Kamelopedia:Politisches Feuilleton/Selbsthilfegruppe Morbus Schaeuble

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Politisches Feuilleton


Ab heute ist das ein Blog. Aber trotzdem darf jeder hier mitmachen. Wer wissen will, was früher hier war, kann sich ja mal das Archiv ansehen.


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Dieser Blog hat sich totgelaufen...--Schäublekamel 14:02, 6. Dez. 2009 (NNZ)

  • 2. 12. 2009 - Ausflug nach Münster. Heute hatte ich null Bock auf die olle Werkstatt. Da werden nämlich heute die Rentiere aus Holz für den Adventsmarkt am nächsten Sonntag bemalt. Und zum Arzt bin ich auch nicht. Hab einfach so blau gemacht. Und wenn die Schrappnelle von Betreuerin morgen moppert, trink’ ich ’nen kräftigen Schluck Limonade und rülpse ihr in’s Gesicht. Sowas nehmen die sich schließlich gegenüber uns Behinderten auch heraus. Ich bin nach Münster gefahren, umsonst, hab ja Merkzeichen G (außergewöhnlich gehirngeschädigt) im Behinderten-Ausweis stehen. Sogar die erste Klasse darf ich nutzen, so wie sonst nur die Schwerkriegsbeschädigten. Da bin ich dann erstmal zum Prinzipalmarkt gerollt und hab mir die Käfige am Turm der Lambertikirche angesehen. Wenn das mal wieder möglich wäre seinen politischen Gegner derart vorzuführen *träum*. Dazu fällt mir ein: „Lame-Berty“ hat mich die Thatcher immer genannt, aber nur inoffiziell. Das heisst so viel wie „Lahmer Berthold“. Ich hab schon viele Spitznamen gehabt. In solchen Augenblicken fallen die mir oft wieder ein. Aber der Hauptgrund warum ich nach Münster wollte ist die Warendorfer Strasse. Das ist unter uns Behindis der Geheimtip. Da ist nämlich ein bekannter Fernsehmoderator durch einen Unfall zum Rollstuhlfahrer geworden, aber der kann jetzt wieder laufen und den Ort wo das passiert ist wollte ich gerne mit eigenen Augen sehen. Aber auf dem Weg dahin musste ich hollerdiboller über das Kopfsteinpflaster an der Stadtbücherei rollen. KraaaaX! Was’n nu?? Ich roll ja garnicht mehr. Und ich steh auf der Strasse wie die Titanic im Eismeer (so etwa wie kurz vor dem Untergang...). Achsbruch. Voll Schlagseite. Au Backe! In der Situation hab ich dann das Versorgungsamt per Handy angerufen. Nach etwa 20 Minuten kamen zwei Orangen Apfelsinen Mandarinen Clementinen Clementinerinnen, nein das wars auch nicht, ah ja, Clemensschwestern mit einem Ersatzrollstuhl angeschlendert. Hiiieh, der ist ja liiilaa! Und an den Reifen waren zwei riesige rosa Schleifen aus Tüll dran. Ätzend und peinlich. „Wieso is’n das so’n hässlicher Rollstuhl?“ hab ich erstmal gefragt. „Ja“, so die Antwort, „den hat uns eine junge Frau gespendet, privatversichert, hatte beide Beine gebrochen und brauchte den Rollstuhl für 6 Wochen. Und weil sie den als Privatpatientin behalten durfte aber nix damit anfangen konnte, hat sie ihn uns gespendet. Ist doch nett, oder?“ Also wurde ich von den resoluten Schwestern umgeladen doch der Tag war für mich gelaufen. Mein richtiger Rollstuhl wird gerade in einem Reha-Sanitätsfachhandel repariert. Soll heute Abend fertig sein. Na, vielleicht fahr ich noch zum Hüffer-Stift, „Krüppel-Heilanstalt“ steht immer noch über dem Portal des Altbaus. Obwohl was soll ich da? Die können eh’ nichts mehr für mich tun. Aber interessant finde ich sowas trotzdem... Oh, mein Handy klingelt. Vielleicht ist mein Rollstuhl schon jetzt fertig. Dann kann ich doch noch zur Warendorfer Strasse. Mit der lilanen, tuntigen ollen Klunte fahr ich da nämlich nicht hin.

Nee, war Ingeborg; warum ich nicht in der Werkstatt war. Die holt mich in einer halben Stunde hier hab und bringt mich hin. Ich blogge ein ander Mal weiter. Ciao liebe Finanzminister-Fans!

  • 30. 11. 2009 - PC-Kurs in der WfB. Ich kann heute auch mal von der Werkstatt aus bloggen, weil ich jetzt endlich (seit ich 1990 nach meinem Abschuss zum Caritas musste) zum PC-Kurs zugelassen wurde. Wir haben 4 Rechner für über 800 Behinderte - das kann ja nix werden. Ausserdem sind die Betreuer oft krank und dann fällt der Kursus aus. Krank sind wir zwar auch - sonst wären wir nicht in der WfB, doch werden wir für´s Kranksein nicht so fürstlich entlohnt wie die Betreuer. Aber jetzt kommt es ganz dicke: ich hab mir bei wichtigen Bundestags-Sitzungen einen gelben Schein für die Werkstatt geholt und deshalb hab ich gleich mit Ingeborg einen Termin beim Anstaltsleiter. Nicht, dass er mir kündigen könnte, da redet der Behindertenfachintegrationsdienst vom Versorgungsamt mit, aber ab 90 Fehltagen gilt man als zu krank zum Arbeiten und ist in der Werkstatt unerwünscht weil zu wenig profitabel. Komisch, die kriegen doch sowieso ihr Geld für den Werkstattplatz vom Kostenträger - na ja, die vom Caritas sind halt unersättlich in ihrer Gier. Ich möchte da auch nicht mehr hin - aber Ingeborg will daß ich hin„gehe“.

Oh, Ingeborg ist da, ich blogge ein ander Mal weiter. Drückt mir die Daumen und ciao liebe Finanzminister-Fans!

  • 28. 11. 2009 - DVD ausgeliehen. Für viele ist das stinkelangweilig, wenn ich hier über die Ausleihe einer DVD berichte. Aber für Behinderte, deren Highlight der Woche das Brötchen zum Frühstück in der WfB ist, sind solche Augenblicke Sternstunden des Glücks. Ich durfte mir den Film „Stalingrad“ ausleihen, weil die Zensursula einen ausgegeben hat für alle Kabinettsmitglieder. Den kannte ich schon, aber ich find die Szene so toll, wo einer sagt: „Hier, Rollo, Haftladungen, viel Spaß damit.“, denn Rollo war mein Spitzname im Kabinett Merkel I. Jetzt hab ich noch keinen neuen Spitznamen. A propos „Haftladung“, so nennt Ingeborg es immer, wenn ich durch Hundescheisse gerollt bin. Mein Zivi passt auf und schiebt mich meistens drumherum, aber mit nur 6 Monaten Dienstzeit wird er wohl keine Zeit mehr für solche Sperenzchen und Extrawürste haben und mich geradeaus durchschieben. Und „Viel Spass damit“ hat der Physiotherapeut gesagt, als er mir kurz nach dem Streckschuss zum ersten Mal den Rollstuhl gezeigt hat. „Blöde Sau“, hab ich gedacht, „du musst ja nicht bis zum Lebensende darin rumrollen“.

Oh, Ingeborg will, daß ich mit dem Zivi einkaufen rolle, ich blogge ein ander Mal weiter. Ciao liebe Finanzminister-Fans!

  • 27. 11. 2009 - Kurz bevor mich die Pflegekraft für die Nacht fertig macht. Ein weiteres Lied möchte ich heute bloggen. Ich war heute noch beim Steh-Laufbandtraining. Das muss ich machen damit die Knie nicht steif werden. Da wird auch immer zum Anfang so ein doofes Lied gesungen. Das soll die Motivation heben. Trotzdem hänge ich dabei im wahrsten Sinne des Wortes so ziemlich in den Seilen, während die Krankengymnastin versucht, mich mit dem Lied anzufeuern. Hier ist es (Melodie: Colonel-Bogey-Marsch):
Schäuble! Versuch mal aufzusteh’n!
Schäuble! Versuch ’nen Schritt zu geh’n.
Schäuble! Du musst nur wollen, dann geht das Laufen bestimmt wie von selbst.

Heilpädagogisches Singen hat die Schröder-Regierung eingeführt. Die Grünen-Abgeordneten haben nämlich oft Sozialpädagogik studiert und sich dabei mit Therapie-Musik stark auseinandergesetzt. Und ich darf die Suppe jetzt auslöffeln...

Jetzt will Ingeborg an den Rechner. Ich blogge ein ander Mal weiter. Ciao liebe Finanzminister-Fans!

  • 27. 11. 2009 - So beginnt der Tag. Hier möchte ich mal den mich betreffenden Teil des Liedes vorstellen, dass wir jeden Morgen zu Beginn der ersten Arbeitseinheit in der Werkstatt singen müssen. In meiner Gruppe sind 8 Behinderte, denen ungefähr die gleiche Anzahl an Strophen gewidmet ist wie mir. Deshalb dauert das Singen sehr lange. Übrigens, die Melodie ist die von der Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt - find ich blöd, aber ist so; schließlich bin ich behindert und kann mich dagegen nicht wehren...
Wolfgang Schäuble fährt im Rollstuhl durch den Reichstag, durch den Reichstag, durch den Reichstag.
Wolfgang Schäuble fährt im Rollstuhl durch den Reichstag.
Wolfgang Schäuble ist ein ziemlich schräger Typ.
Wolfgang Schäuble hat ’nen Rollstuhl mit ’nem Kühlschrank, mit ’nem Kühlschrank, mit ’nem Kühlschrank.
Wolfgang Schäuble hat ’nen Rollstuhl mit ’nem Kühlschrank.
Wolfgang Schäuble ist ein ziemlich schräger Typ.
Da hat Schäuble immer eine Flasche Bier drin, Flasche Bier drin, Flasche Bier drin.
Da hat Schäuble immer eine Flasche Bier drin.
Wolfgang Schäuble ist ein ziemlich schräger Typ.
Wenn die Ingeborg das merkt, dann gibt es Prügel, gibt es Prügel, gibt es Prügel.
Wenn die Ingeborg das merkt, dann gibt es Prügel.
Wolfgang Schäuble ist ’ne richtig arme Sau.

Jetzt kommt Ingeborg vom Einkaufen zurück. Ich blogge ein ander Mal weiter. Ciao liebe Finanzminister-Fans!