Alfons Paquet
Alfons Hermann Paquet (* 26. Januar 1881 in Wiesbaden; † 8. Februar 1944 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jugend und Studienjahre
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alfons Paquet wurde als Sohn eines streng baptistischen Wiesbadener Handschuhmachers geboren, der ihm nicht seinen Wunsch erfüllte, die Schule mit dem Abitur abzuschließen. So musste er eine Ausbildung zum Handschuhmacher absolvieren, anschließend machte er eine kaufmännische Ausbildung in Mainz.
1900 gewann er einen Preis für eine Erzählung und entschloss sich, nach Berlin überzusiedeln und Journalist zu werden. Schon 1901 veröffentlichte er einen ersten Erzählband und im darauf folgenden Jahr ein Buch mit Gedichten und Liedern. Bald darauf wurde er Redakteur der in Düsseldorf erscheinenden Kulturzeitschrift Die Rheinlande und konnte sich mit verschiedenen Tätigkeiten ab 1902 ein Studium finanzieren, das er 1907 an der Universität Jena mit einer wirtschaftsgeschichtlichen Dissertation abschloss. Während seines Studiums wurde er Mitglied der Turnerschaft Ghibellinia zu Heidelberg.
Reiseschriftsteller
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits 1903 begann Paquet eine – sein ganzes späteres Leben bestimmende – Reisetätigkeit. Er fuhr mit der neu eröffneten Transsibirischen Eisenbahn durch Sibirien. Schon im nächsten Jahr unternahm er eine Reise in die USA zur Louisiana Purchase Exposition. In dieses Jahr fällt auch der Beginn seiner Arbeit für die Frankfurter Zeitung.
In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg unternahm Paquet mehrmals Reisen in die Mongolei und nach China, eine Fahrt mit der Bagdadbahn bis nach Syrien und an diverse andere Ziele. Außerdem war er Zeuge der Ferrer-Unruhen in Paris. Sie bildeten den Hintergrund für seinen ersten Roman Kamerad Fleming.
1906 erschien ein weiterer Gedichtband, 1909 ein Band mit Reiseberichten, der seine Korrespondentenberichte für die Frankfurter Zeitung enthält.
Am 18. Oktober 1910 heiratete er die Frankfurter Malerin Marie Henriette Steinhausen und zog mit ihr nach Dresden-Hellerau, wo Paquet nun für den Deutschen Werkbund arbeitete. Das Paar bekam bis 1919 sechs Kinder. In Hellerau veröffentlichte Paquet Kamerad Fleming, das Reisebuch Li oder im Neuen Osten, sowie einen Gedichtband und ein Buch mit Kurzgeschichten.
Doch auch diese Periode der Familiengründung und intensiver schriftstellerischer Tätigkeit hielt ihn nicht vom Reisen ab. So unternahm er im Frühjahr 1913 eine Reise nach Jerusalem, die er wegen des Todes seines Vaters unterbrach und im Herbst 1913 fortsetzte. Ab 1914 wohnte er mit seiner Familie bis zum Umzug ans Frankfurter Mainufer (1936) in Oberursel. 1915 veröffentlicht er In Palästina. Paquet wurde damit zu einem engagierten christlichen Unterstützer des Zionismus.
Zeitungskorrespondent und Theaterautor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1915 wurde Paquet Korrespondent der Frankfurter Zeitung im neutralen Stockholm. Von hier aus beobachtete er die Vorgänge in Russland und unternahm 1918 eine Erkundung im Bürgerkriegsgebiet Finnland. Im Sommer des gleichen Jahres begab er sich nach Moskau, um dort Augenzeuge und Berichterstatter der bolschewistischen Revolution zu werden. Er knüpft vielfältige Kontakte mit führenden Kommunisten, bevor er im November in das gerade im Umbruch befindliche Deutschland zurückkehrt. In der Folgezeit entfaltet er eine rege Publikationstätigkeit, um das deutsche Bürgertum von den Vorgängen in Russland zu unterrichten.
Nachdem er im Kriege einen Pakt zwischen Deutschland und Russland zur Verhinderung einer amerikanischen Vormachtstellung ersehnt hatte, wurde Paquet doch zu einem Anhänger der Weimarer Republik und beschäftigte sich intensiv mit dem Gedanken einer „rheinischen“ Erneuerung Europas mit Deutschland als Mittler zwischen Ost und West. Ihm schwebte ein pazifistisches Deutschland in einer europäischen Union vor.
In den Zwanziger Jahren schrieb Paquet vermehrt für das Theater. Seine Stücke Fahnen und Sturmflut wurden von Erwin Piscator an der Berliner Volksbühne aufgeführt. 1925 gründete er mit Jakob Kneip den „Bund Rheinischer Dichter“ und blieb bis 1933 dessen Vorsitzender. 1929 entwarf Paquet das Konzept für Walter Ruttmanns Film Melodie der Welt, der eine Vielzahl von Impressionen einer Weltreise aneinander reiht. Der Film gilt als einer der ersten deutschen Tonfilme.
Pazifist im NS-Staat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1932 wurde Alfons Paquet in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen. In Frankfurt überreichte er als Repräsentant der Stadt, er war Kuratoriumssekretär der Stiftung, mehrere Jahre lang den Goethepreis. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten trat er aus der Akademie aus, weil er deren Unterwerfung unter die neuen Machthaber nicht mitmachen wollte; sein Frankfurter Kuratoriumsposten wurde ihm gekündigt. Immerhin gelang es ihm, sich sein Einkommen als Journalist zu sichern, und so machte er 1934 umfangreiche Flugreisen durch Europa, über die er ein Reisebuch veröffentlichte. 1935 wurde er kurzzeitig in Berlin verhaftet, da er als Kommunist galt.[1]
Als überzeugter Pazifist war er 1933 festes Mitglied der Quäker geworden. Über diese Religionsgemeinschaft hielt er intensiven Kontakt nach England und in die USA und erhielt Besuch von ausländischen Glaubensgenossen, die sich ein Bild von der Lage in Deutschland machen wollten. 1938 nahm er die Möglichkeit wahr, zu einem Kongress der Quäker in die USA zu reisen, was er zu einer ausgiebigen Erkundung des Landes nutzte. Es erschien dazu ein überaus USA-freundliches Buch, in dem er die zivilen Errungenschaften Amerikas in höchsten Tönen lobte. Das Buch enthält zugleich ausführliche Schilderungen des amerikanischen Alltags und ist daher – ebenso wie sein Flugreisebuch – auch für den heutigen Leser von hohem Interesse.
Paquet war Mitglied der Reichsschrifttumskammer[2].
1943 fiel sein jüngster Sohn in Russland. Paquet, der auch die Deportation der Juden aus Frankfurt – über deren mörderische Konsequenzen er sich im Klaren war – als hilfloser Beobachter miterleben musste, versank in tiefe Niedergeschlagenheit. Während eines Bombenangriffs im Februar 1944 starb Alfons Paquet im Keller seines Wohnhauses an einem Herzinfarkt.
Sein Grab befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof (Gewann A 276a).[3] In Wiesbaden und Frankfurt am Main wurden Straßen nach ihm benannt.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Originalausgaben (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lieder und Gesänge. Mit einer Vorbemerkung von Carl Busse. Grote, Berlin 1902, online – Internet Archive
- Das Ausstellungsproblem in der Volkswirtschaft. Fischer, Jena 1908 (= Abhandlungen des staatswissenschaftlichen Seminars zu Jena, Band 5, Heft 2)
- Südsibirien und die Nordwestmongolei. Politisch-geographische Studie und Reisebericht für die Geographische Gesellschaft zu Jena. Fischer, Jena 1909
- Kamerad Fleming. Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1911; Neuausgabe: Edition AV, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-936049-32-7
- Li oder im neuen Osten. Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1912
- Erzählungen an Bord. Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1914
- In Palästina. Diederichs, Jena 1915
- Im kommunistischen Russland. Briefe aus Moskau. Diederichs, Jena 1919
- Der Geist der russischen Revolution. Wolff, Leipzig 1919; Reprint: BiblioBazaar, Charleston SC 2009, ISBN 978-1-116-45489-5
- Der Rhein als Schicksal oder Das Problem der Völker. Wolff, München 1920
- Der Rhein, eine Reise. Societäts-Druckerei, Frankfurt am Main 1923
- Amerika. Hymnen/Gedichte. Die Wölfe, Leipzig 1925
- Lusikas Stimme, Novelle. 1925, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, Berlin und Leipzig
- Antwort des Rheines. Eine Ideologie. Filser, Augsburg 1928
- Der Neckar. Ein Lebensbild, mit Zeichnungen von Joachim Lutz, J.Horning/Heidelberg 1928
- Der Rhein. In Fritz Taeuber, Grieben Grenzlandführer für die wandernde Jugend: Rheinische Grenzlande. Von Eupen zur Saar. Grieben-Verlag Albert Goldschmidt, Berlin 1931
- Fluggast über Europa. Ein Roman der langen Strecken. Knorr & Hirth, München 1920–1933
- Amerika unter dem Regenbogen. Farben – Konturen – Perspektiven. Societät, Frankfurt 1938
- Der Rhein. Vision und Wirklichkeit. Fotos von Paul Wolff. Bagel, Düsseldorf 1940
- Die Botschaft des Rheins. Erlebnis und Gedicht. Henn, Ratingen 1941
- Die Frankfurterin. Kramer, Frankfurt 1947; 2. erw. A. 1970
- Gaswelt und vier andere Essays, Köln 1940, 2. Auflage
- Gedichte. Hrsg. v. Alexander von Bernus. Wallstein, Göttingen 1956, ISBN 3-89244-157-X
Werkausgabe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gesammelte Werke. 3 Bände, hrsg. v. Hanns Martin Elster. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1970 ISBN 3-7849-1049-1
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bibliographie Alfons Paquet. Woeller, Frankfurt 1958
- Karl Korn: Rheinische Profile. Stefan George, Alfons Paquet, Elisabeth Langgässer. Neske, Pfullingen 1988, ISBN 3-7885-0309-2
- Sabine Brenner, Gertrude Cepl-Kaufmann, Martina Thöne: „Ich liebe nichts so sehr wie die Städte …“ Alfons Paquet als Schriftsteller, Europäer, Weltreisender. Klostermann, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-465-03174-1
- Sabine Brenner (Hrsg.): „Ganges Europas, heiliger Strom!“ Der literarische Rhein 1900–1933. Ausstellungskatalog. Droste, Düsseldorf 2001, ISBN 3-7700-1141-4
- Bernhard Koßmann: Paquet, Alfons. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 59 f. (Digitalisat).
- Paquet, Alfons. In: Proletarisch-revolutionäre Literatur 1918 bis 1933. Volk und Wissen, Berlin 1970, S. 323. (=Schriftsteller der Gegenwart 9)
- Oliver M. Piecha, Sabine Brenner (Hrsg.): „In der ganzen Welt zu Hause“. Tagungsband Alfons Paquet. Grupello, Düsseldorf 2003, ISBN 3-933749-98-0
- Martina Thöne: Zwischen Utopie und Wirklichkeit. Das dramatische Werk von Alfons Paquet. Lang, Bern 2005, ISBN 3-631-53381-0
- Gerd Koenen: „Rom oder Moskau.“ Deutschland, der Westen und die Revolutionierung Russlands 1914–1924. Diss. Tübingen 2003 (Zugang zur Online-Ressource)
- Claus Bernet: Alfons Paquet. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 26, Bautz, Nordhausen 2006, ISBN 3-88309-354-8, Sp. 1049–1114 .
- Gerd Koenen: Der Russland-Komplex. Die Deutschen und der Osten 1900–1945. Beck, München 2005, ISBN 3-406-53512-7 (Knüpft an Rom oder Moskau an. Ein zentraler Bestandteil sind Paquets Tagebuchaufzeichnungen, Korrespondenzen und Arbeiten. Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2007)
- Thomas Hatry: Alfons Paquet – Held ohne Namen. Katalog zu Leben, Werk, Bibliothek und Korrespondenz. Heidelberg, 2014.
- Oliver M. Piecha: Der Weltdeutsche. Eine Biographie Alfons Paquets. Spreesand-Verlag, Berlin, 2016, ISBN 978-3-945558-20-1
- Christopher Meid: Zwischen Sinnsuche und Instrumentalisierung. Metamorphosen der Russischen Revolution im Werk von Alfons Paquet. In: Text & Kontext 35 (2013), S. 145–164.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Alfons Paquet im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Paquet, Alfons Hermann. Hessische Biografie. (Stand: 9. Mai 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Paquet, Alfons im Frankfurter Personenlexikon
- Werke von Alfons Paquet im Projekt Gutenberg-DE
- Alfons Paquet im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren
- Homepage
- mehrere Werke digitalisiert bei archive.org
- Bibliographie Alfons Paquet Im Findbuch Hanna Meuter 1951–1954, lfd. Nr. 345 und öfter. Meuter plante ein Buch über ihn. Enthält (u. a.): Aufbau des gepl. Buchs; Korrespondenz mit der Witwe Paquet; Typoskripte der Kap. 1, 2 und 4; Zu seinem 10. Todestag am 8. Februar 1954.
- Monika Grucza, Bedrohtes Europa. Studien zum Europagedanken bei Alfons Paquet, André Suarès und Romain Rolland in der Periode zwischen 1890 und 1914. Diss. phil. Universität Gießen, 2008
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bundesarchiv Berlin, BA DO 1 Bd. 32642
- ↑ Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1943, s. 819.
- ↑ Wegweiser zu den Grabstätten bekannter Persönlichkeiten auf Frankfurter Friedhöfen. Frankfurt 1985, S. 7
Personendaten | |
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NAME | Paquet, Alfons |
ALTERNATIVNAMEN | Paquet, Alfons Hermann (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Journalist und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 26. Januar 1881 |
GEBURTSORT | Wiesbaden |
STERBEDATUM | 8. Februar 1944 |
STERBEORT | Frankfurt am Main |
- Autor
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- Literatur (Deutsch)
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- Lyrik
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- Quäkertum im deutschsprachigen Raum
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