Chapter Text
Robin hielt den Bogen nun schon seit einer ganzen Weile gespannt und seine Arme begannen leicht zu zittern. Die Pfeilspitze war auf Guys Brust gerichtet, während dessen Schwertschneide an seiner Kehle ruhte, bereit jeden Moment Robins Kopf von seinen Schultern zu trennen. Der einzige Grund, weswegen er noch nicht zugeschlagen hatte war der, dass Robins Pfeil unweigerlich nach vorne schnellen würde, sobald seine Gliedmaße erschlafften. Sie befanden sich also in einer Zwickmühle.
„Von mir aus können wir den ganzen Tag so verweilen“, knurrte Guy, obwohl auch seine Arme langsam schwer wurden.
„Ich würde gerne dasselbe behaupten, aber ich befürchte, dass ich die Sehne nicht mehr all zu lange halten kann. Ihr solltet lieber Euer Schwert senken und mich gehen lassen.“
„Damit Ihr mit den Steuergeldern entkommen könnt? Das hättet Ihr wohl gerne. Der Sheriff wird jeden Moment hier sein und dann geht es Euch an den Kragen, Hood.“
„Ja-a-a?“, brachte Robin gedehnt langsam hervor. Auf Grund der Anstrengung perlte ihm bereits Schweiß von der Stirn. „Das behauptet Ihr schon seit einer ganzen Weile. Aber wo ist er? Ich sehe ihn nirgendwo?“
„Er wird kommen.“
Eine Zeit lang schwiegen sie sich mit finsteren Blicken gegenseitig an. Robins Arme begannen zu schmerzen.
„Wie wäre es, wenn wir uns heute einfach auf ein Unentschieden einigen. Ihr verzichtet auf meine Gefangennahme und ich überlasse Euch die Steuergelder. Na, was sagt Ihr dazu? Auf drei nehmen wir unsere Waffen herunter, in Ordnung?“
Ein stummes Nicken war die einzige Antwort die Robin erhielt.
„Na gut, also: Eins..., zwei..., drei!“ Keiner von beiden bewegte sich auch nur einen Zentimeter. „Ich muss gestehen, ich bin von uns beiden schwer enttäuscht.“
Widerwillig zuckte Guys rechter Mundwinkel nach oben.
„Habt Ihr ernsthaft geglaubt, ich wäre so einfach zum Narren zu halten?“, brachte Guy voll Gehässigkeit hervor.
„Bisher war das nie ein Problem gewesen“, meinte Robin, während er sich zu einem überlegenden Lächeln zwang. Er wusste wirklich nicht, wie lange er der Anspannung in seinen Armen noch standhalten konnte. Es sprach gegen die Grundregeln der Outlaws jemanden kaltblütig zu ermorden, aber wenn der Pfeil aus Versehen durch seine verschwitzen Finger glitt, wäre es dann tatsächlich Mord?
Auch seinem Gegenüber sah man deutlich die Anstrengung an. Guys Stirn bildete tiefe Furchen und seine Gliedmaße zuckten leicht, ebenso wie seine Augen. Auch ihm rann Schweiß von der Stirn, der über seine falkenartige Nase hinab auf seinen Mund tropfte. Unbewusst leckte er sich die salzige Feuchtigkeit von den Lippen. Es war eine flüchtige Bewegung, die Robin vermutlich entgangen wäre, wenn sie nicht so nah beieinander gestanden hätten. Wie in Hypnose verweilte Robins Blick auf Guys Lippen. Eine Idee formte sich in seinem Geist. Gewiss ein Produkt von Überanstrengung und Dehydration, aber so verrückt sein Plan auch erscheinen mochte, würde er vielleicht dazu führen, dass Guy freiwillig von ihm Abstand nahm, oder zumindest einen Sekundenbruchteil abgelegt war, so dass Robin entkommen konnte.
Trotz schmerzenden Muskelzuckungen grinste er auf einmal schelmisch. Ja, definitiv ein Zeichen von aufkeimendem Wahnsinns. Er zwinkerte Guy zu, der seinerseits nur irritiert die Nase rümpfte.
„Da dies vielleicht die letzte Gelegenheit ist, möchte ich Euch sagen, dass ich Eure ausgesprochene Hartnäckigkeit, die schon fast an Halsstarrigkeit grenzt, immer bewundert habe.“
Guy Unterkiefer mahlte bedrohlich.
„Nein, wirklich. Jeder andere an Eurer Stelle hätte die Jagd nach mir vermutlich schon längst aufgeben, aber Ihr zeigt Durchhaltevermögen. Das gefällt mir. Ohne Euch wäre mein Leben vermutlich nur halb so interessant.“
„Spottet nur, solange Ihr noch könnt. Aber ich werde derjenige sein, der zuletzt lacht.“
„Das bezweifle ich. Das bezweifle ich sehr.“
„Was, glaubt Ihr ernsthaft Ihr könntet mir dieses Mal noch entkommen? Das Spiel ist aus, R-o-b-i-n H-o-o-d!“ So wie Guy seinen Namen angewidert in die Länge zog, konnte man meinen es handele sich um eine ansteckende Krankheit.
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber eigentlich bezog sich meine Bemerkung auf die absurde Behauptung Ihr wäret zu einem Lachen fähig. Verzeiht mir, wenn ich da so meine Zweifel habe.“
Guy verzog keine Mine.
„Was ist los mit Euch? Ist das Feuer schon erloschen? Wo ist die Leidenschaft, die ich sonst von Euch gewohnt bin Gisborne?“, feixte Robin, trotz seiner misslichen Lage.
„Oh, wenn erst Mal der Sheriff und seine Wachen hier sind, dann werde ich Euch mit aller Leidenschaft in den Kerker werfen, in Eisen legen und einem ausgiebigen Verhör unterziehen.“
„Na seht Ihr, geht doch. Das ist der Gisborne den ich kenne. Sagt mir, zeigt Ihr ebenso viel Enthusiasmus im Schlafgemach, oder gilt Eure Leidenschaft alleine mir?“
Guy sah ihn konfus an, als hätte er die Frage nicht recht verstanden.
„Das muss Euch nicht peinlich sein. Ich verstehe schon, wahrscheinlich verausgabt Ihr Euch so sehr bei der Jagd nach mir, dass Ihr im Bett einfach keinen mehr hoch bekommt.“
„Nicht das es Euch etwas anginge, aber ich bin durchaus in der Lage eine Frau zu beglücken“, zischte Guy, zwischen zusammen gebissenen Zähnen, der diese Verleumdung nicht so einfach hinnehmen konnte.
„Tatsächlich? Beglücken? Bei Euren Vorlieben? Eisenketten und ausgiebige Verhöre sagtet Ihr?“
„Oh, diese sind alleine Euch vorbehalten“, entgegnete Guy, wobei er die Zähne fletschte.
„Ah, Ihr hegt also schmutzige Phantasien über mich. Ich würde gerne behaupten, dass mich Eure Worte überraschen, aber seien wir ehrlich miteinander: Ihr habt mir schließlich schon am Tag Eurer Verlobungsfeier enthüllt, dass Ihr in Eurer Hochzeitsnacht an mich denken werdet.“
„Unterstellt mir keine lasterhaften Gelüste, Ihr wisst genau was ich damit meinte.“
„Weiß ich das? Ihr scheint ziemlich besessen von mir zu sein. Liebt Ihr Marian überhaupt, oder seid Ihr nur an Ihr interessiert, weil sie einst meine Verlobte war?“
„Noch ein Wort Hood und mir entgleitet gegebenenfalls meine Schwerthand.“
„HA, dann sterben wir beide. Wie poetisch. Aber mal ganz ehrlich, eine Frau zu ehelichen die Ihr nicht begehrt, nur um mir im Gedanken nahe zu sein, halte ich für ein wenig überzogen. Ihr etwa nicht? Wenn Ihr mir nah sein wollt, könntet Ihr auch einfach nett fragen. Vielleicht würde ich mich sogar darauf einlassen. Ihr seht schließlich...“
Er unterzog Guy einem kritischen Blick.
„...recht passabel aus.“
Guys Mundwinkel verzogen sich zu einer Grimasse: „Ihr seid krank.“
„Bin ich das? Nur weil ich wage es laut auszusprechen? Ihr seid es doch, der sich ausmalt wie es wäre, wenn ich mit gespreizten Beinen unter Euch läge“, säuselte Robin und fuhr sich betont langsam mit der Zunge über die Lippen. Seine Arme, die immer noch die Sehne des Bogens gespannt hielten, fühlten sich so schwer an wie Blei, was dazu führte das die Pfeilspitze leicht hin und her schwang. Mit rauchiger Stimme fuhr er fort: „In Ketten, um Gnade winselnd, während Ihr in mich...“
„HALTET DEN MUND! Ich will mir nicht Eure liederlichen Gedanken anhören. Alleine bei der Vorstellung läuft mir ein Schauer über den Rücken.“
Guys Hände, die das Schwert hielten, begannen bedrohlich zu zittern. Robin musste sich alle Mühe geben um seine Scharade aufrecht zu erhalten und nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Er hatte sich mit Hilfe seines Scharms schon aus weit aus prekären Lagen gewunden. Zugegeben, bisher hatte er seine Verführungskünste noch nie an einem Mann erprobt, aber wenn es Robin an einem nicht mangelte, dann war es Selbstbewusstsein.
„Oh, ich bin mir gewiss, dass Euch dabei ein Schauer über den Rücken läuft. Die Vorstellung wie ich unbekleidet unter Euch liege, um Gnade bettelnd, während Eure Hände mich an unzüchtigen Stellen berühren“, raunte Robin fast im Flüsterton und stellte amüsiert fest, wie sein Gegenüber bei diesen Worten schluckte.
„Wie eine Schlange versteht Ihr es einem die Worte im Mund zu verdrehen“, knurrte Guy.
„Na, was sagt Ihr?“ Anzüglich ließ Robin seinen Blick an seinem Gegenüber hinabgleiten. Nicht das er tatsächlich vor hatte mit Guy, oder irgendeinem anderen Mann jemals das Lager zu teilen. Er bevorzugte eindeutig die Rundungen einer Frau.
„Ich sage Ihr müsst wahnsinnig sein, so etwas überhaupt vorzuschlagen“, brummte Guy, aber er klang bei Weitem nicht so abgeneigt, wie er vielleicht beabsichtig hatte. Insbesondere deswegen nicht, weil sich eine sichtbare Wölbung in seiner Hose bemerkbar machte.
„HA! Eure Lenden sprechen aber eindeutig eine andere Sprache“, gackerte Robin erheitert.
Guys Augen weiteten sich bei diesen Worten und bestürzt blickte er für einen Sekundenbruchteil zu seiner Männlichkeit herab, als hätte diese ihn aufs Übelste hintergangen. Es war nicht viel Zeit, aber genug um sich zu ducken, seinen Bogen zu senken und nach dem Kästchen mit den Steuereinnahmen zu greifen.
Guy riss überrascht den Kopf hoch und wollte ihm unweigerlich nachhechten, doch er bekam Robin nicht mehr zu fassen. Mit einem Satz war dieser auf den Fenstersims gesprungen und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich befürchte ich muss Euch schweren Herzens verlassen. Ich sehe einfach keine Zukunft für uns beide.“ Dann ergriff er lachend die Flucht und ließ einen fluchenden und zutiefst beschämten Guy of Gisborne zurück. Man hätte durchaus von einer gelungenen List sprechen können, wenn Robins kleiner Streich ihn nicht selber des nachts eingeholt hätte. Denn die Geister die er rief, wurde er nun nicht mehr los. Wie ein Schreckgespenst spukte ihm Guy durch den Kopf, als er im Camp auf seiner Koje lag, darum bemüht Schlaf zu finden. Er versuchte sich einzureden, dass ihn der Gedanke anwiderte sich von dem Handlanger des Sheriffs berühren zu lassen und versuchte stattdessen an Marian zu denken. Doch an ihre Stelle rückte die Erinnerung an Guy. Ihre sanften Augen, wurden durch seinen durchbohrenden Blick ersetzt und ihre weichen Rundungen, durch seine breiten Schultern. Ein Verlangen keimte in Robin auf, dass nichts Gutes ahnen ließ.
THE END