Chapter Text
Die Enterprise erreichte pünktlich zum geplanten Zeitpunkt die Umlaufbahn der Erde. Nach zehn Jahren, die dieses Schiff Archers Zuhause gewesen war, sollte es nun ein Ausstellungsstück des Flottenmuseums werden. Der Moment, von dem er immer gewusst hatte, dass er eines Tages eintreffen würde und den er nie hatte wahrhaben wollen, war letztlich eingetroffen. Es war an der Zeit, sich von seiner Mannschaft zu verabschieden, die ihm über die Jahre wie eine Familie ans Herz gewachsen war.
„Öffnen Sie einen schiffsweiten Kanal, Hoshi“, bat Archer seine Linguistin. Er stand von seinem Kommandosessel in der Mitte der Brücke auf und warf jedem Anwesenden einen Blick zu.
„Kanal offen, Sir“, nickte Sato ihm zu.
„Crew der Enterprise, hier spricht der Captain.“ Im Grunde war es unnötig dies zu erwähnen, da jeder an Bord seine Stimme allzu gut kannte, aber auch in diesem Moment wollte er die Form wahren. „Wir haben soeben die Umlaufbahn der Erde erreicht. Bevor Sie nun alle von Bord gehen, um Ihre Familien und Freunde zu treffen oder neue Posten beziehen, möchte ich mich für die außergewöhnliche Zeit bei Ihnen allen bedanken. Es war mir eine Ehre, das vergangene Jahrzehnt mit Ihnen zu dienen. Es waren nicht immer nur schöne Zeiten, aber dadurch sind wir zusammen geschweißt worden. Für Ihren weiteren Lebensweg wünsche ich Ihnen das Beste. Hiermit erteile ich Ihnen allen die Erlaubnis von Bord gehen zu dürfen. Leben Sie wohl.“ Er hasste Reden, aber Abschiede noch viel mehr. Auf der einen Seite war er erleichtert, dass sein Kommando über die Enterprise und die damit verbundene Verantwortung heute zu Ende ging, auf der anderen war er unendlich traurig darüber.
Niemand auf der Brücke rührte sich von seinem Posten. Archer sah sich um, blickte in die Gesichter seiner Führungsoffiziere und sah überall das selbe Gefühl. Niemand wollte den ersten Schritt tun und der erste sein, der die Brücke verließ. „Habe ich undeutlich gesprochen?“, fragte Archer fast ein bisschen sarkastisch. „Sie dürfen von Bord gehen.“
„Ich habe schon gepackt, Sir. Auf den Andrang im Hangar und an der Luftschleuse habe ich keine Lust“, feixte Mayweather.
Reed schloss sich ihm an. „Eben. Sollen die anderen zuerst gehen.“
Auf dem Sichtschirm konnte man den regen Flugverkehr bereits sehen. Shuttles kamen von der Erde an und flogen voll besetzt wieder zu ihr zurück.
T’Pol erhob sich schließlich von ihrem Posten. „Ich werde Trip von der Krankenstation abholen und zum Shuttle begleiten.“ Es ging ihm schon besser als am Vortag, aber genesen war er noch lange nicht. Phlox hielt es für besser, wenn er noch ein paar Tage unter Aufsicht im medizinischen Zentrum der Erde versorgt wurde.
„Gute Idee“, pflichtete Archer ihr bei. „Sehen wir uns heute Abend?“
„Selbstverständlich, Captain“, erwiderte sie zuversichtlich. „Ich soll Ihnen von Trip noch etwas ausrichten.“
Archer runzelte neugierig die Stirn. „Ach ja? Und was?“
„Sie sollen nicht vergessen das Licht auszuschalten, wenn Sie als letzter von Bord gehen.“
Das entlockte Archer ein kleines Lachen. Trip kannte ihn einfach zu gut. Er wusste, dass Archer, wie es sich für einen Captain gehörte, definitiv als letzter die Enterprise verließ. „Versprochen“, gluckste er dann.
Als das Schiff wenige Stunden später sprichwörtlich menschenleer war und das letzte Transportshuttle im Hangar auf ihn wartete, machte Archer einen letzten Rundgang mit Porthos. Aber irgendwann musste auch er von Bord gehen. Das Unvermeidliche ließ sich nicht länger hinauszögern. Die Zeremonie würde in gut zwei Stunden beginnen und er wollte sich noch frisch machen und umziehen.
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„Sie sehen sehr … heroisch aus“, meinte T’Pol und hatte sichtlich Mühe ihre Sentimentalität zu verbergen.
Archer machte auf der Rampe kehrt, ging auf T’Pol zu und schloss sie aus einem Impuls heraus fest in die Arme. Er spürte, dass sie die Geste der tiefen Verbundenheit dankbar erwiderte.
Trip fehlte ihnen beiden in diesem wichtigen Moment sehr. Er würde, soweit Archer wusste, der globalen Übertragung vom medizinischen Zentrum der Sternenflotte aus zusehen. So gerne er Trip jetzt an seiner Seite gehabt hätte, so wusste er doch auch, dass sein Freund Ruhe und Erholung brauchte, um genesen zu können. Wichtig war nur, dass bei der letzten abenteuerlichen Mission, an die er selbst sich kein bisschen erinnern konnte, niemand ums Leben gekommen war. Unter seinem Kommando waren über die Jahre auch so schon zu viele gute Leute gestorben.
Und so atmete Archer noch einmal tief durch und sammelte seinen Mut, ehe er scheinbar entschlossenen Schrittes den Laufsteg betrat, der zum Zentrum des riesigen Palais vor das Plenum führte. Tosender Beifall begleitete ihn auf dem Weg zum Podium und steigerte seine Nervosität zusätzlich.
Vor dem Podium nahm er sich noch einen kurzen Augenblick der Kontemplation. „Hohes Haus, verehrte Gäste“, begann er dann ins Mikrofon zu sprechen und plötzlich verstummten die Menge. „Heute stehen wir hier an einem Wendepunkt in der Geschichte. Und wie es historische Tage verlangen, sollte man sie mit wohl überlegten und möglichst imposanten politischen Reden begehen. Lassen Sie mich ehrlich sein: Ich bin nie ein Politiker gewesen, also werde ich auch jetzt nicht versuchen, wie einer zu reden. Lassen Sie mich stattdessen von meinen Erfahrungen berichten. Es sind die Erfahrungen eines Captains der Sternenflotte.
Es ist jetzt mehr als zehn Jahre her. Am 16. April 2151 legte die Enterprise, NX-01, von der San-Francisco-Orbitalwerft ab. Sie war das erste Warp-Fünf-Raumschiff und bot damit der Menschheit erstmals die Chance, in die unendlichen Weiten des Alls aufzubrechen.
Die Vulkanier können es bezeugen: Wir waren Idealisten, voller Ungeduld, voller Neugier. Wir waren verträumt, aus heutiger Sicht vielleicht sogar etwas naiv. Wir wollten unbedingt glauben, dass uns hinter jedem neuen Stern etwas Wunderbares erwartet. Manchmal hatten wir Glück, und unsere Hoffnungen erfüllten sich. Doch ein Volk, das sich in den Weltraum aufmacht, wird sehr schnell erkennen müssen, dass es nicht nur einen Ort betreten hat, an dem alle Träume wahr werden. Der Weltraum ist auch ein Ort, an dem man seine Träume, seine Hoffnungen verlieren kann.
Schon bald mussten wir diese Lektion schmerzlich lernen. Die Xindi-Krise kostete sieben Millionen Menschen das Leben. Wir wurden in einen temporalen Krieg hineingezogen. Die Beziehungen mit den Klingonen entwickelten sich alles andere als rosig, und der Augment-Zwischenfall war eine widerhallende Warnung aus unserer Geschichte. Doch all das war nichts gegen den Kampf, der uns noch bevorstehen sollte. Der Satz ‚Wir kommen in Frieden‘ hatte für das Romulanische Sternenimperium keine Bedeutung. Im Verborgenen haben die Romulaner frühzeitig ihre Züge gemacht, Misstrauen gesät - und dann unerwartet zugeschlagen. Was bis dahin Alltag auf der Erde und anderen Welten gewesen war, endete abrupt.
Dieser Krieg hat alles verändert. Vier Jahre haben wir für unsere Ideale gekämpft, aber vor allem für unser Überleben – und wir haben gewonnen. Aber der Preis war hoch. Wir haben ihn in Blut bezahlt. Wenn heute die Charta unterzeichnet wird, deretwegen wir uns hier zusammengefunden haben, dann ehren wir damit auch die, die ihr Leben gegeben haben. Auf dass wir hier einen heiligen Eid schwören, dass diese Toten nicht vergebens gefallen sein mögen.
Soll das also unsere Bilanz gewesen sein? Die Bilanz des Aufbruchs der Menschheit zu den Sternen? Oh nein. Denn ich will Ihnen hier und heute auch eine andere Geschichte erzählen. Die Geschichte einer Freundschaft zwischen sehr unterschiedlichen Völkern. Sie versammelten sich an einem Tisch und fanden einen Weg, ihre Differenzen – die sie zwischenzeitlich aufzuzehren drohten – beizulegen und den Blick zu weiten auf das, was sie alle miteinander vereint. Vulkanier, Andorianer, Tellariten und Menschen.
Die Koalition der Planeten war dafür der erste Schritt. Eine Institution, in der friedliche Zusammenarbeit praktiziert wurde und wir uns aufmachten, miteinander nach Lösungen zu suchen. Schnell wurde mehr daraus: Wirtschaftliche Beziehungen blühten auf, politische Kooperationsprojekte entstanden. Doch über allem stand vor und während des Kampfes gegen die Romulaner der gemeinsame Schutz unserer Welten.
Heute schauen wir zurück, um dann nach vorne zu blicken. Wir alle sind nun gemeinsam in einer Vereinigten Föderation der Planeten. Sie stellt weit mehr dar als es die vorangegangene Koalition jemals gewesen ist. In der Föderation reichen wir uns endgültig die Hände und verschmelzen zu einer auf Dauer angelegten politischen Union. Hier, in diesem Haus – dem Palais de la Concorde – schaffen wir eine Regierung und einen Rat, die uns alle miteinander verbinden. Daraus spricht der Wunsch, voneinander zu lernen und eine bessere Zukunft zu schaffen.
Wir haben bewiesen, dass wir fähig sind, uns zu verändern, zu wachsen und uns über unsere eigenen Grenzen hinaus zu bewegen. Die Gründung der Föderation ist nicht das Ende, sondern der Anfang. Der Anfang einer Ära des Friedens, der Zusammenarbeit und der Entdeckung. Lasst uns gemeinsam die Sterne erkunden, neue Welten erforschen und uns bemühen, das zu schützen, was wir erreicht haben.
Möge die Vereinte Föderation der Planeten für immer ein Leuchtfeuer der Hoffnung sein, das in andere Winkel des Weltraums ausstrahlen wird. Ein Symbol dafür, was erreicht werden kann, wenn wir gemeinsam für das Gute eintreten. Lasst uns die Vergangenheit ehren, die Gegenwart feiern und die Zukunft mit offenen Armen empfangen.
Haben wir Vertrauen, dass sich die Dinge so entwickeln, wie sie sollen. Streifen wir die Furcht vergangener Tage ein für alle mal ab und öffnen unsere Herzen für Hoffnung und Zuversicht. Die Zukunft erwartet uns. Lernen wir, dem Wind dieser neuen Zeit zu vertrauen.“
Sobald seine Stimme verklang, folgte abermals donnernder Applaus. Die Mehrheit der Gäste erhob sich während des Beifalls sogar vor Begeisterung von den Plätzen. Archer stand reglos da, ließ die Anspannung der letzten Wochen mit jedem Atemzug ein Stück weit aus seinem Körper entweichen und war unglaublich erleichtert, dass er die Rede doch nicht vermasselt hatte.
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Zurück in der Vergangenheit der Erde nahm Dr. Sam Beckett wieder seine alte körperliche Gestalt an und fand sich endlich in der so lange herbeigesehnten Sprungkammer wieder. Allerdings war es, bei genauerer Betrachtung, nicht die selbe Sprungkammer, die er bei seinem ersten Sprung betreten hatte. Auch die fremden Gesichter, die ihm entgegen blickten, entsprachen nicht dem, was er erwartet hatte. Er sah Enttäuschung, aber auch Überraschung in den Gesichtern von mehreren Frauen und einem Mann. Oder waren es zwei Männer? Bevor er seine verwirrten Gedanken sortieren konnte verschwamm plötzlich sein Sichtfeld und ihm wurde furchtbar schwindelig. Seine Knie gaben unter ihm nach, ohne dass er es verhindern konnte.
„Das ist Sam Beckett“, hörte er noch eine der Frauen sagen, ehe ihn Dunkelheit umfing und er sich der Bewusstlosigkeit hinab.
Erst Tage später erwachte Sam in einem Einzelzimmer eines Krankenhauses. Neben seinem Bett saß ein dunkelhäutiger Mann, mit einer Brille auf der Nase, der ein Buch las. Als dieser bemerkte, dass Sam wach war, nahm er die Brille ab und ließ das Buch auf seinen Schoß sinken. Das Gesicht des Mannes kam Sam vage vertraut vor, aber er konnte nicht genau sagen, weshalb.
„Sam Beckett, willkommen zurück.“
„Zurück in der Vergangenheit?“, wollte Sam wissen. Er sah sich in dem Raum um. Die Geräte und Monitore wirkten so viel anders als er sie in Erinnerung hatte. Flacher, glatter, größer und die Anzeigen irgendwie deutlich farbenfroher und klarer. Was ihn aber noch viel brennender interessierte als die Veränderungen der gesamten Umgebung war: „Wer sind Sie eigentlich?“
„Herbert Williams“, stellte sich ihm der Mann vor und legte das Buch gänzlich beiseite. „Woran erinnern Sie sich, Sam? Ich darf Sie doch Sam nennen, oder?“
„Geschenkt“, winkte dieser ab. „Wer genau sind Sie?“
Der Mann schmunzelte aus einem Grund, den Sam nicht nachvollziehen konnte. „Ich leite das hiesige Quantum Leap Projekt, Sam. Und um ehrlich zu sein, sind Sie der Grund, weshalb ich es wieder ins Leben gerufen habe. Wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, war das kein Spaziergang …“
„Wieder ins Leben gerufen?“
Diesmal nickte der Mann nachdenklich. „Das ist jetzt vielleicht alles etwas viel auf einmal, Sam. Aber um es auf den Punkt zu bringen: das Projekt wurde damals nach wenigen Jahren eingestellt. Al Calavicci hat bis zu seinem Tod dafür gekämpft, es wieder zu beleben. Leider ohne Erfolg. Er war überzeugt, dass Sie Ihren Weg zurück finden würden, wenn Sie nur genug Zeit bekämen.“
„Al ist tot?“ Das erklärte zumindest, warum Sam ihn seit so langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Das und natürlich die Einstellung des Projekts. „Welches Jahr haben wir?“ Der andere Mann zögerte die Antwort sichtlich hinaus. „Welches Jahr?“, wiederholte Sam daher mit mehr Nachdruck.
Williams räusperte sich und seufzte. „Es ist 2022, Sam. Sie waren beinahe dreißig Jahre im Quantenstrom verschwunden.“
Sam wurde ganz schwarz vor Augen. Dreißig Jahre lang war er von Leben zu Leben gesprungen, ohne die Chance in seine eigene Zeitlinie zurückkehren zu können … So lange war es ihm nicht vorgekommen ...
„Das ist noch nicht alles“, sagte Williams, nachdem Sam in seinen Gedanken versank und holte ihn damit zurück in die Realität, die jetzt sein Leben war.
Eigentlich war Sam sich nicht sicher, ob er noch mehr verkraften konnte. Immerhin war sein letzter Sprung ein ganz besonderes Abenteuer gewesen. Der andere Mann nahm einen kleinen Handspiegel vom Nachtschrank neben Sams Bett und reichte ihm diesen. Zögerlich nahm er den Spiegel an und erwartete ein gealtertes Gesicht, wie das von Captain Archer, darin zu sehen. Aber stattdessen war er immer noch genauso jung, wie damals. „Wie …?“
„Wie das möglich ist?“ Williams schüttelte den Kopf. „Ihr Körper befand sich im Quantenfluss. Ian hat die Theorie aufgestellt, dass Sie deshalb während der letzten dreißig Jahre nicht gealtert sind.“
„Ian?“, hakte Sam nach.
„Ein Wissenschaftler aus meinem Team. Ein verdammt schlaues Köpfchen. Die Tochter Ihres Freundes Al war übrigens am Tag Ihrer Rückkehr ebenfalls in der Sprungkammer. Sie ist quasi in die Fußstapfen ihres Vaters getreten. Aber ich will Sie jetzt nicht mit zu vielen Details belasten. Sie müssen sich erst einmal von den Strapazen erholen. Sie brauchen jetzt Ruhe, Sam. Wir haben noch sehr viel Zeit, um uns zu unterhalten und ich bin gerne bereit, sämtliche Fragen zu beantworten, die Ihnen auf der Zunge liegen.“
So hatte Sam sich seine Rückkehr, weiß Gott, nicht vorgestellt. Williams hatte recht, er musste das alles erst mal verdauen. Aber so ungewohnt seine Umgebung und so fremd die Leute auch waren, er war wieder zuhause und was noch wichtiger war; er war endlich wieder in seinem eigenen Körper.
ENDE