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„So, so, ich bin also noch nicht dazu gekommen, ihnen eine neue Karte auszustellen.“, sagte Inspektor Cotta, als er sich von Mathilda Jonas die ganze Geschichte angehörte.
Die ganze wilde Geschichte über vergiftete Törtchen, einer Firmenchefin, die nur durch Betrug in diese Position gekommen war, einem Schauspieler, dessen Abstieg von Horrorfilmen, über Schnulzen bis hin zu Werbefilmchen und dann seinem Tod auch noch davon begleitet war, dass er einen unehelichen Sohn hatte. Ein Sohn, der jetzt in der ehemalig von seiner Sekretärin geleiteten Hafenkneipe eine Café eröffnen würde.
Cotta schwirrte gehörig der Kopf, denn im Gegensatz zu ihrem Neffen erzählte Mathilda Jonas wirklich alles, auch das Unwichtige. Stellenweise hatte er Probleme ihr zu folgen, auch, weil sie den Akteuren des Falles Spitznamen gab, die sich aber im Laufe der Erzählung veränderten. Immerhin waren die von ihr vergebenen Spitznamen mit etwas mehr Bedacht gewählt als die ihres Neffen und seiner Freunde. Cotta glaubte jetzt noch, dass er sich bleibende Schäden beim Versuch über Deepthroat, gesprochen im neutralen und unwissenden Tonfalls Justus‘, nicht zu lachen. zugezogen hatte.
An der Stelle der Erzählung, an der Mathilda Jonas über ihr Gespräch mit Mr. Kretschmer berichtete, musste er mit der Frage über die vorgezeigte Karte ihren Redefluss allerdings unterbrechen.
Mathilda winkte ab. „Ohne diese Karte hätte er die Informationen sicherlich nur nach Rücksprache mit seiner Frau rausgerückt und das hätte Zeit in Anspruch genommen, die ich in diesem Moment nicht hatte.“, sagte sie lapidar. Cotta hob eine Augenbraue. „Und geheim waren die Informationen ohnehin nicht. Es ist nicht so, dass er mich ins Melderegister hat schauen lassen.“
Cotta glaubte eine Spitze gegen seine gelegentlichen Auskünfte über amtliche Kennzeichen zu hören.
„Also haben Sie ihm die Karte gezeigt, die mein Vorgänger seinerzeit ihrem Neffen ausgestellt hat.“, sagte Cotta. „Richtig. Und natürlich musste Mr. Kretschmer, ein korrekter Beamte wie er nun mal ist, darauf hinweisen, dass Hauptkommissar Reynolds bereits pensioniert ist.“ Sie schnaubte unwirsch. Cotta verbiss sich ein Lächeln.
„Da musste ich eben zu dieser kleinen Notlüge greifen.“, schloss sie ihre Erklärung seiner Nachfrage. Begleitet mit einer Geste, die klarmachte, dass sie es nicht schätzte, unterbrochen zu werden, noch dazu durch eine so banale Frage.
Als sie schließlich am Ende der ganzen Geschichte angekommen war und Cotta endlich alle Hintergründe verstanden hatte – nichts zuletzt dadurch, dass er Detective Clarence Bericht bereits eingehend studiert hatte – sah sie ihn auffordernd an.
„Eine wirklich ganz außerordentliche Geschichte, Mrs. Jonas. Der Hand zur Detektivarbeit muss in der Familie liegen.“ Bei Justus hätte er eine andere Formulierung gewählt. Etwas mit ‚Nasen in fremder Leute Angelegenheiten stecken‘. „Ich werde ihrem Neffen nichts davon erzählen, sonst fängt der auch noch an, in Mordfällen zu ermitteln. Das ist dann wohl doch eine Nummer zu gefährlich für den Jungen.“ Mathilda stimmte nickend zu. „Und auch Ihnen rate ich, die Polizeiarbeit in Zukunft der Polizei zu überlassen.“
Dass diese Ermahnung an ihr genauso abprallte wie an ihrem Neffen war Cotta sofort klar. „Und jetzt habe ich noch zu tun.“, schob er hinterher, als sie nur an seinem Tonfall wohl nicht erkannte, dass es Zeit zum Gehen war.
Mathilda Jonas blieb sitzen, sah ihn weiterhin an, als erwarte sie etwas von ihm.
„Ist noch was, Mrs. Jonas?“, fragte er also.
„Dir Karte von Kommissar Reynolds.“, sagte sie, „Werden sie meinem Neffen eine aktualisierte Version ausstellen? Eine, die auch jetzt noch gültig ist, wo sie das Amt übernommen haben?“
Cotta traute zunächst seinen Ohren nicht. Dann verengte er die Augen zu schmalen Schlitzen und versuchte herauszufinden, ob Mrs. Jonas ihn auf den Arm nehmen wollte. Sie blieb ganz ruhig.
„Dir Karten waren von Anfang an nur ein Scherz. Ein Detektivausweis aus einem Magazin ist nicht weniger gültig. Gewisse Leute haben sich dennoch davon beeindrucken lassen.“
„Mr. Kretschmer zum Beispiel.“, warf Mathilda ein. „Ja, Mr. Kretschmer zum Beispiel. Ein Beamter, der es eigentlich besser wissen sollte. Aber lassen wir das. Ich brauche nicht noch mehr Kopfschmerzen.“
Mathilda Jonas blieb unbewegt sitzen. Auch seine Sturheit hatte Justus wohl von seiner Tante übernommen. Bei ihr kam allerdings noch ein Blick dazu, der ganz anderen Leuten vermutlich das Fürchten lehrte. Clarence hatte so etwas angedeutet.
Cotta seufzte. „Meinetwegen. Aber nicht ihrem Neffen und seinen Freunden, sondern Ihnen werde ich so einen Ausweis ausstellen. Und nur Ihnen.“
Mit einem breiten Grinsen verließ Mathilda Jonas wenig später das Polizeipräsidium.
Drei Tage später fand sie in der Post einen dünnen Umschlag mit Kaffeefleck und hastig gekritzelter Anschrift. Die von Ms. Dylis sauber aufgeklebte Briefmarke konnte da auch nichts mehr retten.
Eine Karte aus Karton und ein Notizzettel fielen heraus.
„Da Sie das Wort ‚Junior‘ so gekonnt abgedeckt haben, habe ich mir erlaubt, ebenfalls ein Wort zu streichen. Gez. Cotta“
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Der Inhaber dieses Ausweise ist ehrenamtlicher Assistent und Mitarbeiter der Polizeidirektion von Rocky Beach. Die Behörde befürwortet jegliche Unterstützung von dritter Seite.
gez. Cotta, Inspektor; Leiter des Bereiches Strafverfolgung
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Mathilda musste grinsen. Einziger Wermutstropfen: Den Wettpool des Frauenklubs über den Vornamen des Inspektors würde sie damit immer noch nicht gewinnen.