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Summary:

In den meisten Aspekten waren Nines und Gavin Reed das komplette Gegenteil voneinander. Aber obwohl ihre Temperamente unterschiedlicher nicht sein konnten, und in ihren Adern anderes Blut floss, gab es doch eine Sache, die sie beide bemerkenswerterweise gemeinsam hatten.

Keiner von ihnen wusste was sie wegen des Valentinstags machen sollten.

-Ein inoffizieller Epilog zu Detroit Evolution, geschrieben vom Verfasser dieser Geschichte.

Notes:

Work Text:

In den meisten Aspekten waren Nines und Gavin Reed das komplette Gegenteil voneinander. Aber obwohl ihre Temperamente unterschiedlicher nicht sein konnten, und in ihren Adern unterschiedliches Blut floss, gab es doch eine Sache, die sie beide bemerkenswerterweise gemeinsam hatten.

Keiner von ihnen wusste was zur Hölle sie wegen des Valentinstags machen sollten.

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Nines schritt durch Gavins Küche, während Eier auf der vordersten Herdplatte brutzelten. In den letzten vier Monaten seitdem ihre Partnerschaft, zu mehr geworden war, als nur einer beruflichen Zusammenarbeit, hatte sich auch Gavins Apartment verändert. Einige von Nines‘ Pflanzen zierten die Küche und das Wohnzimmer, so weit wie möglich von den hungrigen Klauen von Asshole der Katze entfernt. Mit der Zeit hatte sich Nines unauffällig mit ein paar von Gavins digitalen Bilderrahmen verbunden und Bilder von ihnen beiden darin hochgeladen. Und zusätzlich zu Lebensmitteln war auch die nötige Ration Thirium im Kühlschrank untergebracht.

Obwohl Nines immer noch seinen eigenen Lebensbereich – ein kleines Studio im Westen von Detroit, das speziell für androidengebrauch ausgestattet war – hatte, stellte er oft fest, dass er Gavins Wohnung als Zuhause empfand.

Gavin im Ganzen war Zuhause für ihn.

Er wusste, dass Gavin schon über dreißig Februare überlebt hatte aber es gab in den Wochen davor nicht den leisesten Muchs in Bezug auf die Wichtigkeit des Valentinstags … oder den persönlichen Meilenstein, den sie an diesem Feiertag erreicht hatten. Er konnte Gavins Reaktion schon vorkonstruieren – „Was zur Hölle, Blechbüchse? Is‘ nur ‘n weiterer Tag im verkackten Winter.“

Trotzdem war die Idee Gavin am Feiertag für Verliebte zu vernachlässigen nicht Teil von Nines‘ Programmierung. Vielleicht in einigen Jahren, wenn sie beide haufenweise Valentinstage hinter sich gebracht hatten, würden sie ein einvernehmliches Wissen haben, wie sie diesen Feiertag anpacken sollten. Aber seine erste Chance ihn zu feiern, wollte er sich zumindest nicht entgehen lassen.

Seine Nase vernahm einen Hauch von Qualm in der Luft – Kohlenstoffdioxyd, Kohlenstoffmonoxyd, Kohlenwasserstoff – und sein Fokus zoomte zu den leicht angebrannten Eiern. Mit durch Panik ausgelöster Schnelligkeit rührte er ein letztes Mal um und gab sie auf einen naheliegenden Teller.

Eier waren eine nette Geste, genau wie der aufgebrühte Kaffee und zwei Scheiben Toast im Toaster, aber es war nichts Besonderes. Nines machte Gavin fast immer Frühstück, wenn er die Nacht bei ihm verbracht hatte. Heute könnte er einen neuen Schritt extra anhängen – es Gavin direkt ans Bett zu bringen.

Nines balancierte das Gekochte auf einem Plastiktablett in Richtung Gavins kleinem Schlafzimmer. Als er das Tablett auf dem Nachttisch abstellte, gähnte Gavin und öffnete die Augen. Nines lehnte sich über ihn und lächelte sanft.

„Guten Morgen, Gavin.“

„Morg’n, Blechbüchse.“

Nines kam nicht umher Gavin zu bewundern, wie ihn niemand sonst sah – die Haare ungestyled in einem unordentlichen Lockenhaufen, ein verschlafenes Grinsen auf dem Gesicht und echte Zärtlichkeit in den noch nicht ganz wachen Augen. Liebe war so ein komisches, verzwicktes Mysterium. Bevor sie zusammen gekommen waren hatte er sich Gavins Nähe so sehr gewünscht und seine äußerlichen Merkmale so einhellig bestaunt, dass er sich nicht hatte vorstellen können mehr zu empfinden. Aber das war erst der Anfang gewesen. Jeden Tag gab es eine neue atemberaubende Facette an Gavin Reed zu entdecken. Ein neuer Aspekt, den er lieben und in seinem Datenspeicher verstauen konnte. Wie ein neuer Vorhang, hinter den Gavin ihn ließ. Der Gavin, in den er sich vor all den Monaten verliebt hatte, war ein Fremder im Vergleich zu dem Mann, den er nun kannte.

Gavin warf einen Blick auf das Tablett auf dem Nachttisch. „Du hast schon wieder Frühstück gemacht?“

„Natürlich, es ist ein Zeichen der Zuneigung.“

„Ja, ja, Ich zeig dir ein Zeichen der Zuneigung.“

Gavin griff ihn am Kragen und zog ihn nach unten. Nines konnte sich gerade noch rechtzeitig abfangen, um einen Kuss zu erhalten, und nicht seien Menschen mit neunzig Kilo Titan zu zerquetschen.

Nines entspannte sich während er Gavin länger küsste, als mancher es für notwendig gehalten hätte, aber er hatte gelernt, dass das Leben kein Wettstreit zwischen wichtigen und unwichtigen Tätigkeiten war. Teil der Abweichung war es zu entscheiden was er wollte, weil er es wollte. Genießen, nur des Genusses wegen.

Er genoss es sehr, Gavin zu küssen.

Irgendwann zog er sich wieder hoch um seinen Menschen, auf mehr als nur eine Weise wieder zu Luft kommen zu lassen. Es schlich sich immer ein Hauch von Röte auf Gavins Wangen nach einem zärtlichen Augenblick und Gavin sah ihn danach nie direkt an. Blickkontakt war etwas, an dem sie noch arbeiteten. Aber wenigstens war Gavin so weit gekommen, ehrlich seine Gefühle zu offenbaren, selbst wenn er Nines nicht immer ansehen konnte, wenn er sie Preis gab.

Gavin setzte sich auf und Nines rutschte rüber, um Platz zu machen. Seine Stromkreise surrten leicht, als er darauf wartete, dass Gavin begriff. Wieso er ihm sein Frühstück speziell ans Bett brachte, wieso er sich die Mühe machte Gavin Essen zu bringen obwohl sie frei hatten und nicht zur Arbeit hetzen mussten, wieso-

„Is‘ das ‘ne verdammte Rose?“

-wieso er eine schmale Vase mit einer einzigen roten Blume mit aufs Tablett gestellt hatte.

Nines legte den Kopf schief, dem Dräng widerstehend Gavins Stimme auf Zeichen von Unruhe zu überprüfen. „Das ist eine verdammte Tulpe, Detective.“

Gavin schnaubte. „Gibt’s da ‘nen Unterschied?“

„Tulpen halten sich länger als Rosen, was sie praktischer macht.“, Nines zögerte, seine Finger müßig auf sein Knie klopfend. „Zusätzlich symbolisieren Rosen, ähm … leidenschaftliche Liebe, während Tulpen reine und bedingungslose Liebe symbolisiert, die, denke ich, eher … indiziert, wie ich für dich empfinde.“

Er wusste, dass Gavin keine echten Zahnräder im Kopf hatte, - nicht in der Art, wie bei ihm selber. Aber für einen Moment dachte Nines, dass er sie in Gavins Kopf rotieren sehen konnte. Nach einem Augenblick der stillen Erwägung stöhnte Gavin auf und rieb sich die Stirn.

„Oh, shit. Es ist Valentinstag?“

Er stand vom Bett auf und schritt im Raum hin und her. Nines beobachtete ihn, und jeder Ventilator seiner Kühlung schwirrte auf einmal.

„Du wusstest das Datum nicht?“

„Nichts bleibt vor meinem Terminator verborgen, huh?“ Gavin verdrehte die Augen. „Ich feiere den Valentinstag nicht, ok? Die Leute, die den Valentinstag feiern sind Kinder und Deppen. Ich weiß, das ist dein erster, also konntest du‘s nicht wissen, außerdem hätte ich’s die erzählen soll’n. aber all dieser Herzen und Blumen Bullshit-“

„Heute ist nicht mein erster Valentinstag.“

„-ist nur die Süßigkeiten-Unternehmen, die versuchen – bitte, was?“

„Ich sagte: Heute ist nicht mein erster Valentinstag. Es ist mein zweiter. Den ersten hab‘ ich ebenfalls mit dir verbracht.“

Gavin beachtete ihn nicht wirklich und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, „Natürlich, das hast du vermutlich getan, wann hast du mal nicht an mir geklebt?“

„Es war nicht nur während der Arbeit. Wir haben uns auch nach Feierabend gesehen. Wir haben freiwillig Zeit miteinander verbracht. Und das eigentlich zum aller ersten Mal.

„Warte … also deswegen willst du den Valentinstag feiern? Weil ich letztes Jahr etwas vom Lieferservice gegessen und wir uns I, Robot angesehen haben?

Nines schnaubte und seine Stimme fühlte sich quietschig an. „Ich betrachte diesen Tag als unser fast erstes Date, also ja.“

Gavin wandte den Blick von ihm ab und griff sich das Frühstückstablett. „Komm schon, Blechbüchse. Ich keine Katzenhaare im Essen haben.“

Nines ließ die Mundwinkel hängen, während er Gavin in die Küche folgte. War es das jetzt gewesen? Sicher, Gavin war nicht der Typ aus einer Tradition oder Empfindung ein riesen Ding zu machen aber sicherlich hatte dieser Abend ihm auch etwas bedeutet. Er gab Gavin Zeit sich auf einem der Küchenhocker niederzulassen und einige Schlucke Kaffee zu trinken, bevor er das Thema wieder ansprach.

„Klingt als hättest du den Tag anders in Erinnerung als ich.“

Gavin verdrückte eine Gabelladung Eier. „Nines …“

Detective.

Grummelnd schluckte Gavin und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ich mag nicht gern die Scheiße denken, die wir gebaut haben. Ich … hauptsächlich. Dinge, die ich getan, die ich gesagt habe. Weiß nich‘ wieso do so sentimental darauf zurückblickst, von mir gedroht zu bekommen, ein Loch in dich zu schlagen.“

„Ich habe mich nie davon bedroht gefühlt. Du hättest es auch nie zustande gebracht. Hättest dir womöglich die Hand gebrochen.“, grinste Nines und ließ sich auf dem anderen Küchenhocker neben Gavin nieder. Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, während Gavin wieder seinem Blick auswich. „Aber ist nicht deine Wut, die ich von diesem Tag in Erinnerung habe. Es ist, was du mir am Abend erzählt hast. Du warst der erste Mensch, der mir jemals gesagt hat, dass ich lebendig und frei bin. Du hast mir den allerersten Film gezeigt, den ich gesehen habe. Es war an dem Tag, an dem ich meine Cyberlife-jacke aufgab, und du hast mich zum ersten Mal Nines genannt …`“

Ok, vielleicht war’s doch nich‘ so übel. Ich glaub ich hab‘ diesen Teil nur vergessen.“

„Nun interessiert mich, was du nicht vergessen hast.“

Gavin stupste sein Knie mit einem Fuß an. „Du weißt doch, was man über die Neugier sagt.“

Sei neugierig, nicht voreingenommen?

„Was? Nein ... huh. Na gut …“

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  1. FEBRUAR 2039

Es herrschten Scheiß Minusgrade. Gavin zog den warmen, chemischen Qualm ein aber es half nichts gegen die Kälte. Er war gegen eine Wand gelehnt mit dem delikaten Akt beschäftigt, einen Einwegkaffeebecher, seine Zigarette und sein Handy zu balancieren. Ein starker Wind wehte schneidend durch ihn durch und er verfluchte seine Lederjacke.

Sein, ihm von Fowler zugeteiltes Androiden-Haustier, RK900, beobachtete ihn vom Bordstein aus mit wertendem Blick.

„Wir sind spät dran, Detective. Sind Sie jetzt bereit am Tatort zu erscheinen, oder muss ich Sie erst über meine Schulter werfen?“

Immer diese Sticheleien. Gavin trat seine Zigarette aus, aber das stoppte nicht das Gift, das in ihm aufstieg. „Ich kann echt nich‘ glauben, dass eine Halbemillionen Dollar investiert wurde, nur um dich zum Arschloch zu programmieren.“

„Ich bin nicht sicher ob das Teil meiner Programmierung ist oder eine Anpassung aufgrund dessen, dass ich mit Ihnen arbeiten muss.“

Wahrscheinlich Letzteres. Zuerst hatte Gavin ein höhnisches Gefühl von Errungenschaft gehabt, die fortschrittlichste von Cyberlife’s Maschinen zu einem sarkastischen, gewitzten Idioten konditioniert zu haben. Aber er hatte seinen Job zu gut gemacht. Schon wieder hatte dieser überteuerte, überdimensionierte, ärgerlicherweise attraktiver Silikonklotz das letzte Wort behalten. Drei Monate – die längste Zeit, die je jemand als sein Partner durchgehalten hatte – und 900 schaffte keine zwei Minuten ohne ihn zu beleidigen.

Wenigstens konnte er jemanden tolerieren, der genau so ein Arsch war wie er. Jemand der immer auf das Wohl anderer bedacht war, wie Connor, oder der immer versuchte das richtige zu tun, wie Officer Chris Miller … niemals. Er hätte ihren netten, charmanten Quatsch keinen halben Tag ausgehalten.

Am heutigen Tag war die Arbeit Routine. Ein weiterer Tatort, ein weiterer toter Android, ein weiterer Vortrag von Chris darüber, dass er ‚netter‘ sein sollte. Natürlich verstand Chris seine Dynamik mit 900 nicht. Von außen, ja, sah es so aus als hassten sie sich. In Wahrheit war das einfach ihre Art. Es was ihre Umgangsform.

Trotzdem, so erzählte er Chris, verwirrte ihn 900 höllisch. Warum würde der Android, der sich am weitesten von seiner Grundprogrammierung entfernt hatte – allen Schein der Freundlichkeit und Unterwürfigkeit ablegte – immer noch seine gruselige Cyberlife-jacke tragen, wie ein verdammter Diener?

Und noch verwirrender war, dass nach Monaten, in denen sie die brutalsten Tatorte und Androidenmorde untersucht hatten, es etwas an genau diesem Tatort gab, das Nines beunruhigte. Von dem Moment, als er sich neben die Überreste des VB800 kniete, bis zu ihrer Rückkehr zum Präsidium, leuchtete seine LED durchgehend rot.

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Für drei Monate hatte RK900 Gavin jeden Tag über die Schulter geguckt, ihm in den Nacken geatmet und alle zehn Sekunden geistreiche Bemerkungen über seine Leistung gemacht. Dieser Android war ein allwissender, immer präsenter Wichser und Gavin hatte fast vergessen, wie es war sich selbst denken zu hören.

Bis ihm, nach einer halben Stunde der Stille und der Nicht Auffindbarkeit des Androiden, klar wurde, dass etwas verdammt falsch war.

Gavin blickte von seinem Schreibtisch auf, seine haselnussbraunen Augen scannten den Raum. Chris war still dabei Beweismittel festzuhalten, Tina war an ihrem Handy und schrieb schonwieder eine Nachricht an Valerie, und keiner trieb sich bei Anderson und Connors Schreibtischen rum. Fowlers Büro blieb leer, und die Lichter aus.

Er stand auf und ging in den Pausenraum, wo 900 still an einem der Tische saß. Der Android hielt seine Dienstmarke in beiden Händen, seine LED immer noch flammend rot. Gavin ging an ihm vorbei, ihn gezielt ignorierend, und beschäftigte sich mit der Kaffeemaschine.

Nichts davon war typisch für 900. Keine fiesen Witze über Gavins Koffeinabhängigkeit, keine Warnungen über den Effekt, den Kaffee auf seinen Blutdruck hatte. Ehrlich, allein 900 still dort sitzen zu sehen anstatt mit unendlicher Ausdauer im Büro geschäftig hin und her zu eilen, fühlte sich unheimlich an. Seine Gedanken gingen zurück zum heutigen Tatort. VB800-Körperteile über die ganze Gasse verteilt, verquollene Thirium-Spuren … ja, es war wirklich grauenhaft. Vielleicht besonders grauenhaft für seinen Neuling von Partner, der sich selbst an Stelle des Opfers sah.

Gavin überlegte eine Stichelei raus zu hauen – „Du faulenzt lieber im Pausenraum, anstatt zu arbeiten? Dachte Androiden brauchen keine Pausen!“ – aber er bevor es seine Lippen verließ, stoppte er sich. Das Timing schien nicht richtig für Garstigkeit, selbst wenn es nur als Scherz gemein wäre.

Er goss sich Kaffee ein. Die Zeit lief ihm davon um glaubwürdig abstreiten zu können wieso er noch da war.

Sag mir, was mit dir los ist.“? Ne, viel zu aggressiv. Zu direkt. Was wenn 900 nicht mit ihm reden wollte? Zur Hölle, wieso würde 900 mit ihm reden wollen? Alles wofür er gut war, war Beleidigungen auszutauschen und Kriminalfälle zu lösen. Sie hatten sich nie über etwas tiefgründigeres als das unterhalten. Sie hatten nicht diese Art der Beziehung.

Die Zeit war abgelaufen. Nun konnte er der Partner sein, der 900 komplett ignorierte, oder er könnte derjenige sein, der etwas sagte, irgendetwas-

„Möchtest du drüber reden?“

Da. Das war doch nicht so schlecht. Neutral. Erweiterbar. Alle Optionen offenhaltend.

„Über den Fall?“

Verdammt, Nines. Gavin ballte die Fäuste. Verlang bitte nicht von mir das zu erklären.

„Darüber, dass du einen deiner Leute zerstückelt gesehen hast.“

Er drehte sich mit seiner vollen Kaffeetasse um, nickte dem Androiden zu. Natürlich war es gradeheraus aber wenn 900 alles vorbuchstabiert bekommen musste, funktionierte es.

„Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen toten Androiden gesehen habe, Detective.“

Gavins Ungeduld wuchs auf zellularer Ebene, sein Blutdruck stieg in jeder Ader. Es war nicht ihre Art, um etwas herum zu tänzeln. Wieso konnte 900 es nicht einfach ausspucken?

Ja, aber es ist anders, wenn es ein Hassverbrechen ist, ne?“

„Mir geht’s gut, Gavin.“

Kalt und mechanisch, wie als wäre er frisch aus der Verpackung gekommen. Mit einer Ausnahme – die Formalität des „Detective“ viel weg. Ein starker Zug, Gavins Vornamen wahrscheinlich zum ersten Mal, an das er sich erinnern konnte, zu benutzen.

Das war ungefähr so viel Wohlwollen, wie Gavin in der Lage war aufzubringen, und er knallte seine Kaffeetasse auf die Theke. „Komm schon! Ich hab‘ doch dein Gesicht gesehen. Du warst so blass wie deine verdammte Jacke. Tu nich‘ so als hättest du nichts fühlen können.“

Danach gab es kein Zurück mehr. Augenblicke später gingen sie sich gegenseitig an die Gurgel, schrien so laut, dass vermutlich das Gebäude wackelte, bis 900 seine Dienstmarke in unbändiger Wut zerbrach.

Gavin knirschte mit den Zähnen, um zu verbergen, wie sehr ihn das geschockt hatte. „Fuck Androiden“, murmelte er und schob sich an Nines vorbei, während er den Pausenraum verließ.

Also das war wohin ihn sein Mitgefühl getrieben hatte, was? Das passierte, wenn man versuchte für seinen Partner da zu sein, nach ihm zu sehen, 900s ungewöhnliches Verhalten aufzuzeigen?

Wieso bemühte er sich überhaupt mit Beziehungen jeglicher Art? So endete es immer.

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DIE GEGENWART

„Du hast dir Sorgen um mich gemacht?“ Nines‘ LED wurde gelb, um die neuen Informationen zu verarbeiten. „Darum ging es also?“

Gavin winkte mit seiner Gabel durch die Gegend. „Offensichtlich!“

„Gavin, das ist vermutlich die liebevollste Art – Ich hasse dich.“

„Du l-“

„Ja, ich liebe dich aber ich hasse dich trotzdem sehr.“

„Ok, jetzt kommt‘s.“ Gavin sprang von seinem Hocker auf, sein Frühstück vergessend. Er schritt hin und her, so wie er es immer tat, wenn er mit Leidenschaft sprach. Und Nines lächelte über dieses Ritual, von Gavins Energie angetan. „Was sonst hätte ich sagen sollen? Ich hab dich buchstäblich gefragt ob du darüber reden wolltest.

“Und ich habe die gesagt, dass es mir gut geht.“

„Aber das war gelogen!“

Ich …“ Nines‘ LED flackerte kurz rot auf. Hmm, das hatte ihn verblüfft. „Ich denke, ich habe nie realisiert, dass du es ernst meintest? Damals dachte ich, dass du versuchen würdest mich auf die Palme zu bringen. Mir den Tod dieses Androiden auf die Nase binden wolltest. Um meinen Mangel an Offenheit als Beweis zu nehmen, dass ich eben nicht lebendig bin.“

Gavin blieb stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. Bevor er noch platter dreinschauen konnte, fügte Nines noch schnell etwas hinzu.

„Aber ich habe dich falsch eingeschätzt, Gavin, ich hätte nicht annehmen sollen, dass deine Intentionen feindlich gestimmt waren, wenn du nur versucht hast mir entgegen zu kommen. Wenn ich nur zugegeben hätte, was ich fühlte, hätten wir diesen Streit verhindern können.“

„Eh, Einsicht Nr. 20/20 oder 850/20 – wie verdammt auch immer du das nennst.“

„Sehr amüsant.“

Sie teilten ein gegenseitiges Lächeln, einen herzlichen Augenblick. Gavin setzte sich wieder, sein Knie leicht gegen Nines’ streichend.

„Ich denke ich kann dir das nicht nachtragen. Wenn du dachtest, dass ich dich verarschen wollte, dann hab ich die bestimmt ‘nen guten Grund gegeben.“

„Wir brauchten eine Weile gebraucht um den anderen zu verstehen. Das wissen wir beide. ist Aber das ist alles Schnee von gestern.“

Gavin sah, in eine weitere Erinnerung vertieft, himmelwärts. „Weist du, der Rest des Tages war irgendwie witzig. Tina hatte sogar noch vor uns beiden raus, was los war.“

Nines zog eine Augenbraue hoch. „Tina?“

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  1. FEBRUAR 2039

„Ich bin fertig, T. Wenn Fowler nicht übers Wochenende in Chicago wäre, würde ich in sein Büro stürmen und ‘nen neuen Partner verlangen. Dieses Plastikarschloch ist doch verrückt!“

Tina sah kaum von ihrem Notizblock auf, auf das sie schrieb. „Was hat er jetz‘ gemacht? Deinen Kaffee mit statischer Energie aufgeladen?“

Gavin ließ sich auf dem Rand ihres Schreibtisches nieder, den Stiftehalter ohne es zu merken, umstoßend. „Er hat seine Dienstmarke in einer Hand zerbrochen, vor meinen Augen. Das hätte auch mein Kopf sein können.“

Gott, Gavin. Was hast du gesagt, dass es ihn dazu bewegt hat, sowas zu tun?“

„Nur ein dummer Streit. War verdammt Sinnlos. Diese Bastarde marschieren seit Monaten durch die Straßen, sagen, sie könnten fühlen, sie wären am Leben, und hätten Empathie und all den menschlichen Scheiß. Aber ich bekomm diesen Kerl, der einen zerpflückten Androiden an einem Tatort sieht, fast mir fast abkratzt, und mir dann sagt, dass es ihn kalt lässt? Wieso, zur Hölle, würde er darüber Lügen, etwas zu fühlen, hä? Wenn er so verdammt stolz darauf wäre ein Individuum zu sein, würde man denken, dass er es von den Dächern schreien würde.“

Tina verdrehte die Augen, während sie die Seite mit ihrem Kunstwerk aus dem Block riss und zu einem Ball zerknüllte. „Du fragst mich ehrlich, wieso jemand seine Gefühle verstecken wollen würde? DU? Verdammt, Gavin, deine emotionale Intelligenz ist die eines Alpaccas.“

„Was meinst du damit?“

Tina warf ihm den Papierball an den Kopf. „Ich meine, dass er wahrscheinlich nicht sicher ist, welche Gefühle er schon gewillt ist mit dir zu teilen. Besonders, wenn du ihn so ins Kreuzverhör nimmst. Sag ihm einfach, dass du für ihn da bist, wenn er reden möchte und ihn dann in Ruhe lässt. Schlussendlich wird er darauf zurückkommen.“

Während Gavin darüber nachdachte, die Füße über den Rand des Schreibtisches hängend, grinste Tina ihn an. Sie stand mit einer leeren Kaffeetasse in der Hand auf. „Überlass es dir selber, sich am Valentinstag mit seinem Schatz zu verkrachen.“

Während Gavin darüber nachdachte, die Beine über den Rand des Schreibtischs hängend, grinste Tina ihn an. Sie stand mit einer leeren Kaffeetasse in der Hand auf. „Überlass es dir selber, am Valentinstag einen Streit mit deinem Schatz zu haben.“

Gavins Blick schnellte hoch, nur um ihren Pferdeschwanz hinter ihr her schweifen zu sehen, als sie wegging. „Heute ist der verdammte Valentinstag?!“

Sie ignorierte ihn und ließ ihn mit dem Papier, dass sie ihm vor den Kopf gepfeffert hatte. Er faltete den zerknitterten Ball sofort auseinander und ihr Meisterwerk wurde sichtbar – ein einfaches Herz, das die komplette Seite einnahm, und in dessen Mitte G 9.

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GEGENWART

„Oh“, begann Nines langsam, während er sich auf die Theke lehnte. Also macht es hundertprozentig Sinn, dass sie mir geraten hat dir Abendessen zu bringen.“

„Sie saß mir mit dem Scheiß schon von Anfang an im Nacken. Sie war zu dem Zeitpunkt schon so weit dich meinen Ehemann zu nennen.“

„Aber woher konnte sie das so früh schon gewusst haben?“

Gavin schnaubte. „Ich denke sie kannte mich einfach.“

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  1. FEBRUAR 2039

Später am Abend stand vor Gavins Haustür, ohne seine weiße Cyberlife-Jacke, RK900.

Wut kroch in Gavin auf und er hätte 900 fast die Tür vor der Nase zugeschlagen. Alles was er hören konnte, waren die bissigen Worte von ihrem Streit, er hatte in Rage das Sie fallengelassen – Du bist schwach, Reed. Du bist ein Sklave deiner Laster, du bist gemein, der Gemeinheit wegen. Du erwartest, dass ich ein so großes Desaster bin, wie du, und du bist verbittert darüber, dass ich es nicht bin!“

Aber alles was er sehen konnte war ein unerkennbar scheuer Android zwischen Tür und Angel, der Gesichtsausdruck verzerrt zu einem unbeholfenen Versuch zu lächeln. So als wären es seine Gesichtsmuskeln nicht gewöhnt. Und ohne die Last der synthetischen Jacke wirkte er … schmaler.

„Guten Abend, Detective.“

Gavin blinzelte, als er an ihm hochsah. „Was, hast du es geschafft meinen Arbeitsrechner zu hacken, um herauszufinden, wo ich wohne?“

„Ehrlichgesagt hat es mit Officer Chen hat es mir erzählt.“

Er konnte sich vorstellen, wie Tina selbstgefällig grinsend an ihrem Schreibtisch saß und Herzen auf ihren Notizblock malte. Natürlich hatte sie das verdammt nochmal getan.

So unfreundlich Gavin auch war, es gab doch Dinge, die sein Mitgefühl weckten. Meistens streunende Tiere außerhalb des Apartment-Komplexes. Und nun fiel 900 in diese Kategorie, er konnte sich einfach nicht davon abhalten, den Androiden rein zu bitten.

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Auf der einen Seite fühlte Gavin ein aufputschendes Gefühl der Genugtuung, RK 900 auf seiner Türschwelle zu sehen, sich zu seinem inneren Konflikt zu bekennen. Er war nicht ohne Grund ein großartiger Detective und seine Intuition lag immer richtig. Das machte es umso befriedigender 900 zuzuhören und ihn die Lücken füllen zu lassen, die er übersehen hatte und gleichauf seinen Verdacht zu bestätigen. Der Tatort hatte 900 beunruhigt. Es hatte ihn an den Androidenjäger erinnert, als der er gebaut worden war.

Andererseits hatte Tina absolut recht gehabt mit dem Hinweis offen zu sein, damit 900 die Unterhaltung von sich aus starten konnte. Es war ziemlich unangenehm. Natürlich würde Gavin ihr nie sagen, dass sie recht gehabt hatte.

Als RK900 mit dem Abladen seiner Gedanken fertig war, studierte Gavin seine gertenschlanke Erscheinung. Er sah wirklich weniger roboterhaft aus, ohne diese Jacke. Mit seiner LED, die weg von Gavin zeigte, wirkte er komplett … menschlich.

„Hey, ich weiß du hast Internet in deinem Gehirn oder was auch immer aber … du musst herausfinden, was du willst. Und der einzige Weg, um das herauszufinden ist … ein wenig zu leben.“

Es war diese Sorte Ratschlag, die auf Cornflakespackungen zu finden waren, aber er hatte nie behauptet Therapeut zu sein. Und trotz dessen, was für eine einfache Plattitüde das war, schien es mit RK900 zu räsonieren.

„Vielleicht haben Sie – hast du recht.“ RK900 hielt seine Hände auf seinem Schoß zu einem engen Ball zusammen. „Es tut mir leid, dass ich meine Frustration heute an dir ausgelassen habe.“

Er hatte nicht mit einer Entschuldigung gerechnet, aber jetzt, da es raus war, fühlte er sich, als wäre er auch eine Schuldig.

„Ja Nines, es tut mir auch leid.“

Ah, verdammt. Manchmal verschwamm RK900s Name in seinem Kopf zu „Nines“. Aber das war nie dazu bestimmt seine Lippen zu verlassen. So oft er 900 auch beleidigende Spitznamen entgegen schmiss, kam es ihm doch unangemessen vor ihm einen richtigen Namen zu geben. Es schien ihm nicht erlaubt so etwas zu tun.

„Nines? So hast du mich bisher noch nie genannt.“

Er sprach, bevor er sich davon abhalten konnte. „Hey, wenn du lieber bei „Blechbüchse“ und „Plastikarschloch“ bleiben willst, gerne.“

„Nein, Nein … Nines ist ok. Ich behalte ihn, denk ich.“

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DIE GEGENWART

Nines lehnte sich etwas zurück, ein wehmütiger Ausdruck auf dem Gesicht. „Es hat danach nicht lange gebrauch, bis ich herausgefunden habe, was ich wollte.“

„Also all das,“ Gavin machte eine Handbewegung zwischen ihnen, „ist meinetwegen passiert?“

„Auf eine gewisse Art.“

Gavin kniff sich ins Nasenbein. „Es tut mir leid … Ich hab‘ nichts für dich. Naja, ich bin scheiße mit Feiertagen und ich hab‘ auch nich‘ dran gedacht, dass heute auch-“

Nines stand auf und nahm Gavins Hände in seine. Er lächelte über ihre verschränkten Finger. „Du hast mir schon etwas geschenkt. Ich habe es genossen von deinen Erinnerungen zu hören. So etwas hast du noch nie mit mir geteilt.“

Der kleinere Mann blickte hoch, seine Augen mit einem Hauch Argwohn zu Schlitzen verengt. „Bist du sicher, dass ich dir nicht eher so eine blaue, herzförmige Box mit Thirium-Süßigkeiten hätte besorgen sollen?“

„Ich bin mir sicher, dass du dir das grade ausgedacht hast.“

„Ne, das Zeug gab es definitiv letztes Wochenende im Supermarkt.“

„Und du hast trotzdem nicht an mich gedacht?“

Gavin schaute verächtlich. Nines grinste, während er sich vorlehnte und ihre Stirnen sich berührten.

„Spaß. Ich bevorzuge es die Abenteuerlust, was mein Innenleben betrifft, auf dem Minimum zu halten.“

Für einen Moment standen sie da, in angenehmes Schweigen gehüllt, Gavins Lippen strichen zaghaft über Nines‘. Der Android konnte seinen Atem spüren – leicht zitternd – und er grinste ebenfalls.

„Ich hätte wissen müssen, dass du heute so sein würdest.“

„Oh?“

„So ein verdammter Einfaltspinsel.“

Oh

Gavin zog sich weitgenug zurück, um ihm in die Augen zu schauen, ein übermütiges Glitzern in seinen. „Hätte öfter auf meinen Kalender schauen sollen, huh? Ah, warte … unseren Kalender.“

Nines grinste und starrte auf ihre verschränkten Finger. „Was kann ich sagen? Unsere Leben sind unwiderruflich verbunden.“