächelte ihn an. Dann beugte sie sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Sie stieg aus und Peter blickte ihr hinterher. Das Gefühl der Enttäuschung war unleugbar da, denn sein erster Versuch war gescheitert. Aber Peter war kein Typ, der schnell aufgab. Er wusste schließlich aus jedem seiner Basketballspiele, dass es Auf und Abs gab. Gewinnen tat am Ende, wer auch die Durststrecken gut meisterte.
Entsprechend hatte Peter diesen Zwischenfall am nächsten Abend weggesteckt und sich gut gelaunt auf den Weg ins Rocky Beachs Nachtclub Planet Evil gemacht. Hier war die Stimmung immer super, zumal hier auch gerne mal seine Lieblingsband The Red Devils spielten.
Peter betrat den Club und ging sofort auf die Tanzfläche. Abgesehen von seinem Wunsch jemanden für eine Nacht zu finden, tanzte er auch einfach gerne. Und so gab er sich etliche Minuten der Musik hin, bewegte seinen Körper zu den wummernden Bässen.
Dann begann er sich umzusehen und die Kundschaft ein wenig genauer zu betrachten. Die attraktive dunkelhaarige Frau, die unweit von ihm über die Tanzfläche tanzte, hatte schon bald seine Aufmerksamkeit gefangen genommen. Sie war ein ganz anderer Typ als Jenny, die wie das typische kalifornische Mädchen gewirkt hatte.
Sie hingegen wirkte dunkler, aufregender, sie roch nach Abenteuer, etwas, das Peter irgendwie ansprach. Zumal bewegte sie sich beim Tanzen so frei, wie Peter es nur von Bob kannte. Es war ein einmaliger Tanzstil, der ansteckend war, da er Lebensfreude und Selbstbewusstsein ausstrahlte.
So war es kein Wunder, dass Peter sich ihr näherte und auch ihre Blicke deutlich machten, dass sie Interesse an ihm hatte. „Hey Schöner“, sprach sie ihn an. Peter lächelte zurück. „Das kann ich nur zurückgeben, Schöne.“
Sie grinste breiter und schob sich näher an ihn. „Du tanzt ziemlich gut“, meinte er, während sein Blick an ihr auf und ab glitt. „Du auch“, raunte sie ihm zu.
„Ich bin übriges Samy und du?“ „Peter.“ „Sehr erfreut“, stellte sie fest und Peter wusste, dass sie ihn verführen wollte. Und wer war er, dass er ein solches Angebot nicht gerne annehmen würde?
Sie tanzten immer wieder zusammen, es wurde enger, Hände berührten Körper und die Stimmung wurde immer ausgeladener. Sie beugte sich zu ihm. „Meine Freundin Lizzy findet dich übrigens ziemlich heiß.“ Sie winkte jemandem an der Bar zu.
Peter bekam große Augen. Auch die Freundin sah wirklich gut aus und näherte sich ihnen mit zielstrebigen Schritten. Kaum, dass sie bei ihnen war, bewegte auch sie sich um ihn herum. Die beiden jungen Frauen tanzen ihn an, ihre Absichten sehr eindeutig.
Sie drängten sich um ihn, immer näher; die eine vor, die andere hinter ihm und rieben sich an seinem Körper. Es war erregend, keine Frage. Noch etliche Minuten vergingen in denen sie sich heiß umtanzten. Peter spürte das vertraute Gefühl der Erregung.
„Wir würden das gerne woanders fortsetzen“, raunte da Samy ihm über das Wummern des Beats zu. „Zu dritt“, ergänzte Lizzy.
Peter spürte Panik in sich aufsteigen. Sex wäre ja gut gewesen, aber direkt mit zwei Ladies? Dem fühlte er sich schlichtundergreifend nicht gewachsen. Die immer größer werdende Anspannung verdrängte jegliches lustvolle Ziehen mit großem Erfolg. Er wollte nicht mit zwei Frauen auf einmal schlafen!
Entschlossen trat er einen Schritt zur Seite. „Es tut mir leid“, meinte er. „Aber ich muss jetzt gehen.“ Samy und Lizzy blickten ihn für einige Momente vollkommen baff an. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Aber anders wusste er sich nicht zu helfen.
Auch wenn er sich reichlich komisch dabei vorkam, zwei Frauen, die ihn wollte, einfach stehen zu lassen, verließ Peter zielstrebig die Bar. Er wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. So ging Peter auch an diesem Abend mit seiner intakten Jungfräulichkeit nach Hause.
Welch ein Glück, dass er Ferien hatte und das Semester erst in ein paar Wochen anfing. Und sie zur Zeit keinen Fall hatten. So hartnäckig wie Justus beim Lösen ihrer Fälle war, hätte er keine Chance gehabt, sich mal für ein paar Stunden abzusetzen.
So war Peter froh, den nächsten Tag entspannt am Strand verbringen zu können. Und auch hier blieben sein Aussehen und sein Können auf dem Surfboard nicht unbemerkt. Er zog die Blicke einer jungen Frau auf sich, die mit einigen Freundinnen Beachvolleyball spielte. Bald schloss er sich ihnen an.
Der Tag hätte nicht schöner sein können: Nach einigen intensiven Spielen, setzten er und Vivian sich in ein kleines Café, unterhielten sich über ihre anstehenden Studiengänge und Sport. Es war ein angenehmer Zeitvertreib.
Danach liefen sie am Strand entlang und Peter genoss den herrlichen Tag und die stetig steigenden Spannung, die in der Luft lag. Immer weiter entfernten sie sich von jenen Orten, an denen Touristen zu finden waren. Als sie in einer kleinen, einsamen Bucht ankamen, wandten sie sich einander zu.
Vivian lächelte ihn sanft an und er erwiderte es. Der nächste Schritt war nur zu klar: Sie umarmten und küssten sich, sanken schließlich nieder in den warmen Sand. Es war traumhaft. Vivian war zärtlich und Peter spürte, wie er sich immer weiter auf das einlassen konnte, was er vorhatte.
Und die Umgebung tat ihr Übriges. Ein erstes Mal am Strand im Licht der untergehenden Sonne. Es war unfassbar romantisch und Peter spürte, wie glücklich ihn diese Aussicht machte. Ja, er war ein Romantiker.
Wasser umspülte ihre Füße und Vivian löste sich ein Stück von ihm, ihr Lächeln war noch immer von einer Sanftheit, die Peter in ihren Bann zog. Ein wildes Rauschen vom Meer her, lenkte ihrer beider Aufmerksamkeit kurz ab.
Peter riss die Augen auf, als er unweit des Ufers eine Rückenfloss sah, die nur einem Tier gehören konnte. In diesem Momente schrie Vivian auch schon auf: „Ein Hai!“
Entsetzt sprang sie auf, rannte etliche Meter vom Meer weg, eindeutig panisch. Peter erhob sich. „Aber der ist doch im Wasser“, meinte er, doch Vivian war vollkommen außer sich. „Ein Hai!“ Sie wirkte als sei der leibhafte Teufel hinter ihr her. „Ich will nur noch hier weg“, kreischte sie und lief bereits zurück Richtung Rocky Beach.
Peters Lust schwand, wurde geringer und ebbte schließlich ab wie eine Welle am Strand. Er lief mit Vivian zurück, die von nichts anderem mehr sprach als ihrer Abscheu gegenüber Haien und wie sie beinahe von ihm zerfleischt worden wäre. Peter atmete tief durch. War er sonst nicht der Panische, der gerne mal theatralisch wurde? Im Vergleich zu ihr wirkte er wie ein tiefenentspannter, tibetanischer Mönch.
Und damit war auch dieser Versuch, seine Jungfräulichkeit zu verlieren, gescheitert. Und das wegen eines Hais.
Ein verdammter Hai hatte ihm sein erstes Mal versiebt. Wie viel Pech konnte man haben? Und wer würde ihm das glauben?
Am nächsten Tag besuchte Peter den Campus, wo das Wohnheim stand in dem er in wenigen Wochen mit Justus und Bob einziehen wollten. Peter wollte sich bereits vorher ein Bild ihrer neue WG machen, um einschätzen zu können, was sie alles mitnehmen konnten. Schließlich würden sie ihre Zentrale hier in irgendeiner Form wieder aufbauen.
Karen, die jetzige Bewohnerin eines der Zimmer war als einzige da. Sie war eine sympathische junge Frau; ihr Zimmer machte deutlich, was für ein Bücherwurm sie war und die Poster an den Wänden ließen sie eindeutig als Nerd dastehen. Doch Peter war dies sehr sympathisch.
Er hatte nicht damit gerechnet, heute bereits eine weitere Chance zu haben. Aber so wie Karen ihn ansah, war es eindeutig, was sie wollte. Und Peter wollte es auch.
Nach einigen freundlichen Worten, bei denen Peter auch all seine Fragen losgeworden waren, lag unleugbar eine gewisse Spannung in der Luft. Diese löste sich erst, als sie ihn zu sich zog und ihn in einen intensiven Kuss verwickelte.
Peter hatte keinerlei Beschwerden einzuwenden, ließ sich auf die unerwartete Gelegenheit ein. Rückwarts stolperten sie zum Bett, ließen sich darauf fallen, während Peter spürte, wie sehr ihn diese Küsse erregten.
Es krachte fürchterlich und mit einem Schrei löste sich Karen von ihm. Peter sprang auf und betrachtete den Schlamassel: Das Bett war eingekracht, mitten durch, sodass Karen nun auf der geknickten Matratze lag und versuchte, wieder hochzukommen. Peter reichte ihr die Hand.
„Oh Gott!“, stöhnte sie und besah sich das Bettgestell-Massaker. „Wie soll ich das nur bezahlen?“ Sie war vollkommen fassungslos.
„Es ist doch nur ein Bett“, wollte Peter sie beschwichtigen, doch war es das Falsche gewesen. Ärgerlich sah sie ihn an. „Nur ein Bett? Ich muss einen ganzen Umzug bezahlen und habe kein Geld mehr. Das ist nicht einfach nur ein kaputtes Bett, das ist eine Vollkatastrophe.“
Ihr Ärger verrauchte schlagartig, sie sah verzweifelt aus. „Ich kann nicht noch mehr Schichten im Diner machen“, murmelte sie, schien ganz vergessen zu haben, dass Peter da war. Dieser schob sich einige durchwühlte Haarsträhnen aus der Stirn. Das hier war gelaufen. Zumindest, was seinen Versuch Sex zu haben, anging.
So bot er an: „Justus wollte eh sein eigenes Bett mitbringen. Wenn er dieses Zimmer nimmt, sollte es kein Problem sein.“
„Meinst du?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Ich kläre das“, versicherte ihr Peter.
„Danke dir, Peter“, rief sie erleichtert. „Sei mir nicht böse, ich kann jetzt erst mal nicht mehr nach dem Schreck.“
„Kein Problem“, log Peter. „Dann alles Gute für die neue Wohnung.“ Und damit verabschiedete er sich und Peter fragte sich zum ersten Mal, ob er verflucht worden war.
Offenbar hatte er im Moment kein Glück mit Frauen. Vielleicht war es an der Zeit sich einen Mann für sein erstes Mal zu suchen. Bisexualität hatte dahingehend seine Vorteile, dachte Peter mit einem leichten Lächeln. Aber erst einmal würde er Joggen gehen. Dabei bekam er immer den Kopf frei.
Er war auf seiner üblichen Runde durch den Stadtpark. Er mochte es hier, denn obwohl es in der Stadt war, waren hier viele Baumgruppen, Büsche, herrlich romantische Schlupfwinkel und kleine Seen angelegt worden. So konnte man hinter jeder Ecke etwas Neues entdecken.
Das tat Peter auch ganz unerwartet, als ihm am nächsten See neben einer herrlichen Hibiskushecke ein junger Mann entgegen kam. Sie lächelten sich an, das Lächeln wurde breiter und sie joggten aneinander vorbei.
Peter wandte sich um und auch der andere drehte den Kopf. Ihre Blicke begegneten sich, was Peter dazu brachte kurz entschlossen zu handeln: Er machte kehrt und joggte hinter ihm her.
Offenbar war seine Tat willkommen, denn kaum, dass er aufgeschlossen hatte, erkundigte sich der Mann mit deutlichem Interesse: „Bist du öfter hier?“ „Täglich“, konnte Peter ohne Scheu zugeben.
„Cool. Ich bin erst gestern hergezogen.“ Und nach einem weiteren Atemzug, stellte sich der Fremde vor: „Ich bin übrigens Jake.“ „Peter.“ Sie grinsten sich an und Peters Blick glitt an dem anderen Sportler auf und ab. Das farbenfrohe Shirt stand ihm äußerst gut.
„Cooler Style“, äußerte er. „Ich habe einen Freund, der auch gerne bunte Shirts, Armbänder und einen Ohrring trägt.“
„Ein fester Freund?“, wollte Jake wissen. Peter schmunzelte. „Nein.“ Er sah Jake sie Erleichterung über seine Aussage an. Sie blickten sich noch einen Moment an und Peter spürte das vertraute Prickeln gegenseitiger Anziehung.
Wenig später standen sie hinter einem Gebüsch und küssten sich verlangend. Jake war athletisch gebaut, sein Körper warm und stark. Seine Hände glitten lustvoll über Peters Körper, während ihm erregte Laute entkamen. Es war berauschend zu spüren, dass ihre Anziehung auf Gegenseitigkeit beruhte.
Jake schob ihn noch ein Stück weiter ins Gebüsch, küsste ihn so intensiv, dass Peter einen Ausfallschritt zurück machen musste, um das Gleichgewicht zu halten. Ein knatschendes Geräusch ließ ihn innehalten. Er blickte hinab und verzog augenblicklich das Gesicht.
„Igitt!“, entkam es ihm inbrünstig. Auch Jake sah hinab und beide machten einen Schritt auseinander. Doch es war zu spät: Peter war mit seinem teuren Laufschuh mitten in einen Hundehaufen getreten. Es war einfach nur widerlich.
Sämtliche Lust war von olfaktorische und optischen Reizen augenblicklich zunichte gemacht worden. Er blickte zu Jake auf. „Tut mir leid“, meinte Peter nur.
Dieser zwinkerte. „Schon gut, wir sehen uns.“ Und damit joggte er zurück zu seinem Haus. Peter sah ihm verzweifelt und geil hinterher. So eine Scheiße! Im wahrsten Sinne des Wortes.
Peter war so tief in die Scheiße getreten, dass er seine geliebten Schuhe hatte wegschmeißen müssen. Er brauchte dringend neue. Auf dem Rückweg von Rockys Sportbedarf für alle Gelegenheiten beschloss er in dem kleinen gemütlichen Café Little Corner einen Kaffee trinken zu gehen.
Es war ein süßes kleines Geschäft, das eher ein Insider war und Raum für gute Gespräche und guten Kaffee bot. Ein Kunde war noch vor ihm dran, so nutzte Peter die Gelegenheit sich umzusehen.
Sein Blick blieb an der Kellnerin hängen. Ihr Namensschild verriet, dass sie Mel hieß. Ihre Blicke trafen sich, sie lächelten. Dann wandte sie den Blick dem anderen Kunden zu. Als dieser das Geschäft verlassen hatte, fiel Peter auf, dass Mel das Shirt einer Band trug, die Bob auch sehr mochte. Peter lächelte unwillkürlich und Mel erwiderte es. „Was darf es denn für dich sein?“
„Einen großen Kaffee, schwarz. Bitte“, äußerte er. „Nichts Süßes?“, fragte sie keck. Peter lachte. „Kommt drauf an, was du im Angebot hast.“ Sie zwinkerte ihm zu und eins folgte zum anderen.
Sie winkte ihn zu sich hinter die Theke. Peter folgte der Aufforderung. Der Laden war gerade leer und so presste sie ihn an die Theke und küsste ihn verlangend. Peter erwiderte nur zu enthusiastisch. Das fühlte sich verdammt gut an und es war ein echter Boost fürs Ego, dass Menschen so erfreulich auf seine optische Erscheinung reagierten.
Plötzlich krachte es und erschrocken wandte Peter sich um. Irgendwas war mit der Kaffeemaschine passiert. Milchschaum sprudelte aus allen Poren, spritzte durch den Raum und Peter frontal entgegen. Mel kreischte.
Peter sah an sich hinunter, seine Augen weiteten sich vor Schreck. Das sah ganz und gar nicht gut aus. Und viel eindeutiger als es ihm lieb gewesen wäre. Da half es auch nicht, dass Mel wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend lief und aufgeregt versuchte der Kaffeemaschine außer Rand und Band Einhalt zu gebieten. Erst als sie den Stecker zog, verstummte das Chaos schlagartig.
Entsetzt blickten sich die beiden um. Es begann eine Putzaktion, die Peter sein Lebtag nicht vergessen würde.
So langsam bekam er Komplexe. Nachdem ein Hai, ein altes Bett, ein Hundehaufen und eine Kaffeemaschine sein Vorhaben so erfolgreich torpediert hatten, war Peters Selbstbewusstsein, was seine Verführungskünste anging, deutlich geschrumpft.
Nachdem die Sache mit Mel so ein schaumiger Reinfall gewesen war, wollte er es lieber noch mal mit einem Mann probieren. Und wo konnte er einen besser aufreißen als in Rocky Beachs Schwulenclub The Long End.
Alles lief bestens. Ryan war ihm kurz nach dem Reinkommen bereits aufgefallen. Wenig später tanzten sie zusammen und schließlich verließen sie Hand in Hand den Club. Ryan war kleiner als er mit schmaler Statur, was Peter hinreißend fand.
Knutschend standen sie in der dunklen Gasse. Ryans Körper schmiegte sich so perfekt an seinen, dass Peter eine zusätzliche Aufregung spürte, die er sich nicht erklären konnte. Der andere ließ seine Hände über Peters muskulösen Torso gleiten und Peter gab sich dem herrlich kribbelnden Gefühl hin.
Plötzlich war da was an seinem Bein. „Huch“, entwich es ihm atemlos. Peter sah leicht erschrocken nach unten, als er in das aufgeregte Gesicht eines Terriers blickte. Peter brauchte geschlagene drei Sekunden, um zu begreifen, was dort geschah: Die Hündin stellte sich an seinem Bein auf und… Peters Augen weiteten sich… rieb sich an ihm.
Er entzog ihr sein Bein. „Lauf!“, rief er ihr zu und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Ryan, dessen Blick dankenswerterweise immer noch glühend auf ihn gerichtet war.
Peter beugte sich vor, um ihn erneut zu küssen. Doch er hatte die Rechnung ohne die kleine Hündin gemacht, die seinen Moment der Unaufmerksamkeit ihr gegenüber eiskalt ausnutze und ihre kleinen Pfötchen wieder an seinem Knie positionierte und ihren Unterleib… Peter wandte sich erneut mit einem genervten Geräusch um und blickte nach unten.
Er war ja durchaus ein Tierfreund und Hunde hatten es ihm sowieso angetan, aber deshalb wollte er doch nicht gleich von einem Vierbeiner mit eindeutigen Absichten besprungen werden.
Wieder entriss er der Hundedame sein Bein, die ein klägliches Jaulen von sich gab. Für einen winzigen Moment konnte Peter es ihr nachfühlen, schließlich passierten ihm ständig solche Dinge, kaum, dass er mal jemanden bespringen wollte. Doch die Hündin war hartnäckig und lief wieder auf ihn zu.
Nun war auch Ryan aus seiner lustvernebelten Stimmung aufgetaucht. „Tja, ich lass euch beide wohl mal lieber allein“, meinte er eindeutig amüsiert und winkte Peter zum Abschied. Peter verkniff seinen einen bissigen Kommentar und lief in die entgegengesetzte Richtung davon.
Es dauerte zwei Straßen bis er die penetrante Hundedame abgeschüttelt hatte. Sauer und missgelaunt lief er nach Hause. Peter verfluchte sein Schicksal. Jetzt hatte ihm auch noch eine läufige Hündin einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er konnte sein Unglück kaum fassen.
Sein kurzzeitiger Unmut dem besten Freund des Menschen gegenüber wurde schnell beiseite gewischt, als ihn am nächsten Nachmittag beim einem Spaziergang durch Rocky Beach ein kleiner Mops fröhlich anstrahlte.
„Na, wer bist du denn?“, fragte er lächelnd und kniete sich hinunter. „Wo ist denn dein Herrchen? Oder hast du ein Frauchen?“ Peter kicherte, als der kleine Hund ihm die Hand abschleckte. Peter kraulte das süße Tier hinter den Ohren.
„Sally!“, rief da plötzlich eine Stimme. Peter sah auf, als auch schon eine gestresste junge Frau auf ihn zugerannt kam. Sie sah ganz mitgenommen aus, als sie keuchend bei ihm Halt machte. „Entschuldige bitte. Ich habe sie noch nicht so lange. Sie entwischt mir immer.“
„Ist doch kein Problem, ich mag Hunde.“ Er nahm Sally auf den Arm und richtete sich auf. Der Blick der jungen Frau haftete an ihm und lief einmal seinen ganzen Körper entlang, bevor er dann mit einem aufmerksamen Lächeln auf seinem Gesicht haften blieb.
„Ich bin übrigens Megan.“ „Peter.“ „Hast du auch Hunde? So gut wie du mit Sally umgehen kannst“, lächelte sie ihn an. Die Hundedame kuschelte sich an Peter, der sie weiterhin streichelte. „Bisher nicht. Aber wenn ich irgendwann mal eine eigene Wohnung habe, dann sicherlich.“
„Wo wohnst du zur Zeit?“, fragte sie ihn. Peter antwortete: „Ich bin gerade am Umziehen. Bald wohne ich auf dem Campus.“ „Ein Student also. Ich studiere in Ruxton“, äußerte sie fröhlich.
„Wohnst du da auch?“, wollte Peter wissen. „Ne, ich habe eine kleine Wohnung hier in Rocky Beach gemietet, die ich mir mit einer Freundin teile. Sie ist gerade im Urlaub.“ Peter hatte genug solcher Situationen in den letzten Tagen erlebt, um die Einladung sofort zu erkennen.
„Das trifft sich gut“, antwortete er langsam. „Dann kann ich dir Sally gerne direkt nach Hause bringen.“ „Ja“, hauchte sie. „Offenbar will sie dich nicht mehr gehen lassen.“ „Schade“, sprach er ironisch und zwinkerte sie an. Megan lächelte mit funkelnden Augen.
So kam es, dass sie bald knutschend im Flur von Megans Wohnung standen. Noch an Ort und Stelle hatte sie sich auf ihn gestürzt und presste ihn nun leidenschaftlich an die Wand. Es war äußerst erregend zu spüren, wie sehr sie ihn wollte.
Ein Klingeln an der Haustür ließ beide zusammen zucken. Megan legte einen Finger an die Lippen. Es klingelte erneut. Dann polterte es an die Tür. „Megan, ich weiß, dass du da drin bist. Mach auf.“
Sie verdrehte die Augen, öffnete aber. Ein großer, durchaus attraktiver Mann erschien in Peters Sichtfeld. Dessen Augen richteten sich auf ihn. „Wer ist das?“, verlangte er zu wissen.
Megan stellte sie mit leicht genervtem Ton vor: „John, das ist Peter.“ „Und was macht er hier?“ Offenbar fand er es gar nicht gut, dass Peter hier war.
„Ich hatte vor mit ihm zu schlafen“, kam es erstaunlich lässig von ihr. „Ist das dein Freund?“, wollte Peter wissen, der sich reichlich Fehl am Platze fühlte.
„Nein, wir schlafen nur hin und wieder miteinander“, stellte sie klar. John schnaubte. „Das sehe ich anders.“ Und schlagartig wusste Peter, dass er mitten in eine Beziehungskrise gerasselt war. „Ich sollte gehen“, stellte er fest.
„Aber Peter“ „Schon gut, Megan. Ich denke, du hast da was mit John zu klären.“ Und damit ging Peter und während er festen Schrittes die Wohnung verließ, wuchs in ihm ein Entschluss: Er sollte es lassen.
Seine Versuche, seine Jungfräulichkeit loszuwerden, nahmen groteske Züge an. Und das war es ihm nun wirklich nicht wert; nicht, dass er sich noch verletzte, oder sonst eine Peinlichkeit erlebte, die nicht wieder gut zu machen war.
Nein, beschloss Peter. Er hatte genug davon. Er würde sich und ganz auf seine Arbeit in der Detektei und seinen Sport konzentrieren.
Dieser Entschluss hielt ganze drei Tage lang. Bis zu dem großen Spiel gegen die California Tigers. Die gegnerische Basketballmannschaft war ein harter Brocken, aber Peters kürzlich getroffener Entschluss ließ ihn all seine Kraft aufwenden, um seiner Mannschaft zu einem knappen, aber verdienten Sieg zu verhelfen. Jubelnd und feiernd liefen sie zu den Duschen.
Peter war gerade fertig mit dem Umziehen, als Tom, ein Spieler der gegnerischen Mannschaft zu ihm kam. „Klasse Spiel, Shaw. Du warst eine Wucht. Und dein Wurf kurz vor Schluss war wirklich beeindruckend.“ Seine lockigen Haare standen nach der Dusche in alle Richtungen ab. Es sah äußerst attraktiv aus. „Danke Lewis.“
Sein Gegner lächelte ihn an, sein Blick verweilte einen Moment auf seinen Oberarmen und Peter spürte ein inzwischen sehr vertrautes, aufregendes Kribbeln in seinem Körper.
Sie wechselten noch einige Worte miteinander, während beiden klar war, dass sie darauf warteten, dass sich die Räumlichkeiten leerte. Als es soweit war, hielt sie nichts mehr.
Knutschend fielen sie übereinander her und Peter genoss es sehr, den starken Körper unter seinen Fingern zu spüren. Wie von selbst glitten seine Hände in die Locken des anderen, zerzausten sie, was beide tierisch anmachte.
Da die Umkleiden jederzeit von anderen betreten werden konnten, schoben sie sich ins Balllager, wo sie besser vor neugierige Blicken geschützt waren. Es mochte am Adrenalin des Spiels liegen, aber ihre Handlungen wurden sehr schnell eindeutig.
Tom ließ sich von Peters Drängen an das Netz mit den Volleybällen schieben. Offenbar war Peters Reibung zu intensiv, denn Tom griff ekstatisch nach einem Halt und verfing sich im Netz. Mit einem Keuchen versuchte er sich loszureißen - und zerriss das Netz.
An die hundert Volleybälle trudelten in den Raum. Die beiden Männer gingen in Deckung, während die Flut der Bälle auf sie nieder prasselte. Und dann standen sie da: Zwei atemlose und ziemliche fassungslos junge Männer, die sich dieses Desaster anschauten.
„Puh!“, entwich es Tom. „Das ist ein Ärgernis.“ Peter schnaubte. „Könnte man so sagen.“
„Das müssen wir wohl melden“, meinte der andere. „Wenn wir nicht eigenhändig alle Bälle einsammeln und ein neues Netz knüpfen wollen“, gab Peter mürrisch zurück. Und damit war auch diese Chance dahin.
Peter fühlte sich als wäre er der Protagonist in einem Film. Lustig für die Zuschauer, aber für ihn eine Katastrophe. Was hatte er getan, dass er so etwas verdiente? Schon wieder war er nicht zum Abschluss gekommen. So langsam verlor er wirklich die Lust.
Dennoch war da eine kleine Stimme, die ihn noch nicht so ganz davon überzeugt hatte, es wirklich zu lassen.
Am nächsten Tag erledigte er einige Einkäufe in einem Drugstore. Peter hatte ausnahmsweise mal nicht an seine gescheiterten Vorhaben gedacht, doch dann kam er an den Kondomen vorbei. Peter hielt inne. Seine bisherigen waren ihm beim Anprobieren immer ein bisschen zu eng gewesen.
Er trat näher ans Regal. Er besah sich die diversen Firmen und las welchen Durchmesser die XL-Packungen hatten. Ein Mann schob sich neben ihn. „Klingt vielversprechend.“ Peter grinste ihn an. Der Mann mit der süßen Brille im Gesicht lächelte ihn an. „Ich bin Ben.“ „Peter“, sagte dieser und sah den anderen neugierig an.
Er hatte endlich mal wieder Glück, so schien es. Der andere biss sich auf die Lippe, sah eine Spur schüchtern aus, was ihm gut stand, vor allem mit der Brille. „Hättest du vielleicht Lust“, begann er und wurde direkt von Peter mit einem „Ja“ unterbrochen.
Lächelnd blickten sie sich an. „Wohnst du hier in der Nähe?“, erkundigte sich Ben. „Ich bin nämlich aus L.A.“ Peter nickte. „Ja, ich wohne ganz in der Nähe“, meinte er. „Wollen wir dann…“, fragte Ben und Peter nickte. „Ja klar.“
Es war wirklich nur ein paar Straßen entfernt. Die Aufregung wurde mit jedem Schritt größer, ähnlich wie bei einem seiner großen Spiele. Immer wieder tauschte er mit Ben ein Lächeln, der ihn immer wieder auf eine Art und Weise ansah, die ein sehr willkommenes Kribbeln durch seinen Körper schickte.
„Welchen Sport machst du?“, fragte er beim nächsten Mal, als er Peters Körper mal wieder ausgiebig betrachtet hatte. „Basketball spiele ich semiprofessionell. Surfen tue ich regelmäßig, laufen täglich und Tauchen, Fußballspielen und Skateboarden hin und wieder.“
Ben lachte. „Das sieht man.“ „Danke“, gab Peter mit einem Lächeln zurück, woraufhin der andere seine Hand fasste und Peter anhielt. Sie blickten sich an. „Wir sind gleich da“, sprach Peter atemlos. „Gut, denn viel länger kann ich mich nicht mehr beherrschen.“
Peter grinste, dann zog er den anderen mit zur Haustür seines Elternhauses. Kaum, dass sie drinnen waren, küssten sie sich. Nur kurz trennten sich ihre Lippen, als Peter ihn mit durch den Flur zog, um in sein Zimmer zu kommen.
„Wer wohnt hier noch?“, fragte er. „Niemand“, war Peters kurze Antwort, der nun wahrlich nicht erklären wollte, dass er noch für wenige Tage bei seinen Eltern wohnte.
Knutschend torkelten sie in Peters Zimmer. Er schob Ben zum Bett, der ihn sofort auf sich zog, während ihre Münder miteinander verschmolzen und sie sich intensive Zungenküsse gaben. Schnell hatten sie sich ihrer Oberteile entledigt und Peter genoss das Gefühl von warmer Haut an seiner und neugierigen Fingern, die über seinen Rücken glitten.
Bens Hände legte sich auf seinen Hintern, packten zu und unwillkürlich stieß Peter seine Hüfte vor. Ben entkam ein ersticktes Stöhnen.
Plötzlich ging die Tür auf. Peter sah auf und erblickte die festgefrorene Gestalt seiner Mutter. „Oh!“, entwich es seiner Mum überrascht. Peter selbst war vor Schock erstarrt.
Ben sah das offenbar anders. „Wer ist das?“ Sein Blick glitt von oben bis unten an Peggy entlang. „Sieht heiß aus, willst du mitmachen, Schätzchen?“
Peter sprang entsetzt aus dem Bett. „Raus hier!“
„Was ist denn jetzt los?“, fragte Ben und richtete seine Brille. „Das ist meine Mum!“, rief Peter voller entsetztem Ekel. Ben hatte den Nerv mit den Schultern zu zucken. „Mich stört das nicht.“
„Mich aber“, rief Peter energisch. „Und jetzt raus hier.“ Ben seufzte. „Schade.“ Er sah Peter mit einem letzten Blick auf dessen muskulösen Oberkörper an, dann schnappte er sich sein Hemd und verließ das Zimmer.
Erst als unten die Haustür zuschlug, kam wieder Regung in Mutter und Sohn. Seine Mum sah ihn einige Momente an. „Ich gehe einfach und tue so als hätten die letzten Minuten nicht stattgefunden.“ Inbrünstig entwich es Peter: „Du bist die Beste!“ Peggy lachte.
Nach diesem Schockerlebnis hatte Peter ein für alle Mal genug. Es war genug. Er würde jetzt keusch bleiben und Sport machen. Das würde ihn hoffentlich endlich von dieser desaströsen Mission Jungfräulichkeit adé ablenken.
Und nirgends konnte er besser den Kopf frei kriegen als auf dem Surfboard. Das war auch heute so. Der Wind war perfekt, die Wellen super und Peter spürte, wie gut es ihm tat, die Freiheit auf seinem Brett zu genießen.
Nach einem ausgiebigen Ritt ließ er sich ans Ufer gleiten, wo Jeffrey ihm strahlend entgegen kam. „Das war ja mal wieder ein perfekter Floater“, sprach er anerkennend und legte einen Arm um ihn. Sein gut gebauter Freund lächelte ihn mit funkelnden Augen an.
Sofort musste Peter an seine Mission denken. Sein Entschluss es zu lassen schwand, denn ein Gedanke kam in ihm auf: Vielleicht musste er es mit einem Menschen tun, der ihm vertraut war. Jeffrey und er standen sich nahe, mochten sich und Peter wusste, dass Jeffrey auf ihn stand.
Vielleicht war es besser dieses besondere Erlebnis mit jemandem zu teilen, dem er vertraute und den er gut kannte. Er hatte schon mal mit Jeffrey bei einer Strandparty wild geknutscht. Weiter war es jedoch nie gegangen. Aber das konnte er schließlich ändern.
Während sie Arm in Arm Richtung Umkleiden liefen, fasste Peter sich ein Herz: „Erinnerst du dich an die Strandparty vor drei Monaten?“ Jeffrey lachte. „Du meinst die, bei der wir so heftig geknutscht haben, dass ich danach nicht mehr laufen konnte?“ Peter grunzte vor Lachen. „Genau die.“ „Natürlich weiß ich das noch.“
„Hättest du Interesse“, Peter zögerte einen Moment, dann sprach er es aus: „Daran anzuknüpfen?“ Jeffrey blieb kurz vor den Umkleiden stehen. Er stellte sein Board in die Kabine und wandte sich Peter zu.
Als ihn seine dunklen Augen fixierte, kannte Peter die Antwort. Peter stellte sein Board ebenfalls zur Seite und im nächsten Moment küssten sie sich wild.
Rückwärts stolperten in die Umkleidekabine, während Peter das Gefühl genoss, dass Jeffreys Hände auf seiner Haut hinterließen. Bereits halb nackt zu sein hatte definitiv Vorteile. Von Lust überflutet, trat Jeffrey einen Schritt zurück, offenbar um sich seines letzten Kleidungsstückes zu entledigen.
Dabei stieß er an sein Board. Peter sah es noch, streckte seine Hände aus, doch kam er nicht mehr heran: Das Surfbrett fiel und landete genau auf Jeffreys Schulter, der sich vor Scherzen brüllend umwandte.
Sofort nahm Peter das Brett zur Seite und wandte sich an seinen vor Schmerzen keuchenden Freund. „Tut es sehr weh?“ „Ja“, schnaufte dieser und rieb sich sie Schulter, auf der bereits ein hässlicher roter Striemen zu sehen vor.
Sämtliche Lust war schlagartig verpufft. „Ich bring dich zum Arzt“, meinte Peter besorgt. Jeffrey blickte ihn dankbar an. Und damit hatte sich auch dieser Versuch, endlich keine Jungfrau mehr zu sein, als totale Pleite erwiesen.
Nachdem er mit Jeffrey beim Arzt gewesen war, eine Runde Frust-Joggen gemacht hatte, wobei der zum Glück nicht auf Jake getroffen war, hatte Peter endgültig die Schnauze voll. Seine Laune hatte einen Tiefpunkt erreicht. Der Gedanke an die letzten vergeudeten Tage ließen ihn dermaßen ärgerlich werden, dass er am liebsten noch eine Runde Laufen gegangen wäre.
Aber da piepste sein Handy. Er schnaufte. Justus bestellte sie in die Zentrale. Peter schnappte sich sein Fahrrad und fuhr hin. Als er dort ankam, war von seinen beiden Kollegen keine Spur zu sehen. So wartete Peter auf sie, während er wütend auf und ab tigerte.
Eine weitere Nachricht von Justus verkündete, dass er sich verspätete, weil er jetzt doch noch ein Gespräch bei irgendeinem Prof ergattert hatte. Es war Peter auch egal. Wo Bob war, wusste er im Moment ebenfalls nicht. Wahrscheinlich wieder bei einer seiner Eroberungen.
In diesem Moment schlüpfte sein blonder Freund durchs kalte Tor hinein. Augenblicklich hielt er inne, als er Peters Fußmarsch sah. „Was ist denn bei dir los?“
Peter platzte. Der ganze angestaute Frust entlud sich mit einem Paukenschlag. „Ich schaffe es einfach nicht mit jemandem zu schlafen“, rief er wutentbrannt.
Bob starrte ihn sprachlos an. Dann entwich ihm ein: „Wie bitte?“
„Seit beinahe zwei Wochen versuche ich es!“, rief Peter aufgebracht. „Ich habe mit sieben Frauen und vier Männern versucht zu schlafen. Und jedes Mal“ Er unterbrach sich und betonte erneut „Jedes verdammte Mal kommt irgendwas dazwischen.“
Er war so wütend, dass er nichts mehr um sich herum wahrnahm. „Das darf doch wirklich nicht wahrsein!“ Er warf wütend die Hände in die Luft, während sein erregter Sermon auf Bob niederging. „Da habe ich geflirtet, getanzt und gelacht, hatte Spaß, der auf Gegenseitigkeit beruhte und dennoch“, rief er wütend in die Zentrale, wo ihn niemand hören konnte als sein bester Freund Bob. „Bin ich immer noch nicht zum Abschluss gekommen.“
Er hatte sich so richtig in Rage geredet und sein Ärger über die verpatzten vielen, vermeintlichen ersten Male kochte an die Oberfläche. „Was soll ich denn noch alles tun? Mich und meinen Partner ans Bett fesseln, damit auch ja nichts dazwischen kommt? Auf eine einsame Insel gehen, damit wir nicht gestört werden? Oder mich vielleicht nackt an einen Baum binden mit einem Schild, ob es irgendwer schafft mit mir zu schlafen?“ Peter raufte sich die Haare.
„Ich bin verflucht!“, rief er aus. „Ja! Das ist es! Ich bin verflucht.“ Er meinte es ernst. Das klang nach einer verdammt plausiblen Erklärung.
„Wie sonst kann es sein, dass aber auch jedes, jedes Date so nach hinten los geht?“ Fragend starrte er für einen Moment an die Decke ihrer Zentrale.
„Ich habe es bei allen möglichen Leuten in meinem Alter versucht. Nichts und wieder nichts.“ Er schnaubte. „Soll ich mich etwa an Ältere ranmachen? An Inspektor Cotta vielleicht?“, rief er theatralisch. Verärgert ließ er sich aufs Sofa plumpsen, als er knurrend zugab: „Ich habe es sogar mit Jeffrey versucht. Mit Jeffrey! Und der steht auf jeden Fall auf mich.“ Er sah nicht, wie Bobs Kiefer sich bei Erwähnung dieses Namens aufeinander presste.
Peter hob eine Hand an die Stirn. „Ich werde als alte Jungfer sterben“, rief er melodramatisch. Noch etliche Momente verharrte er in dieser Position. Erst dann fiel ihm wieder ein, dass er ja gar nicht allein war.
Er lugte zu Bob, der noch immer am Eingang der Zentrale stand. Bob war vollkommen still gewesen, so still, dass Peter erst jetzt auffiel, wie erstarrt er schien; sein Gesicht war blass und seine Augen waren zu Boden gerichtet.
Zudem… Peter stutzte, seine sonst so entspannte Haltung war nicht vorhanden. Im Gegenteil, Bob wirkte, als würde er unter großer Anspannung stehen.
„Bob?“, fragte Peter leise, der nicht einschätzen konnte, was in seinem Freund vorging. Dieser hob plötzlich den Blick, in seinen Augen war eine unerwartete Ernsthaftigkeit zu sehen.
„Bei einem hast du es noch nicht versucht“, äußerte er, seine Stimme zurückhaltend, beinahe fremd.
Peter zog die Stirn kraus, musste etliche Momente überlegen, wen Bob denn meinen könnte. Dann brach er in lautes Gelächter aus. „Machst du Witze?“, fragte er seinen Freund. „Ich verführe doch nicht Justus Jonas.“
Was hatte Bob nur für eine Fantasie? Peters Lachen schwand, als er Bobs schlagartig gequälten Gesichtsausdruck sah. Er sah aus als habe er Schmerzen.
„Bob?“, fragte er besorgt. Dieser schnaufte. „Bob? Was ist denn?“ Peter richtete sich auf, sah seinen Freund aufmerksam an. Dessen Hände ballten sich zu Fäusten, er zitterte leicht. Dann richtete sich sein Blick auf ihn, eine eiserne Härte war in den blauen Augen zu sehen, die Peter nicht kannte und ihn gleichermaßen erschütterte.
„Du würdest eher als Jungfrau sterben wollen, als mich in Betracht zu ziehen.“ Die Bitterkeit in Bobs Stimme lähmte Peter. „Ist die Vorstellung wirklich so furchtbar, dass du nicht mal im Traum daran denkst mit mir“ Bob brach ab, da hatte sich ein Zittern in seine Stimme gestohlen.
Plötzlich wandte Bob sich um, wollte jenen Weg hinaus nehmen, durch den er gekommen war. Es war diese unerwartete Bewegung, die Leben in Peter brachte. Das konnte er nicht zulassen.
Er sprang auf, lief hinter ihm her und griff nach seiner Hand. Bob blieb von ihm abgewandt stehen, seine Brustkorb hob und senkte sich schnell, obwohl er kaum einen Schritt getan hatte.
„Bob“, sprach Peter sanft und gleichzeitig vollkommen verwirrt. „Was passiert hier gerade?“
Bob wandte sich um, sein Blick richtete sich auf Peter, er sah so am Boden zerstört und verzweifelt aus, dass es Peter die Luft zum Atmen nahm. Dann trat etwas hinzu und Peter konnte es nicht anders als verzweifelte Zärtlichkeit beschreiben.
Als Bob nun sprach, war seine Stimme leise und doch so emotional. „Für mich bist du Peter. Verstehst du? Mein Peter.“
Dieser schluckte. „Was bedeutet das?“, fragte er vollends verwirrt.
Bob senkte den Blick, dann erkundigte er sich, während seine Stimme eine Bitterkeit angenommen hatte, die Peter selten bei ihm zu hören bekam: „Ist die Vorstellung denn so abstoßend mit mir zu schlafen?“
Peter entwich ein energisches „Nein, aber“, doch wurde er direkt von Bob unterbrochen. „Warum dann? Warum ziehst du mich nicht in Betracht?“ Bob sah auf und Peter wusste beim Anblick der verletzt dreinblickenden, traurigen Augen gar nichts mehr.
„Äh-ähm-äh, ich… ich…“ Peter konnte nur noch stottern. Die Richtung in die dieses Gespräch gegangen war, überforderte ihn vollkommen. „Du würdest…“ Ihm fehlten die Worte. „Also mit mir…“, versuchte er seine Verwirrung in Worte zu fassen. „Aber du hast mit so vielen Frauen…“ Peter verstummte, sein Hirn hatte einen Kurzschluss, der sich massiv auf sein Sprachzentrum auszuwirken schien.
„Es waren nicht nur Frauen“, gestand Bob leise. Peters Augenbrauen schossen hoch. „Außerdem… das war früher…“ Er schluckte. „Ist dir nicht aufgefallen, dass ich jegliche Avancen ablehne?“
„Seit wann?“, wollte Peter fassungslos wissen. Wie konnte ihm das entgangen sein? „Seit zwei Jahren“, sprach Bob, doch seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
Peter war fassungslos. „Und seitdem…“, fragte er, merkte selbst wie atemlos er wurde. Er schluckte, dann nahm er seinen Mut zusammen und wagte es auszusprechen: „Hast du Gefühle für mich?“
Bobs Blick traf ihn und da standen so viele Emotionen in seinen Augen, dass Peter sich wie festgewachsen fühlte. Bob schüttelte seinen Lockenkopf. „So wollte ich dir das nie sagen… es sollte…“ Er riss sich los.
„Bob!“, rief Peter aufgeregt. „Lass mich“, bat dieser mit wachsender Vehemenz. „Ich muss allein sein.“ Peter ließ seinen Freund ziehen, obwohl alles in ihm schrie er solle hinter ihm her gehen.
Fassungslos stand Peter in der Zentrale und starrte auf den Ausgang, durch den Bob verschwunden war.
Er wusste nicht, wie lange er dort gestanden hatte, doch irgendwann kam Justus dazu. „Wo ist Bob?“, wollte er wissen und Peter konnte nicht mehr sagen als „Weg.“
Justus schien sich für den Moment damit zu begnügen. Er ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder und griff nach irgendeinem Aufsatz. Peter hatte keine Ahnung, was es war, es war ihm auch egal. Alles, was er konnte, war wie festgefroren vor sich hinzustarren und zu versuchen zu begreifen, was hier geschehen war.
Einige Zeit später, es konnten zehn Minuten oder zwei Stunden gewesen sein, erkundigte sich Justus: „Kommt Bob wieder?“
Peter riss diese Frage aus seiner Starre. Er wandte sich Justus zu, der am Schreibtisch saß und sagte: „Nein.“
Die braunen Augen seines Freundes richteten sich auf ihn. „Was ist passiert?“, wollte er wissen.
Aus Peter platzte es heraus: „Bob liebt mich.“ Justus sah ihn unbeeindruckt an. „Ja, und?“, fragte er dann. Peter starrte ihn an. „Du wusstest es?“, fragte er fassungslos. „Na klar, seit zwei Jahren!“, sprach Justus mit einer Selbstverständlichkeit, dass Peter nur schnaubend meinte: „Wieso weiß das jeder außer mir?“
Dann richtete sich sein Blick wieder auf Justus und er fragte, dieses Mal etwas leiser: „Wieso hast du nichts gesagt?“
Justus erklärte prompt: „Weil ich dachte, dass du noch in deiner sexuellen Krise steckst.“ „Bitte was?“, entwich es Peter irritiert.
Justus erläuterte als würde er eine Schlussfolgerung in einem ihrer Fälle darlegen: „Peter, du bist ein aufgeschlossener Kerl. Aber was deine bisherige Lebensführung und dein Aufwachsen angeht, war es nur wahrscheinlich anzunehmen, dass der Gedanke, dass du auf der Kinsey-Skala eher in der Mitte liegst, aufwühlend für dich sein könnte. Da lag die Vermutung nahe, dass du Probleme mit deiner neu entdeckten Sexualität hast.“
Peter kannte Justus lange genug, um auch diese Ausführungen verstanden zu haben. So sprach er: „Nein, ich bin bisexuell.“ „Schön, dass dir das bewusst geworden ist.“ Peter verzog den Mund, da es für Justus offenbar schon immer klar gewesen war, sagte aber nichts.
Dann führte sein Freund aus: „Ich hatte angenommen, dass du endlich dazu stehen würdest, nachdem du mit Kelly Schluss gemacht hast.“ „Wozu stehen?“, wollte Peter verwirrt wissen. „Dass du Bob liebst“, sagte Justus feststellend. „Ähm? Was?“, entkam es Peter, der das Gefühl hatte, vollkommen den Faden verloren zu haben.
Justus seufzte. „Ich dachte, du hättest endlich begriffen, dass Kelly immer nur eine Ablenkung für dich war.“ Peter blinzelte ihn fassungslos an. Justus holte aus: „Kelly war schon immer dein Kontrastprogramm, um dich von deinen Gefühlen für Bob abzulenken.“ „Bitte?“, entwich es dem zweiten Detektiv entsetzt.
Justus holte mit einer großen Geste zu einer ebenso großen Erklärung aus. „Kelly war in so vielen Dingen das krasse Gegenteil von Bob. Sie war groß, brünett mit braunen Augen, sie war ein Sportass, athletisch, extrovertiert frech, streitsüchtig, egoistisch, redselig und nie um eine Antwort verlegen. Sie war herrisch, dominant, manchmal großspurig und oberflächlich.“
Justus atmete einmal durch, dann sprach er weiter. „Bob hingegen ist kleiner, blond, hat Locken und blaue Augen, er ist ruhiger, besonnen und tiefgründig. Er ist nachdenklich und nerdig; er ist belesen und hat einen feinen Sinn für Humor; er mag Horrorfilme ebenso wie Dokumentationen und feinfühliges Programmkino, sein Musikgeschmack ist breit gefächert. Er ist intellektuell, loyal und zuvorkommend, manchmal aufbrausend, hin und wieder launisch, er ist charmant, zuverlässig und liebevoll.“
Peter merkte gar nicht, wie sich bei Justus’ Worten ein zärtliches Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Ja, all das war Bob. Er seufzte stumm. Justus sah es natürlich, schmunzelte und bedachte seinen Freund mit einem lieben Blick. „All das magst du an Bob. Du liebst ihn“, stellte Justus in einem Ton fest, der keinen Widerspruch zuließ.
Dieser Schlussfolgerung konnte sich auch Peter nicht entziehen Er schüttelte sich. „Okay, ja, ich mag alles an Bob. Aber das bedeutet nicht, dass ich ihn auch so mag. Dazu gehört ja auch…“ Peter unterbrach sich, nun ein wenig verlegen. „Nun ja, das Intime.“
Zu seiner Überraschung lachte Justus prustend los. „Machst du Witze? Ich kenne keine zwei Freunde, die sich so viel berühren wie ihr. Ich bin da sicherlich ein schlechter Referenzwert, aber auch ich habe beobachtet, dass ihr euch viel mehr anfasst als sonstige Kumpels. Wenn ich euch zwei am Tisch gegenüber sitze, habt ihr ständig die Hände am anderen, legt die Arme umeinander, fasst euch ans Knie und tätschelt euch die Hand. Manchmal sitzt Bob sogar auf deinem Schoß.“
Protest regte sich in Peter und rechtfertigend erklärte er: „Die Zentrale ist eben eng. Wir haben nur den Schreibtischstuhl und den Sessel.“
„Hm“, machte Justus mit einem Blick, der besagte, dass er ihm kein Wort glaubte. „Und auf unserem Boden ist natürlich kein Platz für den kleinen, schmalen Bob Andrews“, sprach er ironisch. Das brachte Peter zum Schweigen.
Dann begehrte er auf: „Okay, wir fassen uns mehr an als bei anderen üblich. Ja und? Das heißt ja nicht, dass ich auf ihn stehe.“
„Diesen Zahn muss ich dir leider auch ziehen, Zweiter“, sprach Justus, klang aber so gar nicht bedauernd. „Welchen Zahn?“, fragte Peter irritiert.
Justus seufzte. „Ich meine, dass du auch damit falsch liegst.“ „Erleuchtest du mich?“, fragte Peter angriffslustig.
„Alle Frauen und Männer, die dir sonst gefallen, haben immer etwas von Bob.“ „Huh?“, fragte Peter wenig eloquent.
Justus schnaubte. „Denk einfach mal an die letzten Personen zurück, die du attraktiv fandest“, forderte ihn der Erste auf. Er konnte natürlich nicht ahnen, dass Peter in den letzten Tagen eine illustre Schar solcher „Beweisstücke“ um sich geschart hatte. Peter war sich vollkommen sicher, Justus widerlegen zu können.
Jenny in der Bar war- Peter stockte - blond gewesen. Zufall. Reiner Zufall, sagte er sich.
Danach war er im Club gewesen. Im flackernden Licht und bei wummernden Beats war ihm Samy ins Auge gefallen, weil sie so gut tanzen konnte wie- Peter schluckte. Eine rein zufällige Übereinstimmung, versuchte er sich zu beruhigen.
Er dachte zurück an seine Begegnung mit Vivian am Strand. Es war ihr sanftes Lächeln gewesen, das ihn so bewegt hatte. Ein Lächeln, wie er es kannte von- Nein, dachte er nur. Das konnte doch nicht sein.
Mit wem war er als Nächstes zusammen gestoßen?, überlegte er. Ach ja, das war in der WG gewesen, wo das Bett unter ihm und dem nerdigen Bücherwurm- Oh man, dachte Peter verlegen. Ihm schwante Übles.
Danach hatte er es bei Männern versuchen wollen, wusste er noch. Unerwartet war er Jake beim Joggen begegnet. Peter knirschte mit den Zähnen.
Bei Jake brauchte er nun wirklich nicht lange nachdenken, er hatte ja sogar verbal geäußert, dass er Jakes Style mochte, weil er dem seines besten Freundes ähnelte. Peter spürte, wie seine Wangen rot wurden.
Danach war ihm das Milchschaumdesaster passiert, resümierte er. Mel im Café hatte das Shirt von Bobs Lieblingsband angehabt. Peter konnte es nicht glauben. Verdammt, es musste doch eine Person geben, die nichts mit Bob gemeinsam hatte.
Er musste kurz nachdenken. Was hatte er danach gemacht? Ach ja, fiel es ihm ein. Er war in dem Gay-Club tanzen gegangen und hatte Ryan kennengelernt. Ja Ryan hatte… Bobs Statur. Peter entwich ein inneres Stöhnen.
Danach war er Megan, der Frau mit dem süßen Mops begegnet. Sie war ihm sofort wegen ihrer strahlend blauen Augen aufgefallen. Oh man! Peters Verlegenheit wich und Ärger wuchs in ihm. Das konnte nicht wahrsein.
Nach dem Basketballspiel hatte Tom ihm eindeutige Avancen gemacht. Peter seufzte innerlich, als er an die Flutwelle von Bällen dachte, der sie ausgesetzt gewesen war. Er wollte schon erleichtert aufatmen, da der Spieler aus der gegnerischen Basketballmannschaft nichts mit Bob gemeinsam hatte. Doch dann fielt es ihm ein: Natürlich, die lockigen Haare. Er hatte ja sogar noch wild dadurch gewuschelt und tatsächlich für einen Moment an Bob gedacht. Oh Mist!, dachte er ärgerlich.
Im Drugstore war er bei den Kondomen Ben begegnet. Der hatte diese süße Brille getragen, die genau dieselbe Form hatte wie- Ach, Himmel, Arsch und Zwirn, dachte Peter wütend.
Es blieb ihm nur noch ein letzter Strohhalm: Jeffrey. Ja, Jeffrey hatte nichts mit Bob gemeinsam. Aber selbst Peter musste zugeben, dass er sich aufgrund der Gefühle des Vertrauens und der Vertrautheit an Jeffrey rangemacht hatte. Mit Bob waren diese Gefühle jedoch ungleich stärker. Es gab niemanden, abgesehen von Justus, dem er das gleiche Maß an Vertrauen entgegenbrachte. Und vertraut waren Bob und er wie sonst niemand es mit ihm war.
Verdammter Mist, dachte Peter. Justus Jonas hatte mal wieder recht. Das war ja nicht zum Aushalten.
Als er wieder zu seinem Freund blickte, sah er natürlich das kleine selbstbewusste Lächeln, das in seinem Mundwinkel saß und Peter zu verspotten schien. Aus einer plötzlichen Trotzreaktion heraus fragte er: „Und was ist mit den vielen Frauen? Bob redet doch so oft von ihnen.“
Justus machte eine wegwischende Handbewegung. „Das sind doch lediglich Worte, nur Worte. Du kennst doch unseren Dritten. Der trägt sein Herz nicht gerade auf der Zunge. Er macht alles mit sich aus, denkt über alles nach, manchmal endlos, frisst die Sachen in sich rein, bis er seine Emotionen nicht mehr kontrollieren kann und dann bricht es aus ihm heraus wie Lava aus einem Vulkan. So war es doch vermutlich auch, als er hier war, oder? Er wird dir wohl kaum gesagt haben, Peter lass uns mal reden.“
„Ja stimmt“, meinte Peter kleinlaut.
„Aber was mache ich denn jetzt?“, rief der zweite Detektiv verzweifelt. „Ich liebe ihn ja auch, aber ich weiß nicht, ob ich ein richtiges Paar mit ihm sein kann.“
Justus entwich ein Seufzen und Peter meinte beinahe so etwas wie „Oh man“ unter seinem Atem zu hören. Dann blickte er auf und Peter fühlte sich wie festgepinnt unter dem Blick aus braunen Augen.
„Könntest du dir vorstellen ihn zu küssen?“, fragte Justus. Peter zuckte mit den Schultern und sprach ohne nachzudenken: „Habe ich doch schon.“
Justus sandte ihm einen deutlichen Blick zu und ergänzte: „Dann stell es dir eben intimer vor.“ Peter überlegte einen Moment, stellte sich vor mit Bob einen intensiven, zärtlichen Zungenkuss auszutauschen. Er nickte. „Ja“, sprach er beinahe sachlich.
Justus setzte nach: „Und könntest du dir vorstellen weiter mit ihm zu gehen? Intim zu werden?“
Peter überlegte, stellte sich vor, Bob zu berühren, ihn zu entkleiden, seine nackte Haut zu streicheln, nicht nur seine Lippen, sondern seinen Körper zu küssen; Peter stellte sich vor, wie er es finden würde, Bobs erregtes Keuchen zu hören, während blaue Augen ihn ihn voller Verlangen anblickten… Peter stockte der Atem in seiner Brust. Diese Vorstellung war… unglaublich. Er wollte das. Er liebte Bob nicht nur, er begehrte ihn auch.
Peter sah auf, konnte nicht glauben, welch eine Erkenntnis er soeben gehabt hatte. Er sah in braune Augen, die ihm abwartend und warm entgegen blickten. „Ja“, hauchte er leise, stockend, verlegen.
Auf Justus’ Gesicht breitete sich ein liebevolles Lächeln aus, während sein Blick etwas von „Hab ich dir ja gesagt“ hatte. Peter war vollkommen ergriffen. „Just“, sprach er fassungslos. „Danke.“ Es kam aus der Tiefe seines Herzens. Justus hatte ihm ein unglaublich wertvolles Geschenk gemacht, hatte ihn erkennen lassen, was Bob wirklich für ihn war.
Sein Freund sprach nur lässig: „Erster Detektiv“ und deutete auf sich. Peter grinste, machte einen Schritt auf ihn zu und sprach liebevoll: „Und bester Freund!“
Seine Euphorie war schlagartig so groß, dass er seine Arme um Justus schlang und einen dicken Schmatzer auf seine Wange setzte. Justus schnaufte. „Peter“, entwich es ihm grummelnd und entrüstet, doch das glückliche Funkeln in seinen Augen strafte seine Worte Lügen.
Anderthalb Tage waren vergangen. Anderthalb Tage voller Hoffen auf Nachricht und Bangen, dass etwas zwischen ihnen zerbrochen war. Anderthalb Tage Ungewissheit, die Peter an den Rand der Verzweiflung trieben und seinen Entschluss festigten: Er musste mit Bob reden, er musste einfach.
Er hatte ihm genug Zeit gegeben. Nun war es an der Zeit zu handeln und Handeln tat Peter. Er wusste, dass Bob immer alles zerdachte, viel länger über den Dingen grübelte. Und wenn er nach anderthalb Tagen immer noch nicht den Mut gefunden hatte, würde er ihn auch nach drei Tagen nicht haben.
Also würde Peter es nun tun. Und er wusste auch, wo er Bob finden würde. Wenn dieser aufgewühlt war, war er stets in der Bibliothek. Und wenn es ihm richtig mies ging, war er in der Abteilung Kunst zu finden.
Peter radelte zur Rocky Beach Bibliothek und fand seinen Freund genau dort, wo er ihn vermutet hatte: An einem Tisch zwischen den vollen Regalen mit den Bildbänden zu Ölgemälden der Romantik.
Einige Momente lugte Peter schweigend hinter dem Regal hervor, beobachtete seinen Freund, wie er da saß und sich über mehrere schwere Wälzer gebeugt hatte. Er trug seine Brille und die blonden Locken fielen ihm sacht in die Stirn. Er sah aus wie immer und doch löste sein Anblick eine unerwartete Reaktion aus: Aufregung und eine unleugbare Zärtlichkeit. Da war Bob, sein Freund Bob, den er schon gefühlt sein ganzes Leben kannte und liebte.
Und doch war er nun nervös, als er langsam aus seiner Deckung schritt und sich dann wortlos auf dem Stuhl zu seiner Linken niederließ. Er sah, dass Bobs Augen sich kurz zu ihm bewegt hatten, natürlich hatte er seine Anwesenheit registriert.
Peter atmete tief durch. „Bob“, sprach er leise, der daraufhin das Buch zuklappte, beinahe so als wolle er aufstehen und gehen. „Bitte hör mich einfach nur an. Bitte.“ Es sprach für ihre Freundschaft und die tiefe ihrer Verbindung, dass Bob genau das tat.
Obwohl Peter so oft im Kopf durchgegangen war, was er sagen wollte, hatte er gerade keine Worte, um zu beschreiben, was in ihm vorging. „Es tut mir leid“, begann er und sprach damit das Erste aus, was ihm einfiel. „Ich habe nicht gewusst, dass ich dir mit der Schilderung meiner missglückten Versuche weh getan habe. Das war nie meine Absicht.“
Bob regte sich, beinahe schien es, als wolle er Antworten, doch er blieb stumm, während er noch immer auf das längst geschlossene Buch schaute.
Ein leises Schnauben entwich Peter, als er an die vielen Reinfälle dachte. „Offenbar wollte mir das Schicksal etwas sagen“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht.“ Er grunzte kurz, da seine Worte eine Untertreibung waren.
„Ehrlich gesagt habe ich nichts anderes getan. Ich bin sogar beim Surfen dreimal vom Board gefallen und das obwohl es beste Wellen waren.“ „Da warst du bestimmt der Spott der anderen“, murmelte Bob. Peter grunzte amüsiert. „War ich, aber es war mit egal. Denn alles, woran ich denken konnte, warst du.“ Bob drehte den Kopf ein wenig ihm zu, noch immer sah er ihm nicht in die Augen, aber auch so konnte Peter erkennen, wie angespannt Bob war.
„Ich habe es nie in Betracht gezogen… also wir zwei als Paar“, gestand Peter. „Aber nachdem ich erfahren habe, wie du für mich empfindest…“ Peter fuhr sich auf der Suche nach weiteren Worte unsicher über den Nacken. „Justus hat mir kräftig auf die Sprünge geholfen“, gestand er etwas verlegen. Dann fügte er ein wenig peinlich berührt, aber doch ehrlich hinzu: „Ich mag die Vorstellung von uns als Paar.“
Schlagartig sah Bob ihn an; seine blauen Augen brannten regelrecht vor Emotionen. „Du“ Er atmete einige Male stockend ein. „würdest du es auch wollen?“
Peter wusste, dass alles von seiner Antwort abhing. Und auch wenn er noch durcheinander und ein wenig atemlos war, wusste er doch, wie seine Antwort lautete: „Ja.“
„Peter!“ Bobs leise Stimme war warm, überrascht und ergriffen. Seine Hand legte sich auf Peters Knie, Ausdruck seiner Verblüffung und seines Unglaubens gleichermaßen. Die unerwartete Berührung war wie ein Stromstoß, der sie beide erfasste.
Sie blickten sich an, die Berührung so intensiv, dass sich beide atemlos fühlten. Ihre Blicke hielten einander und Peter wurde mit jeder Sekunde, die verstrich, aufgeregter und ebenso sicherer. Er wollte das hier.
Und um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, flüsterte er: „Jetzt bin ich es, dein Peter. Und wahrscheinlich bin ich es schon immer gewesen.“ Den ergriffenen Ausdruck in den blauen Augen zu sehen, war berührend und gleichermaßen wunderschön.
Peters Hand glitt zu Bobs Wange, streichelte ihn sanft, was Bob atemlos die Lippen öffnen ließ. Peters Augen huschten zu Bobs Mund, dem in jenem Moment ein überraschter Atemzug entwich.
Peter sah wieder in die blauen Augen. Er beugte sich ein Stückchen vor. „Darf ich?“, fragte er sanft und wurde mit einem aufgeregten Nicken samt hinreißendem Lächeln belohnt.
Peter erwiderte es und flüsterte dann den Namen, des Mannes, der ihm alles bedeutete: „Bob. Mein Bob.“ Es war nur noch ein zarter Hauch, der Peters Lippen entkam.
Im nächsten Moment wurden sie von einem sanften Kuss verschlossen, der Peters ganzen Körper zum Kribbeln brachte und sein Herz vor Freude hüpfen ließ.
Das hier war alles, was er wollte.
???
Einige Monate später durfte Peter feststellen, dass er keinesfalls verflucht gewesen war. Das Schicksal hatte ihm offenbar jenen Menschen für dieses Erlebnis zuweisen wollen, für den er schon immer bestimmt gewesen war.
???