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Double, Double Toil and Trouble

Summary:

Adam und Vincent mischen sich undercover unter Theatergäste, um einen gesuchten Mann festzunehmen. Dabei müssen sowohl Adam als auch Vincent ihre Gefühle für den jeweils anderen konfrontieren.

Notes:

Für Kim, die das hier mitverursacht, inspiriert und einige Ideen geliefert hat <3 Und natürlich auch für den Kulturverein, der ebenfalls immer viel Inspiration liefert <3

Work Text:

Irgendwo hier musste er sein, gut getarnt zwischen all diesen Menschen in teurer Kleidung und noch teurerem Schmuck. Unauffällig sah Adam sich um. Er liess seinen Blick über die Menge schweifen, um den Mann ausfindig zu machen, den sie suchten. Leider hatte allerdings so in etwa die Hälfte aller männlichen Theaterbesucher grosse Ähnlichkeit mit dem Gesuchten: Mitte fünfzig, breitschultrig, angegraute Haare. Natürlich würde er nicht unter seinem richtigen Namen hier sein, aber ihnen war zu Ohren gekommen, dass er sich trotz der Fahndung gutes Theater einfach nicht entgehen lassen konnte. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hatte er eine eigene Loge, aber um diese zu erreichen, würde er sich dennoch einen Weg durch die Vorhalle bahnen müssen.

Aus diesem Grund schwitzte Adam jetzt hier in seinen schwarzen Anzug und musste so tun, als ob er in die Reihen der theaterversessenen Oberschicht gehörte. Leider war auch das Teil der Polizeiarbeit. Wobei sich manche Leute darüber zu freuen schienen. Vincents Gesicht hatte zumindest aufgeleuchtet, als Pawlak ihnen diesen Auftrag erteilt hatte. Er war bereits vor Adam hier gewesen und hatte ihm per Textnachricht mitgeteilt, er sehe sich eine Etage höher um.

Ungeduldig trommelte Adam mit seinen Fingern auf das Geländer der Treppe, an deren Fuss er stand. Dabei blitzte die teure Uhr auf, die er zur Feier des Tages – und vor allem, um die Tarnung zu komplettieren – ausnahmsweise einmal trug. Er konnte den gesuchten Kerl leider nirgends entdecken, dabei hatte er gehofft, dass das alles so schnell wie möglich über die Bühne gehen würde. Bevorzugt sogar noch bevor sie überhaupt eine Bühne zu Gesicht bekommen würden, denn Adam hatte nur wenig Lust, Macbeth über sich ergehen zu lassen.

Im selben Moment als Adam sich der Treppe zuwandte, um ebenfalls in der ersten Etage nach dem Gesuchten Ausschau zu halten, erschien Vincent am oberen Absatz der Treppe. Für einen Augenblick schien Adams Lunge vergessen zu haben, wie atmen funktionierte. Wie gebannt starrte er Vincent an. Dieser trug ein bodenlanges Abendkleid, dessen Farbe ihn an das Mittelmeer erinnerte. Vincents linke Schulter war komplett entblösst und um seine Taille war ein filigraner, silberbestickter Gürtel geschlungen. Der seidene Stoff umfloss seinen Körper schmeichelhaft und bewegte sich bei jedem seiner Schritte in wogenden Falten. Da Vincent sich auf die Treppe konzentrierte und zu Boden blickte, sah man seine dunklen Wimpern und den farblich perfekt abgestimmten Lidschatten besonders gut. Auf den marmornen Stufen hallte das Klacken seiner silbernen Schuhe wider. Die linke Hand auf dem Geländer schritt er die Treppe mit einer solchen Eleganz hinab, dass man ihn für ein Mitglied des Hochadels hätte halten können. Oder zumindest für einen Hollywood-Star der alten Schule. Vincents braune Locken, die ihm verspielt in die Stirn hingen, wippten bei jedem Schritt mit. In Adams Hand kribbelte es, als er sich unwillkürlich vorstellte, wie weich sie sich unter seinen Fingerspitzen anfühlen würden. Schlussendlich blieb Adams Blick an Vincents rosa Lippen hängen, auf welchen ein flüchtiges Lächeln lag. Noch nie zuvor war ihm aufgefallen, wie schön geschwungen sie waren. Zu gerne hätte er mit seinem Zeigfinger ihre Konturen nachgefahren, sanft und langsam, um dabei jede Erhebung zu spüren. Weich waren sie bestimmt auch. Weich unter seinen Fingern, weich auf seiner Haut, weich auf seinen eigenen Lippen…

Abrupt riss sich Adam aus seinem Tagtraum. Was zur Hölle war da gerade in ihn gefahren? Das war Vincent, sein verdammter Arbeitskollege! Ihm wurde schlagartig furchtbar heiss, ob vor Scham oder als Nachwirkung seiner Fantasien wusste er nicht. Nur eins war klar: Er musste hier weg. Kurzerhand drehte er sich um und stolperte in Richtung Toiletten davon. Dabei verfluchte er sich selbst. Vincents Anblick sollte ihn nicht so aus der Fassung bringen, Abendkleid hin oder her. Aber allein beim Gedanken an Vincent in dieser Aufmachung schien Adams Magen Purzelbäume zu schlagen. Reiss dich zusammen, Raczek! blaffte er sich selbst an und stiess dabei energisch die Türe zur Männertoilette auf.

Beim Waschbecken angekommen benetze er sein Gesicht mit etwas Wasser. Er betrachtete sich im Spiegel und fühlte sich plötzlich unglaublich albern in seinem Anzug. Vincent trug sein edles Abendkleid mit einer Selbstverständlichkeit und schien in seinem Element zu sein. Aber Adam? Adam war nicht für Anzüge und all diesen Schickimicki-Kram gemacht. Mit zittrigen Fingern versuchte er, seine Krawatte etwas zu lockern, denn langsam fühlte er sich davon erwürgt. Erst in diesem Moment bemerkte er, dass die Krawatte exakt dieselbe Farbe hatte wie Vincents Kleid. Und plötzlich verstand Adam, wieso Vincent ihn so schelmisch angegrinst hatte, als er ihm diese Krawatte über den Bürotisch geschoben hatte.

«Die soll ich tragen?», hatte Adam mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt.

«Ja. Sie wird dir stehen», hatte Vincent geantwortet und ihn mit leicht gesenktem Kopf von unten angesehen. Dagegen hatte Adam nichts mehr einwenden können.

Mit geschlossenen Augen, sich mit beiden Händen links und rechts vom Waschbecken abstützend, atmete Adam ein paar Mal tief durch. Einfach atmen, einfach die Luft spüren, wie sie in die Lunge strömt und dann wieder hinaus. Ein und aus. Es war doch völlig hirnverbrannt, dass er sich jetzt tatsächlich von Vincents Anblick erholen musste. Sie hatten sich vor ein paar Stunden noch gesehen und sich ganz normal unterhalten. Unter all dem glänzenden Stoff und den funkelnden Ohrringen war Vincent immer noch er selbst. Nach ein paar weiteren Atemzügen öffnete Adam die Augen und richtete sich auf. Mit nassen Fingern fuhr er sich kurz durchs Haar. So übel sah er gar nicht aus. Und eigentlich waren sie ja auch nicht hier, um schön auszusehen, sondern um einen Flüchtigen zu fangen. Adam reckte sein Kinn vor. Vincent würde ihn so nehmen müssen, wie er jetzt hier war. Dummer Gedanke, schoss es Adam durch den Kopf. Vincent muss dich gar nicht nehmen. Sie waren schliesslich nicht auf einem Date.

Den Gedanken an Vincent und Dates schob er beflissentlich zur Seite, um nicht erneut in Panik zu verfallen. Stattdessen nahm er ein Papiertuch und trocknete sich das Gesicht. Entschlossen sah er in seine eigenen Augen. Du reisst dich jetzt zusammen und gehst da wieder raus. Jetzt, wo er sich nochmals genauer betrachtete, musste er Vincents Einschätzung recht geben: Die Krawatte stand ihm tatsächlich sehr gut. Er würde sich nun alle Mühe geben, um sich wie einer dieser reichen Schnösel zu verhalten, die hier ein und aus gingen. Das war schliesslich seine eigentliche Aufgabe. Das Cover aufrechterhalten, alles unauffällig absuchen, den gesuchten Kerl finden und ihn schliesslich festnehmen. Das war der Plan und daran würde er sich halten, Vincents schwindelerregende Eleganz hin oder her.

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Vincent stand an der Theaterbar im Erdgeschoss und liess sich einen Sekt einschenken. Wo war Adam bloss? War er tatsächlich so stark verspätet? Er bedankte sich beim Kellner, der ihm das Sekt-Glas reichte. Noch einmal liess Vincent seinen Blick über die Menge schweifen, um sowohl nach dem Gesuchten als auch nach Adam Ausschau zu halten. Als er weder den einen noch den anderen entdecken konnte, gab er es auf und nippte stattdessen an seinem Glas. In diesem Moment fiel Vincent eine Gestalt ins Auge, die sich zielsicher einen Weg durch die Menge bahnte. Es war Adam. Adam in einem schwarzen Anzug, Adam in der blau-grünen Krawatte, die Vincent ihm gegeben hatte. Adam, der selbstsicher auf ihn zusteuerte.

Der Schluck Sekt, den Vincent soeben aus seinem Glas genommen hatte, verirrte sich in seine Luftröhre und landete schliesslich auf Hemd und Weste des Kellners. Dieser blickte ihn missbilligend an, sagte aber nichts. Hustend entschuldigte sich Vincent und versuchte, mit einer Serviette den angerichteten Schaden zu trocknen. Noch während er dies tat, schweifte sein Blick wieder zu Adam, der nun nur noch wenige Meter von ihm entfernt war. Vincent konnte allerdings kaum glauben, dass er tatsächlich Adam vor sich hatte. Es war nicht nur der ungewohnte Anblick, ihn in dem eleganten Anzug zu sehen, sondern auch die Ausstrahlung, die ihn jetzt umgab. Er schien ein neues Selbstbewusstsein gefunden zu haben. Beides kombiniert löste in Vincent Gefühle aus, die er lieber nicht während der Arbeit gehabt hätte und wenn möglich auch nicht seinen Arbeitskollegen betreffend. Den Blick noch immer auf Adam geheftet, nahm er am Rande wahr, wie der Kellner ihm die Serviette aus der Hand riss und ihn von sich schob. Vincent wurde gerade wieder von einem Hustenanfall geschüttelt, als Adam vor ihm stehen blieb. Er sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an und klopfte ihm auf den Rücken.

«Alles gut bei dir?», fragte er.

Vincent nickte, bevor sein Husten schliesslich abebbte. «Hab mich nur verschluckt.» Er schenkte Adam ein Lächeln und hoffte, dass es nicht zu viel davon Preis gab, was gerade in ihm vorging.

«Du hattest recht, die Krawatte steht mir gut», sagte Adam, und Vincent glaubte schon fast, sich verhört zu haben. Hatte Adam ihm gerade Recht gegeben und gleichzeitig sich selbst ein Kompliment gemacht?

Statt sich die Ungläubigkeit anmerken zu lassen, antwortete Vincent mit einem Grinsen: «Ja, habe ich dir doch gesagt.» Dabei schlug er spielerisch mit der Rückseite seiner flachen Hand gegen das Revers von Adams Anzug. Es überraschte ihn, dass es anscheinend aus Samt war. Noch bevor ihn sein Verstand oder seine Impulskontrolle hätte zurückhalten können, strich er zärtlich mit seinen Fingerspitzen darüber und sagte: «Das ist schön weich.» Als sein Blick Adams kreuzte, glaubte er, darin ähnliche Emotionen zu erkennen, die ihn gerade selbst erfüllten. Hastig zog Vincent seine Hand wieder zurück. «Entschuldige, ich… äh…» Er blickte zu Boden und räusperte sich.

«Komm, wir sollten unseren Theaterliebhaber suchen gehen», sagte Adam. Vincent nickte, froh über den Ausweg, den Adam ihm aus dieser Situation bot.

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Trotz verzweifelter und gleichzeitig möglichst unauffälliger Suche konnten sie den Gesuchten nicht finden. Wohl oder übel mussten sie sich also in die reservierte Loge begeben, die angeblich den besten Überblick über den gesamten Theatersaal bot. Adam liess seinen Blick über die Gäste im Parkett schweifen, während Vincent, mit einem kleinen Opernglas bewaffnet, die Logen und oberen Ränge absuchte. Leider wurde dies durch die schlechten Lichtverhältnisse erschwert, als das Stück begann. Also ergab sich Adam seinem Schicksal und richtete seine Aufmerksamkeit widerwillig auf die Bühne. Der Schauspieler, der den Macbeth spielte, hatte eine fast erschreckende Ähnlichkeit mit Vincent.

«Hast du einen Zwillingsbruder, oder was?», flüsterte Adam Vincent zu.

«Nee», flüsterte dieser grinsend zurück. «Aber es hat mich tatsächlich einmal jemand auf der Strasse angesprochen und gefragt, ob ich nicht der Schauspieler aus Macbeth sei.»

So viel Nacktheit hatte Adam in einem Theater nicht erwartet und es half nicht gerade, dass zu dem nackten Körper ein Gesicht gehörte, dass Vincents zum Verwechseln ähnlichsah. Trotzdem schob Adam die Hitze, die ihm daraufhin ins Gesicht stieg, auf seinen warmen Anzug. Recht bald darauf folgte eine Pause und Adam rauschte nach draussen auf die Terrasse des Theaters unter dem Vorwand, dort nach dem Gesuchten Ausschau halten zu wollen. Draussen angekommen sog er die frische Luft tief in seine Lungen. Er begriff nicht, was gerade mit ihm geschah. Wieso war ihm ständig so heiss? Wieso fühlte sich sein Magen jedes Mal an, als würde er gerade auf einer Achterbahn durchgeschüttelt, wenn er auch nur einen Blick auf Vincent in seinem Abendkleid erhaschte?  Eigentlich wollte er darüber gar nicht allzu genau nachdenken, denn dann müsste er auch darüber nachdenken, wie er bereits in den letzten Monaten ein paar Mal solche Gefühle in Zusammenhang mit Vincent gehabt hatte. Entschieden schob Adam diese Gedanken von sich. Vincent war sein Arbeitskollege und zu alledem ein Mann und Adam stand nun einmal nicht auf Männer. Was auch immer also da in Adam rumorte, es konnte und sollte keine Zukunft haben.  

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Kaum waren die Lichter im Theater wieder angegangen, war Adam auch schon verschwunden und hatte Vincent in der Loge allein zurückgelassen. Gut, dann würde er sich eben auf den Gängen etwas umsehen. Und siehe da, nur wenige Schritte von ihrer eigenen Loge entfernt lief ihm der Gesuchte über den Weg. Dieser ging schnurstracks zur Toilette und war sogleich darin verschwunden. Vincent wollte nicht riskieren, den Mann hier festzunehmen und ihn bei einer Flucht in der Menge zu verlieren. Er beschloss kurzerhand, einen uralten Trick anzuwenden. Er schnappte sich dazu ein Glas Sekt und positionierte sich strategisch bei einer Säule in der Nähe der Toilette. Als der Gesuchte aus der Tür trat, zog sich Vincent hinter die Säule zurück und machte genau dann einen Schritt dahinter hervor, als der Mann daran vorbei ging. Dabei stiessen sie zusammen und der Sekt landete auf Vincents Kleid.

Vincent schrie leicht auf und sah an sich herunter. «Ach herrjeh!» Dann blickte er auf und sah den Mann vor sich an. «Oh, bitte entschuldigen Sie», sagte er.

Der Gesuchte sah ihn prüfend an, schien zu einem Entschluss zu kommen und sagte dann: «Nein, entschuldigen Sie, ich habe Ihr Kleid ruiniert. Und dazu noch Ihren Champagner verschüttet. Kann ich Ihnen zur Widergutmachung einen neuen offerieren?»

«Ach nein, es war ja meine eigene Unvorsichtigkeit», versuchte Vincent abzuwinken. Er pokerte hoch, das war ihm bewusst, aber er musste schliesslich überzeugend sein.

«Ich insistiere», sagte der Mann.

«Oh, na gut, ich danke Ihnen», sagte Vincent gespielt verlegen. Zusammen gingen sie zur Theaterbar, wo der Gesuchte zwei Gläser Champagner bestellte.

«Sind Sie ganz ohne Begleitung hier?», fragte der Mann und Vincent glaubte, in seinen Augen einen hungrig-lauernden Ausdruck zu erkennen.

«Nun, meine Begleitung musste leider nach dem dritten Akt das Theater verlassen. Das heisst, ich bin nun wohl tatsächlich allein hier.» Er schenkte dem Mann ein Lächeln.

«Wollen Sie mich zu meiner Loge begleiten?», fragte dieser. Der Ausdruck in seinen Augen verstärkte sich und nun stieg Nervosität in Vincent auf. Er begab sich hier auf dünnes Eis und machte wieder einmal einen Alleingang. Aber er konnte auch nichts dafür, dass Adam ihn einfach hatte stehen lassen. Die Loge des Gesuchten zu kennen konnte auf jeden Fall nur von Vorteil sein.

«Gerne», nahm er das Angebot also an. Die beiden machten sich auf den Weg und der Mann legte seine Hand auf den unteren Teil von Vincents Rückens. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Er würde in der Loge wohl schnell handeln müssen.

«Bitte, nach Ihnen», sagte der Mann, als sie dort angekommen waren. Vincent trat ein, liess sich auf einem der Sitze nieder und stellte das Champagner-Glas auf einem kleinen Beistelltisch ab. Der Gesuchte tat es ihm gleich. «Wie gefällt Ihnen das Stück bis jetzt?», fragte er.

«Oh, sehr gut», sagte Vincent, während er sich das Gehirn zermarterte, wie er schnell und unauffällig genug an seine Dienstwaffe und an seine Handschellen kommen konnte. Beides war durch je ein Beinholster an der Innenseite seiner Oberschenkel befestigt. Doch so lange der Gesuchte seine Aufmerksamkeit vollständig auf ihn gerichtet hatte, gab es keine Chance, sie in nützlicher Frist zu erreichen. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, legte er nun seine Hand auf Vincents Oberschenkel. Zentimeter für Zentimeter liess er sie hinaufwandern, bis er schliesslich gegen den Griff von Vincents Dienstwaffe stiess. Vincent hielt die Luft an.

Doch statt aufzuspringen oder eine eigene Waffe zu zücken, grinste der Gesuchte ihn an. «Ich sehe, Sie sind genau so aufgeregt wie ich.»

Vincent hätte beinahe laut aufgelacht. Doch seine Erleichterung war von kurzer Dauer, denn lange konnte und wollte er diese Scharade nicht mehr aufrechterhalten. Der Mann lehnte sich in seine Richtung, um ihn zu küssen. Vincent sah sein Gesicht näher und näher kommen und wusste, dass er jetzt nicht zurückweichen konnte. Verzweifelt schloss Vincent die Augen, um ihn dabei wenigstens nicht ansehen zu müssen.

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Adam begab sich wieder ins Theater, um bei der Suche weiterzuhelfen. Er liess seinen Blick schweifen, der schliesslich an zwei Personen hängen blieb, die sich gerade von der Bar entfernten. Die eine konnte er als Vincent identifizieren, auch wenn er ihn nur von hinten sah. Der Mann neben ihm legte seine Hand auf Vincents Rücken, was in Adam sofort eine irrationale Wut aufsteigen liess. Wie konnte dieser Mann es wagen, Vincent so anzufassen? Und wieso erlaubte Vincent ihm dies? Da kam ihm der Gedanke, dass es sich bei dem Mann um den Gesuchten handeln könnte. Schnell versuchte er nun ihnen zu folgen. Doch das war gar nicht so einfach, denn unzählige Theatergäste standen ihm im Weg.

Schliesslich hatte er sich aber durch die Menge gekämpft und sah weit hinten im Gang des Theaters gerade noch den Mann in einer Loge verschwinden. Mit schnellen Schritten ging Adam darauf zu. Was hatte der Kerl mit Vincent vor? Unschöne Bilder stiegen in Adam auf, worauf hin er zu rennen begann. Sein Herz hämmerte ihm in der Brust. Wieso hatte er Vincent nur allein gelassen? Wenn ihm irgendetwas passierte, wäre es seine Schuld! Als er endlich bei der Loge angekommen war, riss er panisch die Vorhänge auf. Er konnte gerade noch sehen, wie das Gesicht des Gesuchten nur noch wenige Zentimeter von Vincents entfernt war, bevor er aufsprang und Adam empört anblickte.

«Was soll das?», grollte er.

Doch dann hatte Vincent blitzschnell seine Dienstwaffe gezückt und rief: «Hände über den Kopf und keine Bewegung!»

Der Mann war für einen Moment komplett perplex und sah Vincent ungläubig an, bevor er schliesslich ruckartig auf Adam zustürmte. Er kam nicht weit, denn Vincent warf sich von hinten auf ihn und drückte ihn zu Boden. Vincent schob sein Kleid hoch, bis ein mit Riemen befestigtes Beinholster zum Vorschein kam, woraus er Handschellen entnahm, die er dem Gesuchten anlegte. Adam stand hilflos daneben und konnte seinen Blick nicht von Vincents entblösstem Bein lösen. Ober- und Unterschenkel bildeten einen rechten Winkel und Vincents Fuss, noch immer im filigranen hochhackigen Schuh steckend, war in kräftiger Bestimmtheit fest auf dem Boden abgestellt. Die Riemen des Holsters waren eng um seinen Oberschenkel geschlungen, was noch dadurch verstärkt wurde, dass scheinbar jeder Muskel seines Beins angespannt war. Mit dem anderen Bein kniete er zwischen den gespreizten Beinen des Gesuchten, der sich immer noch hin und her wand. Dieser Anblick löste in Adam einmal mehr etwas aus, was er wieder in die Tiefen seines Unterbewusstseins zu verbannen versuchte. Aber die Hitze, die ihm in die Wangen stieg, konnte er nicht so leicht vertreiben.

«Wärst du so lieb und könntest mir mal helfen?», fragte Vincent mit gereizter Stimme. Damit löste sich Adam aus seiner Schockstarre und packte mit an, um den Mann auf die Beine zu hieven.

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Vincent lehnte mit verschränkten Armen an ihrem Dienstwagen und rauchte. Adam stand neben ihm, den Blick stur nach vorne gerichtet. Vincent hielt ihm die Zigarettenschachtel hin, aber Adam schielte nur kurz herüber und schüttelte dann den Kopf.

«Was ist denn los?», fragte Vincent.

«Gar nichts», brummte Adam. «Pass das nächste Mal einfach besser auf dich auf, ja?» Damit stiess er sich vom Auto ab. «Komm, ich fahr dich jetzt nach Hause.»

Vincent rührte sich nicht. «Ich mache einfach nur meinen Job, Adam. Was hätte ich den tun sollen, ihn einfach davonkommen lassen?»

«Du hättest ihm unauffällig folgen können? Die Logennummer herausfinden und mich informieren können? Stattdessen schmust du mit diesem Kerl rum und riskierst, enttarnt zu werden!»

Vincent runzelte die Stirn. Vielleicht gehörte das Pläneschmieden tatsächlich nicht zu seinen Stärken. «Du hast ja recht, Adam. Aber in dem Moment habe ich das getan, was mir am erfolgversprechendsten erschien. Zugegebenermassen habe ich das Ganze nicht zu Ende gedacht, aber wir haben ihn ja gefasst, oder?» Er sah Adam mit leicht gesenktem Kopf an. Normalerweise besänftigte ihn das, aber jetzt schnaubte er nur.

«Ja, wir haben ihn gefasst. Aber wusstest du, dass er eine Waffe auf sich trug? Die hätte er viel schneller zücken können als du deine! Du hättest in ernsthafte Gefahr geraten können! Aber natürlich, Herr Ross musste ja das Bond-Girl spielen, nicht wahr?» Adam kickte heftig gegen einen Kieselstein, der nun klackernd über den Bürgersteig kullerte.

Vincent nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und sagte: «Es ist ja lieb, dass du dir Sorgen machst, aber ich kann auch nichts dafür, wenn deine Fantasie mit dir durchgeht.»

Mit einem Mal huschte ein erschrockener Ausdruck über Adams Gesicht. «Was meinst du?»

«Naja, du musst dir halt nicht die schlimmsten Dinge ausmalen, die mir hätten passieren können, sie sind ja nicht passiert. Und das nächste Mal werde ich besser aufpassen, mehr nachdenken und dich hinzuziehen.»

Adam schien das zu beruhigen, denn er atmete auf. «Ach so, ja, okay, na gut», murmelte er. Vincent bot ihm seine Zigarette an und diesmal ging Adam darauf ein.

Nachdem sie zusammen die Zigarette fertig geraucht hatten, fuhr Adam Vincent nach Hause. Er bestand sogar darauf, ihn bis vor die Haustür zu begleiten. Als sie gemeinsam in Richtung seines Wohnblocks trotteten, musste Vincent gähnen. «Ich bin echt hundemüde.»

«Kein Wunder nach der ganzen Aktion», schnaubte Adam.

«Aber trotz allem haben wir das heute doch gar nicht schlecht hingekriegt, oder?», versuchte Vincent den Abend versöhnlich abzuschliessen, als sie vor der Tür angelangt waren.

«Jaja», brummte Adam, lächelte aber dabei.

Vincent bemerkte, dass sich Adams Krawatte im ganzen Tumult des Abends gelöst hatte und sie verrutscht war. Ohne nachzudenken, rückte er sie zurecht. Erst als er sie noch einmal über Adams Brust glattstrich, wurde ihm bewusst, was er da gerade tat. Er hielt in seiner Bewegung inne und suchte Adams Blick. Dieser sah ihn mit leicht geöffnetem Mund an, während der Ausdruck in seinen Augen ihn unglaublich verletzlich wirken liess. Es war, als gewähre er Vincent einen Blick in sein Inneres, als öffne er sich ihm zum allerersten Mal. Vincent wich nicht zurück, sondern legte beide seine Hände sanft auf das samtene Revers von Adams Anzug. Als Adam seine Hand auf Vincents Wange legte, konnte Vincent fühlen, dass er zitterte. Schliesslich lehnte Adam sich vor, bis sich ihre Lippen berührten. Zuerst spürte Vincent Adams Lippen nur ganz zart auf seinen, so als fürchte Adam, sie seien vielleicht zerbrechlich. Doch dann suchte Adam mehr Nähe, liess seine Hand in Vincents Haare im Nacken gleiten und drückte seine Lippen stärker gegen Vincents. Bevor Vincent darauf reagieren konnte, hatte Adam sich bereits wieder zurückgezogen und stand nun eine Armeslänge von ihm entfernt.

«Es tut mir leid, Vincent, das hätte ich nicht tun sollen.» Er wich Vincents Blick aus, bevor er sich umdrehte und ein paar Schritte Richtung Dienstwagen machte.

«Adam warte.» Adam blieb stehen, hatte Vincent aber noch immer den Rücken zugekehrt. «Es war schön heute. Das sollten wir bei Gelegenheit wieder einmal machen. Gute Nacht.» Mit diesen Worten drehte sich nun Vincent um, öffnete die Haustür und verschwand ins Haus.

Er wusste, dass dieser Kuss alles zwischen ihm und Adam ändern würde und er war sich bewusst, dass deswegen wohl so einige Schwierigkeiten und Mühsale auf sie beide zukommen würden. Aber Vincent beschloss, dass das an diesem Abend keine Rolle spielte. An diesem Abend wollte er nur daran denken, wie verletzlich Adam ihn angesehen, wie zärtlich er ihn geküsst hatte und wie sich Adams Hand in seinen Haaren angefühlt hatte. Um alles andere würde er sich morgen kümmern.