Pierre Messmer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Pierre Messmer in Trouville 1988

Pierre Messmer (* 20. März 1916 in Vincennes; † 29. August 2007 in Paris) war ein französischer Politiker (UNR/UDR, RPR). Von 1960 bis 1969 war er Verteidigungsminister und von 1972 bis 1974 Premierminister Frankreichs. In seine kurze Amtszeit fällt der Beginn des Bauprogramms für Kernkraftwerke, welches bis 1989 zum Bau von 56 Reaktoren führte.[1][2][3]

Jugend und Ausbildung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pierre Messmer wurde 1916 in eine aus dem Elsass stammende Familie geboren, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 für Frankreich optiert hatte. Nach dem Besuch der École Massillon und des Lycée Charlemagne studierte er von 1934 bis 1937 an der École nationale de la France d’Outre-Mer und von 1934 bis 1936 am Institut national des langues et civilisations orientales. 1939 promovierte er zum Doktor der Rechtswissenschaften.

Zweiter Weltkrieg und Indochina-Krieg

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zweiten Weltkrieg war Messmer 1939 zunächst Leutnant beim 12. Regiment der Tirailleurs sénégalais. Nach der Niederlage von 1940 schloss er sich den Streitkräften des Freien Frankreich an. Als Offizier der 13. Halbbrigade der Fremdenlegion kämpfte er in Eritrea (vgl. Ostafrikafeldzug), Syrien und Nordafrika (Schlacht von Bir Hakeim und El-Alamein, 1942). 1944 war er an der Landung in der Normandie und der Befreiung von Paris beteiligt.

Im August 1945 kam Messmer als Fallschirmjäger nach Französisch-Indochina. Dort wurde er im Indochinakrieg (1946 bis 1954) von den Việt Minh gefangen genommen, konnte aber nach zwei Monaten aus der Gefangenschaft fliehen.

Verwaltungsbeamter in den Überseegebieten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Folge übte Messmer zahlreiche Funktionen in der Verwaltung der französischen Überseegebiete aus. 1946 wurde er Generalsekretär des interministeriellen Ausschusses für Indochina (Comité interministériel pour l’Indochine), von 1947 bis 1948 war er Kabinettchef des französischen Hochkommissars in Indochina. 1950 wechselte er nach Französisch-Westafrika und wurde zunächst Kreisverwalter der Region Adrar in Mauretanien, 1952 dann Gouverneur von Mauretanien. Von 1954 bis 1956 war er Gouverneur der Elfenbeinküste. 1956 kehrte er für kurze Zeit als Kabinettsdirektor des Überseeministers (Gaston Defferre, ministre de la France d’outre-mer) nach Paris zurück, bevor er noch im selben Jahr Hochkommissar im Kamerun wurde. 1958 übte er kurzzeitig die Funktion des Hochkommissars in Französisch-Äquatorialafrika aus. Von 1958 bis 1959 war Messmer Hochkommissar in Französisch-Westafrika.

Minister für Nationale Verteidigung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Gründung der Fünften Republik durch Charles de Gaulle wurde Messmer im Februar 1960 Armeeminister. In seine Amtszeit bis April 1969 fielen der „Aufstand der Generäle“ im April 1961, die Beendigung des Algerienkrieges 1962, die Reduzierung und Umstrukturierung der französischen Streitkräfte am Ende der Kolonialära sowie der Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO 1966. Er verschaffte Frankreich die vom Staatspräsidenten de Gaulle gewünschte Atomstreitkraft.[4] In diesem Zusammenhang verantwortete Messmer auch die Auswirkungen der französischen Kernwaffentests („Essai nucléaire“) – teils oberirdisch – seit Beginn der 1960er Jahre:

  • 1960–1961 führte Frankreich in besiedeltem Gebiet, nämlich in der algerischen Sahara nahe Reggane, vier oberirdische Atomwaffentests durch. Bis zu 30.000 Menschen erlitten dadurch in der Folgezeit Schäden.[5][6][7]
  • Bei In Ekker führte die französische Armee 13 unterirdische Kernwaffentests durch. Beim zweiten Test (1. Mai 1962) waren Messmer sowie Wissenschaftsminister Gaston Palewski anwesend. Die Explosion blies Radioaktivität in die Atmosphäre; etwa hundert Personen (darunter die beiden Minister) wurden mit einer Strahlendosis von jeweils über 50 mSv verstrahlt.
  • Vom 2. Juli 1966 bis zum 14. September 1974 führte Frankreich weitere 41 oberirdische Tests durch.

1971 war Messmer kurze Zeit Überseeminister (ministre de la France d’outre-mer).

Amtszeiten als Premierminister

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 6. Juli 1972 wurde Messmer von Staatspräsident Georges Pompidou als Nachfolger von Jacques Chaban-Delmas zum Premierminister ernannt. Messmer leitete in der Folge drei kurzlebige Regierungen (6. Juli 1972 bis 2. April 1973, 5./6. April 1973 bis 1. März 1974, 1. März 1974 bis 28. Mai 1974).

Tätigkeiten als gewählter Volksvertreter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben seinen Funktionen in hohen Regierungsämtern war Messmer von 1968 bis 1988 auch Abgeordneter der Nationalversammlung für das Département Moselle. Von 1986 bis 1988 war er Fraktionsvorsitzender des gaullistischen RPR in der Nationalversammlung.

Außerdem war er von 1971 bis 1989 Bürgermeister von Sarrebourg, von 1978 bis 1979 Präsident des Regionalrats von Lothringen und von 1979 bis 1980 Mitglied des Europäischen Parlaments.

Rückzug aus der Politik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1988 wurde Messmer nach seinem Rückzug aus der Politik in die Académie des sciences morales et politiques (eine der fünf Akademien des Institut de France) gewählt, deren „Ewiger Sekretär“ (secrétaire perpétuel) er von 1995 bis 1998 war. 1995 wurde er Präsident des Institut Charles de Gaulle. Am 25. März 1999 wurde er in die Académie française gewählt, auf den Platz von Maurice Schumann („13. fauteuil“). 1999 bis 2006 war er Kanzler des Institut de France. Seit Oktober 2001 war Messmer auch Präsident der Fondation de la France Libre. Seit 2006 war er Kanzler des Ordre de la Libération. Pierre Messmer starb am 29. August 2007 im Militärkrankenhaus Val-de-Grâce in Paris.[8]

  • Le Régime administratif des emprunts coloniaux (Doktoratsarbeit, 1939)
  • Le Service militaire. Débat avec Jean-Pierre Chevènement (1977)
  • Les Écrits militaires du général de Gaulle (1985, gemeinsam mit Alain Larcan)
  • Après tant de batailles. Mémoires (1992)
  • Les Blancs s'en vont. Récits de décolonisation (1998)
  • Le Rôle et la place de l’État au début du XXIe siècle (2001)
  • La Patrouille perdue (2002)
  • Ma part de France. Entretiens avec Philippe de Saint-Robert (2003)

Pierre Messmer war Träger folgender Orden und Ehrentitel:

Commons: Pierre Messmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. French nuclear power history – the unknown story. 3. März 2015, abgerufen am 20. April 2023 (amerikanisches Englisch).
  2. Le Gros, G.: The beginning of nuclear energy in France: Messmer's plan. In: Revue Generale Nucleaire. 2020 (iaea.org [abgerufen am 20. April 2023]).
  3. Nuclear Energy in France - History - Messmer Plan | Technology Trends. Abgerufen am 20. April 2023.
  4. Frankreichs neue Atompolitik: Das Erbe de Gaulles wird liquidiert. In: Die Zeit, 23. April 1971.
  5. Thomas Schneider: 30.000 Opfer durch französische Atomtests? (Memento vom 31. Mai 2009 im Internet Archive), ARD-Weltspiegel, 18. Januar 2009.
  6. Alan Cowell: France to Pay Nuclear Test Victims. In: The New York Times, 24. März 2009.
  7. Kurt Andersen: Atomic Test Case. In: Time Magazine, 26. April 2006.
  8. Frankreichs Ex-Premierminister Messmer gestorben (Memento vom 11. September 2007 im Internet Archive). In: Basler Zeitung, 29. August 2007.
  9. Hommage à Pierre Messmer - Mercredi 6 juillet 2016. Assemblée nationale, abgerufen am 20. April 2023 (französisch).