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Fandom:
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Characters:
Additional Tags:
Language:
Deutsch
Collections:
Spatort Crew, tatort saarbrücken
Stats:
Published:
2023-02-02
Words:
975
Chapters:
1/1
Comments:
6
Kudos:
72
Bookmarks:
3
Hits:
312

Blut, Schweiß und Tränen

Summary:

Leo findet die Sporttasche. Und Adam keine Worte.

Work Text:

Adams Blick geht Leo durch Mark und Bein. Der abgewetzte Griff der Sporttasche juckt in seiner Hand, aber er kann nichts anderes machen, als diesen Blick erwidern. Panik, Schuld und Resignation spiegeln sich in diesen hellblauen Augen, die ihm beinahe vertrauter sind als seine eigenen.

Adam sieht aus wie ein Tier. Wie ein krankes, gepeinigtes Tier, das man so lange gehetzt hat, bis es sich freiwillig zum Sterben niederlegt. Nicht nur, weil er sich gerade mit Alina geprügelt hat, sondern wegen ihm. Wegen Leo. Und wegen dem, was er in der Hand hält. Weil es keinen Ausweg mehr gibt aus dieser Situation, in die er sich selbst hineinmanövriert hat.

Es klingt dumpf, staubig und irgendwie endgültig, als die Tasche auf dem Boden auftrifft, und Adam fährt bei dem Geräusch unwillkürlich zusammen.

„Warum?“ Mehr sagt Leo nicht, mehr kann er nicht sagen. Muss er ja auch nicht. Viele Worte sind zwischen ihnen immer überflüssig gewesen.

Adam leckt sich nervös die Lippen, der Blick zuckt hin und her. „Leo….“ Er muss sich räuspern. „Ich…fuck. Ich wollt’s dir sagen.“

„Ach ja?“ Leos Herz pocht irgendwo in seinem Kopf, in seiner Kehle. „Wann denn, Adam, hm? Wann? Bevor oder nachdem sie einen von uns deswegen abgestochen oder erschossen haben? Wie lange hättest du das noch weitergespielt?“

Jedes Wort scheint Adam zu treffen wie ein Peitschenschlag. Seine Schultern sacken nach vorn, und als er sich hektisch über das Gesicht fährt, verschmiert er das Blut, das ihm aus der Nase tropft. „Scheiße. Leo, ich –“

Aber Leo hat genug. Er macht ein paar Schritte auf Adam zu, sieht mit einer ekelerregenden, grausamen Befriedigung, dass Adam reflexartig vor ihm zurückweichen will. „Adam, sag mir einen – einen – guten Grund, warum du es mir nicht gesagt hast. Warum du mir anscheinend noch immer nicht vertraust, nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden haben.“

Ich trau ihm nicht. Er sagt uns nicht die ganze Wahrheit. Esthers Worte bei ihrem Gespräch auf dem Dach haben Leo enttäuscht, aber er erkennt jetzt, dass ihr Misstrauen berechtigt gewesen ist.

Adam kann ihn nicht ansehen. Seine Haut ist fahl, und Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. „Fuck“, stößt er irgendwann heiser aus. „Fuck, so eine verdammte Scheiße!“ Seine Hände ballen sich zu Fäusten, Leo kann deutlich sehen, wie die Knöchel weiß werden, wie sich die Fingernägel in die Haut graben. „Ich dachte einfach, ich könnte das allein regeln, ohne dich da reinzuziehen! Wenn ich dich in Gefahr gebracht hätte…das hätte ich mir nie verziehen.“ Ein Schweißtropfen läuft an seiner Wange entlang und landet auf dem Boden. Vielleicht ist es auch eine Träne.

„Klar, das ist natürlich Grund genug, um mir ins Gesicht zu lügen.“ Leo hat keine Kraft mehr. Er kann nicht mehr, und er fragt sich, warum er nicht schon längst gemerkt hat, wie müde und ausgelaugt er ist. Er wendet sich ab, lässt den Blick über das Fabriksgelände schweifen, ohne wirklich etwas davon zu sehen. Adams Atem neben ihm geht schnell und rau. Leo hat sich so oft gewünscht, Adams Atem neben sich zu hören, auf sich zu fühlen. So verdammt, verdammt oft. Jede Nacht, die auf diesem beschissenen unbequemen Sofa verbracht hat, hat er sich gewünscht, dass Adam endlich mal einen Schritt auf ihn zu machen würde. Nur einen einzigen. Dass er zu ihm kommt, dass er endlich zugibt, was da zwischen ihnen schwebt. Aber jedes Mal, wenn Leo etwas von dem, was er seit Jahren in sich trägt, offenbart, stößt Adam ihn weg. Jedes fucking Mal. Und es tut scheißweh.

Genug.

Leo erinnert sich an Pias Worte. Wenn ihr ein Paar wärt, dann wäre das ‘ne verdammt toxische Beziehung, weißt du das eigentlich? Damals hat er nur das Wort Paar gehört. Ein Paar. Er und Adam, Adam und er. Für einen winzigen Augenblick hat er das alles damals vor sich gesehen: gemeinsames Aufwachen am Morgen, Kuscheln, Unternehmungen, ein lachender, sorgenfreier Adam. Ein sonnendurchflutetes Luftschloss, so weit weg von der Realität wie es nur geht. Aber jetzt denkt Leo nur noch an das Wort toxisch. Adams Atem neben ihm ist leiser geworden und seltsam abgehackt. Leo weiß, wie es klingt, wenn Adam weint. Er weiß, wie es klingt, wenn jemand weint, der nicht weinen darf. Und er merkt, dass es ihn nicht mehr berührt, oder vielleicht nur noch ganz entfernt.

„Leo…“

Der Mittelpunkt meiner Welt, denkt Leo. Aber eben nur meiner. Da liegt Adam schon richtig.

„Leo, bitte.“ Adams Stimme klingt zerbrochen. Wie früher, im Baumhaus. Das wuterfüllte Geschrei von Roland Schürk rüttelt an Leos Erinnerung. Es ist so weit weg, und er ist so müde.

Mit dem Fuß schiebt er die Sporttasche durch den Staub, lässt sie über Steinchen und welke Grashalme ratschen, bis sie Adams schmutzige Sneaker berührt. Und Adam wird ganz still. Ganz, ganz still. Wie der Tod. Die Tasche steht jetzt zwischen ihnen wie eine unausgesprochene Anklage.

Leo sieht Adam an. Sieht seine riesigen, verängstigten Augen. Die verschwitzen Haarsträhnen, die verklebt in die Stirn hängen. Die trockenen, rissigen Lippen, das Blut an der Wange. Der fliegende Puls in Adams Halsbeuge, genau die Stelle, die Leo so gern mal geküsst hätte. Adam ist ein einziges Flehen, um Hilfe, um Absolution, Leo weiß es nicht. Es interessiert ihn auch nicht mehr.

„Dann musst du wohl allein weitergehen, Schürk“, sagt Leo ganz ruhig. Nicht kalt, nicht anklagend, sondern ganz sachlich. Eine Feststellung. Er macht ein paar Schritte von Adam weg, bleibt aber noch einmal stehen, als er seine Stimme hört.

„Lass mich nicht allein, Leo. Bitte.“ In Adams Kehle scheinen Glasscherben zu stecken.

Es muss Adam viel gekostet haben, diese Worte auszusprechen. Zu einem anderen Zeitpunkt, an einem anderen Tag… er hätte alles für ihn getan. Alles. Sein Leben hätte er für ihn gegeben, wenn es Adam geholfen hätte. Jetzt ist es dafür zu spät. Leo wendet sich zu Adam um, sieht ihn zittern und fühlt nichts dabei außer vielleicht vages Mitleid.

„Bis später im Präsidium.“