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Hinter Gittern! Bishis im Knast - Bonuskapitel

Chapter 3: Der Sommer mit Ruri

Notes:

Hallo meine lieben, unvorbereiteten Leserleins

Hier ein kleines Leckerli zwischendurch ^________^

Zeitliche Einordnung: Lange vor BiK
Charas: Uriel x Zaphikel
Grund: Keinen besonderen. Ich habe das vor zig ziemlich genau 10 *hust* Jahren angefangen zu schreiben, dann vergessen, beim Aufräumen vor ein paar Tagen wiedergefunden und da es schon zu etwa 60% fertig war und ich gerade Bock hatte, habe ich es fertig getippt ^^ ihr müsst es nicht lesen um der Haupt-FF zu folgen.

Ansonsten wünsche ich viel Spass!

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text


"Unteroffizier Uriel, der General möchte Sie sprechen."
"Wir sind mitten im Training, ich gehe später." entgegnete der Angesprochene teilnahmslos und quittierte stattdessen das hoffnungsvolle Aufblitzen in den Augen seiner Mannschaft bei der Aussicht auf eine kleine Pause während seiner Abwesenheit mit einem warnenden Blick. Sie waren schon seit zwei Stunden hier und erst drei waren vor Erschöpfung zusammengebrochen, sie hatten noch einiges zu tun. Der herbstliche Regen, der seit Wochen wütete, hatte den Boden völlig aufgeweicht und schrie geradezu danach als morgendliche Trainingseinheit, auch bekannt als Schlammdusche, missbraucht zu werden.

Der junge Soldat streckte seinen Rücken noch mehr durch und holte tief Luft, bevor er erneut ansetzte:
"Sir, der General hat ausdrücklich Ihre unverzügliche Anwesenheit verlangt und sagte - ich zitiere -  'sollte er sich querstellen, schleife ihn gefälligst an seinen Haaren herbei’.", nun wandte sich Uriel doch gänzlich um, mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem hörbaren Schnauben. Es war nicht unüblich, dass der General solche unmanierlichen Befehle gab, aber bisher war noch jeder Überbringer anständig genug gewesen, sie so umzuformulieren, dass Uriel nicht völlig blossgestellt wurde. Vor allem nicht vor seinen Männern.

Der etwas schmächtige, blonde Mann schluckte einmal und wich Uriels stechendem Blick aus. Der General hatte in den höchsten Tönen von ihrem Neuzugang gesprochen, Uriel konnte bisher noch nicht sehen, wieso. Bisher zeichnete sich das Kerlchen hauptsächlich durch einen stetigen Fettnäpfchenmarathon aus.
"Wie war dein Name noch mal, Soldat?"
"Katan."
"Wie war das?"
"Sir, Katan, Sir!", korrigierte er sich sogleich mit einem Räuspern und einem Salutieren, "Der General hat übrigens erwähnt, Sie sollen sich sputen, da es sich um eine Angelegenheit von äusserster Dringlichkeit handelt."
"Habe ich um ein weiteres Zitat des Generals gebeten?"
"Das war eigentlich kein Zit-...", der naive Frischling stockte als er die vielen beschwörenden Blicke und Handgesten der Männer im Schlamm hinter Uriel sah, "Hkm, ich meine, Sir, nein, Sir!"

Uriel seufzte auffällig. Es war ihm unbegreiflich, wie jemand, der noch nicht mal fähig war sich die korrekten Umgangsformen mit Vorgesetzten zu merken, überhaupt hier aufgenommen werden konnte.
"Weitermachen, bis keiner mehr stehen kann!", befahl der Grössere, ohne sich zu seiner Gruppe umzudrehen. Mit einem bedrohlich langsamen Schritt setzte Uriel sich zu Katans Erleichterung endlich in Bewegung. Der Blonde wagte es jedoch nicht sich aus seiner salutierenden Haltung zu bewegen bis Uriel es ihm erlauben würde. Es sah gerade allerdings nicht so aus, als hätte er eben jenes vor.

Auf seiner Höhe angekommen, lehnte sich der Schwarzhaarige leicht zu dem weiterhin starr nach vorn in den Regen starrenden Soldaten:
"Da du kaum die Probezeit überstehen wirst und wir beide weder jetzt noch in Zukunft viel miteinander zu tun haben werden, spare ich mir den Atem für eine angemessene Massregelung. Jedoch werde ich höchstpersönlich um deine Versetzung in meine Gruppe verlangen, solltest du mich noch einmal unangemessen ansprechen.", die Augen des nun eingeschüchterten Blonden fanden die seiner Kameraden im Dreck, deren mitleidige Blicke bereits seine Aufnahme in ihrer Mitte vorhersagten.

~^~^~^

Uriel stand minder motiviert vor der grossen Eichentür, mit einer goldenen Klinke und dem überflüssig markanten Namensschild. Als ob dieses Büro eine Benennung nötig hätte. Er sah noch mal kontrollierend an sich herab, richtete die Krawatte, strich über die Ärmel des schnell übergeworfenenen Dienstanzuges und ein paar feine Härchen an seinen Schläfen hinter die Ohren. Er trug sie im Dienst nie offen, da er es bereits als auffallend genug erachtete, dass er sie im Gegensatz zu seinen Kollegen nicht kurz schneiden musste, oder eher aufgrund seines Stammbaumes, nicht durfte.

Mit einem letzten geräderten Ausschnaufen, klopfte er zweimal und griff nach der Klinke.
"Unteroffizier Uriel meldet sich z-...", der Schwarzhaarige stockte beim Anblick des leeren Bürostuhls. Es war ein seltener Anblick, manch einer könnte meinen ihr General wäre mit diesem Stuhl verheiratet. Er trat gänzlich ein und spähte hinter die Tür zur kleinen Bibliothek.
"General?", keine Antwort. Uriel schloss die Tür und betrachtete den ebenfalls unnötig grossen Tisch. Ein Stapel Papiere zur Rechten, der Bildschirm auf Stand-By, der Gestank von frischen Zigarrenrauch noch in der Luft. Weit konnte er nicht sein.

"Erst stressen, dann mich warten lassen...".
"Wie meinen?"
"Was zum...", Uriel wandte sich überrascht zum Fenster, wo doch tatsächlich der General stand. Steif wie ein Turm, mit verschränkten Armen vor der Brust schien er gerade eben keiner anderen Tätigkeit nachgegangen zu sein, als nachdenklich nach draussen zu sehen.
"Was machst du da?", Uriel konnte seine Verwunderung über diesen Anblick nicht unterdrücken. In all den Jahren hatte er den General nie nichts tun sehen. In dessen Welt sollte man Zeit zum Nachdenken gefälligst mit anderen, nützlichen Aktivitäten verbinden.

"Was soll dieser Ton? Hast du vergessen, wie man mit Vorgesetzten spricht?", der Ältere wandte sich mit strenger Miene gänzlich zu Uriel, die langen, offenen Haare bewegten sich dabei wie ein seidener Umhang um seine Schultern und gaben ihm etwas Königliches. Sie hatten schon einen leichten Graustich, vor allem um das hohe Haupt.
"Im Gegensatz zu deinem blonden Haussklaven; nein, ich habe es nicht vergessen, ich ignoriere es absichtlich. Daher noch mal: Was machst du da?"

Der General rollte die Augen ab Uriels anmaßenden Ton und stiess energisch die Luft aus, während er sich in Bewegung setzte und seinen majestätischen Bürotisch in der Grösse eines Doppelbettes anpeilte.
"Ich bin heute nicht in der Stimmung für dein spätpubertäres Geplänkel, also bemühe dich gefälligst dich deinem Alter und Rang entsprechend zu benehmen."
"Heisst, wir verschieben unseren Schlagabtausch auf das nächste Familienfest."
"Das wäre dann Weihnachten."
"Oh gut, das vermiese ich unserer bornierten Verwandtschaft am liebsten.", Uriel kam ebenfalls zum Tisch und liess sich auf dem Ledersessel gegenüber seines Vaters nieder.

Dieser liess einen prüfenden Blick über seinen einzigen Sohn wandern. Uriel hatte aufgegeben sich zu fragen, was genau sein alter Herr sich dabei dachte und tat es meist als Manifestierung von Dominanz ab. Es beeindruckte ihn nicht mehr, aber er empfand es als unangenehm. Nach einigen langen Sekunden des gegenseitigen, stummen Anstarrens, tippte der General auf seine Tastatur und der Bildschirm erhellte sein Gesicht:

„Die Resultate der halbjährlichen Leistungsüberprüfung zeigen, dass deine Soldaten mit Abstand die besten waren und gemäss Evaluation ist dies auf deinen Führungsstil zurückzuführen.“
„Das ist weder überraschend noch ein Grund mich von meinem Training mit eben diesen Männern wegzuholen.“
„Natürlich nicht. Als mein Sohn ist Bestleistung das zu erwartende Minimum. Auch bei deiner individuellen Prüfung hast du die volle Punktzahl erreicht.“, oha, dies war das absolute Höchste der Gefühle, das Uriel als eine Art Lob erwarten konnte. Den jüngeren Uriel hatte es immens gestört, mittlerweile war er aber zu abgestumpft um sich an den Worten oder dem blasierten Ton zu stören.

„Wieso hast du mich dann holen lassen? Wolltest du deinen Laufburschen unnötig quälen?“
„Nein. Ich sehe ich es nicht als Leistung an, deine frühmorgendliche Laune zu ertragen, auch wenn du dir bisher äusserst viel Mühe damit gegeben hast, meinem Assistenten Angst einzujagen.“
„Och, hat er sich beschwert?“
„Mach dich nicht lächerlich, er ist nicht verrückt.“, mit diesen Worten tippte sein Vater die Entertaste und der Bildschirm ging wieder auf Standby, „Zurück zum Grund dieses anstrengenden Treffens: Da deine Leistungen – wie erwartet – herausragend sind, hast du offensichtlich genug Zeit zur Verfügung, weswegen ich dir ein Spezialprojekt übertrage.“, bei diesen Worten schnaubte Uriel hörbar aus.

‚Spezialprojekt’ bedeutete üblicherweise jemand Wichtigem einen Gefallen zu tun. Es konnte von Spionage für Regierungsträger bis hin zu Eliminierung von potenziell gefährlichen – oder schlicht unliebsamen – Individuen alles bedeuten. Die Korruptionsmöglichkeiten waren endlos und sein Vater weihte ihn selten in die Hintergründe ein, weswegen Uriel sich weigerte bestimmte Aufträge anzunehmen.
„Du weißt genau, dass ich kein Freund deiner ‚Spezialprojekte’ bin.“
„Keine Sorge, selbst du wirst diesem Auftrag kein moralisches Dilemma abringen können.“, das wäre ja mal etwas Neues. Der Jüngere legte den Kopf erwartungsvoll zur Seite und faltete die Hände auf seinem Schoss: „Wenn es so harmlos ist, weshalb konnten wir das nicht wie üblich auf dem Papierweg klären?“
„Stell dich nicht dumm. Gewisse Details hält man besser nicht auf Papier fest. Ausserdem…“, nun holte sein Vater noch mal Luft bevor er ergänzte: „…ist es ein inoffizieller Auftrag, zum Schutz der Beteiligten.“
„Oh nein…“, Uriel widerstand den Drang wie ein nasser Sack im Sessel zusammenzufallen. Das klang gefährlich nach Personenschutz’ für spezielle gefährdete ‚Von und Zu’s’ oder deren Gespielen, die zuviel wussten, sprich: Babysitter-Job, von welchem niemand etwas wissen sollte.

Der Ältere ignorierte Uriels überschwängliche Reaktion und fuhr weiter: „Es geht um einen jungen Psychiater. Er wird deiner Gruppe zugeteilt und du sollst ihn trainieren.“
„Ein….wie bitte was?“, wiederholte Uriel ungläubig, „Was hat ein Psychiater in einer Elitemilitärakademie zu suchen, noch dazu als Schüler?“, die einzigen Berührungspunkte mit diesen Psychofritzen gab es bei der jährlichen Evaluation um sicher zu stellen, dass ihre Soldaten dem Druck gewachsen waren, keine anti-patriotische Gesinnungen oder Neigungen zu Massenmord hatten. Uriels Evaluation fiel meist nicht sonderlich positiv aus, weil er es bevorzugte sich schreiend und schimpfend mit ihnen zu ‚unterhalten’. Er mochte diese Seelenklempner nicht, die meinten Traumata aus der Kindheit an der Art, wie er seine Schnürsenkel knotete, herauslesen zu können. In Uriels Augen waren sie elende Steuergeldschmarotzer, die lediglich zu faul waren, einer richtigen Arbeit nachzugehen.

Sein Vater antwortete derweil: „Nun, er ist offensichtlich kein x-beliebiger Psychiater. Er ist hochbegabt, die meisten bezeichnen ihn als Genie. Er hat als junger Teenager ungeklärte Fälle der Tokkō [1] gelöst, weil ihm gerade langweilig war. Natürlich nachdem er sich unbefugten Zugang zu ihrem Netzwerk verschafft hatte um an die Fallinformationen zu kommen.“, Uriel runzelte die Stirn. Ein ganz Neumalkluger also, „Offensichtlich ist sein Talent für solche einzelne Fälle der Tokkō verschwendet. Die Regierung will ihn als Profiler für Missionen von grösserer Tragweite einsetzen.“, nun roch Uriel worauf dies hinauslaufen sollte.
„Darf ich raten: Das Genie hat selten bis nie sein Zimmer verlassen und ich soll ihn jetzt für die grosse böse Welt da draussen vorbereiten?“
„So in etwa. Er soll zumindest sich selbst verteidigen können, Standard-IK-Manöver beherrschen und…“[2].

„Moment, Stopp!“, Uriel hob gleich beide Hände in die Höhe. Er musste sich verhört haben, „Er soll eine Abschusslizenz bekommen? Ein Psychiater?“
„Unterbrich deinen Vorgesetzten gefälligst nicht!“, herrschte der Ältere ihn an, gefolgt von einem nachdrücklichen Blick bevor er nach einem Moment des dramatischen Effektes Willen weitersprach: „Alle Agenten haben eine Abschusslizenz, wie soll er sonst seine Arbeit effizient machen ohne Spuren zu hinterlassen?!?“
„Er ist ein Seelenklempner, es reicht doch ein Sofa und Notizblock!“
„Deine forcierte Ignoranz grenzt an Dreistigkeit.“, der General schüttelte langsam den Kopf über seinen Sohn. „Und glaube mir, die Abschusslizenz wird deine geringste Sorge sein.“
„Was soll das nun heissen?“

„Er ist etwas…“, sein Vater hob die Hand in einer kreisenden Bewegung, als müsste er sich Inspiration für den richtigen Ausdruck zufächeln, „…speziell.“
Speziell…inwiefern?“
„Unter anderem ist er in keinster Weise teamfähig, hat soziopathische Tendenzen, hinterfragt jede Regel und hat Probleme mit Autorität.“
„Und die logische Folge ist natürlich ihn zu uns zu schicken.“, seufzte Uriel schwer auf. Teamfähigkeit, Regeln beachten und Befehle befolgen waren das A und O des Militärs. Man musste sich blind auf seine Kameraden verlassen können und auch darauf, dass Untergebene Befehle sauber ausführten ohne unnötige Fragen zu stellen. Auch ein Genie half nichts als Teammitglied, wenn es nur Unruhe stiftete und damit alle und die Mission gefährdete.

Dann noch ausgerechnet ein Psychiater. Uriel würde jeden anderen Berufszweig diesem vorziehen. Aber es gab schliesslich auch ganz banale Grundvorausstzungen zu erfüllen, sogar für Quereinsteiger mit Vitamin B.
„Hat er irgendeine Grundausbildung im Militär?“
„Nein.“
„Hat er wenigstens Mannschaftssport oder eine andere Art von Sport gemacht?“
„Nein.“
„G-gar keinen Sport? Niemals…?“
„Schach…?“
„Schläft er in einem Sarg im Keller?“
„Uriel…“.
„Ich lehne ab!“
„Du scheinst das missverstanden zu haben. Ich bitte dich nicht darum, ich befehle es dir als dein Vorgesetzter und du weißt, ich scheue mich nicht ein Verfahren einzuleiten, solltest du nicht gehorchen.“ die Leier wieder. Uriel setzte ein falsches Lächeln auf, „Erwarte gefälligst keine Sonderbehandlung, nur weil du mein Sohn bist!“, wäre tatsächlich nicht das erste Verfahren in seiner Akte, das sein Vater gegen ihn initiiert hatte, um einer Auseinandersetzung auf Augenhöhe zu umgehen, selbst wenn ihre Diskrepanzen im rein familiären Bereich waren. Die Geschichte vom General, der seinem 15-jährigen Sohn ein Befehlsverweigerungsverfahren angehängt hat, als dieser sich weigerte sein Clowns-Kostüm fürs alljährliche Familienportrait abzulegen, war heute noch ein Dauerbrenner hier.

Sein Vater fuhr fort, „Dieser Auftrag ist wirklich wichtig und Weigerung ist keine Option. Du hast die Zeit und die nötigen Führungsfähigkeiten, um aus diesem Rohdiamanten ein Juwel zu formen.“
„Es geht mir aber nicht um diesen einzigen Taugenichts. Unsere Militärakademie besuchen zu dürfen ist ein Privileg. Meine Männer haben jahrelang hart trainiert, um diese Ausbildung zu erhalten, es ist ein eingespieltes Team, sie sind die besten des Jahrgangs, wie du selber bemerkt hast, und nun sollen sie jemanden in ihre Mitte akzeptieren, der weder die Grundvoraussetzungen erfüllt in irgendeine militärische Schule des Landes aufgenommen zu werden noch willens ist sich unterzuordnen. Das ist eine Bestrafung und Beleidigung für meine Männer!“
„Seine Fähigkeiten geben ihm Anrecht auf Privilegien, die sich andere erst erarbeiten müssen und haben für den Staat einen weitaus höheren Stellenwert als die Befindlichkeiten von ein paar austauschbaren Fusssoldaten!“, Fusssold-…Uriels Mund klappte für einen Moment auf, er presste die Lippen aber schnell wieder zusammen und holte langsam Luft durch die Nase.

Seine Männer würden ohne mit der Wimper zu zucken ihr Leben opfern um dieses Land zu schützen und waren ausserdem schwer zu töten. Jeder von ihnen war 100-mal so viel wert wie ein verwöhnter Streber, dessen einzige Kampferfahrung das Herumschieben von Zinkfigürchen auf einem karierten Brett war. Aber er war gerade nicht in der Stimmung sich mit seinem Vater über dessen moralischen Kompass zu unterhalten. Das hob er sich für Ostern auf, Weihnachten war ja nun schon vergeben.

„Im Übrigen kennst du ihn bereits, von früher.“, schlug der General nun einen etwas weniger feindlichen Ton an und erhob sich. Während er die Anrichte mit dem überteuerten Whiskey ansteuerte. Sein Vater stand zwar mit dem Rücken zu ihm, aber der kurz darauffolgende Plopp der Karaffe war nicht zu überhören. Wie jetzt, um diese Zeit? Alkohol vor dem Mittagessen war üblicherweise für die Familiensonntage reserviert.

„Erinnerst du dich an die Familie im Anwesen auf der anderen Seite des Sees? Sein Vater ist ein guter Freund von mir und du hattest dich mit einem der Kinder angefreundet.“,
„Woher willst du wissen mit wem ich befreundet war, du hast während meiner Kindheit hauptsächlich mit Abwesenheit geglänzt.“
Der Ältere machte eine wegwerfende Kopfbewegung und schenkte gleich noch mehr Whiskey nach, „Oh bitte, keine neue Episode von Unvater des Jahres…“. Uriel biss sich innerlich auf die Lippen für den kleinen pubertären Rückfall eben. Es ärgerte ihn selbst, wenn er seine Zunge nicht im Zaum halten konnte und seinem Vater immer noch Vorhaltungen machte. Soviel Wichtigkeit in seinem Leben zu haben, gönnte er diesem Troll nicht mehr. „Trotzdem liegst du falsch. Das Anwesen war eine Ferienresidenz und in meiner gesamten Kindheit wohnte nur eine Familie während eines Sommers dort.“

„Na eben, von ihnen spreche ich doch. Sein Vater hat erwähnt, dass du den ganzen Sommer mit dem jüngeren Sohn im Wald und in den Wiesen unterwegs warst.“
„Dann habt ihr beide als Väter versagt, denn ich war immer nur mit der Tochter unterwegs, nicht mit ihrem Zwillingsbruder.“, der Sommer mit Ruri. Einer von Uriels Lieblingserinnerungen, „Ich habe einen der Brüder nur ein einziges Mal gesehen, als sie angekommen sind.“ und wenn das ihr neuer Kadett war, könnten seine Männer und er sich von ihren guten Teamleistungen völlig verabschieden. Uriel hatte ihn nur kurz gesehen, aber er erinnerte sich an einen schmächtigen Jungen mit Brille. Der stank schon damals nach Bücherwurm und hatte ihn kaum eines Blickes gewürdigt, obwohl er ihm zur Begrüssung überschwänglich über den See zugewunken hatte.

Ruri dagegen war ein wahrer Sonnenschein…und seine erste Liebe. Zugegeben, sie waren nur Kinder gewesen, aber Uriel hatte Ruri nie wirklich vergessen. Wollte man das Gute in dieser Situation sehen, dann dass ihr Bruder nun hierherkommen wollte und damit bestünde die reelle Möglichkeit Ruri wieder zu sehen. Sie hatten sich nach dem Sommer zwar einige Briefe geschrieben, aber ihre Familie musste oft umziehen und so brach der Kontakt viel zu schnell ab. Vielleicht hatte die Sache also doch was Gutes…

Bei dem Gedanken Ruri vielleicht als junge Erwachsene wieder zu treffen, breitete sich ungewollt eine wohlige Wärme in Uriels Herzen aus. Aber halt, nein, er sollte sich nicht so sehr darüber freuen, schliesslich traf er sich seit kurzem mit einer wunderschönen Medizinstudentin. Aber diese unverhoffte Schicksalswendung erinnerte ihn gar an so einige Auftakte von romantischen Komödien, die er während seiner Kindheit und Jugendjahren dank seiner unzähligen Schwestern gesehen hatte. Er war vermutlich der einzige heterosexuelle Mann Japans, der jeden einzelnen Film mit Shahrukh Khan gesehen hatte. [3]

In seine Erinnerungen und Gedanken vertieft, bemerkte Uriel dennoch den ihn am Glassrand vorbei kritisch musternden Blick seines Vaters. „Ich muss annehmen, dass du dich heute schon sehr früh an meinem Whiskey vergriffen hast.“, bemerkte dieser und schwenkte sein Glass auffällig hin und her.
„Bitte?“
„Die Familie hat keine Tochter.“
„Natürlich haben sie eine Tochter. Ich werde ja wohl besser wissen mit wem ich meine Zeit verbracht habe. Ihr Name ist Ruri und-…“, just in diesem Moment klopfte es an der Tür und ohne die Erlaubnis eintreten zu dürfen abzuwarten, stand der dümmliche blonde Assistent seines Vaters im Türrahmen. Damit war es besiegelt, Uriel wusste, wen er bei der nächsten Ausscheidung von Kadetten zuoberst auf seine Wunschliste setzen würde!

„General, ihr neuer Schüler ist angekommen. Er wartet im Besucherraum.“
„Danke Katan, wir kommen gleich.“, Uriels Gesicht wandte sich überrascht zurück zu seinem Vater. Er verzichtete sogar jetzt auf eine Massregelung? Uriel war es selbst zuhause als Kleinkind nicht gestattet gewesen sich frei zu bewegen! Wessen Sohn war denn dieses Kerlchen um so eine Spezialbehandlung zu verdienen?!? Uriel musste sich seine Akte besorgen. Aber unwichtig, sie hatten anderes zu klären gerade und so fragte er nur mit einer erhobenen Augenbraue: „Wir?“

Sein Vater leerte derweil sein Glas mit einem Zug und stellte aus auffällig laut zurück auf die Anrichte, „Uriel, ich weiss nicht welche Hirngespinste du dir damals als Kind zusammengebraut hast – und ich bin überzeugt, du wirst einen Weg finden sie auf meine Insuffizienz als Vater abzuschieben –, aber die Familie hat nur Söhne. Zwei um genau zu sein, ihre Akte inklusive Stammbaum liegt hier auf meinem Tisch.“, damit lief er mit dem starken Schritt eines Generals sowie wehenden Haaren zur Tür und drehte sich dort noch mal zu seinem Sohn: „Los jetzt. Begrüssen wir deinen neuen Kadetten.“

~^~^~^

Das laute Klacken von zwei überteuerten Schuhwerken im perfekten Gleichschritt hallte von den hohen Wänden, während Uriel seinem Vater zum Besucherraum folgte, ranggemäss drei Schritte hinter ihm. Dabei fiel ihm auf, dass er diesem Spezialprojekt eigentlich nicht explizit zugestimmt hatte, allerdings war das im Moment zweitrangig. Erstens würde sich sein Vater sowieso irgendwie durchsetzen und zweitens wollte Uriel diesen jungen Mann nun unbedingt kennenlernen, und sei es nur um seinem Vater zu beweisen, dass er Recht hatte.

Seine Gedanken überschlugen sich ob den Möglichkeiten, warum sein Vater behaupten wollte, dass Ruris Familie nur Söhne hatte. Eine Verwechslung konnte es nicht sein, Uriel hatte das Anwesen auf der anderen Seite des Sees von seinem Fenster aus jeden Tag im Blick. Es wäre unmöglich gewesen eine ganze Familie mit zwei Söhnen dort zu verstecken, ohne dass Uriel sie bemerkt hätte. Die andere – leider weitaus wahrscheinlichere – Option war, dass die Familie Ruri aus irgendeinem Grund verstossen hatte und sie nun totschwieg. Es passierte immer wieder mal in den gehobenen Reihen der Reichen und Schönen, dass Menschen verschwanden. Schönheitsfehler in einem scheinbar perfekten Bild wurden nun mal korrigiert, sei es mittels eines Skalpells beim Schönheitschirurgen oder mittels anderer Methoden beim Stammbaum. Dass sein Vater um seines Freundes Willen mitspielte, war ebenfalls nicht überraschend. Ein enger Freund seines Vaters konnte nämlich nur ein ähnlich korrupter Politiker oder Verwandtes bedeuten.

Ausserdem wäre Ruri eine sehr passende Kandidatin um zu verschwinden. Sie war schon als junges Mädchen ein Freigeist gewesen; Wild, unkonventionell, ziemlich frech manchmal, aber sie hatte schon sehr ausgeprägten Prinzipien und Moralvorstellungen. Wie ihr Zwillingsbruder liebte sie Bücher – wie sie Uriel erzählt hatte –, aber im Gegensatz zu ihm liess sie sich nicht zusammen mit den Fantasiewelten ihrer Lieblingsgeschichten in ihrem Zimmer einsperren, sondern wollte sie erleben. Uriel hatte ihr eigenhändig die Leiter in einer Nacht und Nebelaktion und in einem sehr wackligen Boot über den See gebracht, damit sie aus ihrem Zimmer im obersten Stock des Anwesens klettern konnte. Sie hatten nur wenige Monate miteinander, aber in dieser Zeit hatte Uriel viel von ihr gelernt. Mutig sein, nicht immer alles von den Erwachsenen zu akzeptieren, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen, Regeln zu hinterfragen und diese auch zu brechen, wenn es einem höheren Ziel diente. Gleichzeitig war sie voller Güte und Liebreiz…und wunderschön.

Wenn sie sich all diese Charaktereigenschaften durch die Jahre erhalten konnte, war sie ein Paradebeispiel eines Schönheitsflecks, der in den Augen der ‚besseren Gesellschaft’ korrigiert werden musste. Vielleicht wurde sie mit falschen Namen in einem Pflegeheim festgehalten, welches Unmengen an Spendengeldern ihrer Familie erhielt und im Gegenzug wurden alle ihre Worte als Verschwörungstheorien einer Schizophrenen abgetan. Oder schlimmer, sie hatte ihre Nase wieder mal in Dinge reingesteckt, die sie nichts angingen und sie war bereits nicht mehr am Leben. Hatte es alles schon gegeben, wie Uriel vom heimlichen Lauschen des gehobenen Klatschs und Tratsches bei den vielen unnötigen Empfängen und Cocktailparties in ihrem Zuhause wusste.

Egal was passiert war, Uriel hatte sich schon entschlossen dem ganzen auf den Grund zu gehen. Er würde herausfinden, was mit Ruri passiert war und würde es auch publik machen, wenn nötig. Die altbekannte Wut auf seinen Vater und was er repräsentierte, das System und die Korruption, die er all die Jahre beobachtet hatte, manifestierte sich erneut in seinem Bewusstsein. Sie war die letzten Jahre vergessen gegangen, da er zu beschäftigt damit gewesen war, sich einen eigenen Namen zu machen, seine Unabhängigkeit zu sichern, gerade um sich von den sinnbildlich weitgreifenden Armen seines Vaters befreien zu können.

Vielleicht war es kindisch einem ganzen System erneut den Kampf anzusagen, nur wegen einer Kindheitsliebe zu einem Mädchen, das vielleicht schon tot war, aber er war es ihr – und allen, die so waren wie sie – schuldig. Die romantische Komödie hatte sich just in einem Politik-Psychothriller verwandelt.

Sie gingen gerade durch das letzte Gittertor, das den gesperrten mit dem öffentlichen Bereich ihrer Militärstation verband und wo die Besucher zugelassen waren. Durch die Fenster konnte man zwar noch auf den Hof sehen, wo Uriels Männer immer noch im kalten Regen mit dem Matsch kämpften. Gute Leute, wirklich. Heute Abend würde er ihnen als Belohnung frei geben. Hautsächlich, weil er sich um den Neuzugang kümmern wollte, aber das mussten sie ja nicht wissen.
Das aggressive Klopfen der Schuhsohlen eines salutierenden Soldaten bei der Tür zum Besucherraum holte seine Aufmerksamkeit zurück auf ihren Weg. So, nun war es also soweit.

Die Tür öffnete sich und Uriel spähte sogleich am breiten Rücken seines Vaters vorbei in den Raum. Er sah eine Person mit geradem Rücken und geneigten Kopf auf dem Sofa sitzen. Sie war seitlich abgewandt, sodass er ihr Gesicht noch nicht völlig sehen konnte. Auf dem Schoss hielt die Person ihren abgelegten Mantel über den Arm gefaltet. Aber diese schmale Statur, die Haltung, die langen schwarzen Haare…Uriels Herz machte einen ungewollten Sprung.

„Zaphikel, willkommen, ich hoffe du hattest eine gute Reise.“, begrüsste der General ihren neuen Schüler bereits – ungewohnt und daher misslungen – überschwänglich woraufhin sich die Person umdrehte und mit einem Lächeln erhob.
„General, danke für die Einladung.“, der junge Mann verneigte sich ebenfalls höfflich und reichte seinem Vater die dargebotene Hand. Als er sich erhob, hielt er für einen kurzen Moment Blickkontakt, bevor seine Augen Uriel fanden. Der General trat einen Schritt zurück und gebot Uriel mit einer Berührung an der Schulter vorzutreten.

„Darf ich dir meinen Sohn vorst-, ah entschuldige, ihr kennt euch ja bereits.“
„Natürlich, schön dich wiederzusehen.“, Zaphikel neigte erneut den Kopf und streckte seine Hand Uriel entgegen, welcher ihn allerdings nur mit aufgerissenen Augen und geöffneten Mund anstarrte. Das war…Ruri? Nein, Quatsch, sie waren Zwillinge. Natürlich würden die beiden sich ähneln. Sie mussten eineiige Zwillinge sein, eindeutig. Das sagte ihm jedenfalls sein Kopf, sein Herz dagegen interessierten solche biologischen Spielereien nicht und sprang im Dreieck bei dem Anblick dieser mandelförmigen, dunklen Augen gerade eben. Man könnte meinen, das dünne Brillengestell sollte helfen – Ruri trug damals nämlich keine Brille -, aber tat es nicht. Er hatte sogar dasselbe freche Blitzen in seinen Augen, wie Ruri…

Ein kleiner Tritt gegen seinen Fuss und ein auffälliges Räuspern seines Vaters holten Uriel aus seiner Schockstarre, „Hkkm, hallo. Freut mich dich zu…sehen.“, entgegnete er schnell, verbeugte sich ebenfalls und griff sich Zaphikels immer noch wartende Hand. Erneut musste er innehalten, da ihn bei der Berührung ein Schwall von Erinnerungen heimsuchte. Diese schmale, zarte Hand in seiner…
„Du musst ihn entschuldigen Zaphikel, ich habe ihn ohne Vorwarnung aus dem Training mit seinen Männern geholt.“, versuchte sein Vater diese etwas peinliche Situation zu erklären. Mit einem tadelnden Ton gen Uriel gerichtet, ergänzte er, „Offensichtlich ist er in Gedanken immer noch dort.“, Zaphikels bis eben noch verunsichertes Lächeln über Uriels Starren sowie länger als sozial übliche Halten seiner Hand, verwandelte sich prompt wieder in freundlich über diese Erklärung. Dann griff sein Vater um Zaphikels Schultern, „Ich würde vorschlagen, wir zeigen dir das Areal und ich erkläre dir dabei, wie deine nächsten Monate hier aussehen werden.“.

Da der General ihren Neuankömmling mit sich und somit weg von Uriel zog, konnte dieser den Moment nutzen um sich zu sammeln. Das würde ja noch lustig werden, wenn seine Gefühle nicht zwischen Ruri und ihrem Bruder unterscheiden konnten. Auch war er erstaunt, wie sehr ihn diese Begegnung gerade getroffen hatte. Er hatte offensichtlich verdrängt, wie viel Ruri ihm bedeutet hatte.

Er schob es aber auf diesen ersten, unvorbereiteten Moment der Überraschung. Innert weniger Minuten hatte er ein unwillkommenes Spezialprojekt aufgedrückt bekommen, die ganze Existenz seiner ersten Liebe wurde verneint und nun stand deren Zwillingsbruder, der ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war, direkt vor ihm. Seine Reaktion war unter diesen Umständen verständlich und vollkommen legitim, aber in Zukunft musste er sich mental besser vorbereiten.

~^~^~^

Uriel folgte dem Grüppchen bestehend aus dem General, Zaphikel und dem zum Türöffner- und Mantelträger abkommandierten Katan, immer mit drei Schritten Abstand, während sein Vater wie ein stolzer Gockel und mit vielen ausladenden Gesten ihrem Neuzugang seinen Hühnerstall präsentierte. Ein Teil von Uriel amüsierte dieses merkwürdige Schauspiel seines Vaters. Er kümmerte sich sonst nie um neue Kadetten, geschweige denn war er höflich und zuvorkommend zu Untergebenen oder Jüngeren. Aber jetzt tänzelte er um Zaphikel herum, als wäre dieser ein junger Prinz aus einem fernen Land, den er überzeugen wollte seine Ferien bei ihnen zu verbringen. Da steckte eindeutig mehr dahinter als ein reiner Freundschaftsdienst. Aber es passte Uriel ganz gut, wenn sein Vater sich hier die Blösse als unfähiger Gastgeber gab, denn es erlaubte ihm den jungen Mann eingehender zu beobachten.

Die langen Haare in Verbindung mit der sehr schlanken Figur gaben ihm einen androgynen Touch. Er verzichtete auf unnötigen Protz oder das zur Schaustellen des Wohlstandes seiner Familie. Nur geübte Augen eines ebenfalls Vermögenden würden erkennen, dass allein das Hemd mehr kostete, als manch so eine Miete der Arbeiterklasse. Ansonsten war die Kleidung unauffällig, gänzlich in schwarz, Anzugshosen mit einem Seidenhemd. Die obersten beiden Knöpfe offen…tsk, anstandshalber wäre ein weisses Hemd und Krawatte angebracht gewesen. Die Hände hatte er auf dem Rücken verschränkt und manchmal, bei gar langweiligen Ausschweifungen seines Vaters, spielten seine Finger mit dem Ende seines langen Haares, das er mit einer lockeren Schleife zusammengebunden hatte. Er nickte, hob überrascht die Augenbrauen und lächelte an den richtigen Stellen um seinem Vater in seinem Redeschwall den nötigen Beifall zu liefern. Uriel nahm nicht an der Unterhaltung teil.

Nur manchmal, wenn sie gerade um eine Ecke bogen oder der General sich von Zaphikel abwandte, stahlen sich dessen Augen über die Schulter nach hinten zu Uriel und lächelten verschmitzt, wenn sie die seinen trafen. Das war befremdlich. Es wirkte unerwünscht vertraut, als ob sie sich kennen würden. Er konnte sich aber Weissgott nicht daran erinnern je mit beiden Zwillingen zusammen oder mit ihm allein etwas unternommen zu haben. Andererseits konnte er es nicht vollends ausschliessen, schliesslich war es schon lange her.  Vielleicht vernebelten seine romantischen Gefühle für Ruri alles andere, was in diesem Sommer sonst noch passiert war. Ähnlich wie seine Gefühle gerade bei jedem dieser Blicke von Zaphikel Uriels Vernunft übertönten und ihm einen kleinen Stich versetzten.

„…dich zu treffen, aber ich habe einen dringenden Termin. Mein Sohn wird dir die Unterkunft und alles weitere zeigen.“, Uriel schnappte noch knapp die letzten Worte des Generals auf, bevor sich dieser mit einer erneuten Verbeugung und Händeschütteln von Zaphikel verabschiedete. „Wenn du etwas brauchst, wende dich direkt an mich, und zwar nur direkt an mich.“, dann wandte er sich ab und warf Uriel noch einen mahnenden Blick zu. Dieser wusste nicht genau wofür und sah ihm fragend hinterher, wie er mit seinem treuen, blonden Sklaven davonstolzierte.

„Puh, der hat mehr Stöcke im Arsch als die Putzkammer Besen hat, was?“, eine freundschaftliche Berührung an seinem Arm liess Uriel sich schnell wieder ihrem Neuzugang zuwenden. Er trat ausserdem unweigerlich einen Schritt weg und strafte sein Gegenüber mit einem strengen Blick, als stünde dessen Hand in Flammen.

Der junge Psychiater bemerkte Uriels eigenartiges Verhalten, das in den letzten Minuten zwischen perplex, abweisend bis zu neugierig alles darstellte und fragte daher, „Ist bei dir alles in Ordnung? Du starrst mich schon die ganze Zeit an, als wäre ich ein Geist.“, pah, welche Ironie. Der Grössere holte tief Luft, richtete seine Statur und verschränkte seine Arme auf den Rücken.
„Verzeih’, aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, dass wir beide damals irgendeine Art von Umgang gepflegt hätten, daher ist mir diese gar zutrauliche Art etwas suspekt. Ich werde schliesslich dein Vorgesetzter sein und nur weil ich deine Schwester näher kannte, bedeutet dies nicht, dass du hier irgendeinen Vorteil erwarten darfst.“, das war ein kleiner, aber feiner Geniestreich, musste er sich selbst loben. Einerseits, sofort klare Grenzen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen gezogen und andererseits das Gespräch ohne Umwege auf Ruri gelenkt.

Doch wider Erwarten brach sein Gegenüber nach ein paar Sekunden und ungläubigen Blinzeln nur in schallendes Gelächter aus.
„Entschuldige, …“, Zaphikel winkte ab ob Uriels verdutztem Gesichtsausdruckes und ergänzte immer noch kichernd, „…aber ich war nicht darauf vorbeireitet, dass wir das Rollenspiel nach all diesen Jahren nahtlos weiterführen.“, Rollen-was? Zaphikel verschränkte schnell seine Hände in einer affektierten Geste ebenfalls hinter dem Rücken und ergänzte mit einem spielerisch zur Seite geneigten Kopf, „Aber ich habe natürlich nichts dagegen. Könnte interessant werden…“, dabei liess er seine Augen auffällig an Uriels Körper einmal rauf und runter wandern, „Hast dich ja gut gemacht.“, dabei lächelte er…zufrieden?

In Uriels Kopf überschlugen sich alle Gedanken gleichzeitig und in alle Windrichtungen. Flirtete dieser Verrückte gerade mit ihm? Wie konnte er es wagen? Ausserdem sprach er wirres Zeug! War das ein Trick? Schliesslich war er ein psychologisches Genie, das war ja der Grund seines geplanten Aufenthaltes hier. Der Grössere schüttelte also innerlich die Verwirrung ab und trat steif wie ein Brett näher auf den etwas kleineren Mann zu:
„Mir ist schleierhaft, was du hier versucht, aber sei dir gewiss, dass ich ungebührliches Verhalten in meiner Truppe niemals akzeptiere und auch mein Vater wird dich nicht vor meiner Fuchtel retten können, wenn du dich in irgendeiner Form unangebracht verhältst oder meinen Regeln nicht befolgst. Du hast dich auf diese Ausbildung eingelassen und du wirst wie alle anderen lernen zu gehorchen!“

Doch statt irgendeine Form von Einschüchterung oder Erkenntnis zu zeigen, wurde das Grinsen nur noch breiter. Er legte den Kopf ausserdem etwas mehr in den Nacken um seinem Gegenüber besser direkt ins Gesicht lachen zu können, „Ah, ich rieche einen ausgeprägten Dominanz-Fetisch. Verständlich bei so einem Vater. Ich freue mich darauf herauszufinden, ob er echt oder nur eine aufgesetzte Maske ist.“, …was zum…Uriel, wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, abgesehen von Blinzeln aufgrund erhöhter Hirnaktivität und so ergänzte Zaphikel etwas leiser und zu ihm geneigt: „Dein Glück bin ich flexibel und kann dominieren oder mich dominieren lassen…wenn ich es will.“, oh ja, das war eindeutig genug, sogar für Uriel. Er war wahrlich nicht der erste Kadett, der versuchte ihm gegenüber frech zu werden – auch nicht der erste, absolut unangebrachte, Annährungsversuch –, aber das ganze mit den schönen Gesichtszügen einer gereiften Ruri warf ihn nun mal mehr aus der Bahn, als es sollte. Selbst diese despektierliche Art seines Gegenübers erinnerte ihn an sie. Sie hatte ihn immer gern geneckt und ihn wegen seiner anfänglich verklemmten Art aufgezogen.

Apropos, dieses Thema war noch nicht vom Tisch. So ignorierte Uriel die offensichtliche Anmache mit einem missbilligenden Schnauben und entgegnete stattdessen: „Und du kannst dich ausserdem darauf gefasst machen, dass ich herausfinden werde, was mit Ruri passiert ist und mir ist egal, wem ich dafür auf die Füsse treten muss.“, aha…nun verengten sich die bis dato noch schalkhaften Augen des Jüngeren für einen Moment und beobachteten jeden Muskel in Uriels Gesicht. Nach einem kurzen Moment fragte er schliesslich, „Du…meinst das ernst, oder?“, aha? Das ging ja überraschend schnell, für ein angebliches Genie konnte er aber schlecht kritische Lügen aufrechterhalten. Sicher, dass dieses Weichei geeignet war schwierigste Missionen für den Staat zu erledigen? Sie würden im Handumdrehen untergehen.

Doch dann wurde es richtig abstrus, denn Zaphikel trat einen Schritt zurück und hob die Hände zuerst an den Mund, dann an die Wangen, „Oh Gott du meinst das ernst. Oh je, ich also…“, was fuchtelte er denn jetzt so nervös herum? Eindeutig, diese Hälfte des Ei’s hatte nicht alle nötigen Zellen im Mutterbauch abbekommen. „Ich äh, weißt du, ‚Ruri’, also meine ‚Zwillingsschwester’, gibt es nicht wirklich…“.
„Ja, ich weiss von dieser famosen Lüge, das hat mir schon mein Vater versucht einzured-…“.
„Nein, nein, nein…“, unterbrach ihn Zaphikel sogleich mit wildem Händeschütteln und setzte erneut an, „Es hat sie nie gegeben.“, und mit der Freundlichkeit einer Mutter, die gerade ihrem Kind versuchte schonend beizubringen, warum Papa nie anwesend war, wenn der Weihnachtsmann zu Besuch kam, ergänzte er, „Ich bin Ruri.“
„W-was redest du für einen Unfug?“
„Na ja, ich war schon immer etwas speziell und frühreif mit meinen Interessen, ich bin als Kind in den Ferien immer spasshalber in andere Rollen geschlüpft und habe dabei eine 0-Toleranz für Abweichungen angewendet, das war psychologisch unglaublich hilfreich, denn erst in den Schuhen des anderen, kann man ihn wirklich verstehen und dieser eine Sommer war halt die weibliche Sicht dran und ich-…“, redete und redete und redete Zaphikel, während Uriel wieder in seine Schockstarre verfiel.

Während seine Augen seinem Gegenüber und dessen aufgeregten Gestiken folgten, hallten die Worte seines Vaters aus dessen Büro nach und überlagerten sich mit Bildern aus seinen Erinnerungen an den Sommer mit Ruri. Unter anderem ist er in keinster Weise teamfähig - wie sie beim Spielen innert Sekunden Streit mit anderen Kindern aus dem nächstgelegenen Dorf auslösen konnte und er sie vor Schlägern beschützen oder sie zusammen wegrennen mussten; hat soziopathische Tendenzen, hinterfragt jede Regel - wie sie schulterzuckend Absperrbilder ignorierte und ihn an der Hand mit sich zog; und hat Probleme mit Autorität - wie sie jeden Erwachsenen, der versuchte ihnen Anstand und Benehmen beizubringen in den Boden diskutierte…Moment.

„…angefangen habe ich mit anderen Sprachen, da habe ich den ganzen Tag nur in Fremdsprachen geredet, hast du mal versucht auf Lateinisch Pizza zu bestellen? Sehr witzig, wirklich, kann ich nur empfehlen. Ein anderes Mal war ich eine Katze, bin über alle Möbel geklettert und habe jede Vase zerstört, die ich finden konnte, meine Mutter ist ab mir verzweifelt und- A-aua…“, Uriel hatte sich Zaphikels herumgestikulierenden Arm aus der Luft gepackt, da er etwas nachprüfen wollte. Er riss mit einer Bewegung den Hemdknopf am Handgelenk auf, schob den Ärmel bis zum Ellbogen nach oben und drehte den Arm, sodass er die Innenseite sehen konnte. Als er ihn leicht zur Seite ins Licht neigte, konnte er eine ganz feine, beinahe völlig verblasste Narbe erkennen.

„Aahahaha, ja genau, der Stacheldraht, das war wirklich schmerzhaft damals, aber wie du siehst, ist alles gut verheilt.“, Zaphikel hörte endlich auf zu reden und schluckte stattdessen einmal schwer. Das Genie dachte wohl, diese Narbe war für Uriel der Beweis, dass er wirklich Ruri war und wollte ihm einen Moment gönnen es zu verdauen. Allerdings war es höchstens das i-Tüpfelchen. Selbst ohne die Existenz der Narbe und der damit zusammenhängenden Erinnerung, hatte Uriel es bereits verstanden. Seine Gefühle hatten es schliesslich sofort bemerkt, als er Zaphikel gesehen hatte. Dieser verrückte Kerl da vor ihm war seine Ruri…

Dem Schock folgte nach einem Moment die Wut und er schleuderte Zaphikels Arm wuchtig von sich: „Wie…wie kommst du darauf kleinen Kindern solche Lügen aufzutischen?!?“
„E-es tut mir leid! Aber erstens bin ich etwas jünger als du und zweitens, woher hätte ich wissen sollen, dass du es nicht wusstest?!?“ verteidigte sich Zaphikel sofort und hielt sich die Schulter, da Uriel ihm das Handgelenk doch etwas forsch weggeschleudert hatte, „I-i-ich dachte, du wärst einfach der nette Nachbarsjunge, der meine Spielchen gern mitspielt!“
„Du hattest farbige Schleifen im Haar und Kleider getragen, wie sollte ich wissen, dass du ein Junge bist?!?“
„Woher sollte ich wissen, dass ich so überzeugend war?!? Das war mein erstes Mal als Mädchen!“
„Und du bist nie auf die Idee gekommen mich sicherheitshalber aufzuklären? Nicht mal als wir…“, hier stoppte Uriel kurz und sah um sich, ob jemand in der Nähe war. Etwas leiser, aber nicht minder wütend zischte er, „…als wir uns geküsst haben?!?“, das war sein allererster Kuss gewesen…mit seiner allerersten Liebe. Es war der absolut perfekteste, romantischste, im-Wald-auf-der-Lichtung-neben-dem-Flüsschen-in-der-Abenddämmerung-Bilderbuch-erster-Kuss überhaupt gewesen! Jedenfalls bis noch vor fünf Minuten.

Zaphikel zuckte die klirrenden Reste von Uriels schönster Erinnerung wie Scherben von seinen Schultern und entgegnete fahrig: „N-na ja, Bisexualität existiert, ich dachte einfach, du wärst wie ich und-hsfgfhg.“, Uriel hatte dem Jüngeren schnell die Hand auf den Mund geklatscht und drängte ihn an die Mauer hinter ihm. Unfassbar, aber das ganze war gerade NOCH komplizierter geworden! Erneut sah er um sich, diesmal einiges gehetzter als zuvor. Diesmal flüsterte – eher fauchte – er die nächsten Worte aber:
„Bist du von allen guten Geistern verlassen?!? Wir sind hier im Militär!“, man konnte die Karriere eines Mannes hier mit lediglich hinreichend glaubhaften Gerüchten dieser Art zerstören und dafür sorgen, dass ihm jegliche Titel entzogen und er unehrenvoll entlassen wurde. Ganz zu schweigen von dem Theater, das der General veranstaltete. Wenn es in der Vergangenheit solche Fälle gab, wurde jedes Quartier gefilzt und alle Soldaten – auch wenn nötig unter Folter – verhört, bis er sicher war, dass keiner von denen mehr unter ihnen war.

Zaphikels Augen rollten bei dieser Aussage und er befreite seinen Mund von Uriels Hand: „Oh bitte, laut Statistiken ist in einer Gruppe Männer jeder siebte bi- oder homosexuell, du kannst also selbst nachrechnen, wie viele eurer Jungs hier bei der Gay Parade ganz weit vorne mit dabei wären! Dieser blonde Assistent deines Vaters zum Beispiel ist eindeu-sfhsjfhsfs!“
„Halt.die.Klappe!“, ach herrje, Uriel hatte in seinen romantischen Erinnerungen an Ruri ganz vergessen, wie anstrengend und uneinsichtig ‚sie’ sein konnte. Ein Freigeist eben, allergisch gegen alle Regeln, ausser diejenigen, die sich mit ‚ihrer’ Moral deckten. Damals hatte er das an ‚ihr’ bewundert, aber damals hing auch nicht seine eigene Karriere und seine körperliche Sicherheit daran. Sein eigener Vater würde ihn lynchen, wenn er wüsste, dass Uriel einen Jungen geküsst hatte. Unwichtig, dass er jung und selbst Opfer einer Lüge geworden war, der General würde ihn grün und blau schlagen und erst danach Fragen stellen!

„Erwähne diese oder ähnliche Worte gefälligst nie wieder innerhalb dieser Mauern! Und rede auch sonst nicht über dieses Thema! Das kann dich hier Kopf und Kragen kosten, verstanden?!?“, da Zaphikel nickte und ergebend die Hände hob, liess Uriel ihn frei und trat weg von ihm an seinem ursprünglichen Platz. Der Jüngere richtete sich aus seiner wegen Uriels Überrumpelung etwas gekrümmten Haltung auf und schob seinen Ärmel nach unten. Dabei blitzten seine Augen allerdings gefährlich, was Uriel an so einige Eskapaden seiner geliebten Ruri erinnerte, wenn ‚sie’ schmollte. Damals war er aber weder in der Position noch selbstbewusst genug sich gegen ‚sie’ durchzusetzen.

Aber sie waren ja keine Kinder mehr. Das bedeutete auch, dass sie nicht mehr hinter der charmanten Erklärung von kindlicher Naivität Unsinn treiben konnten. Völlig unabhängig von ihrer gemeinsamen Vergangenheit konnte sich Uriel gerade nicht vorstellen, wie er diesen schrulligen Wirbelsturm in seine perfekt eingespielte Truppe von Kadetten integrieren sollte. Noch dazu mit dessen offensichtlich bisexuellen Neigungen. Nein, das würde nicht gut gehen. Weder die Ruri von damals noch der Zaphikel von heute würden sich zum Wohl einer Sache, von der sie selbst nicht 100% überzeugt waren, unterordnen.

Mit der antrainierten Beherrschung eines Elitesoldaten sammelte er sich also innerlich und sagte schliesslich: „Es wird das Klügste sein, wenn wir uns in Zukunft nicht mehr begegnen. Ich werde mit meinem Vater reden, damit du in eine andere Militärakademie überwiesen wirst und-...“.
„Äh, das würde nichts bringen….“, unterbrach ihn Zaphikel schon. Da Uriel zu interessiert an der Begründung war, vergass er sogar die Zurechtweisung über das Unterbrechen von Höherrangigen: „Und wieso das?“
„Weil mein Vater-Trumpf in diesem Hinblick deinen Vater-Trumpf schlägt und ich habe mich gerade entschieden, dass es mir hier gefällt…“, entgegnete das freche Genie und sah sich mit erneut hinter dem Rücken verschränkten Händen spielerisch enthusiastisch im grauen Gang ihrer Akademie um, als zeigten die Bilderrahmen an den Wänden nicht die ehemaligen Soldaten, die im Kampf ihr Leben für dieses Land geopfert hatten, sondern die letzte Sommerkollektion mit den farblich passenden Seidenschleifen dazu, „…also bleibe ich, egal ob es dir gefällt oder nicht.“, ah ja. Da war sie ja schon. Die ‚Friss oder Stirb’-Mentalität, kurz bevor ‚sie’ über Stacheldrähte und Absperrgitter drüber kletterte, egal wie viel gute Argumente Uriel dagegen einzuwenden hatte. Meistens war er hinterher gesprungen, weil er ‚sie’ einfach nicht sich selbst überlassen konnte und viel zu schnell, hatte ‚sie’ ihn mit ‚ihrer’ anarchistischen Art angesteckt.

Uriel schnaubte aus seinen Nüstern und besah sich den jungen Mann vor sich noch mal abwägend. Er musste sich unbedingt in die Familiengeschichte einlesen, aber gemessen daran, wie viel Mühe sich der General mit Zaphikel gegeben hatte, stimmte die Aussage über ihre Väter vermutlich. Aber ansonsten nein, bei aller Liebe und aller Ignoranz über den Charakter, die Uriel aufzutreiben vermochte, konnte er es nicht sehen. Da war kaum Fleisch an den Knochen, dieser Bücherwurm würde allein beim Gewicht der Ausrüstung unter ihr zusammenbrechen. Vielleicht war er aufgrund seines Berufes dem generellen psychischen Druck gewachsen, aber er sah nicht danach aus, als ob er sich schon jemals mit seiner Psyche unter Schmerzen und Todesangst auseinandersetzen musste.

„Dir ist schon klar, dass du als mein Untergebener die absolut härteste Ausbildung mitmachen würdest? Und ich scherze nicht; mein Vater wird dir nicht helfen können, egal was er jetzt behauptet.“, doch Zaphikel lächelte nur siegessicher und winkte ab: „Ach, ich bin härter im Nehmen, als ich aussehe und ich kann auch Regeln folgen, wenn ich es will.“ und mit etwas mehr Flachs in der Stimme ergänzte er: „Ausserdem habe ich dich damals schon immer problemlos abgehängt.“, das stimmte allerdings, rennen konnte sie…er, was auch immer, „In jeder Hinsicht.“
„Was soll diese Anspielung nun wieder?!?“
„Weiss du doch selber am besten.“, zuckte Zaphikel die Schultern und das unverschämte Grinsen wollte nicht weichen. Uriel erwiderte das falsche Lächeln mit einem Touch mehr Bosheit: „Keine Ahnung, worauf du hinaus willst. Stattdessen rieche ich ausgeprägte masochistische Tendenzen. Das trifft sich gut, denn ich werde dich quälen.“
„Oha, eine spät platzierte Retourkutsche? Schau an, wer schlagfertiger geworden ist.“, freute sich Zaphikel ehrlich und gab Uriel ein leichtes Schulterböxchen, räusperte sich aber gleich und versteckte seine Hand wieder hinter dem Rücken als das nun wieder eisige Gesicht des Älteren ihn unbewegt niederstarrte.

Uriel schnaubte schon wieder und immer noch genervt die Luft aus. So sehr er Ruris Eigenart damals geliebt hatte, so sehr störte es ihn an Zaphikel heute. Er konnte keine Querdenker gebrauchen, der seine Männer aufmischte und erst recht nicht jemand, der ihn aus Prinzip und aufgrund forcierter Melancholie über eine einstige, erschlichene Verbundenheit zwischen ihnen herausfordern wollte. Aber ja, Uriel hatte sich verändert. Er war nun ein Anführer, hatte Rang und Namen erreicht, und zwar ohne Hilfe seines Vaters. Im Gegenteil, er hatte immer den härteren Weg gewählt, um allen zu beweisen, dass er mehr als nur der Sohn des Generals war und sich damit Respekt verschafft. Damals konnte Ruri ihm auf der Nase herumtanzen, offensichtlich in jeder Hinsicht.

Aber nun hatte Uriel die Oberhand, wenn auch für den Moment noch nur auf Papier. Zaphikel würde aber sehr schnell feststellen müssen, dass der Junge von damals, der mit und für Ruri über Stacheldrähte geklettert war nur um sicherzustellen dass ihr nichts zustossen würde, nicht mehr existierte. Und wenn er es unbedingt auf die harte Tour lernen wollte, warum eigentlich nicht! Vielleicht würde der Anblick von diesem vorlauten Wichtigtuer im Dreck und mit Schmerzen seine Wut über die heutigen Ereignisse etwas dämmen können. Aber wenn dieses Würstchen glaubte, Uriel wäre erwachsen genug sich nicht für die Zerstörung seiner ersten, perfekten Liebesgeschichte an ihm zu rächen, dann irrte er sich gewaltig!

„Damit das klar ist: Du wirst niemanden von unserer unsäglichen Geschichte erzählen. Wir waren lediglich einen Sommer lang Nachbarn und haben ab und zu zusammen gespielt. Du wirst dich einordnen, du wirst meinen Männer nicht den letzten Nerv rauben und vor allem, keine, aber auch gar keine sexuellen Anspielungen oder Annäherungsversuche starten, bei wem auch immer!“
„Der letzte Teil klingt etwas gar eifersüchtig, sicher, dass du nicht auf meine Seite des Seeufers gehörst?“
Uriel atmete einmal ein…und wieder aus…wieder ein…und wieder aus…
„…das Wortspiel war übrigens beabsichti-…“.

„ABMARSCH KADETT UND ZWAR PLÖTZLICH! IN FÜNF MINUTEN HAST DU DEINE TASCHE GEHOLT UND ICH ERWARTE DICH UMGEZOGEN IM DRECK BEI DEINEN NEUEN KOLLEGEN UND FÜR JEDE SEKUNDE VERSPÄTUNG GIBT ES EINE STRAFRUNDE FÜR ALLE!“, schrie das Häufchen Mann so laut, dass es Zaphikel beinahe die Brille von der Nase fegte. Dann stiefelte es mit einem letzten grimmigen Blick davon, sodass der Boden unter ihm bei jedem Schritt vibrierte.

„Puh…“, das junge Genie sah dem Älteren hinterher und rückte seine Brille zurecht. Das versprach äusserst interessant zu werden…

Notes:

[1] Japanische Version des FBI
[2] IK-Manöver habe ich erfunden und steht für „Instant Kill“. Klingt besser als Standard Tötungsmanöver :D
[3] Shahrukh Khan ist der King of Bollywood (und King of Romance), aka indischer Schauspieler für die absolut schnulzigsten (und schönsten!) Liebesgeschichten der Welt. Ausserdem shameless quasi-Self insert. Ich kenne praktisch jeden Shahrukh Khan Film XD

Bezüglich Zaphikel’s ‚schmächtige Figur’: Natürlich ist Zaphikel weder im Manga noch in der Haupt-FF schmächtig, aber diese Szene spielt ja bevor er durch die Militärakademie angefangen hat zu trainieren, daher noch ein Hühnerbrüstchen war ^^ und nur zu Erinnerung, wie hübsch das Kerlchen eigentlich ist (ignoriert den Text lol):

 

Natürlich würde zu diesem Auftakt ein zweiter Teil gehören, die in der Haupt-FF angetönt würde, aka das Wiederaufleben von 'Ruri' für die Militärmission, wo Asmodeus mit ins Spiel kommt (Kapitel 133). Das kommt dann in 10 Jahren XDDD nein Spass, ich möchte das eigentlich doch noch zeitnah machen^^

Hoffe es hat auch gefallen und ich würde mich wie immer über jeden Kommi freuen ^________^

Greets eure Naseda

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